OLG Hamburg: 15,00 EUR Schadensersatz pro Filesharing-Titel zu wenig

veröffentlicht am 28. April 2014

OLG Hamburg, Urteil vom 07.11.2013, Az. 5 U 222/10
§ 832 Abs. 1 S. 1 BGB; § 287 ZPO

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass für das Filesharing von Musiktiteln über eine Internettauschbörse ein Schadensersatz in Höhe von 200,00 EUR pro Titel anfällt. Die Vorinstanz (hier) hatte noch 15,00 EUR pro (veraltetem) Titel gemäß eines GEMA-Tarifs angenommen. Dies sei jedoch nach Auffassung des OLG nicht sachgerecht. Auf bestehende Tarifwerke könne nicht zurück gegriffen werden, sondern der Schadensersatz müsse im Wege der Lizenzanalogie geschätzt werden. 200,00 EUR pro Titel erschienen hier angemessen. Zum Volltext der Entscheidung:

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Urteil

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 8, vom 08.10.2010 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin zu 1. € 200,- zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 07.01.2010 zu zahlen.

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin zu 2. € 200,- zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 07.01.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen, soweit die Klägerinnen ihre Klage nicht bereits in Bezug auf die Abmahnkosten zurückgenommen haben.

Die Kostenentscheidung für die erste Instanz wird wie folgt neu gefasst:

Die Gerichtskosten tragen der Beklagte zu 1. zu 30 % und der Beklagte zu 2. zu 60 %; in Höhe von 10 % tragen beide Beklagte die Gerichtskosten als Gesamtschuldner.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. und der Klägerin zu 2. tragen der Beklagte zu 1. zu 30 % und der Beklagte zu 2. zu 60 %; in Höhe von 10 % tragen beide Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen als Gesamtschuldner.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. und 2. tragen die jeweiligen Beklagten selbst.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerinnen 73 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 27 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerinnen begehren von den Beklagten noch Schadensersatz wegen des unerlaubten Anbietens zweier Musikaufnahmen in einer Internettauschbörse.

Die Klägerin zu 1. ist Inhaberin der ausschließlichen Tonträgerherstellerrechte an der Musikaufnahme „…“ der Künstlergruppe „…“, die Klägerin zu 2. ist Inhaberin entsprechender Rechte an der Musikaufnahme „…‘ … … …“ des Künstlers „…“.

Die Gruppe „…“ gehört zu den national und auch international erfolgreichsten deutschen Musikgruppen. Die Aufnahme „…“ stammt aus dem Jahre 1998 und erreichte damals Platz 3 der Singlecharts, das Album mit der Aufnahme „…“ hielt sich wochenlang auf Platz 1 der Albumcharts. Das Album wurde zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch für € 14,42 bei Amazon gehandelt.

Der Künstler „…“ gehört zu den national erfolgreichsten deutschen Interpreten. Die Aufnahme „…‘ … … …“ stammt aus dem Jahre 1992. Sie wurde auf dem Album „… …“ veröffentlicht, welches sich ebenfalls wochenlang auf Platz 1 der Albumcharts hielt. Der Künstler „…“ wurde für dieses Album 1993 mit ECHO-Awards in drei Kategorien ausgezeichnet. Die „digitally remastered“ Version des Albums wurde zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch für € 13,99 bei Amazon gehandelt.

Der am …1990 geborene Beklagte zu 2. machte am 22.06.2006 um 23:30:09 Uhr (MESZ) über den Internetanschluss des Beklagten zu 1., seines Vaters, in einem P2P-Netzwerk mittels der auf dem „Gnutella“-Protokoll basierenden Software „BearShare“ 4.120 Audio-Dateien im Wege des Filesharing für andere Teilnehmer aufrufbar und downloadbar. Darunter befanden sich zwei Dateien mit den oben genannten Musikaufnahmen „…“ und „…‘ … … …“. Der Beklagte zu 1. hatte keine Kenntnis davon, dass der Beklagte zu 2. an einer solchen Internettauschbörse teilnahm.

Die Klägerinnen sehen sich durch die Nutzung der Aufnahmen in ihren Rechten verletzt, erstatteten Strafanzeige gegen die zunächst noch unbekannten Nutzer, übersandten den Beklagten nach Ermittlung von deren Namen und Anschriften durch die Staatsanwaltschaft ein – zugleich im Namen 4 weiterer, insgesamt 6 unterschiedlicher Tonträgerhersteller erhobenes – Abmahnschreiben vom 25.01.2007 (Anlage K 5) und forderten diese zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die in den Abmahnschreiben genannten Tonträgerhersteller boten den Beklagten darüber hinaus eine außergerichtliche Regelung gegen eine Schadensersatzzahlung in Höhe von insgesamt € 4.000,- an. Hierauf reagierten die Beklagten nicht.

Mit ihrer Klage hatten die Klägerinnen zunächst neben dem weiterhin anhängigen Anspruch auf Schadensersatz auch Unterlassung und Aufwendungsersatz verlangt. Das Unterlassungsbegehren haben die Parteien bereits in erster Instanz übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagten am 20.01.2010 eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hatten.

Die Klägerinnen machen für die Nutzung jeder Musikaufnahme Schadensersatz nach der Lizenzanalogie in Höhe von € 300,- geltend. Sie verweisen auf die fortdauernde Popularität und den Erfolg der Künstler sowie den Erfolg der Aufnahmen. Als Anknüpfungspunkt für eine Schätzung ziehen sie den GEMA-Tarif VR-W I Ziff. IV. heran. Danach ist für eine öffentliche Zugänglichmachung im Internet im Wege des Streaming (ohne Download) eine Mindestvergütung von € 100,00 für bis zu 10.000 Aufrufe vorgesehen. Die beim Filesharing angebotene Downloadmöglichkeit rechtfertigt nach Auffassung der Klägerinnen eine dreifach höhere Lizenz.

Die Klägerinnen haben in erster Instanz ferner den Ersatz der Anwaltskosten für die Abmahnung verlangt, die sie nach einem Streitwert von € 9.600,00 mit einer 1,3-Geschäftsgebühr (€ 631,80), einer 0,3-Erhöhungsgebühr (€ 145,80) und einer Pauschale (€ 20,00) in Höhe von € 797,60 berechnet haben.

Die Klägerinnen haben vorgetragen,
die Beklagten seien ihnen auf Grund der Rechtsverletzung in der geforderten Höhe zum Schadensersatz verpflichtet. Soweit sich die Beklagten darauf beriefen, die vorgerichtliche Korrespondenz nicht erhalten zu haben, sei diese Darstellung unglaubwürdig. Die – insgesamt 3 – Schreiben seien von der Kanzlei ihrer, der Klägerinnen, Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß versandt worden und nicht als unzustellbar zurückgekehrt. Die Anschrift der Beklagten sei von dem Einwohnermeldeamt als zutreffend bestätigt worden.

Die Klägerinnen haben in erster Instanz beantragt,

die Beklagten zu verurteilen,

1. an die Klägerin zu 1. € 300,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. an die Klägerin zu 2. € 300,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. gesamtschuldnerisch an die Klägerinnen die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 797,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben in Abrede gestellt, vorgerichtliche Schreiben der Klägerinnen erhalten zu haben. Sie bestreiten die Angemessenheit der geltend gemachten Lizenz. Ein Zinsschaden sei den Klägerinnen nicht entstanden.

Das Landgericht Hamburg hat mit dem angegriffenen Urteil vom 08.10.2010 den Beklagten zu 2. zur Zahlung von jeweils € 15,- zuzüglich Zinsen für jede der beiden Musikaufnahmen verurteilt. Die weitergehende Klage gegen den Beklagten zu 2. sowie die gegen den Beklagten zu 1. erhobene Klage hat das Landgericht abgewiesen. Gegen die Abweisung der Klage richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerinnen. Die Klägerinnen haben in zweiter Instanz ihr Klagebegehren unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags zunächst in vollem Umfang weiterverfolgt.

Die Klägerinnen beanstanden, das Landgericht habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, seine Befugnisse im Rahmen des schriftlichen Verfahrens überschritten und sei seiner Pflicht zur Prozessleitung nicht gerecht geworden. Von diesem Hintergrund beantragen die Klägerinnen eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht.

In der Sache selbst tragen die Klägerinnen weiter vor,
auch der Beklagte zu 1. sei zum Schadensersatz verpflichtet, weil er als Erziehungsberechtigter Aufsichtspflichten schuldhaft verletzt habe.

Bei der Bemessung des entstandenen Schadens habe das Landgericht zu Unrecht den GEMA-Tarif VR-OD 5 zur Anwendung gebracht. Einschlägig sei vielmehr der Tarif VR-W I. Ebenfalls sei das Landgericht unzutreffend von einer nur geringen Eingriffsintensität ausgegangen. Hierfür gebe es keine Grundlage. Insoweit seien die Beklagten darlegungs- und beweisverpflichtet. Sie hätten hierzu jedoch keine substantiellen Angaben gemacht. Aufgrund des Zeitraums, in welchem die Tauschbörsen-Software auf dem Rechner installiert gewesen sei, sei davon auszugehen, dass es in erheblichem Umfang zu Rechtsverletzungen gekommen sei.

Soweit die Klägerinnen Berufung zunächst auch insoweit eingelegt und begründet hatten, als das Landgericht ihren Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 797,60 nebst Zinsen abgewiesen hatte, haben sie ihre Berufung insoweit nach rechtlicher Erörterung in der Senatsverhandlung am 04.09.2013 zurückgenommen.

Die Klägerinnen haben weiterhin klargestellt, dass die Beklagten mit sämtlichen Anträgen als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden sollen.

Die Klägerinnen beantragen bei Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz nunmehr,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 08.10.2010 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. an die Klägerin zu 1. € 285,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. an die Klägerin zu 2. € 285,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil auf der Grundlage des bereits erstinstanzlich gestellten Klagabweisungsantrags.

Mit Schriftsatz vom 15.08.2013 hat der Beklagte zu 1. unter Beweisantritt vorgetragen, er sei seiner Aufsichtspflicht über den Beklagten zu 2. nachgekommen. Er habe diesen insbesondere darüber aufgeklärt und eindringlich mehrfach darauf hingewiesen, dass er im Internet nichts illegal und darüber hinaus auch nichts Kostenpflichtiges herunterladen dürfe. Entsprechenden Hinweisen und Belehrungen seiner Eltern sei der Beklagte zu 2. in der Vergangenheit auch nachgekommen. Bis zu dem streitgegenständlichen Vorfall habe das Verhalten des Beklagten zu 2. keinen Anlass zur Besorgnis oder zu einer Beanstandung gegeben.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll des Senats vom 04.09.2013 Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung ist nur zu einem Teil auch begründet. Das Landgericht hat die Beklagte zu 2. zu Recht zum Schadensersatz wegen der rechtsverletzenden Nutzung der beiden streitgegenständlichen Titel verurteilt. Die Höhe des Schadensersatzbetrages bemisst der Senat jedoch abweichend von dem Landgericht auf insgesamt € 200,- pro Titel. Hierfür sind die Beklagten, anders als vom Landgericht angenommen, als Gesamtschuldner verantwortlich. Die darüber hinausgehende Klageforderung ist unbegründet und die Berufung insoweit zurückzuweisen, soweit die Klägerinnen ihre Klage nicht bereits hinsichtlich der Abmahnkosten zurückgenommen haben.

1.
Die von den Klägerinnen gerügten Verfahrensfehler in 1. Instanz, z.B. wegen eines Verstoßes des Landgerichts gegen seine Prozessleitungspflicht gemäß § 139 ZPO, wegen einer Überraschungsentscheidung und/oder wegen einer verfahrensfehlerhaften Anordnung des schriftlichen Verfahrens gemäß § 128 ZPO, hindern den Senat in prozessualer Hinsicht nicht an einer eigenen Sachentscheidung. Die Klägerinnen weisen selbst zutreffend darauf hin, dass eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ausschließlich dann in Betracht käme, wenn neben einem Verfahrensmangel zusätzlich eine aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (BGH GRUR 2011, 56, 57 – Session-ID). Diese Voraussetzung liegt hier ersichtlich nicht vor. Auch der von den Klägerinnen in 2. Instanz ergänzend dargelegte umfangreiche neue Sachvortrag unterliegt schon deshalb nicht gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO einer Zurückweisung wegen Verspätung, weil dieser neue Sachvortrag von den Beklagten nicht im Ansatz (substantiiert) bestritten worden ist. Unstreitiger Sachvortrag unterfällt dieser Vorschrift nicht (BGH NJW 2005, 291, 292).

2.
Beide Beklagte sind für die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen verantwortlich. Der Beklagte zu 2. hat die rechtsverletzenden Audiodateien selbst im Wege des Filesharing zur Verfügung gestellt. Er ist deshalb unmittelbar als Täter verantwortlich. Den Beklagten zu 1. trifft ebenfalls eine Verantwortlichkeit als Täter wegen der Verletzung einer Aufsichtspflicht. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts vermag der Senat nicht zu teilen.

Der streitgegenständliche Rechtsverstoß konnte von dem Beklagten zu 2. nur begangen werden, weil sein Vater, der Beklagte zu 1., pflichtwidrig gehandelt hat. Ihm ist die Verletzung der allgemeinen Aufsichtspflicht als Erziehungsberechtigte gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegenzuhalten.

a.
Der Bundesgerichtshof ist in der – nach dem landgerichtlichen Urteil ergangenen – Entscheidung „Morpheus“ (BGH GRUR 2013, 511, 512) davon ausgegangen, dass in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich eine Haftung der Eltern gemäß § 832 Abs. 1 BGB in Betracht kommt, wenngleich diese in dem dort zur Entscheidung gestellten Fall zu verneinen war. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen an die Erfüllung dieser Aufsichtspflicht gerade für einen 13 Jahre alten Jungen in Bezug auf den Vorwurf des Filesharing im Einzelnen konkretisiert.

„Mit der vom BerGer. gegebenen Begründung können Schadensersatzansprüche der Kl. gegen die Bekl. nach § 832 I BGB und damit auch Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten nach §§ 677, 683 S. 1, § 670 BGB nicht bejaht werden. Entgegen der Ansicht des BerGer. haben die Bekl. ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt.

1. Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, ist gem. § 832 I 1 Fall 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nach § 832 I 2 Fall 1 BGB nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt.

2. Die Bekl. waren kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über ihren damals 13-jährigen und damit minderjährigen Sohn verpflichtet. Eltern haben nach § 1626 I 1 BGB die Pflicht, für das minderjährige Kind zu sorgen. Die elterliche Sorge umfasst nach § 1626 I 2 BGB die Sorge für die Person des Kindes. Die Personensorge umfasst nach § 1631 I BGB insbesondere die Pflicht, das Kind zu beaufsichtigen.

3. Die Bekl. sind jedoch nicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den ihr Sohn den Kl. – wie diese geltend machen – dadurch widerrechtlich zugefügt hat, dass er die in Rede stehenden Musikaufnahmen in Tauschbörsen zum Herunterladen angeboten hat und damit in das den Kl. zustehende Recht des Tonträgerherstellers, den Tonträger öffentlich zugänglich zu machen (§ 85 I 1 Fall 3 UrhG), und das ihnen übertragene Recht der ausübenden Künstler eingegriffen hat, ihre Darbietung öffentlich zugänglich zu machen (§ 78 I Nr. 1 UrhG). Die Bekl. haben entgegen der Auffassung des BerGer. ihrer Aufsichtspflicht genügt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falls genügt worden ist (BGH, NJW 2009, 1952 Rdnr. 8; NJW 2009, 1954 Rdnr. 8; NJW 2012, 2425 Rdnrn. 16 ff., jew. m. w. Nachw.). Von diesen Grundsätzen ist auch das BerGer. ausgegangen.

b) Das BerGer. hat angenommen, die Bekl. hätten ihrem Sohn die Nutzung des Internets in ihrer Abwesenheit nur gestatten dürfen, wenn sie hinreichende Verhaltensregeln aufgestellt und deren Einhaltung kontrolliert hätten. Nach dem Vorbringen der Bekl. liege es zwar nahe, dass sie den zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Vorgabe von Verhaltensregeln nachgekommen seien. Es könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass sie die von ihnen dargelegten Aufsichtsmaßnahmen hinreichend umgesetzt hätten. Nach Darstellung der Bekl. seien auf dem Computer ihres Sohnes eine Firewall und ein Sicherheitsprogramm installiert gewesen, das – seinerseits gesichert durch ein Administratorpasswort – bezüglich der Installation weiterer Programme auf „keine Zulassung“ gestellt gewesen sei. Da der Sohn der Bekl. die Filesharingsoftware habe installieren können, könne eine Firewall aber nicht sachgerecht installiert gewesen sein. Darüber hinaus habe nach Darstellung der Bekl. der Bekl. zu 1 den PC seines Sohnes monatlich überprüft. Dass dem Bekl. zu 1 die Tauschbörsenprogramme nicht aufgefallen seien, sei jedoch ein deutliches Indiz dafür, dass er den PC seines Sohnes nicht ausreichend kontrolliert habe. Bei einer monatlichen Kontrolle der Softwareliste oder des Desktops hätte der Bekl. zu 1 die von seinem Sohn bereits Anfang Oktober 2006 installierten Programme noch vor dem Bereitstellen der Dateien in Tauschbörsen Ende Januar 2007 entdecken müssen. Die Systemsteuerung des Betriebssystems biete eine Übersicht über die auf dem Rechner installierte Software. Zudem seien die Programmsymbole der Tauschbörsenprogramme auf dem Desktop zu sehen gewesen.

c) Damit hat das BerGer. die Anforderungen überspannt, die an das Maß der gebotenen Aufsicht zu stellen waren.

[…]

(1) Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, insbesondere die Pflicht zur Belehrung und Beaufsichtigung von Kindern, richten sich nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens. Dabei hängt es hauptsächlich von den Eigenheiten des Kindes und seinem Befolgen von Erziehungsmaßnahmen ab, in welchem Umfang allgemeine Belehrungen und Verbote ausreichen oder deren Beachtung auch überwacht werden muss (vgl. BGH, NJW 2009, 1952 Rdnr. 17; NJW 2009, 1954 Rdnr. 14, jew. m.w. Nachw.).

Danach genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.

(2) Es ist allerdings nicht zu bestreiten, dass erfahrungsgemäß Kinder und Jugendliche aus pädagogischen Gründen auferlegte Verbote gelegentlich übertreten (vgl. BGHZ 173, 188 Rdnr. 26 = GRUR 2007, 890 – Jugendgefährdende Medien bei eBay). Daraus folgt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung aber keine Verpflichtung der Eltern, ohne konkreten Anlass regelmäßig zu kontrollieren, ob ihr Kind bei der Nutzung von Computer und Internet ihm auferlegte Verbote beachtet.

Eine solche Verpflichtung widerspräche der gesetzlichen Wertung des § 1626 II 1 BGB. Danach sollen die Eltern bei der Pflege und Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen. Mit diesem Erziehungsgrundsatz wäre es nicht zu vereinbaren, wenn Eltern die Nutzung des Internets durch ihr 13-jähriges Kind ohne konkreten Anlass regelmäßig kontrollieren müssten (vgl. Wenn, jurisPR-ITR 5/2008, Anm. 2; Krieg, jurisPR-ITR 16/2008, Anm. 3; Heckmann, in: jurisPK-InternetR, Kap. 3.2 Rdnr. 81).“

b.
Auf diese inzwischen feststehenden, zutreffenden Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann der Senat Bezug nehmen, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden. Diese Rechtsgrundsätze gelten im Grundsatz auch für den vorliegenden Fall. Danach kommt es nicht in erster Linie entscheidend darauf an, ob der Beklagte zu 1. das rechtsverletzende Verhalten seines Sohnes konkret gekannt oder zumindest aufgrund darauf hinweisender Umstände an dem auch von ihm benutzten Computer hätte erkennen können. Entscheidend ist nicht die -anlasslose – Kontrolle des Minderjährigen, für die der Beklagte zu 1. nach seiner Darstellung keine Anhaltspunkte gehabt hat, sondern vielmehr die – vorgelagerte – Frage einer ausreichenden Aufklärung und Belehrung, insbesondere das konkrete Anhalten dazu, Handlungen der streitgegenständlichen Art nicht vorzunehmen. Hierzu haben die Beklagten indes keinen berücksichtigungsfähigen Sachvortrag in den Prozess eingeführt.

aa.
Die Beklagten hatten sich erstinstanzlich sowie bis kurz vor dem Senatstermin auch in zweiter Instanz überhaupt nicht mit der Frage einer Aufsichtspflichtverletzung befasst. Ihr ausgesprochen knapper Sachvortrag verhält sich kaum zu den insoweit relevanten Umständen, obwohl diese – im Hinblick auf die allgemeine Vorschrift aus § 832 BGB – nicht nur auf der Hand lagen. Vielmehr hatten auch die Kläger bereits mit ihrer Berufungsbegründung vom 06.12.2010 ausführlich eine Verantwortlichkeit des Beklagten zu 1. gem. § 832 BGB erörtert und sich hierauf berufen. Auch das Landgericht hatte bereits in dem angefochtenen Urteil diesen Aspekt – wenngleich unter einem anderen Gesichtspunkt – angesprochen, indem es ausgeführt hat, der Beklagte zu 1. habe dem Beklagten zu 2. „unter Verletzung von Prüfpflichten seinen Internetanschluss zur Verfügung gestellt.“ Selbst wenn das Landgericht in erster Instanz insoweit keinen ausdrücklichen gerichtlichen Hinweis gemäß § 139 BGB erteilt hatte, hatten die Beklagten jedenfalls aufgrund dieser eindeutigen Bezugnahmen jeden Anlass, sich spätestens in der Berufungsinstanz eingehend mit einer etwaigen Verantwortlichkeit aus § 832 BGB zu befassen und darzulegen, aus welchen tatsächlichen Gründen der Beklagte zu 1. seiner Aufsichtspflicht gerecht geworden ist. Insoweit oblag ihnen – und nicht den Klägerinnen – die Darlegungs- und Beweislast, denn § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB enthält letztlich die gesetzliche Vermutung einer Verantwortlichkeit, von der sich der Aufsichtspflichtige gemäß § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB zu entlasten hat.

bb.
Dies ist dem Beklagten zu 1. nicht gelungen, so dass gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB von seiner Verantwortlichkeit für das Fehlverhalten des Beklagten zu 2. auszugehen ist. Allerdings hatten die Beklagten mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.08.2013 noch vor dem Senatstermin nunmehr Ausführungen gemacht, die nach der Rechtsprechung Anlass zu der Annahme geben konnten, dass eine Aufsichtspflichtverletzung möglicherweise nicht vorlag. Diese Ausführungen sind im vorliegenden Rechtsstreit aus prozessualen Gründen jedoch nicht mehr berücksichtigungsfähig.

aaa.
Der neue Sachvortrag aus dem Schriftsatz vom 15.08.2013 ist gemäß § 530 i.V.m. § 296 ZPO als verspätet zu behandeln und deshalb nicht mehr zu berücksichtigen. Den Beklagten ist bereits am 15.12.2010 durch den Senat gemäß § 521 Abs. 2 eine Frist zur Berufungserwiderung gesetzt worden, innerhalb derer sie alle Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen hatten. Weder innerhalb der gesetzten Frist noch innerhalb der folgenden ca. 2 ½ Jahre haben die Beklagten indes den erforderlichen Sachvortrag zu § 832 BGB in den Prozess eingeführt. Dieses Versäumnis wiegt umso schwerer, als die Beklagten in ihrer Berufungserwiderung vom 14.01.2011 sogar ihrerseits auf die Vorschrift des § 832 BGB und eine Verantwortlichkeit des Beklagten zu 1. nach dieser Norm ausdrücklich Bezug genommen hatten, ohne jedoch hierauf in irgendeiner Weise inhaltlich näher einzugehen. Dieser Umstand zeigt jedoch, dass den Beklagten selbst ohne weiteres bewusst war, dass diese Bestimmung im vorliegenden Rechtsstreit von dem Landgericht zur Anwendung gebracht worden und damit einschlägig ist. Umso unverständlicher ist es, dass die Beklagten sich gleichwohl nicht konkret mit irgendwelchen Anhaltspunkten auseinander gesetzt haben, die eine Erfüllung dieser Aufsichtspflicht durch den Beklagten zu 1. rechtfertigen könnte. Dies ist erst weit nach Fristablauf mit Schriftsatz vom 15.08.2013 unmittelbar vor dem Senatstermin geschehen.

bbb.
Die Klägerinnen haben den neuen Sachvortrag der Beklagten bestritten, so dass über die fraglichen Behauptungen gegebenenfalls der von den Beklagten hierzu angebotene Beweis zu erheben gewesen wäre. Eine derartige Beweisaufnahme hätte den Rechtsstreit im Sinne von § 296 Abs. 1 ZPO verzögert. Zudem haben die Beklagten die Verspätung des Vortrags in keiner Weise und schon gar nicht im Sinne dieser Vorschrift „genügend“ entschuldigt. Dementsprechend ist dieser Sachvortrag gemäß §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO als verspätet vorgebrachtes Verteidigungsmittel zu behandeln und in der Berufungsinstanz nicht mehr berücksichtigungsfähig. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den verspäteten Behauptungen der Beklagten ist damit verschlossen.

c.
Hatte der Beklagte zu 1. als aufsichtspflichtiger Erziehungsberechtigter jedoch keinerlei (prozessual berücksichtigungsfähige) Maßnahmen ergriffen, um seinem Sohn das besondere Gefährdungspotential von Urheberrechtsverletzungen im Internet nachdrücklich vor Augen zu führen und ihn aufzufordern, hiervon Abstand zu nehmen, so bleibt es bei der gemäß § 832 Abs. 1 BGB gesetzlich vermuteten Verantwortung des Beklagten wegen der Verletzung einer zur Rechtsvermeidung erforderlichen Aufsichtspflicht. Aus der zitierten BGH-Rechtsprechung „Morpheus“ ergibt sich ohne weiteres, dass eine Entlastung des Aufsichtspflichtigen auch bei einem normal entwickelten 15-jährigen Jugendlichen jedenfalls dann nicht in Betracht kommen kann, wenn eine vorherige, zielführende Belehrung überhaupt nicht stattgefunden hat. Denn in einer derartigen Situation ist die Aufsichtsperson ihren rechtlichen Pflichten noch nicht einmal im Ansatz nachgekommen, so dass eine Entlastung von vornherein ausscheidet, wenn sich die zu verhindernde Gefahr realisiert. Der Beklagte zu 1. hat den Internetzugang seinem minderjährigen Kind damit ohne jede Belehrung und ohne gezielte Kontrolle überlassen. Davon ist im vorliegenden Fall jedenfalls in prozessualer Hinsicht auszugehen. Damit liegt zumindest eine fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung vor. Deshalb bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit Art, Häufigkeit und dem konkreten Umfang der Belehrung, die bei einem 15-jährigen Sohn erforderlich ist.

3.
Wegen des Rechtsverstoßes sind beide Beklagten verpflichtet, den Klägerinnen gem. § 97 Abs. 1 UrhG Schadensersatz zu leisten. Diesen bemisst der Senat in dem hier konkret zur Entscheidung stehenden Einzelfall auf insgesamt € 200,- pro Titel. Für diesen Schaden haften die Beklagten gesamtschuldnerisch. Das Landgericht hatte in dem angefochtenen Urteil rechtskräftig bereits € 15,- pro Titel zugesprochen. Auf die Berufung der Klägerin sind die Beklagten zu Schadensersatz in Höhe von weiteren € 185,- pro Titel zu verurteilen.

a.
Für die Bemessung des zu erstattenden Schadens kann auf bestehende Tarifwerke nicht zurückgegriffen werden.

aa.
Soweit die Klägerinnen mit der Berufung beanstanden, die Heranziehung des (zwischenzeitlich ohnehin zum 31.12.2011 aufgehobenen) GEMA-Tarifs VR-OD 5 durch das Landgericht sei unzutreffend gewesen, tritt der Senat dieser Rechtsauffassung zwar bei. Anders als die Klägerinnen geht der Senat jedoch davon aus, dass der von den Klägerinnen herangezogene GEMA-Tarif VR-W I (oder irgendein anderer GEMA-Tarif) gleichermaßen nicht geeignet ist, Grundlage der Feststellung der Schadenshöhe zu sein. Denn eine Berechnung der Schadensersatzpflicht in Fällen der hier vorliegenden Art auf der Grundlage von GEMA-Tarifen verbietet sich schon aus der Natur der Sache, also unabhängig davon, ob bzw. in welchem Maße solche Tarife grundsätzlich geeignet wären, vergleichbare Sachverhalte zu erfassen. Die von der GEMA herausgegebenen Tarife sind schon deshalb nicht geeignet, weil die GEMA ausschließlich die Urheberrechte der Komponisten/Textdichter vertritt, die Nutzung von Musikdateien im Internet hingegen wesentlich weitergehende Rechte Dritter betrifft, insbesondere die Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers und der ausübenden Künstler. Vor diesem Hintergrund ist bereits der Ausgangspunkt der Lizenzberechnung für die Erfassung der hier in Rede stehenden Nutzungsart ungeeignet.

bb.
Hinzu kommt, dass das Tarifgefüge der GEMA auch ersichtlich weder geeignet noch dazu bestimmt ist, Rechtsverletzungen Privater im Wege des nichtkommerziellen Filesharing im Internet zu erfassen. An einer plausiblen Berechnungsgrundlage muss es bereits deshalb fehlen, weil noch nicht einmal zu ermitteln ist, wie hoch die Zugriffe auf die einzelnen Musikdateien jeweils gewesen sind. Ob überhaupt auf die Datei zugegriffen wird, ob es nur wenige Zugriffe sind, wie viele Nutzer überhaupt an einem Dienst teilnehmen und einen konkreten Musiktitel interessiert sind, alles dies bleibt auch auf der Grundlage der Darlegung der Klägerinnen ungewiss. Es ist auch nicht vorgetragen, für welchen Zeitraum die einzelnen Musiktitel konkret eingestellt und verfügbar waren. Vor diesem Hintergrund ist eine starre Betrachtung in Relation zu Seitenzugriffen – seien es nun bis zu 10.000 oder je angefangene 120.000 im Jahr – für eine sachgerechte Beurteilung des Lizenzschadens nicht ausreichend geeignet. Es gäbe auch keine ausreichende Rechtfertigung dafür, für das öffentliche Zugänglichmachen einer Musikdatei im Wege des privaten Filesharing, auf die nur in geringem Umfang zugegriffen wird, einen kommerziellen Tarif zur Anwendung zu bringen, der von Zugriffen im 5 bis 6-stelligen Bereich ausgeht, selbst wenn dies mit den Worten „bis zu“ verknüpft ist. Ob die Beklagten verpflichtet gewesen wären, den Klägerinnen Auskunft über den Umfang zur Nutzung zu erteilen, kann vorliegend dahinstehen. Denn die Klägerinnen haben einen derartigen Anspruch prozessual nicht geltend gemacht, sondern ihre Schadensersatzforderung hiervon unabhängig berechnet. Vor diesem Hintergrund liegt die Darlegungslast nicht bei den Beklagten, sondern bei den Klägerinnen.

cc.
Deshalb fehlt es für die Anwendung dieser Tarife an einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Die Klägerinnen gehen ersichtlich davon aus, dass legale Anbieter strukturierter Dienste grundsätzlich bereit und in der Lage wären, vorab Genehmigungen einzuholen und dabei eine Kosten-/Nutzen-Betrachtung anstellen können. Auch eine derartige Situation ist beim illegalen Filesharing ersichtlich nicht gegeben. Denn der Verletzer nutzt nicht etwa die zu lizenzierenden Musikdateien selbst, sondern stellt diese Dritten ohne finanzielle Vergütung zur Verfügung. Selbst wenn sein Gegenwert darin besteht, dass er seinerseits auf Musikdateien anderer zugreifen kann, ist das Lizenzgefüge der GEMA auf eine derartige Nutzungssituation ersichtlich nicht abgestellt.

b.
Die Höhe des in der Regel nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu leistenden Schadensersatzbetrages kann deshalb lediglich im Rahmen von § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände geschätzt werden.

aa.
Die Klägerinnen weisen insoweit zu Recht auf die Entscheidung „Tchibo/Rolex II“ des Bundesgerichtshofs sowie darauf hin, dass in Abwesenheit konkreter Umstände jedenfalls ein Mindestschaden zu schätzen ist. Zum Anwendungsbereich des § 287 ZPO ist in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass diese Norm dem Geschädigten den Nachweis seines Schadens erleichtern will, indem diese Bestimmung an die Stelle der sonst erforderlichen Einzelbegründung das freie Ermessen des Gerichts setzt (BGH NJW 1964, 589). Die Norm gilt dabei nicht nur für die Schadenshöhe, sondern auch für die Ermittlung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen konkretem Haftungsgrund und Schadenseintritt (BGH NJW 1964, 661, 663). Diese Norm nimmt in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt. Andererseits soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen (BGH GRUR 1997, 741, 743 – Chinaherde). Wenn es für das freie Ermessen nicht an allen Unterlagen fehlt, muss das Gericht nötigenfalls zu einer Schätzung greifen und selbst unter Berücksichtigung nicht vorgetragener Tatsachen nach freiem Ermessen entscheiden. Dabei muss es auch das Gericht in Kauf nehmen, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt. Auch dann, wenn sich der Tatbestand nicht voll aufklären lässt, ist eine Schätzung vorzunehmen, wenn und soweit die festgestellten Umstände hierfür noch eine genügende Grundlage geben (BGH NJW 1964, 589). An die Voraussetzungen einer Schadensschätzung, insbesondere auch an Art und Umfang der von dem Geschädigten beizubringenden Schätzungsunterlagen bzw. die Auswahl der Beweise und ihrer Würdigung sind keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH GRUR 1993, 55, 59 – Tchibo/Rolex II). Denn die gesetzlichen Regelungen würden leerlaufen, wenn die Voraussetzungen an eine Schätzung zu eng geknüpft würden (BGH GRUR 1997, 741, 743 – Chinaherde). Durch die Vorschrift des § 287 ZPO erhält das Gericht in den Grenzen des freien Ermessens hierbei einen großen Spielraum (BGH GRUR 1993, 55, 59 – Tchibo/Rolex II).

bb.
Im Rahmen dieser Schadensschätzung bedarf es der Ermittlung eines angemessenen Pauschalbetrages als Schadensersatzbetrag, der in gewissen Grenzen unabhängig von dem konkret in Frage stehenden Titel ist.

aaa.
Der Versuch, für jeden denkbaren Musiktitel einen individuell ausgestalteten Schadensersatzbetrag zu finden, der den Besonderheiten dieses einzelnen Musikstücks gerecht wird (Alter, Hitparadenplatzierung, Verkaufszahlen, Bekanntheit der Gruppe usw.), kann angesichts der Vielzahl der verfügbaren Musiktitel nach Auffassung des Senats nicht gelingen bzw. würde einen unangemessen hohen zeitlichen Aufwand mit sich bringen. Deshalb muss sich die Bemessung an einer gewissen Pauschalierung des Schadensersatzbetrages pro Titel orientieren, um die Beurteilung handhabbar zu halten. Dies zeigt der diesem Rechtsstreit zu Grunde liegende Verletzungsfall besonders deutlich. Die Klägerinnen werfen den Beklagten Rechtsverletzungen in Bezug auf 4.120 unterschiedliche Musikwerke vor, die Gegenstand einer einheitlichen schadensstiften Verletzungshandlung gewesen sind. Würden die Klägerinnen – was sie zwar vorliegend nicht tun, wozu sie aber unter Umständen berechtigt wären – Schadenersatz für jeden einzelnen Titel beanspruchen, so bedarf es keiner näheren Erläuterung, dass insoweit eine entsprechend differenzierte Betrachtung und Bewertung nicht sinnvoll vorgenommen werden kann.

bbb.
Vor diesem Hintergrund kann es nicht entscheidend darauf ankommen, dass die Klägerinnen gerade zwei besonders bekannte Musikstücke zum Gegenstand ihres Schadensersatzbegehrens im vorliegenden Rechtsstreit gemacht haben. Dieser Umstand rechtfertigt hier keinen höheren Schadensersatzbetrag. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht zwar zu Recht darauf abgestellt, dass gerade ältere Musiktitel erfahrungsgemäß wesentlich seltener herunter geladen werden als hochaktuelle Aufnahmen. Auch insoweit fehlen allerdings belastbare Erkenntnisse zu Art und Umfang. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen hat dies weder etwas mit der Attraktivität des „Backkatalogs“ noch mit der urheberrechtlichen Schutzdauer zu tun. Es ist unbestreitbar, dass Urhebern und Leistungsschutzberechtigten auch an älteren Titeln unverändert Beteiligungsrechte zustehen und Aufnahmen des Backkatalogs – je nach Künstler und konkreter Situation – weiterhin attraktiv sein können. Gleichwohl bedarf die Berechnung eines angemessenen Schadensersatzbetrages einer gewissen Verallgemeinerung, denn es entspricht allgemeiner Erkenntnis, dass selbst bei demselben Künstler keineswegs alle eingespielten Titel (auch nicht diejenigen ein und desselben Albums) gleichermaßen attraktiv erscheinen und deshalb in ähnlicher Weise im Rahmen eines Filesharing heruntergeladen werden.

cc.
Auch bei der Bestimmung eines angemessenen Pauschalbetrages muss es nach Auffassung des Senats aber dabei bleiben, dass ein jugendlicher Filesharer (bzw. sein Erziehungsberechtigter) nicht auf eine Stufe gestellt werden kann mit Anbietern, die ein geschütztes Werk auf der Grundlage eines Lizenzvertrages zu nutzen bereit wären. Zwar trifft es zu, dass es für die Schadensersatzhöhe nicht darauf ankommt, ob der Verletzer bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung in dieser Höhe zu bezahlen. Gleichwohl kann nicht außer Ansatz bleiben, dass es insoweit in erster Linie um Sachverhalte geht, in denen Jugendliche häufig ohne vollständige Kenntnis der rechtlichen Tragweite ihres Handelns leichtfertig derartige Verletzungshandlungen begehen. Dies rechtfertigt oder entschuldigt ihr Verhalten zwar nicht. Unabhängig davon, ob auch rechtsgeschäftliche Partner eines Lizenzvertrages entsprechende Regelungen treffen würden, erscheint es dem Senat jedenfalls bei einem Fall wie dem vorliegenden auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Klägerinnen als Rechteinhaberinnen nicht vertretbar zu sein, allein durch die Multiplikation eines bestimmten (Mindest-)Schadenersatzbetrages mit der Anzahl der rechtsverletzend genutzten Titel den angemessenen Schadensersatzbetrag zu ermitteln. Vielmehr sind angemessene Abstufungen vorzunehmen. Dies zeigt erneut der Ausgangssachverhalt des vorliegenden Falls besonders deutlich: Den Beklagten wird die rechtsverletzende Nutzung von insgesamt 4.120 Titeln zur Last gelegt. Die Anwendung eines für jeden einzelnen Verstoß angemessenen, festen Mindestbetrages auf die Gesamtzahl der rechtsverletzenden Titel würde zu einer ausufernden Schadensersatzsumme führen, die ersichtlich in keinem Verhältnis mehr zu der Eingriffsintensität und zu dem Verschulden des Rechtsverletzers stehen würde. Vor diesem Hintergrund muss das mögliche Ausmaß einer Schadenersatzpflicht nach Auffassung des Senats notwendigerweise in die Betrachtungen des Einzelfalls mit einbezogen werden, um nicht zu unvertretbaren Ergebnissen zu gelangen.

dd.
Im vorliegenden Fall werfen die Klägerinnen den Beklagten zwar insgesamt 4.120 Rechtsverletzungen vor. Hiervon machen sie aber nur in zwei Einzelfällen auch tatsächlich eine Schadensersatzforderung geltend. Die Klägerinnen-Vertreter haben in der Senatsverhandlung auf Nachfrage ausdrücklich erklärt, dass ein weitergehendes Vorgehen gegen die Beklagten nicht beabsichtigt ist. Auch wenn diese Erklärung keinen Anspruchsverzicht im rechtlichen Sinne beinhaltet, gibt sie dem Senat jedoch Veranlassung, bei der Bemessung des Schadensersatzbetrages zu Grunde zu legen, dass die Beklagten aus Anlass dieses Verstoßes nur einem Schadensersatzanspruch bezogen auf die Nutzung von zwei Titeln ausgesetzt sind. Diese Ausgangslage ist maßgebliche Grundlage für die nachfolgenden Ausführungen. Die Frage, ob ein derartiger Schadensersatzbetrag – sowohl in Bezug auf den Einzelbetrag pro Titel als auch in der Addition – auch bei einer wesentlich höheren Zahl an Verstoßfällen noch angemessen wäre oder einer Korrektur bedürfte, hat der Senat aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits nicht zu entscheiden. Die Schadensberechnung hat ohne Bindung an feste „Taxen“ in einer Gesamtwürdigung alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen, so dass das hier gefundene Ergebnis nicht notwendigerweise auch auf andere Fälle übertragbar ist. Insbesondere bei der Forderung von Schadensersatz für eine größere Anzahl von Titeln können insoweit – ohne dass der Senat dies aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits zu entscheiden hat – andere Grundsätze gelten, so dass z.B. möglicherweise eine einzeltitelbezogene Berechnung keine Geltung mehr beanspruchen kann.

ee.
Die Klägerinnen haben mit ihrer Berufungsbegründung umfassend zu den Hintergründen der wirtschaftlichen Situation und den Risiken von Urhebern und Tonträgergesellschaften bei der Produktion (erfolgreicher) Musiktitel vorgetragen. Diese Umstände sind nicht streitig und weitgehend allgemein bekannt. Gleiches gilt für die wirtschaftliche Bedeutung des öffentlichen Zugänglichmachens oder das Verhältnis zwischen Streaming und Download. Die Klägerinnen weisen auch zu Recht darauf hin, dass sie keine Veranlassung haben, erfolgreiche Tonaufnahmen an Nutzer „zu verschenken.“ Die Klägerinnen haben mit Schriftsatz vom 25.07.2013 auch umfassend die allgemeinen Grundsätze der Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie sowie ihre Kostenbelastung und Lizenzierungspraxis dargelegt. Diese Ausführungen mögen im Grundsatz zutreffend sein, sie können gleichwohl den Besonderheiten der hier zur Entscheidung stehenden Sachverhaltsgestaltung – die auch und gerade bei der Schadensschätzung zu berücksichtigen ist – nicht gerecht werden. Eine Bestimmung des Schadensersatzbetrages für jede einzelne Rechtsverletzung z.B. in Anlehnung an ein kommerzielles Download auf der Basis des Händlerabgabepreises hält der Senat aus den bereits genannten Gründen ebenso wenig für praktikabel wie Verletzerzuschläge etwa wegen des „Insolvenzrisikos“ der Rechtsverletzer. Soweit die Klägerinnen auf dem Standpunkt stehen, die Beklagten seien ihnen über den konkreten Umfang der vorgenommenen Nutzungshandlungen (in weiterem Umfang) auskunftspflichtig, bedarf auch diese Frage hier keiner Entscheidung. Denn die Klägerinnen haben – wie bereits erwähnt – ihren Schaden ohne eine derartige Auskunft geltend und ein entsprechendes Auskunftsverlangen auch nicht zum Gegenstand dieses Rechtsstreits gemacht.

c.
Die Beklagten sind gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt € 200,- für jeden der beiden streitgegenständlichen Musiktitel verpflichtet.

aa.
Wenngleich der Senat den Ausgangspunkt der Überlegungen – die Heranziehung von GEMA-Tarifen – nicht teilt, schließt sich der Senat aber jedenfalls im Ergebnis für die Schätzung eines Mindestschadens bei nur zwei rechtsverletzenden Titeln den Ausführungen des OLG Köln an, das in seinem Beschluss vom 23.03.2013 (OLG Köln MMR 2012, 387, 390/391) u.a. ausgeführt hatte:

„Legt man mit € 0,50 den geringsten Betrag der erwähnten Rahmenvereinbarung zu Grunde, so ergibt sich die Klageforderung der Höhe nach bereits dann, wenn auf die jeweiligen Titel 400 Mal illegal zugegriffen worden ist. Es ist indes davon auszugehen, dass auch bei Zugrundelegung gebotener Abschläge jedenfalls in dieser Größenordnung Zugriffe erfolgt sein werden. […]

Im vorliegenden Verfahren kann zu Grunde gelegt werden, dass es sich bei den hier streitigen Musikstücken ebenfalls um attraktive Titel bekannter Popmusiker handelt, mögen diese zum Verletzungszeitpunkt auch nicht mehr so aktuell wie diejenigen der genannten Testdatei gewesen sein. Weiter steht fest, dass auch die hier benutzte Filesharing-Software sich hoher Beliebtheit erfreute. So ist für den Zeitpunkt der Rechtsverletzung … festgestellt worden, dass 680.274 Teilnehmer des Filesharing-Systems aktuell online waren … Zudem ist insb. zu berücksichtigen, dass im Streitfall ein wesentlich längerer Zeitraum in Rede steht: Nachdem der Sohn der Bekl. die Titel jedenfalls am 28.1.2007 zum Upload im Filesharing-Netzwerk bereitgestellt hatte, haben sich diese bis zum Zeitpunkt der Beschlagnahme im August desselben Jahres auf dem PC befunden. Der Senat hat zu Gunsten der Bekl. zu berücksichtigen, dass der PC des Sohnes der Bekl. nicht durchgängig eingeschaltet und damit auch im Peer-to-Peer-Netzwerk „online“ war. Indes ergeben sich auch bei einer sehr zurückhaltenden Schätzung der Nutzungsdauer der Programme über mehr als sechs Monate hinweg Zeiträume, die den Zeitraum aus dem vorstehenden Test bei weitem überschreiten. Es kann danach auch auf sich beruhen, ob und in welchem Ausmaß bei der Höhe der den Kl. zustehenden Schadensersatzbeträgen berücksichtigt werden muss, dass diese auf Grund der Beteiligung des Sohnes der Bekl. an der Tauschbörse Schadenersatzansprüche auch gegen – unbekannte – Dritte erworben haben. Angesichts des Zeitraums von über sechs Monaten, in denen die Tauschbörse einer unbekannten Zahl von Nutzern die Möglichkeit eröffnete, auf den PC des Sohnes der Bekl. zum Zwecke des Herunterladens der damals attraktiven Titel zuzugreifen, ist von einer hinreichenden Anzahl von Zugriffen auszugehen, die auf der Grundlage der vorgelegten Rahmentarife die Bestimmung des Schadensbetrags i.H.v. € 200,-gem. § 287 ZPO rechtfertigt.“

Diese Rechtsprechung hat das OLG Köln mit Beschluss vom 08.05.2013 (6 W 256/12) erneut bestätigt (Anlage K 16).

bb.
Der Senat hält mit dem OLG Köln jedenfalls im vorliegenden Rechtsstreit, in dem es nur um 2 rechtsverletzende Titel geht, einen Einsatzbetrag von € 0,50 pro Titel für angemessen. Dieser Betrag ist auch unabhängig von GEMA-Tarifen, deren Anwendung für den Senat hier nicht in Betracht kommt, bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände geeignet, die Auswirkungen der schädigenden Handlung als Mindestbetrag zutreffend und angemessen zu erfassen.

cc.
Allerdings ist im vorliegenden Fall ungewiss, in welchem Umfang tatsächlich auf die zur Verfügung gestellten Titel zugegriffen worden ist. Die Klägerinnen haben Rechtsverletzung offenbar nicht für einen Zeitraum überwachen lassen, sondern nur für einen konkreten Zeitpunkt (22.06.2006) festgestellt. Der Beklagte zu 2. hatte anlässlich seiner Vernehmung als Beschuldigter bei der Polizeibehörde Coesfeld am 29.11.2006 zwar angegeben, er nutze die Filesharing-Software „BearShare“ seit „Anfang dieses Jahres“ (Anlage K 4). Damit steht zwar fest, dass über einen Zeitraum von ca. 11 Monaten Rechtsverletzungen im Wege des Filesharing möglich gewesen sind. Für welchen Zeitraum jedoch die hier konkret zur Entscheidung stehenden Titel „…l“ und „…. …. … …“ von dem Beklagten zu 2. Dritten zugänglich gemacht worden sind, ist dabei ebenso wenig festgestellt wie die Anzahl der Zugriffe auf diese Titel oder zumindest die Gesamtzahl der aktuell im Internet verbundenen Teilnehmer des Filesharing-Systems und deren Gesamtzugriffe in einem bestimmten Zeitraum.

dd.
Gleichwohl hält es der Senat selbst in Abwesenheit solcher Erkenntnisse unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung gleichermaßen für vertretbar und geboten, der Schadensberechnung auch hier einen Multiplikator von 400 zugrunde zu legen, denn es ist in Abwesenheit gegenteiliger Erkenntnisse davon auszugehen, dass auch bei Zugrundelegung gebotener Abschläge jedenfalls in dieser Größenordnung auf die jeweiligen Titel illegal zugegriffen worden ist.

aaa.
Bei den hier streitgegenständlichen Titeln handelt es sich zwar um bereits ältere, aber gleichwohl attraktive Aufnahmen bekannter Künstler, die auch zum Zeitpunkt der Verletzungshandlungen im Jahr 2006 noch im Hochpreisbereich angeboten wurden. Dieser Umstand ist ein maßgebliches Indiz dafür, dass an diesen Titeln unverändert ein erhebliches Interesse und damit die deutlich gesteigerte Wahrscheinlichkeit eines vielfachen Abrufs auch im Wege des Filesharing bestand. Aus den Feststellungen des OLG Köln in dem genannten Rechtsstreit ergibt sich anschaulich, in welchem Umfang von der Möglichkeit des Filesharing im Internet Gebrauch gemacht wird. Auch dort ging es – wie hier – um Handlungen über die populäre Software „BearShare“, wobei sich gerade bei einer bekannten Tauschbörse das Risiko rechtsverletzender Handlungen in erhöhtem Umfang verwirklicht. Die diesbezüglichen Feststellungen des OLG Köln sind deshalb auf die hier zur Entscheidung stehende Situation übertragbar. Gerade dieses erhebliche Gefährdungspotential – dort waren nur bei diesem Filesharing-System 680.274 Teilnehmer gleichzeitig online – rechtfertigt es, selbst in Abwesenheit konkreter Erkenntnisse auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass ein Zugriff auf die beiden rechtsverletzenden Titel mindestens im Umfang von jeweils 400 Einzelzugriffen erfolgt ist, sofern konkrete Feststellungen nicht möglich sind.

bbb.
Sofern die Beklagten geltend machen wollten, diese Annahme sei erheblich überhöht, hätte es ihnen oblegen, hierzu nachvollziehbare Angaben zu machen, aus denen sich abweichende Anhaltspunkte ergeben. Denn der Beklagte zu 2. hat die Musiktitel im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Nur die Beklagten haben bzw. hatten aufgrund ihrer Sachherrschaft über den PC, die darauf installierte Filesharing-Software sowie ihren Internet-Zugang die Möglichkeit, konkrete Feststellungen über Zeitdauer, Häufigkeit und Verteilung der Zugriffe auf einzelne Titel vorzutragen. Hierzu haben sie sich indes ebenfalls nicht geäußert. Dementsprechend gibt es im auch keine Anhaltspunkte dazu, aus welchen Gründen die von dem OLG Köln angenommene Häufigkeit im vorliegenden Fall möglicherweise unzutreffend sein könnte.

ee.
Damit ergibt sich ein Schadensersatzbetrag von € 200,- für jeden rechtsverletzend genutzten Titel. Die weitergehende Berufung der Klägerinnen ist zurückzuweisen. Die Klägerinnen selbst hatten vorprozessual für immerhin 4.120 Titel lediglich einen Schadensersatzbetrag von insgesamt € 4.000,- von beiden Beklagten verlangt. Selbst wenn diese Forderung in erheblichem Umfang von einem außergerichtlichen Einigungsbemühen geprägt war und den wirtschaftlich eingeschränkten Möglichkeiten der Beklagten Rechnung trug, zeigt dieser Umstand jedoch auch, dass die Klägerinnen durch die Höhe des ihnen nunmehr zugesprochenen Schadensersatzbetrages nicht benachteiligt werden.

d.
Unter Berücksichtigung der von dem Landgericht Hamburg bereits zugesprochenen Teilbeträge sind die Beklagten damit für jeden der beiden streitgegenständlichen Titel in Höhe weiterer € 185,- gesamtschuldnerisch zum Schadensersatz verpflichtet.

4.
Die Kostenentscheidung beruht für die Berufungsinstanz auf §§ 516 Abs. 3, 100 Abs. 4, 97, 92 Abs. 1 ZPO. Soweit der Senat die Kostenentscheidung des Landgerichts abgeändert hat, ist dies in dem Umfang geschehen, in dem die Klägerinnen mit ihrem Rechtsmittel in der Berufungsinstanz zu Lasten der Beklagten obsiegt haben. Da die Beklagten ein eigenes Rechtsmittel nicht eingelegt haben, konnte eine möglicherweise ebenfalls veranlasste Modifizierung ihrer Kostenbelastung in erster Instanz im Verhältnis zueinander nicht erfolgen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

5.
Der Rechtsstreit bietet dem Senat keine Veranlassung, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall. Einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Vorinstanz:
LG Hamburg, Az. 308 O 710/09

I