OLG Frankfurt a.M.: Zur Bestimmtheit des Unterlassungsantrags bei Erstbegehungsgefahr

veröffentlicht am 21. Dezember 2012

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 03.12.2012, Az. 6 U 230/12
§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO,
§ 3 UWG, § 5 UWG, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Klageantrag über einen Unterlassungsanspruch, der sich auf die Erstbegehungsgefahr einer angekündigten Folgehandlung begründet, grundsätzlich dem Bestimmtheitsgebot genügt, wenn er sich in der Formulierung an der Handlung orientiert, aus der sich die Erstbegehungsgefahr ergibt (hier: Werbeanzeige, die potentiellen Anzeigenkunden verbotene, getarnte Werbung verspricht). Es müsse dann jedoch im Vollstreckungsverfahren der Tenor des Unterlassungsurteils entsprechend eng ausgelegt werden. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss

In dem Rechtsstreit

wird die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 18.9.2012 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung war durch Beschluss zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 II ZPO erfüllt sind. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 29.10.2012 Bezug genommen (§ 522 II 3 ZPO), dessen Gründe nachfolgend nochmals wiedergegeben werden:

„Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, steht der Antragstellerin der mit dem Antrag zu 1. geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3 III i.V.m. Ziffer 11 des Anhangs hierzu, 8 III Nr. 1 UWG, jedenfalls aber aus §§ 3, 5, 8 III Nr. 1 UWG zu.

Die Aussage „Ihre Vorteile als Anzeigenkunde … Kostenlose redaktionelle Präsentation Ihres Produkt Highlights im … Sonderteil“ in der beanstandete Werbeschrift kann von dem angesprochenen Anzeigeninteressenten nur dahin verstanden werden, dass er bei Schaltung einer Anzeige als weitere Gegenleistung hierfür sein Produkt im redaktionell aufgemachten, d. h. nicht als Werbung kenntlich gemachten oder sonst als Werbung erkennbaren Teil der Messezeitschrift positiv darstellen kann. Ausgehend von diesem Verkehrsverständnis verstößt die Werbeaussage der Antragsgegnerin wahlweise gegen das Verbot der als Information getarnten Werbung (Ziffer 11 des Anhangs zu § 3 III UWG) oder gegen das Irreführungsverbot (§ 5 UWG).

Denn entweder setzt die Antragsgegnerin die in der Werbeschrift enthaltene Ankündigung um; in diesem Fall stellt sich diese Ankündigung bereits als nach außen gerichteter Bestandteil des Verstoßes gegen Ziffer 11 des Anhangs zu § 3 III UWG dar. Oder aber die Antragsgegnerin ist – wie sie in der Berufungsbegründung vorträgt – entgegen dieser Ankündigung nicht bereit, als Gegenleistung für die in Auftrag gegebene Anzeige eine redaktionell aufgemachte Information des Kunden in ihrem Heft unterzubringen; in diesem Fall beinhaltet die Ankündigung eine relevante Irreführung (§ 5 UWG) über den Inhalt der versprochenen Leistung.

Auch hinsichtlich des Unterlassungsantrages zu 2. ist das Eilbegehren zulässig und begründet.

Allerdings ergibt sich der insoweit geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt der durch eine bereits begangene Verletzungshandlung begründeten Wiederholungsgefahr, sondern – worauf die Antragstellerin das Verfügungsbegehren zu Ziffer 2. ihres Antrags auch allein gestützt hat (vgl. S. 8 der Antragsschrift sowie S. 2 des Schriftsatzes des Antragstellervertreters vom 31.8.2012) – unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr; beide Gesichtspunkte begründen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. WRP 2006, 584 – Schlank-Kapseln) unterschiedliche Streitgegenstände.

Aus der Werbeschrift mit der Aussage, die Gegenstand des Antrages zu 1. ist, ergibt sich zugleich eine Erstbegehungsgefahr dafür, dass die Antragsgegnerin den angekündigten Verstoß gegen das Verbot der bezahlten, redaktionell getarnten Werbung auch tatsächlich begehen wird. Denn wie bereits ausgeführt, konnte der Werbeaussage nur eine darauf gerichtete ernsthafte Absicht der Antragsgegnerin entnommen werden.

Der vom Landgericht antragsgemäß erlassene Unterlassungstenor zu 2. ist im Hinblick auf die Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung auch nicht zu unbestimmt.

Zwar kann der darin verwendete Begriff der „redaktionellen Präsentation“ erhebliche Abgrenzungsprobleme aufwerfen, weil die Frage, wann die bezahlte positive Darstellung gewerblicher Leistungen als „redaktionell“ einzustufen ist, stets von den Gesamtumständen der Veröffentlichung abhängt. Daher kann bei einem auf den Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gestützten Unterlassungsbegehren der Klageantrag regelmäßig nur dann als hinreichend bestimmt angesehen werden, wenn er auf die konkrete Verletzungshandlung Bezug nimmt. Eine solche Bezugnahme auf eine konkrete Verletzungsform scheidet jedoch von vornherein aus, wenn – wie hier – der Unterlassungsanspruch allein auf den Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr gestützt wird. Da auch in diesem Fall dem Unterlassungsgläubiger ein effektiver Rechtsschutz nicht versagt werden kann (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 607 – Telefonwerbung für Individualverträge, Tz. 16 m.w.N.), muss es möglich sein, die Fassung des gegen die drohende Verletzungshandlung gerichteten Unterlassungsantrages an demjenigen Verhalten zu orientieren, aus dem sich die Erstbegehungsgefahr ergibt. Dies ist hier geschehen; denn den Begriff der „redaktionellen Präsentation“ hat die Antragsgegnerin selbst in ihrem Werbeschreiben verwendet.

In Fällen der vorliegenden Art kann und muss allerdings dem Zweck des Bestimmtheitsgebotes durch eine eingeschränkte Auslegung des Unterlassungstitels Rechnung getragen werden. Die nach § 253 II Nr. 2 ZPO erforderliche Bestimmtheit des Unterlassungsantrages soll dem Unterlassungsschuldner Klarheit über Inhalt und Umfang des Verbots verschaffen und eine Verlagerung dieser Frage in das Vollstreckungsverfahren verhindern (vgl. zuletzt BGH GRUR 2012, 407 – Delan, Tz. 15 m.w.N.). Ist diese Klarstellung auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls im Tenor nicht möglich, ist das Unterlassungsgebot im Rahmen eines etwaigen Vollstreckungsverfahrens eng, nämlich in der Weise auszulegen, dass – im vorliegenden Fall – nur solche positive und als Gegenleistung für einen Anzeigenauftrag erfolgte Darstellungen gewerblicher Leistungen als „redaktionelle Präsentation“ eingestuft werden, die den Werbecharakter ohne jeden Zweifel nicht erkennen lassen.“

Das Vorbringen im Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 29.11.2012 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Zum Unterlassungsausspruch gemäß Ziffer 1. des Tenors enthält der Schriftsatz keine weiteren Ausführungen. Im Übrigen hat der Senat im Hinweisbeschluss vom 29.10.2012 im Einzelnen dargelegt, warum der Verbotstenor zu 2. im Hinblick auf die Besonderheiten des auf eine Erstbegehungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruchs im vorliegenden Fall nicht präziser gefasst werden kann und dem Bestimmtheitsgebot stattdessen durch eine enge Auslegung des Tenors Rechnung getragen werden kann und muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

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