OLG Frankfurt a.M.: Wann sind die Kosten einer Schutzschrift erstattungsfähig?

veröffentlicht am 20. November 2008

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20.05.2008, Az. 6 W 61/08
§§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; 13 RVG; Nr. 3100 VV RVG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Kosten für die Erstellung einer Schutzschrift als vorsorgliche Verteidigung gegen eine einstweilige Verfügung von der Gegenseite zu erstatten sind, wenn in der Schutzschrift ein Antrag auf Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt wurde und die Schutzschrift „zur Akte genommen“ und damit Bestandteil des Verfahrens wurde. Für die Erstellung einer Schutzschrift entstehen dem Rechtsanwalt in der Regel Kosten in Höhe einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr. Unter anderem das LG Hamburg sieht dies genauso (LG Hamburg, Beschluss vom 28.05.2008, Az. 407 O 219/07). Nicht zu entscheiden hatte das Oberlandesgericht über die Frage, in welcher Höhe die Verfahrensgebühr anzusetzen ist, wenn der Antragssteller seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzieht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 6. Zvilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter am Oberlandesgericht … am 20.05.2008 beschlossen:

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts wird dahingehend abgeändert, dass von der Antragstellerin aufgrund des vollstreckbaren Beschlusses des Landgerichts in Frankfurt am Main vom 10.03.2008 an Kosten 683,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz von § 247 BGB seit dem 20.03.2008 an die Antragsgegner zu erstatten sind.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; die Gebühr nach KV 1812 wird auf 25,00 EUR ermäßigt.

Von den nach einem Beschwerdewert von 1.129,60 EUR zu berechnenden außergerichtlichen Kosten haben die Parteien jeweils die Hälfte zu tragen.

Gründe

I.
Die Beschwerde ist statthaft. Nachdem das Beschwerdeverfahren von dem nach § 568 Satz 1 ZPO zuständigen Einzelrichter gemäß § 568 Satz 2 Nr. 1 ZPO auf den Senat übertragen wurde, ist der Senat zur Entscheidung berufen.

II.
Die Beschwerde ist teilweise begründet.

1)
Dabei steht der Festsetzung der Verfahrensgebühr entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht entgegen, dass die Antragsgegner mit Schriftsatz vom 19.03.2008 zunächst die Festsetzung einer „Geschäftsgebühr“ beantragt hatten. Denn dabei handelte es sich um ein Versehen. Gewollt war die Festsetzung einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr. Dies wurde ausweislich eines Aktenvermerks vom 08.04.2008 in einem Telefongespräch zwischen dem Rechtspfleger des Landgerichts und dem Antragsgegnervertreter geklärt. Durch die Umdeutung des ursprünglichen Antrags ist die Antragstellerin auch nicht beschwert. Denn in seinem Schriftsatz vom 03.04.2008 hatte sie selbst die Auffassung vertreten, festsetzbar sei lediglich eine – verminderte – Verfahrensgebühr.

2)
Nicht zu folgen ist der Antragstellerin auch in der Auffassung, eine Verfahrensgebühr sei deshalb nicht festzusetzen, weil die Antragsgegnervertreter in dem Verfahren nicht tätig geworden sind.

a)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des erkennenden Senats sind die Kosten für eine Schutzschrift als für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendige Kosten im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zumindest dann anzusehen, wenn die Schutzschrift Bestandteil des Verfahrens geworden ist und mit ihr ein Antrag auf Zurückweisung des Eilantrages gestellt wurde (BGH, Beschl. v. 13.03.2008 – I ZB 20/07 – juris-Tz 10 – Kosten der Schutzschrift III; Senat, Beschl. v. 28.11.1995 – 6 W 110/95GRUR 1996, 229). Denn durch die Hinzuziehung der Schutzschrift zu den Akten entsteht ein echtes Parteiverhältnis aufgrund der Schutzschrifteinreichung in Verbindung mit dem Verfügungsantrag, so dass die Schutzschrift ihre Funktion erfüllen kann (Senat, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Denn die Antragsgegner hatten im Hinblick auf den erwarteten Eilantrag der Antragstellerin am 27.12.2007 beim Landgericht Frankfurt am Main eine von ihren Prozessbevollmächtigen verfasste Schutzschrift hinterlegt, in der die Zurückweisung eines möglichen Antrags auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung beantragt wurde. Diese Schutzschrift ist zur Akte genommen und damit Gegenstand des Rechtsstreits geworden.

b)
Die damit entstandene Verfahrensgebühr beläuft sich nach Nr. 3100 RVG VV auf eine 1,3-fache Gebühr nach § 13 RVG. Der Sachvortrag in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift unterscheidet sich zwar von einer Entgegnung auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dadurch, dass er unter Umständen auf Vermutungen über den Inhalt der Antragsschrift angewiesen ist, die er zu entkräften sucht. Nach der Neuregelung der Nr. 3101 RVG VV rechtfertigt dies aber nicht die unterschiedliche Behandlung des Vortrags in einer Schutzschrift und des Vortrags in einer Antragsentgegnung im Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der Sachvortrag in der Schutzschrift ebenfalls vom Gericht bei seiner Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu berücksichtigen ist (BGH, a.a.O., juris-Tz 14).

3)
Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen der Anrechnungsvorschrift nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren eine ebenfalls in Höhe des 1,3-fachen Satzes entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechen (BGH, Beschl. v. 22.01.2008 – VIII ZB 57/07NJW 2008, 1323 ff – juris-Tz 6 f; Urt. v. 07.03.2007 – VIII ZR 86/06NJW 2007, 2049 – juris-Tz 10).

a)
Dem steht – entgegen der vom Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 23.04.2008 vertretenen Auffassung – nicht entgegen, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr hier auf eine in einem Eilverfahren entstandene Verfahrensgebühr erfolgt. Dem Argument des Landgerichts, durch eine Entscheidung im Eilverfahren werde keine endgültige Regelung herbeigeführt, so dass keine Geschäftsgebühr entstehe, die angerechnet werden könne, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Maßgebend ist vielmehr eine wertende wirtschaftliche Betrachtung, wobei der Zweck der Anrechnungsregel zu berücksichtigen ist. Dieser besteht darin, dass sich ein typischerweise geringerer Aufwand des Rechtsanwalts auf die Höhe der insgesamt verdienten Gebühren auswirken soll (BGH, Urt. v. 14.03.2007 – VIII ZR 184/06NJW 2007, 2050 ff, juris-Tz 13 ff). Notwendig aber für die Anrechnung auch ausreichend ist deshalb neben einem zeitlichen und personellen Zusammenhang ein enger inhaltlicher Zusammenhang. Dieser besteht zwischen einer außergerichtlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten für die (später) im Eilverfahren in Anspruch genommenen Partei und dem Eilverfahren selbst.

Demgemäß entspricht es allgemeiner Übung, die Geschäftsgebühr für die Abmahnung bereits auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Eilverfahrens anzurechnen (vgl. auch Hirsch, WRP 2004, 1226, 1230 u. 1232, Bsp. 2 und 4), während nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 4.3.2008
VI ZR 176/07) für ein etwa nachfolgendes Abschlussschreiben eine weitere Geschäftsgebühr entsteht, weil es sich insoweit um eine andere Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn handelt.

b)
Eine Geschäftsgebühr ist in dem vorliegenden Fall auch entstanden. Denn die Prozessbevollmächtigen der Antragsgegner waren im Hinblick auf die Abmahnung durch die Antragstellerseite bereits vor der Stellung des Eilantrags mit der Angelegenheit befasst und haben der Antragstellerin mit dem Schreiben vom 02.01.2008 (Bl. 71) ihre Bevollmächtigung angezeigt.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 1812 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG sowie §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

I