OLG Hamm, Urteil vom 09.02.2012, Az. I-4 U 70/11
§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG, § 4 Nr. 11 UWG, § 2 PAngV
Das OLG Hamm hat entschieden, dass eine fehlende Grundpreisangabe die Interessen der Verbraucher „zwangsläufig auch spürbar beeinträchtigt“. Der Senat habe das zwar in früheren Fällen verneint, weil die Preisklarheit nur in unerheblichem Umfang berührt sei, wenn sich der Grundpreis durch eine einfache Rechenoperation, wie sie auch das Teilen durch zwei darstellen würde, ermitteln ließe. Die Annahme einer Bagatelle in solchen Fällen sei aber wegen der entgegenstehenden gesetzlichen Regelung nicht (mehr) möglich. Bei der Pflicht zur Angabe des Grundpreises gehe es nämlich um eine Information, die dem Verbraucher aufgrund einer gemeinschaftsrechtlichen Verordnung nicht vorenthalten werden dürfe. Art. 3 Abs. 4 der den Verbraucherschutz bei Preisangaben regelnden Richtlinie 98 / 6 / EG schreibe vor, dass bei dem Angebot solcher Ware neben dem Endpreis auch der Grundpreis pro Maßeinheit angegeben werden müsse. Fehle die Angabe des Grundpreises völlig, sei eine solche Rechtsverletzung immer wesentlich, wie sich schon aus Art. 7 Abs. 4 der UGP-Richtlinie ergebe. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Hamm
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 05.04.2011 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 445,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.03.2011 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin vertreibt im Internet Erotikartikel in einem Onlineshop. Der Beklagte hat bis September 2010 ebenfalls Erotikartikel auf einer Internetseite angeboten. Darunter befand sich das Angebot für eine AquaGlide Gleitgel 200ml zum Preis von 8,95 EUR (Bl.5). Der Grundpreis pro 100 ml für diese Flüssigkeit war im Zusammenhang mit diesem Angebot nicht angegeben.
Die Klägerin ließ den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 24.09.2010 (Anlage K 2 Bl.14) wegen eines Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung sowie wegen eines Verstoßes wegen einer unzutreffenden Rückgabebelehrung, der im Berufungsverfahren nicht mehr von Bedeutung ist, erfolglos abmahnen.
Nachdem der Rechtsstreit wegen der zunächst verfolgten Unterlassungsanträge übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, hat die Klägerin nur noch ihren Anspruch auf Erstattung der durch die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 911,80 EUR nebst Zinsen weiterverfolgt und beantragt, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Der Beklagte ist im Verhandlungstermin vom 05.04.2011 nicht erschienen. Das Landgericht hat ihn durch Versäumnisteilurteil lediglich zur Zahlung von 465,90 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen durch Schlussurteil abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es gegeneinander aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Abmahnung nur teilweise berechtigt gewesen sei. Soweit es um die fehlende Grundpreisangabe gegangen sei, liege ein Bagatellverstoß vor, weil der Grundpreis durch ein Teilen durch zwei ohne Weiteres zu ermitteln und die Preisklarheit daher nur marginal beeinträchtigt gewesen sei. Insoweit hat das Landgericht auf die Entscheidung des Senats vom 10.12.2009, Az. 4 U 156/09 verwiesen.
Die Klägerin greift das Urteil mit der Berufung an, soweit die Klage durch unechtes Versäumnisurteil abgewiesen wurde. Sie verlangt die Zahlung weiterer 465,90 EUR und die Änderung der Kostenentscheidung dahin, dass diese ganz vom Beklagten zu tragen sind. Die Klägerin meint nach wie vor, dass auch in Bezug auf die fehlende Grundpreisangabe ein wesentlicher Wettbewerbsverstoß vorliege. Der Verbraucher könne den Betrag von 8,95 EUR gerade nicht schnell und einfach durch zwei teilen, um den dann ermittelten Betrag mit denselben Produkten anderer Anbieter vergleichen zu können. Der Vorsitzende und die Handelsrichter des Landgerichts hätten diese vermeintlich einfache Rechenoperation auf Befragen nicht durchführen können. Bei der vom Landgericht angeführen Senatsentscheidung habe der Sachverhalt anders gelegen, weil damals bei der Angabe von 100ml statt 1 l nur der Preis mit 10 multipliziert oder das Komma um eine Stelle verschoben werden musste, um den Grundpreis erkennen zu können.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 445,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.03.2011 zu zahlen, sowie dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz aufzuerlegen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Berufung hat nach der teilweisen Klagerücknahme vollen Erfolg, weil der Klägerin ein weitergehender Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 445,90 EUR nebst Zinsen zusteht und der Beklagte als Folge davon die gesamten Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen muss.
1)
Die Berufung ist ungeachtet des Streitwerts von 465,90 EUR zulässig. Die Klägerin ist nämlich nicht nur in dieser Höhe beschwert, sondern zusätzlich auch noch insoweit, als sie die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz, die sich maßgeblich nach einem Streitwert von 25.000,00 EUR berechnen, tragen muss. Rechnet man diesen Kostenanteil dazu, so ist die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwer von 600,00 EUR deutlich überschritten. Es sind in erster Instanz allein Gerichtskosten in Höhe von 933,00 EUR entstanden, die die Klägerin nach dem erstinstanzlichen Urteil zur Hälfte tragen müsste.
2)
Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz der vollen vorgerichtlich entstandenen Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu. Denn die Abmahnung ist in vollem Umfang berechtigt gewesen, weil der Klägerin als Mitbewerberin des Beklagten ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 2 PAngV zustand. Die Bestimmung des § 2 PAngV stellt unzweifelhaft eine Marktverhaltensregelung dar. Sie ist dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Sie soll insbesondere durch die geforderte Grundpreisangabe Preisvergleichsmöglichkeiten für die Verbraucher erleichtern. Die Vorschrift ist zudem eine Umsetzung von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 98 / 6/ EG, so dass sich auch aus europarechtlicher Sicht keine Bedenken im Hinblick auf eine Anwendbarkeit des § 4 Nr. 11 UWG ergeben.
a)
Die Klägerin ist anspruchsberechtigt als Mitbewerberin des Beklagten nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Dafür reicht es aus, dass der Beklagte im Internet ein Angebot unterbreitet hat. Neben den zwei austauschbaren flüssigen Waren haben beide Parteien auch Handschellen angeboten, und zwar die Klägerin über ihren Shop und der Beklagte über eBay. Dass der Internetauftritt schon lange her sein mag, spielt keine entscheidende Rolle. Für die Verjährung käme es auf die Kenntnis vom Verstoß an und die Verjährungseinrede ist auch nicht erhoben.
b)
Nach § 2 Abs. 1, Abs. 3 PAngV muss ein gewerblicher Unternehmer, der Letztverbrauchern flüssige Waren mit einem bestimmten Volumen anbietet, den Grundpreis je Mengeneinheit in 100 Millilitern angeben, und zwar in unmittelbarer Nähe zum Endpreis. Der Verbraucher muss in der Lage sein, beide Preise auf einen Blick wahrzunehmen (BGH GRUR 2009, 982 -Dr. Clauder`s Hufpflege).
c)
Diese Voraussetzungen hat der Beklagte bei dem beanstandeten Internetangebot betreffend das Gleitgel nicht erfüllt. Er hat für das Gleitgel im Umfang von 200 Millilitern lediglich den Endpreis von 8,95 EUR angegeben. Der sich bei diesem Angebot ergebende Grundpreis für 100 Milliliter ist überhaupt nicht angegeben. Es gibt lediglich ein weiteres Angebot betreffend dieses Gel mit einem Volumen von 100 Millilitern, das aber 6,45 EUR kosten soll.
d)
Ein solcher Wettbewerbsverstoß beeinträchtigt die Interessen der Verbraucher zwangsläufig auch spürbar. Der Senat hat das zwar in früheren Fällen, die dem vorliegenden entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Ansicht durchaus vergleichbar waren, verneint, weil die Preisklarheit nur in unerheblichem Umfang berührt ist, wenn sich der Grundpreis durch eine einfache Rechenoperation, wie sie auch das Teilen durch zwei darstellen würde, ermitteln ließe. Die Annahme einer Bagatelle in solchen Fällen ist aber wegen der entgegenstehenden gesetzlichen Regelung nicht (mehr) möglich. Bei der Pflicht zur Angabe des Grundpreises geht es nämlich um eine Information, die dem Verbraucher aufgrund einer gemeinschaftsrechtlichen Verordnung nicht vorenthalten werden darf. Art. 3 Abs. 4 der den Verbraucherschutz bei Preisangaben regelnden Richtlinie 98 / 6 / EG schreibt vor, dass bei dem Angebot solcher Ware neben dem Endpreis auch der Grundpreis pro Maßeinheit angegeben werden muss. Fehlt die Angabe des Grundpreises völlig, ist eine solche Rechtsverletzung immer wesentlich, wie sich schon aus Art. 7 Abs. 4 der UGP-Richtlinie ergibt. Es kommt hinzu, dass die Verletzung der Informationspflicht zugleich eine Irreführung durch Unterlassen nach § 5a Abs.2, 4 UWG darstellt. Es geht nämlich bei der Grundpreisangabe auch um eine Information im Sinne des § 5a Abs. 4 UWG. Wird im Zusammenhang damit eine Aufklärungspflicht verletzt, so folgt aus dem Zusammenspiel von § 5a mit seinen Absätzen 2, 3 und 4 UWG, dass dem Verbraucher eine Information vorenthalten wurde, die als wesentlich gilt. Das führt nicht nur zur Annahme einer Fehlvorstellung des dadurch unzureichend informierten Verbrauchers. Neben dem Rechtsbruch ergibt sich daraus eine relevante Irreführung (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Auflage, § 5a Rdn. 57, 44, 29). Es steht aufgrund der gesetzlichen Vermutung dann aber auch fest, dass diese Rechtsverletzung wesentlich ist. Eine Information, deren Fehlen per se zu einer Irreführung der Verbraucher führt, muss zugleich die Interessen der Marktteilnehmer und insbesondere der Verbraucher auch spürbar beeinträchtigen. Für die Annahme einer Bagatelle und eine Verneinung eines spürbaren Wettbewerbsverstoßes im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG bleibt somit kein Raum mehr. Der Senat hält an seiner früheren, vom Landgericht zutreffend zitierten Auffassung nicht mehr fest.
3)
Es besteht zwischen den Parteien zu Recht kein Streit darüber, dass die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten der Höhe nach gerechtfertigt sind. Sowohl der Ansatz einer Geschäftsgebühr von 1,3 als auch ein Streitwert der Hauptsache von 25.000,– EUR sind angemessen. Insoweit darf auf die Beschwerdeentscheidung des Senats in der Sache 4 W 43 / 11 betreffend diese Parteien verwiesen werden. Die Klägerin schuldete ursprünglich somit Anwaltskosten in Höhe von 911,80 EUR und die Beklagte, die bereits zur Zahlung von 465,90 EUR verurteilt worden ist, muss die weiteren 445,90 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen erstatten, die sie nunmehr noch geltend macht.
4)
Aus all diesem folgt, dass der Beklagte auch die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits nach § 92 Abs. 2 ZPO in vollem Umfang tragen muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 ZPO, 269 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Auf die Entscheidung hingewiesen hatte Jens Ferner (hier).