OLG Hamm: Auch im Markenrecht existiert eine Dringlichkeitsvermutung für eine einstweilige Verfügung, wenn ein Unternehmen durch eine Markenverletzung stark gefährdet ist

veröffentlicht am 15. Juli 2011

OLG Hamm, Urteil vom 25.01.2011, Az. I-4 U 144/10
§§ 5, 15 MarkenG

Das OLG Hamm hat entschieden, dass eine Markenverletzung – obwohl eine Dringlichkeitsvermutung wie im Wettbewerbsrecht hier nicht gesetzlich geregelt ist – per einstweiliger Verfügung untersagt werden kann, wenn der Verletzer den Verletzten in der Sanierungsphase nach einer Insolvenz behindert, indem er den Ruf seiner Marke ausnutzt. Vorliegend nutzte der Antragsgegner ein der Marke des Antragstellers zum Verwechseln ähnliches Kennzeichen, welches er zur Bezeichnung eines Billigladens („Schnäppchenparadies“) nutzte. Dafür habe er insbesondere eine vorherige Werbekampagne des Antragstellers für sich ausgenutzt, so dass eine Rufausbeutung anzunehmen sei. Für den Antragsteller sei es jedoch gerade zur Stabilisierung seines Geschäfts entscheidend, nicht mit anderen, insbesondere mit Billigsortimenten verwechselt zu werden. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Hamm

Urteil

Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 15. Juni 2010 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Im Jahre 2009 wurde der ursprüngliche Antragsteller Rechtsanwalt Dr. H zum Insolvenzverwalter der jetzigen Antragstellerin bestellt (AG F, Az.: 160 IN 107/09). Mit Beschluss vom 30.09.2010 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.

In der Zeit vom 02.01.2010 bis zum 05.02.2010 führte die Antragstellerin eine Marketingaktion unter dem Motto T durch, und zwar u.a. auch in der X-Filiale in E3, X-Weg. Eine weitere Filiale befand sich zunächst unweit davon in der L-Straße. Nach Schließung dieser Filiale wurde dort Anfang April 2010 ein sogenanntes „Schnäppchen-Paradies“ eröffnet. Über dem Eingangsbereich wurde die Bezeichnung „T“ angebracht. Zumindest zeitweise wurde dabei die Schrifttype des X-Firmenschriftzuges verwandt. Mit Schreiben vom 07.04.2010 mahnte die jetzige Antragstellerin den Antragsgegner ab. Die Unterzeichnung einer Unterwerfungserklärung lehnte der Antragsgegner mit anwaltlichem Schreiben vom 12.04.2010 ab. In diesem Schreiben heißt es am Ende:

„Zusammenfassend: Meine Mandantschaft wird das Wort „T“ weiterhin verwenden.“

Der ursprüngliche Antragsteller hat eine einstweilige Verfügung vom 28.04.2010 erwirkt in der es dem Antragsgegner untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „T“ zur Kennzeichnung seiner Verkaufsstelle in der L-Straße in E3 zu nutzen und/oder nutzen zu lassen.

Der ehemalige Antragsteller hat gemeint, es sei für jedermann erkennbar, dass der Antragsgegner mit der Kennzeichnung seines Ladenlokals auf „X“ anspiele. Die Assoziation mit X dränge sich für die angesprochenen Verkehrskreise auf, weil sich „X“ einerseits und „T“ andererseits nur durch die Anfangsbuchstaben unterschieden. Es komme hinzu, dass der Antragsgegner seinen Betrieb in einer ehemaligen X-Filiale betreibe. Zudem benutze der Antragsgegner für die Beschriftung seines Eingangsbereichs die identische Schrifttype, wie die angesprochenen Verkehrskriese sie von der Werbung für X kennen würden. Indem er solcherart die Assoziation mit dem Warenunternehmen wecke, nutze der Antragsgegner sowohl den Ruf als auch die Unterscheidungskraft des Firmenbestandteils „X“ aus. Denn der Antragsgegner schaffe beim Publikum einen höheren Aufmerksamkeitsgrad, als wenn der Antragsgegner unter Verwendung seines Familiennamens oder einer der üblichen Bezeichnungen für Billigwarensortimenter aufträte. Diese Ausnutzung geschehe auch in unlauterer Weise. Zum einen mache der Antragsgegner sich die jahrelange Arbeit der jetzigen Antragstellerin an ihrem Image zunutze. Darüber hinaus springe der Antragsgegner nachträglich auf die zu Beginn des Jahres 2010 geführte Kampagne „X/T“ auf und nutze so den diesbezüglichen Werbeaufwand.

Der ursprüngliche Antragsteller hat beantragt, die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Der Antragsgegner hat beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass abzuweisen.

Er – der Antragsgegner – habe keinesfalls in der L-Straße – weder als Mieter noch als Betreiber – ein „Schnäppchen-Paradies“ oder ein Verkaufsgeschäft eröffnet. Er habe keinerlei rechtliche Beziehung zum Antragsteller / Antragstellerin, sei es als Mieter, sei es als Betreiber dieser vormaligen X-Filiale.

Eine irgendwie geartete Werbeaktion könne nicht dazu führen, dass irgendein Bürger dann glaubt, man habe es mit einer umbenannten Filiale der Firma X zu tun. Die vormaligen Presseartikel in E3, die sich mit der Filiale X befasst hätten, hätten nicht im Geringsten etwas mit der Werbung zu tun, dafür umso mehr mit dem Tatbestand, dass eben diese Filiale geschlossen würde.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung vom 28.04.2010 bestätigt.

Der ehemalige Antragssteller habe bereits einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 5, 15 Abs. 2 MarkenG. Die Bezeichnungen X und T seien zumindest mittelbar verwechselungsfähig. Aufgrund der Gesamtumstände werde der Verkehr davon ausgehen, dass in der ehemaligen X-Filiale entweder ein zur X-Gruppe gehörendes Unternehmen seinen Geschäftsbetrieb aufgenommen habe oder aber dass ein vom Kläger lizenziertes anderes Unternehmen dort tätig geworden sei.

Ein Unterlassungsanspruch sei auch aus §§ 5, 15 Abs. 3 MarkenG begründet. Bei dem Firmenschlagwort „X“ handele es sich um eine im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung. Durch die Verwendung der ähnlichen Kennzeichnung „T“, noch dazu mit identischer Schrifttype, werde die nach wie vor bestehende Wertschätzung des Namens X ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt.

Der Antragsgegner sei auch der richtige Anspruchsgegner. Der ehemalige Antragsteller habe glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner als Störer, d.h. als jemand, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts der Antragstellerin beigetragen habe, verantwortlich sei.

Auch ein Verfügungsgrund sei gegeben. In der aktuellen Sanierungsphase sei es für die X GmbH von existenzieller Bedeutung, nicht mit Dritten verwechselt zu werden und die Wertschätzung ihres Kennzeichens nicht durch Dritte ausnutzen zu lassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich der Antragsgegner mit seiner Berufung, mit der er die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und die Zurückweisung des entsprechenden Antrages begehrt.

Der ehemalige Antragsteller sei nicht mehr aktivlegitimiert, weil mit Beschluss des Amtsgerichts F vom 30.09.2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der X GmbH aufgehoben worden sei. Es werde darüber hinaus der Mangel der Vollmacht gerügt.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergebe sich nicht aus den §§ 5, 15 MarkenG.

Der Antragsgegner habe die geschäftliche Bezeichnung „X“ im geschäftlichen Verkehr überhaupt nicht benutzt. Die Antragstellerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass im Zeitraum vom 02.01. bis 05.02.2010 mit der Bezeichnung „T“ geworben worden sei. Wer nämlich seine Geschäfts- und Unternehmensbezeichnung nicht mehr gebrauche, sei nach § 15 Abs. 2 MarkenG nicht geschützt.

Die Bezeichnungen X und T seien – auch nicht mittelbar – geeignet, Verwechselungen hervorzurufen. Die Werbekampagne von Anfang 2010 sei am 07.04.2010 bereits seit 2 Monaten abgeschlossen gewesen. Auch sei die Filiale L-Straße, die nur bis zum 30.03.2010 betrieben worden sei, in diese Kampagne nicht einbezogen gewesen. Aufgrund der Gesamtumstände sei der Verkehr keineswegs davon ausgegangen, dass in den Geschäftsräumen L-Straße ein zur X-Gruppe gehörendes Unternehmen seinen Geschäftsbetrieb aufgenommen habe. Vielmehr sei allgemein bekannt gewesen, dass der ursprüngliche Antragsteller im Rahmen des Insolvenzverfahrens bestimmte Filialen habe schließen wollen, andere habe aufrechterhalten wollen.

Die Bezeichnungen „X“ und „T“ seien auch nicht so ähnlich, dass der irrige Eindruck erweckt werden könne, dass hier besondere wirtschaftliche und organisatorische Zusammenhänge zwischen den Unternehmen bestünden. Vielmehr bestehe sowohl hinsichtlich des Klangs als auch hinsichtlich des Bildes bei den genannten Begriffen ein hinreichender Abstand.

Bei der Bezeichnung „T“ handele es sich auch nicht um ein ähnliches Zeichen im Sinne von § 15 Abs. 3 MarkenG. Durch die Benutzung der Bezeichnung „T“ werde auch nicht die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Bezeichnung „X“ ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt.

Der Antragsgegner sei auch nicht der richtige Anspruchsgegner. Er habe das Geschäft in der L-Straße weder am 06.04.2010 noch zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung oder zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 15.06.2010 betrieben. Auch sei er weder Mieter der Geschäftsräume noch Inhaber des Geschäfts gewesen.

Der Antragsgegner beantragt, die einstweilige Verfügung vom 28.04.2010 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft den erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt das angefochtene Urteil.

Es komme nicht darauf an, ob „T“ durch die Benutzung vom 02.01. bis zum 05.02.2010 zur geschäftlichen Bezeichnung der Antragstellerin im Sinne des § 5 Abs. 2 MarkenG geworden sei. Darauf habe weder der ehemalige Antragsteller noch das Landgericht die rechtliche Würdigung gestützt. Vielmehr stütze man sich auf die Verletzung des kennzeichnenden Bestandteils „X“ in der Firmierung der ehemaligen Gemeinschuldnerin.

Unter Zugrundelegung der für die Beurteilung der Verwechselungsgefahr maßgeblichen Kriterien – Zeichenähnlichkeit, Kennzeichnungskraft des verletzten Zeichens und Branchennähe – sei schon eine unmittelbare Verwechselungsgefahr zu bejahen. Sowohl schriftbildlich als auch klanglich seien die Zeichen hochgradig ähnlich. Die unstreitig berühmte Marke „X“ verfüge über eine hohe Kennzeichnungskraft. Die Branchenähnlichkeit ergebe sich daraus, dass der Antragsgegner Einzelhandelsaktivitäten entfalte.

Ferner seien die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 MarkenG erfüllt.

Zu Recht habe das Landgericht festgestellt, dass der Verfügungsbeklagte der richtige Anspruchsgegner sei. Dies ergebe sich aus einem Artikel aus „internetadresse“ vom 09.08.2010 (Anlage BE 1; GA 229), in dem der Antragsgegner am Ende wie folgt zitiert werde:

„“Wir bereiten gerade die Eröffnung eines weiteren Sonderpostenverkaufs vor, in I2 im ehemaligen I-Haus“, so H gegenüber der X1.“

Über diese Eröffnung werde in einem Artikel der „internetadresse“ wie folgt berichtet:

„An dem Gebäude ist 8 Jahre lang nichts gemacht worden. Wir haben eine komplett neue Belüftung eingebaut“, sagt E H. Er ist der Mann hinter dem Projekt, der Investor, der u.a. bereits die ehemalige X-Filiale in E3 auf 8.500 Quadratmetern in ein Schnäppchen-Kaufhaus verwandelt hat.“

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die Berufung ist unbegründet.

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass der im Tatbestand dargestellten einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist nicht unzulässig (geworden).

1.

Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der X GmbH mit Datum vom 30.09.2010 aufgehoben worden ist, ist nunmehr auf Antragstellerseite die Antragstellerin als Partei zu führen. Ursprünglich hat der Insolvenzverwalter Dr. H in gesetzlicher Prozessstandschaft gemäß § 80 InsO handelnd ein fremdes Recht (das der Gemeinschuldnerin und jetzigen Antragstellerin) im eigenen Namen geltend gemacht. Durch Aufhebung des Insolvenzverfahrens ist zwar die Grundlage für diese Prozessstandschaft weggefallen, jedoch ist nach wie vor die X GmbH Berechtigte mit Blick auf ihre Markenrechte. Verändert hat sich lediglich der Umstand, dass nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die X GmbH wieder im eigenen Namen ihr eigenes Recht geltend machen kann. Eine Prozessstandschaft ist nicht mehr nötig. Dementsprechend war das Rubrum zu berichtigen.

2.

Der Einwand der fehlenden Prozessvollmacht (§ 88 ZPO) greift nicht durch. Denn die die Antragstellerin hat ihren Prozessbevollmächtigten im eigenen Namen eine Prozessvollmacht ausgestellt und im Original zu den Akten gereicht.

II.

Ein Verfügungsgrund ist gegeben.

1.

Jedoch gilt hier keine Dringlichkeitsvermutung. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats als Ausnahmeregelung auf markenrechtliche Ansprüche nicht anwendbar (Senat K & R 2000, 90; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2002, 212; OLG Frankfurt GRUR 2002, 1096; OLG München GRUR 2007, 174; OLG Hamburg WRP 2010, 953 – T-Shirt Springender Pudel; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. Kap. 54, Rn 20 ff.). Der allerdings auch umfassend vertretenen Gegenmeinung (vgl. die Darstellungen der Meinungen bei I1, Die Kennzeichenverletzung im Eilverfahren, 2008 S. 2) ist nicht zu folgen. Denn für eine allenfalls denkbare analoge Anwendung dieser Vorschrift auf Unterlassungsansprüche nach dem MarkenG fehlt es an der dafür erforderlichen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat diese Vorschrift des UWG gerade nicht in das MarkenG aufgenommen, als er diese Rechtsmaterie neu geregelt hat, obwohl bereits damals die analoge Anwendbarkeit des § 25 UWG a.F. auf Ansprüche nach dem WarenzeichenG sehr umstritten war. Es liegt auch keine vergleichbare Anwendungssituation vor. Bei den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen geht es in der Regel um die Abwehr von Verhaltensunrecht, bei dem zur größeren Schadensverhütung Eilmaßnahmen geboten sind. Das Kennzeichenrecht stellt dagegen ein Sonderschutzrecht dar, bei dem sich Verletzungssituationen in vielfältiger Form ergeben können, die komplex sein können und keineswegs auch immer eine umgehende Verbotsregelung erfordern. Eine dem Wettbewerbsrecht vergleichbare Eingriffssituation liegt bei Markenrechtsverletzungen eher selten vor. Sie mag in Fällen der Markenpiraterie gegeben sein, in denen bekannte und wertvolle Marken oder geschäftliche Bezeichnungen in identischer Form für den Vertrieb minderwertiger Produkte missbraucht werden. Sehr oft fehlt es aber gerade an einem entsprechenden Regelungsbedürfnis. Im Übrigen sind die Rechte des Verletzten hier im Allgemeinen durch die Möglichkeit einer Schadensersatzklage im Rahmen der Lizenzanalogie gewahrt.

2.

Die Antragstellerin hat aber im Hinblick auf ihren markenrechtlichen Anspruch eine Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Nach § 935 ZPO ist eine einstweilige Verfügung zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 940 ZPO muss die Eilregelung unter anderem zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Insoweit hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass es in der aktuellen Konsolidierungsphase für die Antragstellerin von existenzieller Bedeutung ist, nicht mit Dritten verwechselt zu werden, und die Wertschätzung der von ihr aufgebauten Kennzeichen nicht durch Dritte ausnutzen zu lassen. Das betrifft insbesondere auch die Verwechselung mit einem Billigsortimenter, der eine andere Ausrichtung hat als die Antragstellerin.

III.

Der Antragstellerin steht auch ein Verfügungsanspruch gemäß §§ 5, 15 MarkenG zu.

1.

Der Antragsgegner ist der richtige Anspruchsgegner. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass in den Geschäftsräumen L-Straße in E3 ein „Schnäppchen-Paradies“ eröffnet und über dem Eingang der Schriftzug „T“ angebracht worden ist. Sollte hierin eine Verletzung des Markenrechts der Antragstellerin liegen (dazu unter 2. und 3.), wäre hierfür der Antragsgegner zumindest als Störer wenn nicht als Täter oder Teilnehmer – verantwortlich.

a.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2004, 860) kann zumindest im Falle der Verletzung von Immaterialgüterrechten, die als absolute Rechte auch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB Schutz genießen – derjenige, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt, als Störer für eine Schutzrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Daher kommt es letztlich nicht darauf an, ob der Antragsgegner selbst offiziell Betreiber des Geschäfts oder Mieter der Geschäftsräume in der L-Straße war, nachdem die Antragstellerin ihre früher dort ansässige Filiale geschlossen hat. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Antragsgegner in erheblichem Maß Einfluss auf die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Schnäppchenparadieses in der L-Straße zu treffenden Entscheidungen hatte und jetzt noch hat. Das zeigen schon die Veröffentlichungen in der online-Presse. So heißt es am 06.04.2010 in „Internetadresse“ u.a.:

„Wir haben Markenwaren aus Überhängen oder Konkursen im Angebot sowie Artikel des TV-Verkaufskanals I2 – und das zu sehr günstigen Preisen“, sagte H gestern. (…) In dieser Branche sei der E1 bereits seit 30 Jahren unterwegs. Zuletzt habe er sein Geschäft in den ehemaligen Räumen der Firma R am X-Weg betrieben. …“

Auf „Internetadresse“ vom 10.04.2010 heißt es u.a.:

„E H, Betreiber von T, versteht die ganze Aufregung nicht. „Bisher habe ich mit X gut zusammengearbeitet. Ich möchte eigentlich kein Theater. …“

Aus einem weiteren Artikel in „Internetadresse“ vom 09.08.2010 (GA 229) ergibt sich ebenfalls deutlich, dass der Antragsgegner zumindest der eigentliche „Macher“ ist. Insbesondere heißt es dort:

„Wir bereiten gerade die Eröffnung eines weiteren Sonderpostenverkaufs vor, in I2 im ehemaligen I-Haus“, so H gegenüber der X1″.

Dies wird auch in dem Artikel in „Internetadresse“ vom 13.08.2010 deutlich, wenn es dort im Zusammenhang mit der Eröffnung des Geschäfts in I2 heißt:

„Er (E H) ist der Mann hinter dem Projekt, der Investor, der u.a. bereits die ehemalige X-Filiale in E3 auf 8.500 Quadratmetern in ein Schnäppchen-Kaufhaus verwandelt hat.“

Der Einfluss des Antragsgegners zeigt sich auch in der Begebenheit mit dem zu entfernenden Schriftzuges „Z D“, einer Eigenmarke der Antragstellerin. Nach entsprechender Beanstandung durch den Filialgeschäftsführer Keller stimmte der Antragsgegner der Entfernung des Schriftzuges zu und versprach, sich darum zu kümmern (vgl. dazu eidesstattliche Versicherung des K L, GA 162). Nach der eidesstattlichen Versicherung des Justitiars der Antragstellerin Herrn Dr. H1 hat der Antragsteller diesem gegenüber vorprozessual angegeben, er sei der richtige Ansprechpartner und für dieses Geschäft verantwortlich. Schließlich spricht für die Verantwortung des Antragsgegners als Störer noch der letzte Satz des anwaltlichen Schreibens vom 12.04.2010: „Zusammenfassend: Meine Mandantschaft wird das Wort „T“ weiterhin verwenden“.

b.

Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH a.a.O.). Das oben geschilderte Maß des Einflusses des Antragsgegners auf die Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Betrieb des Geschäfts in der L-Straße zeigt, dass gerade der Antragsgegner auf allen entscheidenden Ebenen (mit)bestimmt, was unternommen wird. Dementsprechend ist es ihm auch zumutbar, sich vor Benutzung einer bestimmten Kennzeichnung zu vergewissern, ob eine solche Nutzung auch zulässig ist.

2.

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner gemäß §§ 5, 15 Abs. 4 und 2 MarkenG einen Anspruch, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „T“ zur Kennzeichnung seiner Verkaufsstelle in der L-Straße in E3 zu nutzen und / oder nutzen zu lassen.

a.

Die Verletzungshandlung als solche ist unstreitig. In den Geschäftsräumen L-Straße in E3 ist ein „Schnäppchen-Paradies“ eröffnet und über dem Eingang der Schriftzug „T“ angebracht worden.

b.

Die Verwendung der Bezeichnung „T“ begründet eine Verwechselungsgefahr im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenG. Der Begriff der Verwechselungsgefahr in § 15 MarkenG ist im Wesentlichen einheitlich zu sehen mit dem entsprechenden Begriff in § 14 MarkenG (Ingerl N MarkenG, 3. Aufl., § 15 Rn 42 – 47). Ob der Verkehr das mit dem Zeichen T bezeichnete Geschäft mit der Antragstellerin unmittelbar verwechselt, kann dahinstehen, wenn eine Verwechselungsgefahr im weiteren Sinne besteht. Diese ist gegeben, wenn der Verkehr die sich gegenüberstehenden Zeichen zwar auseinanderhalten, auf Grund vorhandener Übereinstimmungen jedoch den Eindruck gewinnen kann, zwischen den beteiligten Unternehmen bestünden vertragliche, organisatorische oder sonstige wirtschaftliche Verbindungen (BGH GRUR 2010, 235 – AIDA/AIDU; BGH GRUR 2008, 1104 – Haus & Grund II).

Die Frage, ob eine Verwechselungsgefahr vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles umfassend zu beurteilen (BGH GRUR 2008, 1104 – Haus & Grund II). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Ähnlichkeitsgrad der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen, der Kennzeichnungskraft des Kennzeichens der Antragstellerin und der Nähe der Unternehmensbereiche.

aa.

Die Branchennähe ist hier gegeben. Beide Parteien sind im Bereich des Einzelhandels bezüglich verschiedener Warengruppen tätig. So bietet der Antragsgegner ein Vollsortiment von Lederwaren und Reisegepäck über Wohnaccessoires bis zu Mode an (vgl. Anlage AST 3, GA 56). Ein solches Sortiment ist – trotz eines unterschiedlichen Preisniveaus – auch bei der Antragstellerin zu finden.

bb.

Unter Kennzeichnungskraft versteht man die Eignung eines Zeichens, sich dem Publikum aufgrund seiner Eigenart und seines ggfls. durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades als Marke einzuprägen, d.h. als Herkunftshinweis erkannt, in Erinnerung behalten und wiedererkannt zu werden (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 14. Rn 497). Ohne Zweifel hat die Bezeichnung X einen äußerst hohen Bekanntheitsgrad in Deutschland erreicht und weist somit eine hohe Kennzeichnungskraft auf.

cc.

Die Marke X und das angegriffene Zeichen T weisen eine hohe Zeichenähnlichkeit auf. Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist von dem Grundsatz auszugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen ankommt (BGH GRUR 2008, 903 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2008, 1202 – Schuhpark). Die Ähnlichkeit von Wortzeichen untereinander ist anhand ihres Klangs, Schriftbildes und Sinngehalts zu ermitteln (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rn 863).

(1)

Die klangliche Ähnlichkeit ist unter dem Aspekt der maßgeblichen Aussprache der Begriffe zu betrachten. Die beiden Wörter X und T klingen nahezu identisch. Der einzige Unterschied besteht darin, dass vor dem Wortteil „b“ einerseits der Konsonant „K“ und andererseits die phonetisch als ein Konsonant klingenden Buchstaben „Sp“ zu sprechen sind. Auch unter Berücksichtigung des Aspektes, dass dieser Unterschied deshalb nicht zu unterschätzen ist, weil gerade der erste Buchstabe oder die ersten beiden Buchstaben eines Wortes eine gewisse bestimmende Wirkung für den Klang des ganzen Wortes haben können, sind die beiden Begriffe in klanglicher Hinsicht als sehr ähnlich anzusehen.

(2)

Es ist auch eine hohe schriftliche Ähnlichkeit festzustellen. Beide Wörter weisen eine identische Folge von sieben Buchstaben, nämlich „b“ auf. Lediglich der erste Buchstabe der Antragstellermarke und die ersten beiden Buchstaben des angegriffenen Zeichens unterscheiden sich. Obwohl die ersten Buchstaben eines Wortes eine besondere Bedeutung haben, ist die schriftliche Ähnlichkeit der beiden Begriffe dennoch sehr ähnlich.

(3)

Eine begriffliche Ähnlichkeit der beiden Zeichen besteht hingegen nicht. Bei X handelt es sich um den Firmennamen des Gründers des Warenhauses der Antragstellerin. Das Wort T soll dem Betrachter deutlich machen, dass er sich an einem Ort befindet, an dem er vielerlei Waren kaufen kann und im Vergleich zu einem Erwerb der Waren bei Konkurrenzunternehmen Geld sparen kann.

(4)

Für das Verständnis des Begriffs T sind auch die sonstigen Umstände heranzuziehen.

Ein solcher Umstand ist darin zu sehen, dass die Antragstellerin sich zum Zeitpunkt der angegriffenen Maßnahme (April 2010) im Insolvenzverfahren befand und im Zuge der Sanierung einige Filialen geschlossen hat. Dementsprechend wurde am 30.03.2010 auch die frühere Filiale der Antragstellerin in der L-Straße geschlossen. Dieser Umstand könnte dafür sprechen, dass gerade nach Schließung dieser Filiale diese Räumlichkeiten gerade nicht mehr von Unternehmen genutzt werden würden, die im Zusammenhang mit der Antragstellerin stehen. Dieser Gedanke ist aber für den Verkehr nicht zwingend. Denn der durchschnittliche Kunde könnte durchaus auch denken, dass diese Räumlichkeiten von einem Unternehmen genutzt werden, das im weitesten Sinne zur X-Gruppe zählt. Denkbar wäre aus Sicht der Verkehrskreise auch, dass hier die Fa. X mit einem Billigwarenkonzept Waren aus überfüllten Lagerbeständen absetzen will.

Insoweit ist auch die Tatsache, dass die Antragstellerin bereits in der Zeit vom 02.01. bis 05.02.2010 mit dem Schlagwort T ein Werbekonzept durchgeführt hat, von Bedeutung. Aus diesem Umstand ergibt sich durch die Benutzung eben dieses Wortes auch der verstärkte Eindruck, dass der in den Räumlichkeiten L-Straße in E3 befindliche Geschäftsbetrieb im Zusammenhang mit der Antragstellerin steht.

Unterstützt wird die Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise an einen solchen Zusammenhang durch die – zumindest noch anfängliche – Verwendung des gleichen Schrifttyps, der ebenfalls eine starke Ähnlichkeit der beiden Zeichen hervorruft.

(5)

In der Betrachtung aller maßgeblichen Gesamtumstände ergibt sich ein Gesamteindruck, der zur Annahme einer erheblichen Ähnlichkeit der Zeichen der Parteien führt. Eine Verwechselungsgefahr ist damit gegeben.

3.

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner auch einen Anspruch gemäß §§ 5, 15 Abs. 4 und Abs. 3 MarkenG, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „T“ zur Kennzeichnung seiner Verkaufsstelle in der L-Straße in E3 zu nutzen und / oder nutzen zu lassen.

a.

Die geschäftliche Bezeichnung „X“ der Antragstellerin ist unstreitig im Inland bekannt.

b.

Auch die weitere Voraussetzung der gedanklichen Verknüpfung ist gegeben. Für den Unterlassungsanspruch aufgrund § 15 Abs. 3 MarkenG ist ausdrücklich eine Verwechselungsgefahr nicht erforderlich. Jedoch tritt an ihre Stelle das Erfordernis der gedanklichen Verknüpfung (Ingerl/Rohnke a.a.O., § 15, Rn 123). Der Verkehr muss gleichsam durch das angegriffene Zeichen an das ältere „erinnert werden“ (BGH GRUR 2009, 484 – Metrobus). Dafür ist ein geringerer Grad an Zeichenähnlichkeit ausreichend als für die Begründung der Verwechselungsgefahr (Ingerl/Rohnke a.a.O.). Eine solche gedankliche Verknüpfung ist aufgrund der oben dargestellten klanglichen und schriftbildlichen Ähnlichkeit gegeben. Es kommt noch hinzu, dass sich der Begriff T sehr gut auf den Begriff X reimt. Dieser Umstand trägt im erheblichen Maße zu einer gedanklichen Verknüpfung bei.

c.

Desweiteren wird durch die Benutzung des Zeichens „T“ die Unterscheidungskraft der geschäftlichen Bezeichnung „X“ ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt.

Eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft ist dann gegeben, wenn die Assoziation einer Kennzeichnung mit einer bekannten Marke ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit wecken könnte, das einer anderen (neuen) Kennzeichnung, die nicht die Erinnerung an ein dem Verkehr bekanntes Erzeugnis weckt, nicht zuteil würde (Ingerl Rohnke a.a.O., § 14 Rn 1391; BGH GRUR 2000, 875 – Davidoff). Aufgrund der oben hergeleiteten Ähnlichkeit des Zeichens T mit der klägerischen Marke und ihrem sehr hohen Bekanntheitsgrad in Verbindung mit den Warensegmenten, die auch von dem Antragsgegner bedient werden, erzielt der Antragsgegner für das Geschäft in der L-Straße ein so hohes Maß an Aufmerksamkeit, welches er mit einem anderen zwangläufig neuartigen Zeichen bei den angesprochenen Kundenkreisen nicht erzielen würde. Der Antragsgegner hat jedenfalls nicht vorgetragen, dass er über die Rechte an einer anderen Bezeichnung verfügt, die eine annähernd ähnliche Aufmerksamkeit im Verkehr weckt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.


Vorinstanz:
LG Bochum, Az. I-12 O 74/10

I