OLG Hamburg: Die Namensnennung von Rechtsanwälten in Urteilen darf nicht anprangernde Wirkung haben

veröffentlicht am 4. Juli 2009

OLG Hamburg, Beschluss vom 09.07.2007, Az. 7 W 56/07
§§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass die vollständige Nennung des Namens eines Rechtsanwalts bei Veröffentlichung eines Urteils dann unzulässig ist, wenn dies nicht dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit dient, sondern allein dazu, den Genannten öffentlich zu verunglimpfen. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Genannten überwiege dann das Recht auf freie Meinungsäußerung des Berichterstatters. Zwar würde an einigen Tätigkeiten des Antragstellers, wie z.B. die Leitung von Fortbildungsveranstaltungen, durchaus ein öffentliches Interesse bestehen, doch hätte das veröffentlichte Urteil mit dieser Tätigkeit des Antragstellers nichts zu tun. Es enthalte keine für die Öffentlichkeit erheblichen Informationen, sondern stelle nur den Konflikt der Parteien untereinander dar. Somit habe der Antragsgegner nur eine anonymisierte Fassung veröffentlichen dürfen.

Hanseatisches Oberlandesgericht

Beschluss

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 06.06.2007 wird der Beschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 24, vom 22.05.2007 – 324 O 361/07 – abgeändert.

Im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – wird dem Antragsgegner bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) untersagt,

a.
das Urteil des OLG Stuttgart in Sachen W gegen H vom 28.03.2007, Geschäftsnummer 4 U 158/06, unter voller Namensnennung des Herrn W in Gänze oder ausschnittweise im Internet zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, insbesondere zum Download abrufbar bereit zu halten,

b.
die öffentliche Verbreitung des unter a. genannten Urteils mit der namentlichen Erwähnung des Herrn W, Neuss, zu verbinden und wie nachstehend wiedergegeben öffentlich zu äußern oder zu verbreiten:

„Auf dieser Seite wurde über den Kleinkrieg des W gegen seine Kritiker berichtet.

W hat dagegen Klage auf Unterlassung erhoben und gegen den Impressumsverantwortlichen … einen ‚Anonymitätsanspruch‘ geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vom 18.5.2006 vor dem Landgericht Stuttgart 17 O 163/06 hat der Beklagte sich verpflichtet, einige Äußerungen zu unterlassen.

Zum Zweck der Einarbeitung der sich daraus ergebenden Änderungen wurde der Inhalt dieser Seite gelöscht. W hat den Prozess trotz dieser Unterlassungserklärung fortgeführt. Im Ergebnis wurde die Klage des W abgewiesen, Urteil Landgericht Stuttgart 17 O 163/06 vom 6.7.2006. W hat Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Das Oberlandesgericht Stuttgart 4 U 158/06 hat die Berufung des W mit Urteil vom 28.3.2007 zurückgewiesen. Das Urteil ist zu laden unter …“

Die Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsgegner nach einem Wert von 10.000,00 EUR zur Last.

Gründe

Die gem. § 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Der Antragsteller hat nämlich gegen den Antragsgegner einen Unterlassungsanspruch gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 analog BGB i. V. mit Art. 2 GG.

Nach Auffassung des Senats führt die Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Positionen, nämlich das Recht auf freie Meinungsäußerung einerseits und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers andererseits, zu einem Überwiegen der Rechte des Antragstellers.

Die Veröffentlichung des Urteils des OLG Stuttgart und der angegriffene Bericht über den Prozess betreffen überwiegend die Sozialsphäre des Antragstellers, wobei allerdings zumindest die Bekanntgabe seiner Privatanschrift auch seine Privatsphäre berührt. Die Veröffentlichung führt indessen zu einer Anprangerung des Antragstellers, die zumindest zu dem jetzigen Zeitpunkt nicht mehr durch ein öffentliches Informationsinteresse gerechtfertigt erscheint.

Gegenstand des veröffentlichten Urteils ist nicht die Tätigkeit des Antragstellers als Leiter des … und Veranstalter zahlreicher Fortbildungsveranstaltungen, an der in der Tat auch noch sieben Jahre nach Einstellung dieser Tätigkeit ein öffentliches Interesse bestehen könnte. Das Urteil des OLG Stuttgart befasst sich vielmehr allein mit verschiedenen Äußerungen des Antragsgegners, die ausschließlich Formulierungen betrafen, mit denen der Umgang des Antragstellers mit Kritik kritisiert wurde. Ob die im dortigen Berufungsverfahren abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärungen darüber hinaus die Berufsausübung des Antragsstellers zum Gegenstand hatten, kann dahinstehen, da sich der nunmehr gestellte Antrag allein auf das Urteil bezieht.

Somit ist davon auszugehen, dass das Urteil des OLG Stuttgart keine für die Öffentlichkeit erheblichen Informationen enthält, sondern allein den Konflikt der Parteien untereinander darstellt, der, wie der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, mit einer Internetveröffentlichung des Antragsgegners im Jahre 2003 begonnen hat, die in der Folge zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führte. Dem Leser des veröffentlichten Urteils wird insbesondere nicht bekannt gemacht, was Gegenstand der Kritik an der Berufsausübung des Antragstellers war. Allein die Tatsache, dass der Antragsteller gerichtlich gegen den Antragsgegner als Kritiker vorgegangen ist und dabei – nach Abgabe verschiedener freiwilliger Unterlassungsverpflichtungserklärungen – in einigen Punkten unterlegen war, stellt auch unter Berücksichtigung der früheren beruflichen Tätigkeit des Antragstellers keinen Umstand dar, der ein öffentliches Informationsinteresse begründet. Im Vordergrund einer solchen Veröffentlichung steht vielmehr offensichtlich die Herabsetzung des Antragstellers als Mensch, der andere mit unbegründeten Klagen überzieht.

Der Antragsteller hat durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht, dass er sich selbst niemals öffentlich in Büchern, Medien oder Internet gegen die von dem Antragsgegner im Jahre 2003 gegen ihn erhobenen Vorwürfe gewandt hat, und dass er auch die seitdem geführten gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht der Öffentlichkeit bekannt gemacht hat.

Der Umstand, dass sich der Antragsteller selbst noch vor der ersten Internetveröffentlichung des Antragsgegners im Jahre 2003 in zwei Streitschriften an die Öffentlichkeit gewandt hat, die ein nicht von dem Antragsgegner verfasstes, den Antragsteller verletzendes Buch betrafen, führt nicht dazu, dass er nunmehr nach Ablauf von vier Jahren die Veröffentlichung eines Urteils hinnehmen müsste, welches eine andere Person betrifft und das, wie oben dargestellt, nicht einmal den eigentlichen Inhalt der Auseinandersetzung zum Gegenstand hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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