OLG Hamm: Auch die urheberrechtliche Abmahnung kann rechtsmissbräuchlich sein

veröffentlicht am 22. Dezember 2009

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Hamm, Urteil vom 22.09.2009, Az. 4 U 77/09
§ 97 UrhG, § 242 BGB

Das OLG Hamm hat entschieden, dass auch einer urheberrechtlichen Abmahnung der  rechtliche Einwand des Missbrauchs entgegengehalten werden kann. Zwar sei § 8 Abs. 4 UWG als Norm zum Ausschluss missbräuchlicher Abmahnungen und Klagen im Urheberrecht weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Die Klagebefugnis des verletzten Urhebers ergebe sich aber – anders als im Wettbewerbsrecht – aus einem subjektiven Ausschließlichkeitsrecht. Sie werde nicht erst gesetzlich geregelt. Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung schließe aber nicht aus, auch insoweit den Einwand einer rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung der Klagebefugnis desjenigen, der sich urheberrechtlicher Rechte und Ansprüche berühmt, zuzulassen.

Die Möglichkeit eines Missbrauchs der Klagebefugnis durch den urheberrechtlich Anspruchsberechtigten sei deutlicher in das Blickfeld geraten als früher, nachdem seit dem 07.07.2008 die Abmahnung vor der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs in § 97a UrhG ausdrücklich geregelt worden sei, mit dem Ziel der Beilegung von urheberrechtlichen Streitigkeiten ohne unnötige Inanspruchnahme des Gerichts. Auch ein außergerichtliches Vorgehen vor diesem Zeitpunkt sei aber jedenfalls dann rechtsmissbräuchlich, wenn bei einer solchen urheberrechtlichen Abmahnung ein Gebührenerzielungsinteresse oder ein Kostenbelastungsinteresse im Vordergrund stehe (vgl. Nordemann, Urheberrecht, 10. Auflage 2008, § 97 Rdn. 192; Wandtke/ Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 97 Rdn. 18, 21; Dreier/Schulze, UrhG, 3. Auflage 2008, § 97a Rdn. 8). Abs. 28

Bei der vorliegenden gerichtlichen Inanspruchnahme der Beklagten habe sich das Vorgehen des Klägers im Vergleich zu deren Abmahnung zwar als relativ moderat dargestellt, worauf der Kläger ausdrücklich hingewiesen habe. Alle drei Beklagten würden in einer Klage in Anspruch genommen, was deutlich mache dass eine solche gemeinschaftliche Inanspruchnahme ohne weiteres möglich sei. Es geht nunmehr nicht mehr um die Verletzung von Urheberrechten an der vom Kläger zeitaufwändig gestalteten Webseite, sondern um die Rechte an drei Fotos, die auch ohne besondere Schöpfungshöhe Lichtbildschutz nach § 72 UrhG genössen.

Es komme, so der Senat, aber für die Frage des Rechtsmissbrauchs auch im Urheberrecht nicht nur auf die gerichtliche Inanspruchnahme an, sondern vielmehr auch und entscheidend auf die Abmahnung. Sei die Abmahnung rechtsmissbräuchlich, so erlösche der Unterlassungsanspruch und auch eine folgende Unterlassungsklage sei mangels Klagebefugnis selbst dann nicht zulässig, wenn sie nur in eingeschränktem Umfang erhoben werde. Das gälte ähnlich wie für das Wettbewerbsrecht, wo es die Bestimmung des § 8 Abs. 4 UWG gebe. Das Abmahnverhalten mache hier ein übermäßiges Kostenbelastungsinteresse des Klägers und damit einen Rechtsmissbrauch deutlich. Getrennte Abmahnungen gegen verschiedene Verletzer könnten grundsätzlich unzulässig sein, wenn die Verletzer als Unternehmen und Geschäftsführer miteinander verbunden seien, wie es hier bei der Beklagten zu 3) und dem Beklagten zu 2) der Fall sei.

Die Beklagte zu 3) werde auch nur deshalb in Anspruch genommen, weil sie es dem Beklagten zu 2) ermöglicht haben solle, die Webseiten auf Internetseiten unter seinen Domains zu übertragen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ohne jeden Nachteil hätten jedenfalls der Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) als Streitgenossen in Anspruch genommen werden können. Wegen der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit mit den Beklagten zu 2) und 3) in dem gemeinsamen Projekt der eigenständigen Vermietung von Ferienwohnungen gelte das auch für den Beklagten zu 1). Als Folge der getrennten Abmahnung der drei Beklagten seien erheblich höhere Kosten entstanden als bei einem gemeinsamen Vorgehen gegen alle Beklagten. Das reiche schon aus, um ein solches Kostenbelastungsinteresse anzunehmen (vgl. BGH GRUR 2006, 243 – Mega Sale zum UWG).

Für das Kostenbelastungsinteresse spreche hier aber außerdem, dass in allen drei Fällen in der Abmahnung in erheblichem Umfang weitergehende Verletzungshandlungen gerügt worden seien, als sie zum Gegenstand der Klage gemacht worden seien. Das vom Kläger selbst später nicht mehr als urheberrechtswidrig eingestufte Verhalten der Beklagten habe dazu geführt, dass die Abmahnung, die nach ihrer Kostenvermeidungs- und Warnfunktion nur die Ansprüche zum Gegenstand haben solle, die im Fall der Erfolglosigkeit gerichtlich geltend gemacht werden sollten, überwiegend unbegründet gewesen sei. Die überwiegend unbegründete Abmahnung habe dann dazu geführt, dass den Anwaltskosten für die Abmahnungen und den darauf gestützten Erstattungsansprüchen überhöhte Streitwerte von jeweils 150.000,00 EUR zugrunde gelegt worden seien, wenn man die jeweiligen Streitwerte von 10.000,00 EUR im Klageverfahren damit vergleiche.

Hinzu komme, dass die Beklagte zu 3) zusätzlich zweimal gesondert abgemahnt worden sei und ihr wegen der unberechtigten Beendigung der Vertragsbeziehung noch zusätzlich Anwaltskosten in Höhe von 1.505,35 EUR auf der Basis einer Geschäftsgebühr nach 35.000,00 EUR zur Erstattung aufgegeben worden seien. Im Ergebnis habe der Kläger, der die Beklagten später wegen der unberechtigten Benutzung von drei Fotos aus der von ihm mitgestalteten und veröffentlichten Webseite in Anspruch genommen habe, den Beklagten als Folge der gesonderten und wiederholten Inanspruchnahme Abmahnkosten in Höhe von 10.064,44 EUR in Rechnung gestellt und diese später auch in vollem Umfang eingeklagt, obwohl er nur noch einen Teil der abgemahnten Verletzungshandlung zum Gegenstand der Klage gemacht habe. Das spreche selbst dann für ein missbräuchliches Kostenbelastungsinteresse des Klägers, wenn man für einen Rechtsmissbrauch mit Wandtke / Bullinger (a.a.O Rd. 18) einschränkend wegen des scharfen Schwerts des Anspruchsverlustes ein besonders rücksichtslos erscheinendes Verhalten verlange.

I