OLG Hamm: Werben mit unfundierten „wissenschaftlichen Erkenntnissen“ kann auch bei distanzierendem Hinweis wettbewerbswidrig sein („Magnetfeldtherapie“) / Zur Bemessung des Ordnungsgeldes

veröffentlicht am 11. Mai 2009

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Hamm, Urteil vom 30.10.2008, Az. 4 W 117/08
§§ 3, 5 UWG

Das OLG Hamm hat in einem Ordnungsgeldverfahren darauf hingewiesen, dass eine Werbung für ein Heil- oder Schmerzmilderungsmittel , die den Anschein erweckt, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zu beruhen, selbst dann rechtswidrig ist, wenn darauf hingewiesen wird, „Aus Rechtsgründen müssen wir darauf hinweisen, dass es für die auf dieser Homepage dargestellten Wirkungen der …therapie und unserer Produkte keine gesicherte wissenschaftliche Bestätigung gibt“. Geworben hatte die Antragsgegnerin zuvor mit den Ausführungen: „Die N Magnetfeldtherapie dringt perkutan (durch die Haut) ein, sie benötigt keinen Strom zur Entfaltung ihrer Wirkung. Die besondere Art der Magnetisierung, wechselpolar, hat eine Eindringungstiefe von mehreren Zentimetern und gewährleistet somit, dass tief im Gewebe die gewünschte Wirkung erzielt werden kann.“

Weiter warb sie mit „Die gewünschte Wirkung besteht darin, dass in den magnetfeldkontaktierten Zellen eine höhere Sauerstoffsättigung erreicht werden soll. Jede Zelle lebt vom Sauerstoff und kann ohne ihn nicht die notwendige Energie erzeugen, um voll funktionstüchtig zu sein. Ein Mehr an Sauerstoff bewirkt also eine bessere Energieversorgung der Zelle und eine stärkere Durchblutung des Gewebes. Zusätzlich entsteht Wärme.“ und „Auf diesen Effekten beruht die Wirkungsweise der N Magnetfeldtherapie, alle weiteren Wirkungen, wie Aktivierung des Stoffwechsels, Anregung der Durchblutung und Sauerstoffversorgung von Zellen und Geweben zur beschleunigten Regeneration, Förderung der körpereigenen Abwehr und Selbstheilungsregulationen, Linderung schmerzhafter Verkrampfungen, beschleunigter Abbau krankhafter Flüssigkeitsansammlungen und Schwellungen, schnellere Regenerationen der Haut und Harmonisierung des Nervensystems und der Psyche sind eine Folge des Sauerstoffeffektes und der lokalen Temperaturerhöhung. Da der Körper nur die Energie des Magnetfeldes aufnimmt, die er für die Wiederherstellung seines natürlichen Gleichgewichtes braucht, kann jeder – ohne Angst vor Nebenwirkungen – sich selbst behandeln.“

Auf die gegen sie erlassene einstweilige Verfügung reagierte die Antragsgegnerin damit, dass sie den streitgegenständlichen Werbetext weiter verwendete, nun aber den oben stehenden Zusatz eines „rechtlichen Hinweises“ verwandte. Die Antragsstellerin beantragte ein Ordnungsgeld, welches vom Landgericht jedoch abgelehnt wurde, da ein Verstoß gegen den Unterlassungstitel nicht vorliege. Kern des Titels sei es  gewesen, der Schuldnerin zu untersagen, in unzulässiger Weise den Eindruck zu verschaffen, ihre Werbeangaben seien wissenschaftlich hinreichend bestätigt. Da die Schuldnerin den ausdrücklichen Hinweis angefügt habe, dass eine hinreichende wissenschaftliche Bestätigung ihrer Angaben nicht existiere, werbe sie nicht mehr „wie geschehen … „. Es liege ein neuer Sachverhalt vor, der lediglich in einem neuen Erkenntnisverfahren überprüft werden, nicht jedoch Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens sein könne.

Dies sah das Oberlandesgericht Hamm anders. Der Verstoß ist nicht etwa deshalb zu verneinen, weil weit am Ende der Werbedarstellung nunmehr völlig isoliert sich der Satz befindet, dass man „aus Rechtsgründen“ darauf hinweisen „müsse“, dass es für die auf dieser Homepage dargestellten Wirkungen der Magnetfeldtherapie und der beworbenen Produkte keine gesicherte wissenschaftliche Bestätigung gebe. Zum einen würden die tatsächlichen Werbeaussagen zu den Wirkweisen hierdurch gerade nicht in relevanter Weise in Frage gestellt, weil dieser Hinweis erkennbar nur Folge einer Rechtspflicht darstellen solle. Der Hinweis lese sich als ein der Sache nach nicht maßgeblicher Formhinweis. Hierin bereits liege inhaltlich eine erkennbare Distanzierung zu den mangelnden wissenschaftlichen Erkenntnissen, die man, da die Wirkungsaussagen betont über eine Vielzahl von Seiten aufrecht erhalten würden, dann doch nicht teile. Vor allem auch die versteckte Platzierung des Hinweises, wie sie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergebe, könne nicht als ausreichend angesehen werden, um dem Verkehr mitzuteilen, dass entsprechende wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse tatsächlich nicht vorlägen. Der Text sei zwar in der gleichen Schriftgröße gehalten wie der vorherige Fließtext, verschwinde jedoch am „letzten“ Ende des Textes, wo dieser im Zusammenhang mit Anwendungsfragen auch nicht mehr erwartet werde, so dass ein Leser diesen häufig überhaupt nicht mehr wahrnehme oder jedenfalls nicht mehr in einer Weise in Bezug nehme zu den auch räumlich-gestalterisch hervorgehobenen Wirkungsweisen. Die Darstellung werde so letztlich in der ursprünglichen Form aufrechterhalten.

Der Verhängung eines Ordnungsgeldes stünde auch nicht entgegen, dass dem Verbot angefügt gewesen sei „wie geschehen … in … „. Denn eine identische Darstellung sei für die Annahme einer Zuwiderhandlung nicht erforderlich. Ebenso wenig sei aufgrund dessen ein anderer Lebenssachverhalt nicht begründet. Eine Zuwiderhandlung gegen einen Unterlassungstitel liege vielmehr auch dann vor, wenn der Schuldner zwar keine identische Handlung, wohl aber eine solche vorgenommen habe, die von dem wettbewerbswidrigen Kern, dem „Charakteristischen“ der Handlung, die die Grundlage für die Unterlassungsverurteilung gebildet habe, nur geringfügig abweiche, ihr aber praktisch gleichwertig sei (st.Rspr., sog. Kerntheorie; vgl. Ahrens-Spätgens, 5. Aufl. 2005, Kap. 64 Rn. 57; Kap. 65 Rn. 9 m.w.N.). Hier aber erweise sich die neue Handlung als im Kernbereich mit den verbotenen Aussagen jedenfalls gleichwertig. Denn es verhalte sich immer noch so, dass die Schuldnerin die beanstandeten Werbeaussagen als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis erscheinen lasse. Der nur versteckte Hinweis, der ergänzend angefügt sei und der in sich, wie ausgeführt, auch schon wieder eine Distanzierung beinhalte, reiche in diesem Zusammenhang nicht aus, um die zunächst einmal eingetretene Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise im Nachhinein wieder zu beseitigen. Der Gläubiger brauche sich insoweit nicht auf die Einleitung eines neuen Erkenntnisverfahrens verweisen zu lassen.

Zur Höhe des Ordnungsgeldes führte der Senat aus: „Der Höhe nach ist in diesem Fall die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 5.000,00 EUR gerechtfertigt. Ordnungsmittel im Sinne des § 890 ZPO sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen. Zu berücksichtigen sind deshalb bei ihrer Festsetzung insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten. Eine Titelverletzung soll sich für den Schuldner nicht lohnen (BGH GRUR 1994, 146, 147 – Vertragsstrafebemessung; 2004, 506 Rn. 52 – Euro-Einführungsrabatt; Ahrens, 5. Aufl. 2005, Kap. 68 Rn. 6 f. m.w.N.). Auf dieser Grundlage ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass ein gewisser Relativierungsversuch stattgefunden hat und dass es sich um das erste Ordnungsmittelverfahren handelt. Indes sind der Verschuldensgrad insofern recht hoch und der Umfang des Verstoßes groß, als eine ansonsten im Kern identische Werbung wortgleich in der verbotenen Weise über eine lange Dauer fortgeschrieben worden ist. Unter Berücksichtigung auch der weiteren Gesamtumstände des Streitfalls ist zur Ahndung dessen die Verhängung eines Ordnungsgelds von 5.000,00 EUR erforderlich, aber auch ausreichend.“

I