OLG Hamburg: Nicht jedes Fenster eines Geschäftsraums ist ein Schaufenster – Zur Erforderlichkeit von Preisangaben

veröffentlicht am 31. Oktober 2013

OLG Hamburg, Urteil vom 08.05.2013, Az. 5 U 169/11
§ 5 Abs. 1 S. 2 PAngV, § 9 Abs 8 Nr. 1 PAngV; § 4 Nr. 11 UWG

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass es nicht erforderlich ist, in den Fenstern eines Bestattungsinstituts Preisaushänge anzubringen. Es handele sich dabei nicht um „Schaufenster“ im Sinne der Preisangabenverordnung, dann man könne zwar durch das Fenster die Geschäftsräume einsehen, dadurch erlange man jedoch keinen Überblick über das konkrete Leistungsangebot des Bestatters. Tatsächlich werde ein großer Teil der Leistungen gar nicht in den Geschäftsräumen erbracht. Deshalb falle die vorliegende Konstellation nicht in den Schutzbereich der Preisangabenverordnung. Zum Volltext der Entscheidung:


Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Urteil

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 30.06.2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung wegen des Kostenausspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit um die Verpflichtung der Klägerin, Preislisten hinter einer verglasten Fläche ihres Betriebes in Hamburg-Bergedorf auszustellen.

Die Klägerin betreibt unter der im Rubrum angegebenen Adresse ein B. in H.-B. mit zwei unselbständigen Zweigniederlassungen in R. und W.. Ihre Betriebsstätten verfügen jeweils über Fenster, durch die in das Innere der Geschäftsräume geblickt werden kann.

Der Beklagte ist ein Verein, der satzungsgemäß Aufgaben des Verbraucherschutzes wahrnimmt. Er beanstandete mit Abmahnung vom 01.12.2009, dass in dem „Schaufenster“ des Betriebes in B. unter Verstoß gegen die Preisangabenverordnung kein Preisverzeichnis mit den Preisen für die wesentlichen Leistungen angebracht sei (Anlage K 1). Der Beklagte forderte die Klägerin erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie zur Kostenerstattung auf. Hierauf reagierte die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08.12.2009 (Anlage K 2), mit dem sie der Abmahnung entgegentrat und den Beklagten ihrerseits erfolglos zur Erklärung aufforderte, die Behauptung von Wettbewerbsverstößen werde nicht weiter aufrechterhalten.

Die gegen die Zweigniederlassungen der Klägerin gerichteten Abmahnungen sind Gegenstand des bei dem Senat zu dem Aktenzeichen 5 U 258/10 geführten Rechtsstreits. Die gegen den Firmensitz in B. gerichtete Abmahnung ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Die Klägerin hat vorgetragen,
sie sei nicht zum Aushang eines Preisverzeichnisses in den Fenstern der gemäß Anlage K 1 abgemahnten Betriebsstätte verpflichtet gewesen. Nicht bei jedem Fenster eines Geschäftslokals handele es sich zugleich um ein „Schaufenster“ im Rechtssinne. Eine Pflicht zur Preisauszeichnung bestehe lediglich dann, wenn Fenster betroffen seien, bei denen Waren oder Leistungen unmittelbar hinter der Glasscheibe angeboten würden. Dies sei bei ihrer Betriebsstätte jedoch nicht der Fall. Es würden insbesondere weder Särge noch Urnen ausgestellt. Vielmehr sei der Blick lediglich auf eine normale Büroausstattung freigegeben. Diese sei zu dem Beanstandungszeitpunkt vorweihnachtlich dekoriert gewesen.

Zwar treffe es zu, dass ihre Geschäftsräume über ein Schaufenster verfügten. Dies sei jedoch allein darauf zurückzuführen, dass in den Geschäftsräumen früher ein Bekleidungsgeschäft und ein Inneneinrichter betrieben worden seien.

Unabhängig davon sei ihr die Ausstellung einer Preisliste in einem Fenster auch weder möglich noch zuzumuten. Denn sie erbringe individuelle Dienst- bzw. Werkleistungen für Trauernde, die in jedem Einzelfall von einer Vielzahl individueller Faktoren abhingen, auf die sie selbst keinerlei Einfluss habe und die eine Generalisierung ausschlössen. Dies umso mehr, als die Durchführung einer Bestattung in hohem Maße auch von den in den Gesamtpreis mit einfließenden Dienstleistungen Dritter (Friedhof, Kirche, Floristik usw.) abhänge. Sie erbringe ihre Leistungen aufgrund von schriftlichen Angeboten bzw. schriftlichen Vorschlägen, die auf den Einzelfall abgestellt seien. Hierauf finde die Preisangabenverordnung ohnehin keine Anwendung. Soweit überhaupt werbende Angaben in ihren Betrieben durch Fenster sichtbar seien, handele es sich hierbei um allgemeine Hinweise auf ihren Unternehmensgegenstand (Bestattung, Floristik), nicht jedoch um irgendeine konkrete Leistung.

Zunächst hatte die Klägerin in dem vorliegenden Rechtsstreit den Beklagten auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten für die Abwehr der aus der Anlage K 1 ersichtlichen Abmahnung in Höhe von € 651,80in Anspruch genommen. Sie hat mit Schriftsatz vom 08.04.2011 im Anschluss auf einen rechtlichen Hinweis des Landgerichts den bisherigen Hilfsantrag hauptweise gestellt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 651,80 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Unterlassungsanspruch des Beklagten gemäß Abmahnung vom 1.12.2009, nämlich im geschäftlichen Verkehr Leistungen anzubieten, ohne ein den Anforderungen der Preisangabenverordnung genügendes Preisverzeichnis mit den Preisen für die wesentlichen Leistungen oder ggf. Verrechnungssätze im Schaufenster oder Schaukasten anzubringen, nicht besteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat geltend gemacht,
die Klägerin habe gegen die Preisangabenverordnung verstoßen, da ihre Betriebe über große Schaufenster verfügten, sodass sie zum Aushang eines Preisverzeichnisses verpflichtet sei. „Schaufenster“ im Sinne des Gesetzes sei jedes Fenster eines Betriebes, das zur Werbung für den Betrieb benutzt werde. Die Klägerin mache durch die drei großen Fenster ihrer Betriebsstätte Passanten auf ihr Leistungsangebot aufmerksam. Über den Fenstern finde sich der Schriftzug „Vorsorge und Bestattungen“. Dabei seien Schaufenster auch sog. „Durchschau-Fenster“, durch die man ins Ladeninnere sehen könne. Gleiches gelte für Fenster, bei denen Grafiken, Texte oder sonstige Hinweise auf das Unternehmen oder dessen Leistungen angebracht seien bzw. durch welche auf diese aufmerksam gemacht werde. Es reiche aus, dass der Durchblick durch das Schaufenster einen Eindruck von der Einrichtung und Atmosphäre der Räumlichkeiten gebe, in denen im Trauerfall eine Beratung stattfinden werde. Eine derartige Beratung biete die Klägerin an der streitgegenständlichen Betriebstätte an.

Der Beklagte hat in Bezug auf den in dem Parallelverfahren 5 U 258/10 geltend gemachten Anspruch den Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit erhoben.

Das Landgericht Hamburg hat den Beklagten mit dem angegriffenen Urteil vom 30.06.2011 zu dem Feststellungsantrag antragsgemäß verurteilt, den Zahlungsantrag hingegen abgewiesen. Gegen seine Verurteilung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten. Der Beklagte verfolgt in zweiter Instanz sein Klagabweisungsbegehren unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags weiter.

Der Beklagte trägt vor,
das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass kein Schaufenster im Sinne der Preisangabenverordnung vorhanden sei. Im Übrigen gewinne man durch das Fenster Einblick in die Beratungsräume der Klägerin und habe einen Blick auf typische Utensilien eines Bestattungsunternehmens, wie z.B. Kerzen und Kränze.

Der Beklagte beantragt nunmehr,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30.06.2011 hinsichtlich Ziffer I des Tenors abzuändern und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil auf der Grundlage der bereits erstinstanzlich gestellten Anträge.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die rechtlichen Hinweise des Landgerichts Hamburg vom 11.10.2010 und 29.04.2011 sowie auf das Protokoll der Sitzung des Senats vom 17.04.2013 Bezug genommen.

II.
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass dem Beklagten der geltend gemachte Anspruch aus § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 S. 2 PAngV nicht zusteht. Damit war auch die von dem Beklagten ausgesprochene Abmahnung unberechtigt. Die Berufungsbegründung rechtfertigt kein abweichendes Ergebnis. Sie gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen.

1.
Der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit ist unbegründet. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin sowohl im vorliegenden Verfahren als auch in dem Parallelrechtsstreit 5 U 258/10 einen im Wortlaut identischen Feststellungsantrag verfolgt. Diesen Anträgen liegen aber unzweifelhaft unterschiedliche Streitgegenstände zu Grunde. Während es vorliegend um die Fenstergestaltung des Geschäftslokals in H.-B. geht, betrifft das Parallelverfahren Niederlassungen in W., R. und B. Bei der Frage, ob dem Beklagten in Bezug auf ein konkretes Geschäftslokal ein preisangabenrechtlicher Anspruch zusteht, handelt es sich stets um eine Einzelfallprüfung, die je nach Örtlichkeit unterschiedlich ausfallen kann. Dementsprechend unterscheiden sich die Streitgegenstände der Verfahren trotz identischer Antragsformulierung maßgeblich jedenfalls in dem für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Lebenssachverhalt. Hiervon geht offenbar nunmehr auch das Landgericht aus, das in 1. Instanz zunächst noch einen anders lautenden rechtlichen Hinweis erteilt hatte.

2.
Die Bestimmung des § 5 PAngV, die den Anbietern von Dienstleistungen neben dem Aufstellen von Preisverzeichnissen grundsätzlich auch deren Anbringen am Ort des Leistungsangebots auferlegt, stellt eine Marktverhaltensregelung i.S. des § 4 Nr.?11 UWG dar. Da die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken insbesondere die von Unternehmern gegenüber Verbrauchern zu erfüllenden Informationspflichten abschließend regelt, kann ein Verstoß gegen eine entsprechende nationale Bestimmung eine Unlauterkeit nach § 4 Nr.?11 UWG nur noch dann begründen, wenn diese Bestimmung eine Grundlage im Unionsrecht hat (BGH, GRUR 2010, 652 – Costa del Sol; BGH GRUR 2011, 82 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer). Das ist hinsichtlich der Bestimmung des § 5 PAngV der Fall (BGH GRUR 2012, 1159 – Preisverzeichnis bei Mietwagenangebot).

3.
Die Parteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich noch über die Verpflichtung der Klägerin, ein Preisverzeichnis über ihre wesentlichen Leistungen sichtbar anzubringen. Streitpunkt der Parteien ist auch insoweit ausschließlich die Frage, ob die Klägerin an ihrem Geschäftslokal über ein „Schaufenster“ im Rechtssinne nach den Bestimmungen der Preisangabenverordnung verfügt. § 5 Abs. 1 Satz 1 + 2 PAngV lautet:

„(1) Wer Leistungen anbietet, hat ein Preisverzeichnis mit den Preisen für seine wesentlichen Leistungen oder in den Fällen des § 1 Abs. 3 mit seinen Verrechnungssätzen aufzustellen. Dieses ist im Geschäftslokal oder am sonstigen Ort des Leistungsangebots und, sofern vorhanden, zusätzlich im Schaufenster oder Schaukasten anzubringen.“

a.
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein „Schaufenster“ im Sinne der genannten Vorschrift vorliegt, ist in Rechtsprechung und Literatur noch weitgehend ungeklärt. Die Vorschrift soll es dem Verbraucher ermöglichen, sich rasch einen Überblick über die Preise für die angebotenen Leistungen zu verschaffen, ohne zunächst das Ladeninnere betreten zu müssen. Es ist schon nicht im Ansatz ersichtlich, dass in den im vorliegenden Rechtsstreit beanstandeten Fenstern konkrete Waren oder Dienstleistungen ausgestellt sind, angeboten oder beworben werden. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus den von dem Beklagten hierzu eingereichten Lichtbildern. Diese Lichtbilder zeigen – soweit aus ihnen überhaupt konkrete Einzelheiten zu erkennen sind – zwar „Fenster“, durch die man in das Innere von Räumen blicken kann. Ohne weiteres sind auch Einrichtungsgegenstände, wie ein Schrank, ein Sessel, zwei Laternen, Pflanzen usw. erkennbar. Auch trifft es zu, dass sich außen am Gebäude oberhalb eines Fensters allgemeine Hinweise auf den Unternehmensgegenstand finden („Vorsorge und Bestattungen“). Alles dies verwirklicht aber auch nach Auffassung des Senats nicht das normative Merkmal eines „Schau“Fensters. Dieses setzt voraus, dass irgendetwas „zur Schau gestellt“ wird bzw. dass dem Interessenten ein konkreter „Einblick in das Leistungsangebot“ vermittelt werden soll. Davon kann hier keine Rede sein.

b.
Zu der Frage, wann ein „Schaufenster“ im Sinne der Vorschriften der Preisangabenverordnung vorliegt, hatte der Senat in dem Beschluss vom 28.11.2012 in der zwischen dem hiesigen Beklagten (als Kläger) und einem Fitness-Studio anhängigen Rechtsstreit 5 U 27/11 u.a. ausgeführt:

„1. Ohne Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO hat das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 PAngV eine Pflicht zur Anbringung eines Preisverzeichnisses (auch) im Schaufenster nur besteht, wenn die jeweilige Leistung dort zur Schau gestellt wird.

Diese Voraussetzung folgt zwar – anders als im Falle des § 4 Abs. 1 PAngV das Erfordernis der sichtbaren Ausstellung einer Ware – nicht schon aus dem unmittelbaren Wortlaut des §5 Abs. 1 S. 2 PAngV. Sie ergibt sich aber aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Zweck der Preisangabenverordnung ist es, durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und Preisklarheit zu gewährleisten, durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber Handel und Gewerbe zu stärken sowie den Wettbewerb zu fördern (BGH, U. v. 4.10.2007, Az. I ZR 143/04, Juris, Rn. 25 -„Versandkosten“). Hieran anknüpfend soll § 5 Abs. 1 S. 2 PAngV sicherstellen, dass das Preisverzeichnis an jedem Ort angebracht wird, an dem der potentielle Kunde mit dem Leistungsangebot konfrontiert wird (vgl. dazu: Völker, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 2. Aufl., § 5 PAngV, Rn. 7). Ein Schaufenster, in dem die jeweilige Leistung – mag sie auch tatsächlich im Innenraum angeboten werden – nicht zur Schau gestellt wird, vermag eine solche Konfrontation nicht herbeizuführen. Ohne das ungeschriebene Erfordernis des zur Schaustellens der Leistung müsste nach § 5 Abs. 1 S. 2, 2. HS PAngV ein Preisverzeichnis ggf. sogar in einem im Übrigen vollständig leeren Schaukasten angebracht werden, der nicht einmal in räumlicher Nähe zum Ort des Leistungsangebotes aufgestellt sein müsste. Das ist durch §5 Abs. 1 S. 2 PAngV ersichtlich nicht bezweckt. Dementsprechend sieht auch die Literatur keine Veranlassung, im Hinblick auf die Reichweite des § 4 Abs. 1 PAngV einerseits und diejenige des § 5 Abs. 1 S. 2, 2.HS PAngV andererseits Differenzierungen vorzunehmen (vgl. dazu etwa: Völker, a.a.O., Rn. 8).

Die ungeschriebene Voraussetzung des zur Schaustellens der Leistung in § 5 Abs. 1 S. 2, 2. HS PAngV wird im Übrigen auch durch die systematischen Stellung dieser Vorschrift zumindest indiziert. Die Sätze 2 und 3 des §5 Abs. 1 PAngV befassen sich mit der Pflicht zur Anbringung eines Preisverzeichnisses an verschiedenen Orten des Leistungsangebotes. Die Verpflichtung zum Anbringen eines Preisverzeichnisses in einem Schaufenster oder Schaukasten ist dabei vom Gesetzgeber als reine Annexverpflichtung ausgestaltet, denn sie kommt nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 S. 2 PAngV ausdrücklich nur „zusätzlich“ zur (Haupt-)Pflicht der Anbringung eines Preisverzeichnisses im Geschäftslokal oder am sonstigen Ort des Leistungsangebotes in Betracht. Dass diese Annexpflicht ihrerseits nur dann ausgelöst werden soll, wenn mittels des Schaufensters oder Schaukastens auch schon für sich genommen ein Angebot der Leistung erfolgt, indiziert die Formulierung des sich anschließenden Satzes, wonach Ort des Leistungsangebotes „auch“ die Bildschirmanzeige ist. Hätte der Gesetzgeber für Schaufenster und Schaukästen eine Pflicht zur Anbringung von Preisverzeichnissen unabhängig davon normieren wollen, ob darin die jeweilige Leistung zur Schau gestellt wird, hätte es stattdessen nahegelegen, diese Pflicht als eigenständige Hauptpflicht zu formulieren, wie es beispielsweise in § 7 Abs. 2 PAngV hinsichtlich der Pflicht zur Anbringung eines Preisverzeichnisses neben dem Eingang einer Gaststätte geschehen ist.“

c.
Entsprechende Überlegungen gelten auch im vorliegenden Fall. Allein der Umstand, dass die Fensterfront Einblick in die Geschäftsräume gewährt, kann nicht ausreichen. Schutzgegenstand der Preisangabenverordnung sind stets konkrete Leistungsangebote, nicht jedoch die allgemeinen geschäftlichen Verhältnisse des Anbieters. Deshalb ist jedenfalls in diesem Zusammenhang eine funktionale Betrachtung des Merkmals eines „Schau“Fensters geboten. Selbst wenn es so sein sollte, dass der Passant die Ausstattung und Atmosphäre der Geschäftsräume der Klägerin durch das Fenster sehen und möglicherweise sogar typische Beratungssituationen beobachten kann, verwirklicht dies nicht ein „Leistungsangebot“, wie dies in § 5 Abs. 1 Satz 2 PAngV vorausgesetzt wird. Denn wesentliche Leistungen der Klägerin werden hierdurch nicht zur Schau gestellt. Sie werden noch nicht einmal in wesentlichem Umfang „vor Ort“ in dem einsehbaren Teil der Geschäftsräume erbracht. Vielmehr gehört es zu den Besonderheiten des Bestattergewerbes, dass der weit überwiegende Teil der Dienstleistungen außerhalb der Geschäftsräume (nämlich auf dem Friedhof, am Grab, in der Kapelle, in Leichenhäusern, am Wohnsitz des Verstorbenen bzw. der Angehörigen usw.) und schon gar nicht in deren sichtbarem Bereich erbracht wird. Deshalb wäre diese Vorschrift noch nicht einmal dann verletzt, wenn es sich bei den Fensterfronten tatsächlich in baulicher Hinsicht um ein „übliches“ Schaufenster handelte. Denn dieses gewährte hier gerade nicht Einblick in das konkrete Leistungsangebot der Klägerin. Einer Beweisaufnahme hierzu unter Vernehmung der von den Parteien benannten Zeugen bedurfte es deshalb nicht.

d.
Nach Auffassung des Senats reicht es nicht aus, dass über eine verglaste Fensterfläche Einblick in Geschäftsabläufe bzw. allgemeines geschäftliches Verhalten eines Anbieters möglich ist. Es reicht auch nicht aus, wenn hierdurch die Räume und die allgemeine Büroausstattung sichtbar werden, selbst wenn diese jahreszeitgemäß und in gewisser Weise auch mit Bezug zu dem Geschäftsgegenstand dekoriert sind (so auch Widmann WRP 2010, 1443, 1449). Die Anwendung von § 5 Abs. 1 PAngV setzt vielmehr voraus, dass im Sinne dieser Vorschrift in dem betreffenden Geschäftslokal Leistungen „angeboten“ werden. Hierzu grenzen Köhler/Bornkamm (UWG, 13. Aufl., § 1 PAngV, Rdn. 8 ) zutreffend wie folgt ab:

„Der Begriff des Anbietens iSd § 1 I 1 umfasst nicht nur Vertragsangebote iSd § 145 BGB, sondern darüber hinaus jede Erklärung eines Unternehmers, die im Verkehr in einem rein tatsächlichen Sinne als Angebot verstanden wird, mag dieses auch noch rechtlich unverbindlich sein, sofern es nur schon gezielt auf den Verkauf einer Ware – die Abgabe einer bestimmten Ware oder Dienstleistung gegen Entgelt – gerichtet ist (BGH GRUR 1980, 304, 305?f – Effektiver Jahreszins; BGH GRUR 1982, 493, 494 – Sonnenring; OLG Karlsruhe GRUR-RR 2009, 147). Der weite Begriff des „Anbietens“ erschwert die Abgrenzung von der Werbung. Es darf nicht jede Erklärung, mit der sich ein Unternehmer zwecks Verkaufs seiner Ware an den Kunden wendet und seine Bereitschaft zum Abschluss eines Vertrages zum Ausdruck bringt, als „Anbieten“ verstanden werden, da sonst für eine Werbung ohne Preisangabe kein Raum wäre (BGH GRUR 1983, 661, 662 – Sie sparen DM 4000,-). Es kommt deshalb darauf an, ob die Ankündigung ihrem Inhalt nach so konkret gefasst ist, dass sie nach der Auffassung des Verkehrs den Abschluss eines Geschäfts auch aus der Sicht des Kunden ohne Weiteres zulässt (BGH GRUR 2003, 971, 972 -Telefonischer Auskunftsdienst). Letztlich entspricht also der Begriff des Angebots dem Begriff der „Aufforderung zum Kauf“ in Art 7 IV UGP-RL (BGH GRUR 2010, 248 Rn 16 -Kamerakauf im Internet) und folgerichtig dem Begriff des Angebots iSd § 5a III UWG.

Dagegen handelt es sich um Werbung, wenn es noch ergänzender Angaben und weiterer Verhandlungen bedarf, um ein Geschäft zum Abschluss zu bringen (BGH GRUR 2004, 960, 961 -500 DM-Gutschein für Autokauf; OLG Stuttgart MMR 2008, 754). Der Begriff der Werbung ist insoweit in einem engeren Sinne zu verstehen als iSd Definition in Art 2 lit a Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung. Erforderlich ist aber auch insoweit, dass es sich um eine geschäftliche Äußerung mit dem Ziel der Absatzförderung handeln muss. Die Abgrenzung von Anbieten und Werben ist deshalb von Bedeutung, weil bei bloßer Werbung ohne Angabe von Preisen die Angabe des Endpreises nicht erforderlich ist. Wirbt der Kaufmann aber unter Angabe von Preisen, muss er grds vollständige Angaben machen (BGH GRUR 1999, 264, 267 -Handy für 0,00 DM; OLG Schleswig WRP 2007, 1127, 1128). Das Werben unter Angabe von Preisen ist allerdings im Verhältnis zum Anbieten kein Aliud, sondern ein Minus im Sinne einer Vorstufe. Daher stellt ein Anbieten in diesem Zusammenhang regelmäßig auch eine Werbung dar (BGH GRUR 2009, 982 Rn 9 – Dr. Clauder’s Hufpflege).

e.
Auch zu dieser Frage hatte der Senat in dem Beschluss vom 28.11.2012 in dem Rechtsstreit 5 U 27/11 bereits Stellung genommen und ausgeführt:

„Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Landgericht festgestellt, dass es sich nach den soeben dargestellten Grundsätzen bei den streitgegenständlichen Fenstern der „M. S.“-Filialen in der A. S. … und der G.-S.-S. … nicht um „Schaufenster“ im Sinne des §5 Abs. 1 S. 2 PAngV handelt.

Dafür kommt es nicht darauf an, ob durch die aufgeklebten Milchglasfolien das Innere der Räumlichkeiten – wie das Landgericht annimmt – überhaupt nicht mehr oder – wie die Klägerin meint – doch zumindest noch schemenhaft zu erkennen war. Für das zur Schau stellen einer Leistung durch ein Schaufenster reicht es nicht aus, wenn diese Leistung durch das Fenster lediglich schemenhaft zu erkennen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs umfasst der Begriff des Angebotes einer Leistung im Sinne der Preisangabenverordnung entsprechend dem üblichen Sprachgebrauch jede Erklärung eines Kaufmanns, die im Verkehr in einem rein tatsächlichen Sinne als Angebot an den Interessenten verstanden wird. Insoweit ist allerdings stets erforderlich, dass der Kunde, wenn auch rechtlich noch unverbindlich, tatsächlich schon gezielt auf den Kauf einer Ware oder die Abnahme einer Leistung angesprochen wird. Bedarf es ergänzender Angaben und weiterer Verhandlungen, um das Geschäft zum Abschluss zu bringen, liegt noch kein Angebot, sondern allenfalls Werbung vor (so im Hinblick auf § 1 Abs. 1 PAngV: BGH, U. v. 9.6.2004, Az. I ZR 187/02, Juris, Rn. 25; vgl. dazu auch: Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 30. Aufl., § 1 PAngV, Rn. 5 ff.). Dem entsprechend lässt es auch § 4 Abs. 1 PAngV nicht ausreichen, wenn in einem Schaufenster eine Ware lediglich „sichtbar“ ist, sondern fordert darüber hinaus explizit, dass diese auch „ausgestellt“ wird. Für eine Ausstellung in diesem Sinne ist es erforderlich, dass die Ware in auffallender Form zur Schau gestellt, d.h. in einer Weise präsentiert wird, die die Kauflust des Publikums anregen kann (so schon zu § 2 Abs. 3 PreisauszeichnungsVO: BayOLG, NJW 1973, 1088, 1089; vgl. dazu auch: Köhler, a.a.O., § 4PAngV, Rn. 4; Völker, a.a.O., § 4 PAngV, Rn. 2). Entsprechendes muss nach den obigen Ausführungen für §5 Abs. 1 S. 2, 2. HS PAngV gelten.“

f.
Bei der Fenstergestaltung der Klägerin handelt es sich danach – wenn überhaupt – allenfalls um eine werbende Darstellung ihrer bzw. Einsicht in ihre allgemein geschäftlichen Tätigkeiten ohne Bezug zu konkreten Leistungen/Produkten und ohne irgendeine Preisangabe. Diese Möglichkeit eines Einblicks ist aus den oben genannten Gründen nicht Schutzgegenstand von § 5 Abs. 1 PAngV. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin in ihren Geschäftslokalen Leistungen erbringt. Ob sie damit – auch ohne ein explizit sichtbares Angebot – verpflichtet ist, dort gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 PAngV ein Preisverzeichnis aufzustellen, muss der Senat aus Anlass dieses Rechtsstreits nicht verbindlich entscheiden. Satz 2 erweitert diese Pflicht insoweit, als ein solches Preisverzeichnis zusätzlich auch in einem Schaufenster anzubringen ist. Jedenfalls diese Verpflichtung besteht hier aus den genannten Gründen nicht.

g.
Soweit die Beklagte darauf abstellt, durch das Fenster gewinne man Einblick in die Beratungsräume der Klägerin und habe einen Blick auf typische Utensilien eines Bestattungsunternehmens, wie z.B. Kerzen und Kränze, so besteht nach dem Verständnis des Senats auch insoweit kein hinreichend relevanter Zusammenhang zu dem konkreten „Angebot“ von Leistungen. Allein der Umstand, dass der Arbeitsbereich eines Unternehmers sowie seine Arbeitsutensilien zu sehen sind, qualifiziert ein allgemeines Fenster nicht notwendigerweise zum Schaufenster. Da die verglasten Flächen von der Klägerin auch nicht zum Ausstellen von Waren oder bewussten Sichtbarmachen von Dienstleistungen genutzt werden, fehlt es hierbei schon an einer weiteren Grundvoraussetzung für die Annahme eines „Schaufensters“ im Rechtssinne.

4.
Vor diesem Hintergrund muss der Senat nicht abschließend darüber entscheiden, ob § 5 PAngV von seinem Anwendungsbereich – unabhängig von der Frage eines „Schaufensters“ – überhaupt auf die konkret von der Klägerin angebotenen Leistungen Anwendung findet. Hierzu ist in § 9 Abs. 8 Nr. 1 PAngV geregelt:

„(8) § 5 ist nicht anzuwenden
1. auf Leistungen, die üblicherweise aufgrund von schriftlichen Angeboten oder schriftlichen Voranschlägen erbracht werden, die auf den Einzelfall abgestellt sind;“

Es spricht vieles dafür, dass eine derartige Fallgestaltung gerade im Bestattungswesen vorliegt. Denn die Durchführung einer Bestattung hängt von vielen Faktoren und Kostenpositionen ab, bei denen durch den Bestatter vielfach auch fremde Kosten mit abgerechnet werden. Dies und die erheblichen Kosten einer Bestattung legen es nahe, dass hierüber im Regelfall ein vorheriges schriftliches Angebot erteilt wird. Dies ist aus der Natur der Sache auf den jeweiligen Einzelfall abgestellt. Für Tätowierdienstleistungen hatte der Senat eine derartige Situation zwar nicht angenommen (Senat GRUR 2012, 26, 27 – Tätowierpreise). Dies hatte seinen Grund aber darin, dass aufgrund der Art der Dienstleistung und des Kundenkreises schriftliche Vereinbarungen eher unüblich sind. Für Bestattungsverträge gilt dies nicht in gleicher Weise. Auch im vorliegenden Fall hatte der Beklagte zwar bestritten, dass die Dienstleistungen der Klägerin regelmäßig auf der Grundlage eines derartigen schriftlichen Angebotes erfolgen. Dies steht nach den Erkenntnissen der Senats indes nicht im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung (so auch Widmann, a.a.O., S. 1451). Zwar mag es in bestimmten Bereichen auch Beerdigungen „zum Festpreis“ geben. Üblicherweise werden indes umfassende, auf den konkreten Einzelfall abgestimmte Bestattungsdienstleistungen erbracht, die auf die besonderen Wünsche des Verstorbenen und der Angehörigen z.B. zu Räumlichkeiten, Sarg, Blumenschmuck, Musik, Redner usw. abgestimmt sind. Hierbei bestehen vielfältige und kaum vorhersehbare Gestaltungsmöglichkeiten, selbst wenn diese möglicherweise nicht das Ausmaß einer Variationsbreite erreichen, das Gegenstand der Entscheidung „Preisangaben bei Mietwagenangebot“ (BGH GRUR 2012, 1159, 1160 – Preisangaben bei Mietwagenangebot) war (mehr als 15 Mio. Kombinationsmöglichkeiten). Auch der Umstand, dass Bestattungen nicht selten im Bereich hoher vier- oder sogar fünfstelliger Eurobeträge liegen, legt es unmittelbar nahe, dass derartige Aufträge wegen der damit verbundenen hohen finanziellen Verpflichtungen in der Regel nicht ohne schriftliche Unterlage erteilt werden. Deshalb spricht vieles dafür, dass selbst dann, wenn von einem Schaufenster im Rechtssinne auszugehen wäre, jedenfalls die Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 8 Nr. 1 PAngV zur Anwendung käme. Hierzu bedarf es im vorliegenden Fall indes – wie ausgeführt – keiner abschließenden Entscheidung

5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision gegen diese Entscheidung zu. Der Rechtsstreit hat in Bezug auf die normative Bestimmung des Begriffs eines „Schaufensters“ grundsätzliche Bedeutung. Es bedarf einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts.

I