OLG Hamm: Onlinehändler darf missliebige Kunden aus seinem Shop aussperren

veröffentlicht am 9. Dezember 2008

OLG Hamm, Urteil vom 10.06.2008, Az. 4 U 37/08
§§ 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1 UWG

Das OLG Hamm hat einem Onlinehändler das Recht zugestanden, bestimmte Kunden per Sperrung einer bestimmten IP-Adresse aus seinem Online-Shop fernzuhalten. Mitarbeiter eines Konkurrenten des Onlinehändlers hatten an einem Tag in der Zeit von 10.41 Uhr bis 12.40 Uhr insgesamt 652 Internetseiten des Onlinehändlers aufgerufen. Dabei wurden die Produktlisten ohne detaillierte Produktinformationen mit Bilddaten angefordert, wobei die Seitenabfrage innerhalb der Baumstruktur von unten nach oben erfolgte. Der Onlinehändler hatte daraufhin den Zugriff über die IP-Adresse des Konkurrenten gesperrt. Das Oberlandesgericht urteilte, dass ein Gewerbetreibender, der sich mit seinem Angebot an die Öffentlichkeit wende, Testmaßnahmen grundsätzlich im Interesse der Allgemeinheit sowie der betroffenen Mitbewerber dulden müsse. Onlinehändler hätten das Recht, sich wie ein normaler Kunde bei Konkurrenten auf deren Internetpräsentation umzusehen und dabei Tests durchzuführen. Dies gelte allerdings nur dann, wenn sich der Tester wie ein normaler Nachfrager verhalte. Sofern sich der Tester merklich anders verhalte, als ein normaler Kunde und damit die Gefahr einer Betriebsstörung verbunden ist, dürfe sich der getestete Unternehmer hiergegen zur Wehr setzen. Dies war hier der Fall.

Oberlandesgericht Hamm

Urteil

In der Rechtssache

gegen

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10.06.2008 durch … für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten zu 1) gegen das am 18.01.2008 verkündete Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2). Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagte zu 1) 30 % und die Klägerin 70 % selbst. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen die Klägerin 60 % und die Beklagte zu 1) 40 %. Die Gerichtskosten tragen zu 70 % die Klägerin und zu 30 % die Beklagte zu 1).

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe

A.

Die Klägerin und die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, vertreiben jeweils Druckerzubehör über das Internet, die Klägerin unter der Adresse *internetadresse1* und die Beklagte zu 1) u.a. unter der Adresse *internetseite2.*. Am 19.03.2007 riefen Mitarbeiter der Klägerin in der Zeit von 10.41 Uhr bis 12.40 Uhr 652 Internetseiten der Beklagten zu 1) auf. Dabei wurden die Produktlisten ohne detaillierte Produktinformationen mit Bilddaten angefordert, wobei die Seitenabfrage innerhalb der Baumstruktur von unten nach oben erfolgte. Um 12.40 Uhr wurden weitere Zugriffe durch eine IP-Sperre der Beklagten zu 1) verhindert.

Wegen der auch am 02.04.2007 noch aktiven Sperre mahnte die Klägerin die Beklagten am 05.04.2007 ab. Die Abmahnung blieb ohne Erfolg. Mit Schreiben vom 12.04.2007 baten die Beklagten die Klägerin zur Aufklärung des Vorfalls um die Angabe ihrer IP-Adresse.

Die Klägerin erwirkte daraufhin beim Landgericht Bielefeld in dem Verfahren 13 O 33/07 eine auf Unterlassung der Sperrung gerichtete und den Beklagten am 27.04.2007 zugestellte einstweilige Verfügung, im Rahmen derer den Beklagten auch die gesperrte IP-Adresse der Klägerin mitgeteilt wurde. Auf den Widerspruch der Beklagten wurde diese Verfügung jedoch durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 15.05.2007 wieder aufgehoben. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb gemäß Senatsurteil vom 23.10.2007 – Az. 4 U 99/07 – ohne Erfolg. Die streitgegenständliche IP-Sperrung ist mittlerweile aufgehoben.

Die Klägerin hat einen Verstoß durch die Sperre gegen § 4 Nr. 10 UWG geltend gemacht. Hierzu hat sie behauptet, ihre Zugriffe hätten der Überprüfung der Werbeaussage der Beklagten gedient, mehr als 5000 lieferbare Artikel im Angebot zu haben. Dieser Test, so hat sie gemeint, sei zulässig gewesen, da sie sich mit ihrem Aufrufverhalten wie ein normaler Verbraucher verhalten habe. Die Beklagten seien durch die Zugriffe nicht beeinträchtigt worden, zumal diese – unstreitig – von anderen Besuchern nicht bemerkt worden seien. Die Aufruffrequenz sei auch zu niedrig gewesen, um dabei aus Sicht der Beklagten von einem Angriff durch Schwachstellenscanner und Spam-Systeme auszugehen. Sie, die Klägerin, müsse sich dabei zur Überprüfung eines Wettbewerbers nicht auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast verweisen lassen. Die Beklagten hätten gegen sie ein gezieltes virtuelles Hausverbot ausgesprochen. Unabhängig davon sei eine gezielte Behinderung aber auch bei einer automatischen Sperre anzunehmen, da das Schutzsystem der Beklagten eine effektive Überprüfung der zu überprüfenden Werbung verhindere.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, ihr den Zugriff auf die Internetseiten der X GmbH, insbesondere der Seiten unter den Domains internetseite2.de und internetseite3.de mittels einer IP-Sperrung zu verhindern;

hilfsweise: ihr den Zugriff auf die Internetseiten der Beklagten zu 1) mittels einer IP-Sperrung zu verhindern, soweit eine solche ausgelöst wird, wenn über einen Zeitraum von zwei Stunden im Durchschnitt von höchstens 11 Sekunden jeweils eine weitere Seite aufgerufen wird, so wie am 19.03.2007 zwischen 10.41 Uhr und 12.40 Uhr geschehen;

2. die Beklagten zu verurteilen, ihr Auskunft über den Umfang der im vorgenannten Unterlassungsantrag beschriebenen Handlungen zu erteilen;

3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 1.157,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.04.2007 zu zahlen;

4. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr sämtliche Schäden zu ersetzen, welche ihr aus der im vorgenannten Unterlassungsantrag beschriebenen Handlungen bereits entstanden sind oder noch entstehen werden.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) hat im Wege der Widerklage beantragt, die Klägerin zu verurteilen, es bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, auf die Internetseiten der Beklagten zu 1) dergestalt zuzugreifen, dass über einen Zeitraum von mindestens zwei Stunden im Durchschnitt von höchstens 11 Sekunden jeweils eine weitere Seite aufgerufen wird, so wie am 19.03.2007 zwischen 10.41 Uhr und 12.40 Uhr geschehen.

Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten haben gemeint, die Sperrung sei rechtmäßig gewesen, und bestritten, dass die Zugriffe der Klägerin zur Überprüfung einer Werbeaussage erfolgt seien. Sie haben behauptet, die Sperrung sei schon mangels vorheriger Kenntnis der klägerischen IP-Adresse nicht gezielt erfolgt. Sie sei vielmehr automatisch durch ihre Sicherheitssoftware ausgelöst worden, die bei dem Zusammentreffen unterschiedlichster Auffälligkeiten (Zugriffszahlen, -seiten, etc.) einschreite, deren exakte Funktionsweise sie jedoch aus Sicherheitsgründen nicht offen zu legen bereit seien. Die Klägerin habe sich bei ihrem Vorgehen nicht wie ein normaler Kunde verhalten. Vielmehr deute ihr Aufrufverhalten auf den mit der Gefahr von Betriebsstörungen verbundenen Zugriff von Schwachstellenscannern und Spam-Systemen hin.

Hinsichtlich der Widerklage hat die Beklagte zu 1) die Auffassung vertreten, nicht ihr Verhalten, sondern das Verhalten der Klägerin stelle eine wettbewerbswidrige und daher zu unterlassende Behinderung dar. Die von der Klägerin hiergegen erhobene Verjährungseinrede greife nicht durch, da sie, die Beklagte, erst mit Zustellung der einstweiligen Verfügung am 27.04.2007 Kenntnis von der Identität des „Angreifers“ erlangt habe.

Die Klägerin ist der Widerklage mit ihren Ausführungen zur Klage entgegengetreten und hat darüber hinaus gemeint, der Anspruch sei verjährt. Dazu hat sie behauptet, die Beklagte zu 1) hätte bereits am 19.03.2007, spätestens aber mit der Abmahnung vom 05.04.2007 gewusst, dass sie hinter den streitgegenständlichen Zugriffen gesteckt habe.

Das Landgericht Bielefeld hat die Klage und die Widerklage abgewiesen.

Im Hinblick auf die Klageansprüche hat es ausgeführt, diese seien unbegründet, weil die IP-Sperrung der Beklagten nicht wettbewerbswidrig gewesen sei. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin annehme, dass es sich bei den streitgegenständlichen Zugriffsversuchen um die Überprüfung einer Werbeaussage der Beklagten handele, stelle die Sperre keine unzulässige Behinderung i.S.v. § 4 Nr. 10 UWG dar. Die Klägerin habe sich mit ihren 652 Aufrufen innerhalb von zwei Stunden nicht wie ein normaler Kunde verhalten. Bereits die mit diesem Zugriffverhalten verbundene Möglichkeit einer Betriebsstörung – unabhängig von Beeinträchtigungen anderer Kunden oder der konkreten Gefahr einer Betriebsstörung – berechtige die Beklagten zur Einleitung von Gegenmaßnahmen wie etwa der streitgegenständlichen IP-Sperre. Denn das Interesse der Beklagten, ihre Internetpräsenz gegenüber sicherheitsrelevanten Störungen und Angriffen zu schützen, überwiege gegenüber dem etwaigen Interesse der Klägerin, eine Testmaßnahme durchzuführen, zumal ihr der Beweis eines Wettbewerbsverstoßes mit Hilfe der Grundsätze der sekundären Darlegungslast wie auch auf andere Weise möglich sei. Es fehle an einer gezielten Behinderung der Klägerin, wie sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 12.04.2007 ergebe. Durch die automatische IP-Sperre werde diese lediglich reflexartig betroffen und in ihren wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten am Markt nicht in entscheidender Weise beeinträchtigt.

Im Hinblick auf die Widerklage hat das Landgericht offen gelassen, ob der Beklagten zu 1) der geltend gemacht Unterlassungsanspruch zusteht, da ein etwaiger Anspruch bei Anhängigkeit der Widerklage am 26.10.2007 jedenfalls verjährt gewesen sei. Die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 11 I, II UWG habe nämlich bereits Mitte April 2007 zu laufen begonnen. Eine etwaige Unkenntnis der Beklagten zu 1) hinsichtlich des Verursachers des Angriffs vom 19.03.2007 habe nach der Abmahnung vom 05.04.2007 auf grober Fahrlässigkeit beruht. Aufgrund des in der Abmahnung enthaltenen Hinweises auf eine am 02.04.2007 noch andauernde Sperrung der Klägerin sowie aufgrund der intensiven wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen mit dieser hätte sich der Beklagten zu 1) zu diesem Zeitpunkt aufdrängen müssen, dass die Klägerin hinter den Aktivitäten vom 19.03.2007 gesteckt habe.

Die Klägerin greift das Urteil – bezogen auf die Abweisung der Klage – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags mit der von ihr eingelegten Berufung an. Sie macht mit näheren Ausführungen geltend, dass sich bei ihren Zugriffen keine Gefahr einer Betriebsstörung ergeben habe. Die von der Rechtsprechung geforderte „konkrete Gefahr einer erheblichen Störung“ habe nicht bestanden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 18.01.2008 abzuändern, und wie folgt zu erkennen:

1. Den Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten im Wiederholungsfall bis zu insgesamt 2 Jahren verboten, der Klägerin den Zugriff auf die Internetseiten der X GmbH, insbesondere die Seiten unter den Domains internetseite2.de und internetseite3.de, mittels einer IP-Sperrung zu verhindern.

2. Die Beklagten werden verurteilt, ihr Auskunft über den Umfang der im vorgenanten Unterlassungsantrag beschriebenen Handlungen zu erteilen.

3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an sie 588,50 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.04.2007 zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr sämtliche Schäden zu ersetzen, welche der Klägerin aus der im vorgenannten Unterlassungsantrag beschriebenen Handlung bereits entstanden sind oder noch entstehen werden.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 1) hat im Wege der Anschlussberufung ihre Widerklage gemäß ihrem Antrag in erster Instanz weiterverfolgt. Sie beantragt nunmehr, in teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts die Klägerin zu verurteilen, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer H – es zu unterlassen, auf die Internetseiten der Beklagten zu 1) dergestalt zuzugreifen, dass über einen Zeitraum von mindestens zwei Stunden mit teilweisen Abruffrequenzen unter 2 Sekunden pro Seitenabruf, im Durchschnitt aber von höchstens 11 Sekunden, jeweils eine weitere Seite aufgerufen wird und dabei die Seitenabrufe innerhalb der Baumstruktur von unten nach oben erfolgen und dabei nur Produktlisten ohne detaillierte Produktinformation mit Bildinformation angefordert werden, wie am 19.03.2007 zwischen 10.41 Uhr und 12.40 Uhr geschehen.

Die Klägerin beantragt, die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil – bezogen auf die Klageabweisung – unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Sie meinen, der Berufungsantrag zu 1) sei zu weit gefasst, da er sich nicht auf die konkrete Verletzungsform beschränke, und machen in der Sache geltend, es sei der Klägerin unbenommen, ihr Angebot im Rahmen einer Recherche mit normaler Abruffrequenz durchzuführen.

Hinsichtlich der Anschlussberufung habe das Landgericht zu Unrecht angenommen, der Beklagten zu 1) hätte sich nach der Abmahnung vom 05.04.2007 aufdrängen müssen, dass die Klägerin die Sperrung am 19.03.2007 verursacht hatte. Die Abmahnung habe keinerlei Hinweis auf die konkreten Umstände der Sperrung (bspw. IP-Adresse der Klägerin, Zeitraum der Sperrung) enthalten. Ein Rückschluss auf die Klägerin sei ihr aufgrund der Tatsache, dass täglich zwischen 10 und 100 IP-Sperren ausgelöst würden, nicht möglich gewesen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil hinsichtlich der Anschlussberufung mit näheren Ausführungen. Sie behauptet, ihre IP-Adresse sei der Beklagten zu1) bekannt gewesen bzw. hätte ihr durch einfaches Klicken bekannt sein müssen. Darüber hinaus rügt sie den gesamten diesbezüglichen Berufungsvortrag der Beklagten zu 1) als verspätet und bestreitet ihn mit Nichtwissen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

B.
Die zulässige Berufung der Klägerin und die zulässige Anschlussberufung der Beklagten zu 1) sind unbegründet.

I.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Es besteht kein Anspruch gegen die Beklagten aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 10 UWG oder aus anderen Gründen auf Unterlassung der streitgegenständlichen IP-Sperrung.

1.
Nach § 4 Nr. 10 UWG handelt im Sinne von § 3 UWG unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert. Behinderung ist dabei jede Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten, wenn der Zweck verfolgt wird, den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch zu verdrängen. Ist eine solche Zwecksetzung nicht festzustellen, muss die Behinderung jedenfalls derart sein, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengungen nicht mehr inangemessener Weise zur Geltung bringen kann, was aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles und einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen ist (BGH GRUR 2001, 1061 – Mitwohnzentrale.de; GRUR 2004, 877 – Werbeblocker; Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. 2006, § 4 Rn. 10/8 f.). Ein absichtliches Handelns oder eine positive Kenntnis der Behinderung wird nicht vorausgesetzt. Erfasst werden vielmehr auch Maßnahmen, die bei objektiver Betrachtung unmittelbar auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeit eines Mitbewerbers gerichtet sind („objektive Finalität“; vgl. Köhler, in Hefermehl u.a., 25. Aufl. 2007, § 4 Rn. 10.10).

2.
Bei der angegriffenen Sperrung der Beklagten handelt es sich zunächst nicht um ein zielgerichtetes manuelles virtuelles Hausverbot gegen die Klägerin, sondern um eine automatische IP-Sperre, die hier über das Schutzsystem der Beklagten ausgelöst wurde und die unmittelbar mit der Klägerin auch nichts zu tun hat. Der Senat ist insoweit gem. § 529 I 1 Nr. 1 ZPO an die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts gebunden, hinsichtlich derer in Bezug auf Richtigkeit und Vollständigkeit keine Zweifel bestehen. Für eine individuelle und gezielte „Aussperrung“ der Klägerin, um diese etwa an der Überprüfung der beanstandeten Werbeaussagen zu hindern, gibt es keinerlei Anhaltspunkte, zumal nicht ersichtlich ist, dass die Beklagten überhaupt eine konkrete Kenntnis davon hatten, dass die Klägerin auf ihre Seiten entsprechend Zugriff hat nehmen wollen, so wie dies mit Schreiben der Beklagten vom 12.04.2007 zum Ausdruck gekommen ist, mit dem die IP-Nummer der Klägerin erst noch erfragt worden ist. Es ist in keiner Weise feststellbar, dass Sperrungen nur bestimmter IP-Nummern oder sonstige technische Zugangsbeschränkungen, die konkret gegen die Klägerin gerichtet waren, bewirkt worden sind.

3. a)
Die automatische IP-Sperrung, um die es hier geht, stellt keine gezielte Behinderung im obigen Sinne dar und ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie stellt sich vielmehr als eine angemessene Reaktion auf ein unzulässiges Verhalten der Klägerin dar, das die Beklagten im Rahmen der Nutzung ihres Schutzsystems nicht hinnehmen mussten. So ist bereits festzustellen, dass die Klägerin widersprüchlich argumentiert, wenn sie sich nicht dagegen wendet, dass die Beklagten ein Sicherungssystem aufgespielt haben, gleichzeitig aber fordert, dass die Beklagten dann hierauf verzichten sollen, wenn sie sich die Seiten der Beklagten anschauen will. Die Klägerin ihrerseits ist nicht befugt festzulegen, wann das System eingreifen darf und wann nicht. Sie kann letztlich auch nicht verlangen, dass bei ihr insoweit ein anderer Maßstab angelegt wird als bei anderen Besuchern der Seiten. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die Zugriffe am 19.03.2008, was bestritten ist, zum Zwecke der Überprüfung der in Rede stehenden Werbeaussage „über 5000 lieferbare Artikel im Angebot“ erfolgt sind und sich somit gleichsam als Testmaßnahme darstellen, durften sich die Beklagten hiergegen mit Hilfe einer automatischen IP-Sperrung, die sich nicht speziell gegen die Klägerin richtete, zur Wehr setzen.

Dabei ist mit der Klägerin davon auszugehen, dass ein Gewerbetreibender, der sich mit seinem Angebot an die Öffentlichkeit wendet, Testmaßnahmen grundsätzlich im Interesse der Allgemeinheit sowie der betroffenen Mitbewerber dulden muss (MünchKomm.-Jänich, UWG, § 4 Nr. 10 Rn. 79 m.w.N.). Die Klägerin hatte von daher das Recht, sich wie ein normaler Kunde bei der Beklagten auf deren Internetpräsentation umzusehen und dabei Tests durchzuführen. Dies gilt allerdings nur, wenn sich der Tester wie ein normaler Nachfrager verhält (BGH GRUR 1991, 843, 844 – Testfotos I). Sofern sich der Tester merklich anders verhält als ein normaler Kunde und damit die Gefahr einer Betriebsstörung verbunden ist, darf sich der getestete Unternehmer hiergegen zur Wehr setzen (vgl. BGH GRUR 1979, 859, 860 – Hausverbot II; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 25.Aufl., § 4 Rn. 10.163). Dabei gilt es indes abzuwägen zwischen dem Interesse des getesteten Unternehmers an der Vermeidung einer Betriebsstörung und dem Interesse des testenden Unternehmers, etwaige Wettbewerbsverstöße hinreichend darlegen und beweisen zu können (BGH GRUR 2007, 802, 805 – Testfotos III).

b)
Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass sich die Beklagten mit Hilfe der automatischen IP-Sperre zu Recht gegen die klägerischen Zugriffe zur Wehr gesetzt haben.

Zunächst hat sich die Klägerin im Zuge ihrer Zugriffe, anders als sie meint, nicht wie ein normaler Kunde verhalten. Dabei mag ihr zuzugeben sein, dass allein die große Anzahl aufgerufener Seiten es für sich gesehen nicht rechtfertigt, ihr ein anormales Nachfrageverhalten vorzuwerfen. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt allerdings darin, dass zur Überprüfung des gesamten Angebots der Beklagten 652 Aufrufe innerhalb von ca. zwei Stunden und damit mit einer durchschnittlichen Frequenz von 11 Sekunden erfolgt sind und hierbei lediglich die Produktlisten ohne detaillierte Produktinformationen mit Bilddaten angefordert und die Seiten innerhalb der Baumstruktur von unten nach oben abgefragt wurden. Ein solches Vorgehen, d.h. die immense Anzahl von Seitenaufrufen innerhalb einer so kurzen Aufruffrequenz über einen derart langen Zeitraum in Verbindung mit einer derart atypischen Aufrufstruktur, verlässt ersichtlich den Bereich des normalen Kundenverhaltens. Kein gewöhnlicher Abnehmer, der sich über das Internetangebot eines Unternehmens informieren möchte, wird, wie der Senat auch aus eigener Sachkunde beurteilen kann, in einer derartigen Art und Weise für die Dauer von zwei Stunden auf dessen Homepage zugreifen. Hinzu kommt, dass kein normaler Kunde, der sich gewöhnlich nur für bestimmte Artikel interessiert, das gesamte Sortiment des Anbieters beobachtet und überprüft.

Dieses Testverhalten hat auch die Gefahr einer Betriebsstörung verursacht. Insoweit ist nicht erforderlich, dass bereits eine Betriebsstörung eingetreten ist (vgl. BGH NJW-RR 1997, 104,105 – Testfotos II). Es reicht vielmehr aus, wenn aus der Sicht ex-ante eine Beeinträchtigung des ordnungsgemäßen betrieblichen Ablaufs zu befürchten ist. Von einer solchen Gefahr ist, wobei die Besonderheiten des Mediums Internet und die sich hieraus ergebenden besonderen Umstände zu beachten und die aufgezeigten Rechtsgedanken insofern nur sinngemäß übertragbar sind, vorliegend auszugehen. Der Seitenanbieter, hier die Beklagten, hat grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an dem Schutz seiner Internetpräsenz vor sicherheitsrelevanten Störungen und Angriffen. Ihm kann es nicht verwehrt werden, geeignete Sicherheitssoftware hiergegen zu installieren. Dabei ist es ihm nicht zumutbar, es bei einem „verdächtigen“ Zugriff erst zu einer tatsächlichen Störung kommen zu lassen. Dann wäre sein Sicherheitssystem obsolet. Es muss vielmehr ausreichen, dass sich für das System das Verhalten des Testers so darstellt wie ein Verhalten, das gerade zum Einsatz des Sicherheitssystems geführt hat. Auch wenn bei dem Verdacht eines störenden Zugriffs noch nicht feststeht, ob er dann eine nicht nur unerhebliche Störung verursachen würde, muss es in diesem Zusammenhang ausreichen, dass potentiell eine erhebliche Betriebsstörung droht bzw. dies zu einer Störung des zu kontrollierenden Betriebs führen kann (s.a. OLG Hamburg, Urt. v. 18.04.2007, Az. 5 U 190/06, MMR 2008, 58), ohne dass es dabei darauf ankommen kann, ob andere Kunden dies auch beobachten können. Das war hier der Fall. Dass das klägerische Zugriffsverhalten eine Beeinträchtigung der Homepage der Beklagten befürchten ließ, wird bereits durch die unstreitige Art des Zugriffs, wie ausgeführt, und durch das unstreitige Anschlagen des Sicherheitssystems indiziert. Bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung und mit Rücksicht auf die kaufmännische Vernunft wird eine Sicherheitssoftware im allgemeinen nicht derart restriktiv programmiert, dass gegen einen Besucher einer Internetseite und damit gegen einen potentiellen Kunden eine IP-Sperre verhängt wird, ohne dass eine sicherheitsgefährdende Beeinträchtigung der Homepage ernsthaft zu befürchten steht. Ein solches Vorgehen nämlich würde mit den ureigensten Interessen eines das Internet als zentrale Werbe- und Vertriebsplattform nutzenden Unternehmers kollidieren. Dass trotz des unstreitigen Eingreifens des Sicherheitssystems der Beklagten sowie des überaus ungewöhnlichen Zugriffsverhaltens der Klägerin die Gefahr einer Betriebsstörung nicht bestanden haben soll, hat die Klägerin nachvollziehbar nicht ausgeräumt. Es kann insofern auch keine Rede davon sein, dass die Klägerin, wie sie wiederholt betont, wie jeder andere Kunde die Seiten nur schlicht aufgerufen und dort navigiert habe. Auch darauf, ob – tatsächlich abweichend – das Aufrufen der Internetseite und ein Navigieren darin, wenn die Seiten-Aufrufe nacheinander erfolgen, schlussendlich niemals eine wie auch immer geartete Beeinträchtigung erzeugen kann, kommt es, wenn durch das Schutzsystem die potentielle Gefahr einer Betriebsstörung erkannt wird, nicht mehr an, selbst wenn sich diese Gefahr im Ergebnis und im Einzelfall dann als unrichtig erweisen sollte. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu, wie von der Klägerin beantragt, bedarf es von daher nicht. Letztlich muss es auch dem Anbieter überlassen bleiben, in welchem Umfang und mit welcher Sensibilität er, ohne dass er dies konkret auf den überprüfenden Wettbewerber bezieht, seine Internetverbindung vor potentiellen Störungen schützt.

c)
Die Beklagten mussten die Gefahr einer Betriebsstörung im Rahmen einer Gesamtabwägung nicht hinnehmen. Ihr legitimes Interesse, Gefahren für ihren Betrieb durch Vorhalten einer verdächtige Zugriffsversuche abblockenden Sicherheitssoftware abzuwenden und es erst gar nicht zu einer Beeinträchtigung ihrer Internetseite kommen zu lassen, überwiegt gegenüber dem Interesse der sich nicht wie ein normaler Kunde verhaltenden und die Gefahr eines Angriffs auf die Homepage der Beklagten verursachenden Klägerin, eventuelle Wettbewerbsverstöße ihrer Konkurrenten darlegen und beweisen zu können. Zum einen ist wiederum die Widersprüchlichkeit der klägerischen Argumentation zu berücksichtigen. Diese konzediert den Beklagten zwar, ein Sicherheitssystem zu implementieren, verlangt dann aber für sich eine Abschaffung oder Öffnung dieses Systems und damit eine Privilegierung gegenüber dem normalen Kunden. Sie verhält sich eben auch nicht wie ein normaler Kunde, der die Seiten anders als sie nutzt. Er ruft regelmäßig Einzelinformationen und auch Bilddateien auf, was im Regelfall auch länger dauert als das atypische Aufrufen der Seiten durch die Klägerin. Zum anderen ließe sich eine Öffnung des Systems zugunsten der Klägerin auch nur dann rechtfertigen, wenn sie als Tester den vermeintlichen Wettbewerbsverstoß ihres Konkurrenten nicht auf andere Weise nachzuweisen vermag. So aber liegt es nicht. Denn es ist der Klägerin unbenommen, das Internetangebot der Beklagten zu überprüfen, indem sie sich dabei eines einem normalen Kunden entsprechenden Zugriffsverhaltens bedient, so dass weder der Anschein eines „Angriffs“ auf die Seite der Beklagten entsteht noch damit auch die Sicherheitssoftware einschreitet. Dies wäre der Klägerin auch zumutbar, wenn sie etwa arbeitsteilig vorgeht und ihre Mitarbeiter, die sich wie normale Kunden verhalten, von verschiedenen Anschlüssen aus die unterschiedlichen Produktgruppen der Beklagten zu 1) zählen ließe.

4.
Mangels Vorliegens des Unterlassungsanspruchs entfallen gleichzeitig die weiter geltend gemachten Auskunfts- und Ersatzansprüche.

II.

Die Anschlussberufung, die die Widerklage des Beklagten zu 1) zum Gegenstand hat, ist ebenfalls unbegründet. Auch der nunmehr in der Berufungsinstanz zur Entscheidung gestellte Widerklageantrag vermag den geltend gemachten Unterlassungsanspruch, der verbotswidrige Zugriffe der Klägerin auf ihre Internetseite verhindern soll, nicht zu rechtfertigen, schon deshalb, weil nach wie vor die Art und der Umfang der Verletzungshandlung offen sind. Gem. §§ 8 Abs. 1; 3; 4 Nr. 10 UWG könnte der Klägerin im Ergebnis nur untersagt werden, derart auf die Seiten der Beklagten zu 1) zuzugreifen, dass das Sicherheitssystem einen Angriff vermutet und dadurch anschlägt. Wann und wie dies im Einzelnen passiert, ist indes unklar, wie auch offen und ungeklärt ist, ob im Detail das konkret im Widerklageantrag umschriebene Verhalten zum Anschlagen der Sicherheitssoftware geführt hat. Denn bei der von der Beklagten zu 1) eingesetzten Sicherheitssoftware handelt es sich nicht um ein starres, sondern vielmehr um ein flexibles System, das erst bei dem Aufeinandertreffen verschiedenster Auffälligkeiten eingreift. Da sich die Beklagte zu 1) jedoch aus Gründen der Geheimhaltung weigert, die genaue Funktionsweise und mithin die für das Anschlagen der Sicherheitssoftware erforderlichen Parameter mitzuteilen, vermag der Senat nicht zu beurteilen, ob bereits das im Widerklageantrag beschriebene Verhalten der Klägerin zum Eingreifen der IP-Sperre geführt hat oder hierfür etwa noch ein weiteres, von der Beklagten zu 1) im Antrag noch nicht erwähntes Moment mitursächlich geworden ist. Ist aber nicht feststellbar, dass das Sicherheitssystem bereits bei dem im Antrag genannte Zugriffsschema anspringt, die Sicherheitssoftware mithin schon bei einem so beschriebenen Zugriffsverhalten von einem Angriff ausgeht, kann das von der Beklagten zu 1) begehrte Verbot auch nicht entsprechend konkretisiert und ausgesprochen werden. Die Frage der Verjährung des Abwehranspruchs kann letztlich dahinstehen.

III.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, § 543 ZPO. Die auf den Umständen des Einzelfalls beruhende Entscheidung hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenso wenig sind abweichende obergerichtliche Entscheidungen ersichtlich. Im Gegenteil steht die Entscheidung, soweit erkennbar, im Einklang mit der Praxis anderer Obergerichte in vergleichbaren Fällen (vgl. OLG Hamburg vom 18.04.2007, Az.: 5 U 190/06, a.a.O.).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10; 711 ZPO.

I