OLG Hamm: Haftung des Betriebsinhabers für Wettbewerbsverstöße auch ohne sein Wissen

veröffentlicht am 9. Juli 2011

OLG Hamm, Urteil vom 05.04.2011, Az. I-4 U 193/10
§§ 8 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1 und 5 Abs. 1 UWG

Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Betriebsinhaber auch für das Betreiben irreführender Werbung durch Vertriebspartner haftet, auch wenn er von den getroffenen Werbemaßnahmen keine Kenntnis hatte. Dem Inhaber eines Unternehmens seien Zuwiderhandlungen seiner Angestellten oder Beauftragten wie eigene Handlungen zuzurechnen, weil die arbeitsteilige Organisation eines Unternehmens die Verantwortung für das Verhalten im Wettbewerb nicht beseitigen solle. Entlasten könne sich der Inhaber dabei nicht, sondern er hafte auch für die ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangenen Wettbewerbsverstöße. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Hamm

Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. September 2010 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- € abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.

A.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Energiemarkt, insbesondere im Raum I. Die Beklagte vertreibt ihre Produkte über den Telefon-Direktvertrieb und über den Haustürvertrieb. Sie setzt dabei Vertriebspartner ein, u.a. die Streitverkündete N AG. Die T GmbH war im August 2009 als Untervertriebspartner für die Streitverkündete tätig. Am 05.08.2009 klingelte die Mitarbeiterin der T GmbH, die Zeugin S, an der Wohnungstür der Zeugin Q, einer Kundin der Klägerin, um diese zu einem Wechsel zur Beklagten zu bewegen. Die Zeugin Q unterzeichnete einen Auftrag zur Stromlieferung durch die Beklagte und eine Kündigungsvollmacht. Nachdem die Zeugin Q kurze Zeit später die Zeugin S noch angetroffen hatte, soll diese ihr bestätigt haben, dass sie doch nicht im Auftrag der Klägerin gekommen sei. Die Zeugin S übergab ihr einen Zettel, auf dem sie ihren Namen und die Anschrift der T GmbH sowie deren Telefonnummern geschrieben hatte. Danach ließ sich die Zeugin Q die von ihr unterzeichneten Vertragsunterlagen aushändigen und zerriss diese.

Die Klägerin hat behauptet, die Streitverkündete und deren Untervertriebspartner seien im Einverständnis mit der Beklagten im Haustürvertrieb tätig geworden. Die Zeugin S habe gegenüber der Zeugin Q erklärt,

sie komme von den Stadtwerken I,
alle Kunden würden umgestellt,
die Zeugin Q müsse unterschreiben, damit sie weiter beliefert werden würde,
alles sei nicht so wichtig, wichtig sei doch nur, dass sie, Frau Q im Jahr 200,- € weniger zahlen müsse.

Eine Ersparnis sei – was unstreitig ist – auch unter Berücksichtigung eines einmaligen Wechselbonus von 100,- € allenfalls in Höhe von 107,79 € zu erzielen gewesen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Streitverkündete sei nicht berechtigt gewesen, außerhalb des ihr zugewiesenen Bereichs des Telefon-Direktmarketings für die Beklagte tätig zu werden. Untervertriebspartner habe sie nur mit Genehmigung der Beklagten einsetzen dürfen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeuginnen Q und S unter Zurückweisung der Klage im Übrigen die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt,

1.

es bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr handelnd, Kunden der Stadtwerke I GmbH aufzusuchen und / oder aufsuchen zu lassen und gegenüber diesen zu behaupten oder behaupten zu lassen, alle Kunden der Stadtwerke I AG würden umgestellt;

und / oder

im geschäftlichen Verkehr handelnd, Kunden der Stadtwerke I GmbH aufzusuchen und / oder aufsuchen zu lassen und diesen Stromlieferungsverträge zur Unterschrift vorzulegen und dabei zu behaupten oder behaupten zu lassen, die Kunden müssten unterschreiben, wenn sie weiter mit Strom beliefert werden wollten;

im geschäftlichen Verkehr handelnd, gegenüber Kunden der Stadtwerke I AG zu behaupten und / oder behaupten zu lassen, die Strombelieferung wäre bei Beauftragung der F GmbH insgesamt 200,- € günstiger als bei den Stadtwerken, soweit die behauptete Preisersparnis nicht tatsächlich gewährt wird.

2.

an die Klägerin 1.099,- € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin einen entsprechenden Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8, 3, 5 UWG habe.

Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Zeugin S die Aussagen entsprechend der Behauptungen der Klägerin getätigt habe. Die Beklagte habe auch für das Verhalten der Zeugin S einzustehen.

Die Haftungszurechnung sei nicht eng zu fassen. Zur Begründung des erforderlichen inneren Zusammenhangs zwischen dem Verhalten des Vertreters vor Ort und dem Unternehmen der Beklagten reiche es aus, dass der Vertreter für eine Vertriebspartnerin der Beklagten gehandelt habe, die das Produkt der Beklagten habe absetzen sollen. Auffällig sei, dass nach den Angaben der Zeugin S offenbar in größerem Stil mit erheblichen Erfolgen im Auftrage der Streitverkündeten und unter Verwendung von Formularen der Beklagten Verträge zu Gunsten der Beklagten geschlossen worden seien. Dies zeige, dass die Beklagte die Einhaltung des behaupteten Kooperationsvertrages nicht hinreichend kontrolliert habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie die vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Das Landgericht verkenne, dass es bereits an einer gemäß § 8 Abs. 2 UWG erforderlichen Beauftragung der Zeugin S bzw. der T GmbH fehle. Die Beklagte habe seinerzeit mit der Streitverkündeten zusammengearbeitet. Ausweislich des mit der Streitverkündeten geschlossenen Vertriebsvertrages sei diese ausschließlich für den Bereich der telefonischen Kundenakquise durch eigene oder beauftragte Call-Center beauftragt worden (§ 1 Ziffer 1.3). Nach § 8 Ziffer 5 habe die Beauftragung von Untervertriebspartnern der vorherigen Zustimmung der Beklagten bedurft. Gemäß § 8 Ziffer 10 sei für den Fall von Verstößen gegen die vorstehenden Verpflichtungen – damit also auch bei der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften – eine Vertragsstrafe verwirkt. Die Beklagte habe erst im Zuge der Aufklärung der Vorwürfe der Klägerin davon Kenntnis erlangt, dass die T GmbH im Rahmen der Haustürwerbung für die Streitverkündete tätig gewesen sei und dass im Haustürvertrieb erlangte Kundenaufträge als vermeintliche Kundenaufträge aus der Tätigkeit der Streitverkündeten – dem Telefonvertrieb – an die Beklagte weitergeleitet worden seien. Eine Zustimmung zur Tätigkeit der T GmbHfür die Streitverkündete durch die Beklagte sei weder für die Telefonwerbung noch die Haustürwerbung erteilt worden. Damit seien weder die T GmbH noch die Zeugin S mit Zustimmung oder Duldung der Beklagten tätig geworden.

Auch fehle es an dem Tatbestandsmerkmal des inneren Zusammenhangs zwischen der Tätigkeit der Zeugin S bzw. der T GmbH und der Beklagten. Das Landgericht verkenne, dass es zur Beurteilung des inneren Zusammenhangs nicht lediglich darauf ankomme, dass das Produkt der Beklagten abgesetzt werden solle; vielmehr sei auch auf den konkreten Geschäftszweig der Beklagten und deren Betriebsorganisation abzustellen. Es sei nicht zutreffend, dass es keiner Differenzierung zwischen den Vertriebszweigen – Telefonwerbung und Haustür-werbung – bedürfe. Da der Vertrieb der Beklagten in mehrere Vertriebskanäle aufgesplittet sei, sei eine Differenzierung zwingend erforderlich. Mit den verschiedenen deutlich voneinander separierten Vertriebskanälen würden unterschiedliche Zielgruppen angesprochen und erreicht. Der Vertrieb erfolge in den jeweiligen Vertriebskanälen mit unterschiedlichen Vertriebspartnern.

Die im Telefonvertrieb tätigen Vertriebspartner erhielten von der Beklagten – abgesehen von den schriftlich geschlossenen Verträgen und den für die Schulung der Call-Center-Mitarbeiter erforderlichen Unterlagen – keine schriftlichen Dokumente, insbesondere keine Auftragsformulare. Auch der Kunde erhalte von dem Vertriebspartner keine schriftlichen Informationen oder Formulare. Den im Haustürvertrieb tätigen Vertriebspartnern der Beklagten würden hingegen Auftragsformulare zur Verfügung gestellt, in welche im Falle eines Vertragsabschlusses sämtliche Daten des Kunden einzutragen seien, und die vom Kunden persönlich zu unterzeichnen seien.

Die Beklagte habe der Streitverkündeten keine Vertragsformulare zur Weitergabe an die T GmbH zur Verfügung gestellt, welche es ihr selbst oder einem von ihr Beauftragten ermöglicht hätten, Haustürwerbung zu betreiben. Wie die T GmbH als Beauftragte der Streitverkündeten seinerzeit an die Auftragsformulare der Beklagten gelangt sei, sei unklar. Die T GmbH oder die Streitverkündete könnten diese nur auf vertrags- und rechtswidrigem Wege erlangt haben.

Daraus und aus der völlig verschiedenen Organisation des Telefonvertriebs einerseits und des Haustürvertriebs andererseits folge, dass ein innerer Zusammenhang nicht bestehe.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2008, 186 – Telefonaktion), auf die die Kammer hingewiesen habe.

Auch die tatsächliche Verwendung von – vertragswidrig – erlangten Auftragsformularen an sich könne keinen inneren Zusammenhang zu der Beklagten begründen.

Auch die Annahme des Landgerichts, die Beklagte habe die Einhaltung des zwischen ihr und der Streitverkündeten bestehenden Kooperationsvertrages nicht hinreichend kontrolliert, sei nicht geeignet, einen inneren Zusammenhang im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG zu begründen. Zum einen sei es auch nach der Aussage der Zeugin S bereits fraglich, ob tatsächlich – wie das Landgericht meine – in größerem Stil mit erheblichen Erfolgen im Auftrage der Streitverkündeten und unter Verwendung von Formularen der Beklagten Verträge zu Gunsten der Beklagten geschlossen worden seien. Zum anderen genüge es selbst dann, wenn eine Vielzahl von Verträgen auf diesem Weg zustande gekommen sein sollten, nicht als Beleg dafür, dass der Betrieb der Beklagten nicht so organisiert gewesen sei, dass die Einhaltung des behaupteten Kooperationsvertrages hinreichend kontrolliert worden sei. Die Beklagte habe alle ihr zumutbaren Vorkehrungen getroffen, um einen Wettbewerbsverstoß der Streitverkündeten als solchen sowie die Beauftragung eines nicht akzeptierten Untervertriebspartners zu unterbinden und die Tätigkeit der Streitverkündeten auf den Telefonvertrieb zu beschränken. Das ergebe sich aus den §§ 8 Nr. 8.1 (Verpflichtung zum gesetzeskonformen Verhalten), 1 Nr. 1.3 (ausschließliche Festlegung auf Vertriebskanal des Telefonvertriebs) und 8 Nr. 8.10 (Vertragsstrafe). Anhaltspunkte für eine vertragswidrige Haustürwerbung durch die T GmbH hätten der Beklagten nicht vorgelegen. Dass die Beklagte die Einhaltung der im Vertriebsvertrag niedergelegten Pflichten ernst nehme und auch Konsequenzen ziehe, zeige der vorliegende Fall. Nach Bekanntwerden der streitgegenständlichen Vorwürfe habe sie – die Beklagte – das Vertragsverhältnis mit der Streitverkündeten fristlos gekündigt und auch Schadensersatz- und Vertragsstrafenansprüche geltend gemacht.

Weitere Überprüfungsmöglichkeiten wären weder möglich noch sinnvoll.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Bochum vom 21.09.2010 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie hebt hervor, dass sie die Beklagte mit Schreiben vom 24.08.2009 abgemahnt habe und dass der Beklagten der Verfügungsantrag in dem Verfahren vor dem Landgericht Bochum, Az.: 12 O 175/09, am 14.09.2009 zugegangen sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei der Beklagten bekannt gewesen, dass die Zeugin S und die T GmbH für sie im Rahmen von Haustürgeschäften tätig gewesen seien. Statt sogleich Konsequenzen zu ziehen, habe die Beklagte die Zeugin S bzw. die T GmbH weiter beauftragt. Dies ergebe sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2010 in dem Verfahren vor dem Landgericht Bochum, Az.: 12 O 48/10. Danach habe die Zeugin S auch am 07.11. und 17.11.2009 wettbewerbswidrige Aussagen getätigt. In dem Verfahren bestreite die Beklagte nicht, dass die Zeugin S und die T GmbH für die Streitverkündete tätig gewesen seien. Insoweit bezieht sich die Klägerin auf den dortigen Schriftsatz der Beklagten vom 03.05.2010.Darüber hinaus habe, so trägt die Klägerin weiter vor, die Beklagte in dem Verfahren vor dem Landgericht Bochum, Az.: 12 O 121/09, selbst mitgeteilt, dass die T GmbH in ihrem Namen tätig gewesen sei. Damit sei belegt, dass die Beklagte ihre Beauftragten gerade nicht zu einem wettbewerbskonformen Verhalten angeleitet habe. Die Beklagte nehme es vielmehr in Kauf, dass wettbewerbswidrig in ihrem Namen gehandelt werde.

Die Klägerin ist deshalb der Meinung, dass die Beklagte für das Verhalten der Zeugin S einstehen müsse, das sie zumindest geduldet habe. Ferner müsse sich die Beklagte fragen lassen, wie die T GmbH und die Zeugin S an die originalen Auftragsformulare gekommen seien. Die Formulare würden schließlich den Vertriebspartnern übergeben, die autorisiert im Haustürgeschäft tätig seien. Man könne deshalb nur annehmen, dass die Beklagte selbst die Formulare der GmbH und der Zeugin ausgehändigt hätte. Die Klägerin weist ferner darauf hin, dass die Streitverkündete, die T GmbH und die Zeugin S wohl kaum hätten abrechnen können, wenn sie nicht von der Beklagten beauftragt worden wären.

B.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1 und 5 Abs. 1 UWG.

1.

Bei den beanstandeten Äußerungen der Zeugin S gegenüber der Zeugin Q handelt es sich um irreführende Werbung gemäß § 5 Abs. 1 UWG. Dies wird von der Beklagten mit der Berufung nicht angegriffen. Ebenso wird mit der Berufung nicht die Feststellung des Landgerichts, dass die Zeugin S die betreffenden Äußerungen tatsächlich getätigt hat, angegriffen.

2.

Diese Äußerungen der Zeugin S sind der Beklagten gemäß § 8 Abs. 2 UWG auch zuzurechnen. Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 UWG werden dem Inhaber des Unternehmens Zuwiderhandlungen seiner Angestellten oder Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation seines Unternehmens die Verantwortung für das Verhalten im Wettbewerb nicht beseitigen soll. Der Unternehmensinhaber, dem die Wettbewerbshandlungen seiner Angestellten oder Beauftragten zu Gute kommen, soll sich bei einer wettbewerbsrechtlichen Haftung nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können (BGH GRUR 2008, 186 – Telefonaktion).

Die Beklagte hat die Streitverkündete als Vertriebspartner eingesetzt. Diese wiederum hat die T GmbH als Untervertriebspartner beauftragt. Die Zeugin S ist schließlich als Beschäftigte der T GmbH tätig geworden.

Die Regelung des § 8 Abs. 2 UWG ist nicht nur auf den Fall eines Hauptunternehmers und eines Beauftragten beschränkt. Auch für den beauftragten kann wiederum § 8 Abs. 2 UWG zur Anwendung kommen, so dass eine mehrgliedrige Haftungskette entstehen kann (Fezer-Büscher UWG, 2. Aufl., § 8 Rn 225; Teplitzky, Wettbewerbliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap 14, Rn 26).

a.

Die Streitverkündete fungierte im vorliegenden Fall als Beauftragte der Beklagten.

Beauftragter ist, wer, ohne Mitarbeiter zu sein, für den Unternehmensinhaber kraft Absprache tätig wird (BGH GRUR 1995, 605 – Franchisenehmer). Der Begriff ist weit auszulegen (BGH GRUR 1990, 1039 – Anzeigenauftrag; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 8 Rn 149). Der Beauftragte muss in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert sein, dass einerseits der Betriebsinhaber auf das beauftragte Unternehmen einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss hat und dass andererseits der Erfolg der Geschäftstätigkeit des beauftragten Unternehmens dem Betriebsinhaber zu Gute kommt (BGH – Anzeigenhaftung; BGH GRUR 2005, 864 – Meißner Dekor). Es können auch trotz des Kriteriums „Eingliederung“ auch selbständige Unternehmer Beauftragte sein. Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss der Inhaber des Unternehmens sich tatsächlich gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich hätte sichern können und müssen (BGH – Franchisenehmer; Piper/Ohly/Sosnitza a.a.O.).

aa.

Nach diesen Kriterien ist die Streitverkündete als Beauftragte der Beklagten anzusehen. Gegenstand der Beauftragung ist der Vertrieb der Stromleistungen für die Beklagte. Zwar haben die Vertragsparteien in § 1 Nr. 1.3 des Kooperationsvertrages vereinbart, dass die Streitverkündete ausschließlich im Bereich des Telefonvertriebes tätig werden soll. Aber im Sinne einer weiten Auslegung (s.o.) ist hier davon auszugehen, dass die Beauftragung die Dienstleistung des Vertriebes der Stromleistung betrifft. Die Tatsache, dass die Streitverkündete nur im Bereich der Telefonwerbung tätig werden sollte, betrifft nicht den Gegenstand der Beauftragung selbst, sondern lediglich die Art und Weise, wie die Streitverkündete ihre Dienstleistung für die Beklagte ausführen soll.

bb.

Der für ein Handeln als Beauftragter erforderliche innere Zusammenhang zwischen dem Verhalten des „Beauftragten“ – hier der Streitverkündeten – und dem Unternehmen des „Auftragsgebers“ (BGH – Telefonaktion; BGH Franchise-Nehmer), ist ebenfalls gegeben.

Die Bestimmung des § 8 Abs. 2 UWG begründet eine Erfolgshaftung des Betriebsinhabers ohne Entlastungsmöglichkeit; er haftet auch für die ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangenen Wettbewerbsverstöße. Der innere Grund dafür, ihm Wettbewerbshandlungen Dritter, soweit es sich um den Unterlassungsanspruch handelt, wie eigene Handlungen zuzurechnen, ist vor allem in einer dem Betriebsinhaber zu Gute kommenden Erweiterung seines Geschäftsbereichs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs zu sehen. Dementsprechend knüpft die Rechtsprechung die Haftung des Betriebsinhabers nach § 8 Abs. 2 UWG an die Voraussetzung, dass die Handlung, deren Unterlassung verlangt wird, innerhalb des Betriebsorganismus des Betriebsinhabers begangen worden ist, zu dem namentlich die Vertriebsorganisation gehört; weiter ist erforderlich, dass der Handelnde kraft eines Rechtsverhältnisses in diesen Organismus, zumal in die Vertriebsorganisation, dergestalt eingegliedert ist, dass einerseits der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Betriebsinhaber zu Gute kommt und andererseits dem Betriebsinhaber ein bestimmender Einfluss jedenfalls auf diejenige Tätigkeit eingeräumt ist, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt (BGH – Franchise; BGH – Unterkunde). Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste (s.o.).

Im vorliegenden Fall sollte selbstverständlich der Erfolg der Handlungen der Streitverkündeten direkt der Beklagten zukommen. Am Ende eines jeden erfolgreichen Vertriebskontakts stand ein Vertragsabschluss mit einem neuen Stromkunden.

Die Streitverkündete ist durchaus in die Betriebsorganisation der Beklagten eingebunden gewesen. Zwar ist die Streitverkündete ein selbständiges Unternehmen, das in eigenem Namen und für eigene Rechnung tätig ist. Die Einbindung zeigt sich aber u.a. darin, dass jeder Vertriebspartner für Telefonvertrieb – so auch die Streitverkündete – einen elektronischen Zugang zu einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten System, über den die Call-Center-Mitarbeiter am Telefon abgeschlossene Verträge an die Beklagte übersenden, erhalten. Hierbei sind die Kundendaten und der Zeitpunkt des Anrufs einzupflegen. Dabei sind die einzelnen Call-Center anhand einer Vertriebsnummer zu identifizieren (GA 113, 114). Auch erhalten die Vertriebspartner von der Beklagten die für die Schulung der Call-Center-Mitarbeiter erforderlichen Unterlagen.

Die Beklagte hatte durch den Kooperationsvertrag, insbesondere durch § 5 (Grundsätze der Zusammenarbeit), § 7 (Vertraulichkeit / Datenschutz) und § 8 (Wettbewerbsrecht; Untervertriebspartner) auf die Tätigkeit der Streitverkündeten auch einen bestimmenden Einfluss. Z.B. hat die Beklagte nach § 8 Nr. 8.1 des Kooperationsvertrages die Streitverkündete dahin verpflichtet sicherzustellen, dass sie selbst sowie ihre Mitarbeiter und Unterbeauftragte sich gesetzeskonform verhalten und die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen einhalten. Nach § 8 Nr. 8.5 bedurfte die Beauftragung von Untervertriebspartnern der Zustimmung der Beklagten. Die Beklagte hatte auch die Macht, ihren Willen und Einfluss durchzusetzen, wenn die Streitverkündete oder auch deren Untervertriebspartner sich nicht an die Vereinbarungen aus dem Kooperationsvertrag (§ 8 ) halten. Denn in § 8 Nr. 8.10 war eine Vertragsstrafe von 25.000,- € für den Fall vereinbart, dass der Kooperationspartner oder ein von ihm beauftragter Untervertriebspartner gegen die sich aus § 8 ergebenden Verpflichtungen verstößt.

b.

Die T GmbH wiederum fungierte als Beauftragte i.S.v. § 8 Abs. 2 UWG der Streitverkündeten, mithin als Unterbeauftragte für die Beklagte. Zwischen den Parteien ist es unstreitig, dass die T GmbH in dem hier fraglichen Zeitraum, insbesondere auch am 05.08.2009, als Untervertriebspartner für die Streitverkündete tätig war, wenn auch im Bereich des Haustürvertriebs. Der Erfolg der Handlungen der T GmbH sollte der Streitverkündeten, aber im Weiteren auch der Beklagten zu Gute kommen. Denn die Beklagte profitierte von jedem neuen Stromlieferungsvertrag direkt und die Streitverkündete erhielt von der Beklagten für jeden über sie vermittelten Vertrag ein Entgelt. Damit war die T GmbH als ein Teil der Vertriebsorganisation über die Streitverkündete in dem Betriebsorganismus eingegliedert.

Die Tatsache, dass die Beklagte den Einsatz von Untervertriebspartnern gemäß § 8 Nr. 8.5 des Kooperationsvertrages mit der Streitverkündeten im Einzelfall von ihrer Zustimmung abhängig gemacht hat, die Streitverkündete aber noch nicht einmal der Beklagten angezeigt haben soll, dass die T GmbH für sie tätig wurde, steht der Stellung der T GmbH als Unterbeauftragte der Beklagten nicht entgegen. Denn aus § 1 Nr. 1.3, § 5, § 8 des Kooperationsvertrages ergibt sich, dass die Beklagte grundsätzlich mit dem Einsatz von Untervertriebspartnern einverstanden war. Dementsprechend hatte die Streitverkündete schon nach den Vertretungsregelungen (§§ 164 ff BGB) im Außenverhältnis die Möglichkeit, Untervertriebspartner einzusetzen, deren Handeln – insbesondere bei Vertragsabschlüssen – für und gegen die Beklagte wirken konnte. Im Übrigen sieht § 8 Nr. 8.5 vor, dass die Beklagte der Beauftragung des Untervertriebspartners nur aus wichtigem Grund widersprechen kann. Der Kooperationsvertrag der Beklagten mit der Streitverkündeten war geradezu darauf angelegt, dass die Streitverkündete Untervertriebspartner einsetzte. Insoweit hatte die Beklagte – wie bereits oben dargestellt – versucht, durch den Vertrag Einfluss auf die Auswahl zu nehmen.

Unter diesen Umständen muss die Beklagte für das Verhalten der T GmbH und deren Mitarbeiterin S haften, und zwar auch dann, wenn die Streitverkündete sich mit der Einschaltung der T GmbH im Haustürvertreib vertragswidrig verhalten hat. Denn die Haftung des Betriebsinhabers gemäß § 8 Abs. 2 UWG gilt ohne Entlastungsmöglichkeit; der Betriebsinhaber haftet auch für die ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten – oder auch Unterbeauftragten – begangenen Wettbewerbsverstöße (s.o.; BGH – Franchise-Nehmer a.a.O.). In gleicher Weise hat der Bundesgerichtshof (GRUR 1988, 561 – Verlagsverschulden) entschieden, dass der Geschäftsherr für ein Fehlverhalten eines als selbständig handelnden Erfüllungsgehilfen (Verlag) zu haften hat, obwohl der Erfüllungsgehilfe einer Weisung des Geschäftsherrn zuwider gehandelt hatte.

II.

Die Klägerin kann die Kosten der Abmahnung gemäß § 12 Abs. 1, S. 2 UWG ersetzt verlangen. Die Berechtigung der Abmahnung der Klägerin ergibt sich aus den vorangegangenen Ausführungen. Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Vorinstanz:
LG Bochum, Az. I-12 O 260/09

I