OLG Hamm: Zur Unwirksamkeit von unklaren AGB-Klauseln unter Kaufleuten / Unverzügliche Mängelrüge

veröffentlicht am 23. März 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Hamm, Beschluss vom 20.12.2011, Az. I-19 U 139/11
§ 377 HGB; § 305 c Abs. 2 BGB

Das OLG Hamm hat entschieden, dass eine AGB-Klausel zwischen Kaufleuten, welche den Einwand einer verspäteten Mängelrüge ausschließt, unwirksam ist, wenn nicht zwischen offenen und verdeckten Mängeln differenziert wird. Die Klausel sei dadurch unklar und damit insgesamt unwirksam, mit der Folge, dass eine Mängelrüge bei Vorliegen der Voraussetzungen doch als verspätet zurückgewiesen werden könne. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Hamm

Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.06.2011 verkündete Urteil des Landgerichts Arnsberg (I-8 O 145/10) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Das vorgenannte Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 6.867,68 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Berufung hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ebenfalls nicht erforderlich (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

I.

Die Klägerin macht im Wege einer vom Landgericht abgewiesenen Teilklage Zahlungsansprüche gegen die Beklagte geltend. Grundlage ist ein Vertrag über eine Lieferung von X Grünsandstein durch die Beklagte.

Ziff. 6 der allgemeinen Bestell- und Einkaufsbedingungen der Klägerin, deren Geltung zwischen den Parteien im Streit steht, lautet wie folgt:

„Unser Vertragspartner verzichtet auf den Einwand verspäteter Mängelrüge. Bei verpackter Ware genügt die Feststellung des Mangels bei Öffnung der Verpackung bzw. Verarbeitung der verpackten Ware.“ (GA 120)

Die Klägerin benötigte den Sandstein für die Erneuerung der Außentreppe eines Gebäudes des Klosters P. Die Abnahme der Arbeiten der Klägerin durch ihren Auftraggeber erfolgte Anfang Oktober 2008. Anfang November 2008 bestellte die Klägerin Material für Reparaturen nach (GA 89), nach der ersten Frostperiode in der zweiten Novemberhälfte reklamierte die Klägerin Mitte Dezember 2008 den Mangel an einer Auftrittstufe und bat um Gutschrift bzgl. des gelieferten Ersatzmaterials (GA 106), was die Beklagte ablehnte (GA 107). Mit Schreiben vom 16.01.2009 und 28.01.2009 teilte die Klägerin der Beklagten dann mit, dass das gelieferte Material ihrer Ansicht nach für eine isolierte Außentreppe in technischer Hinsicht nicht geeignet erscheine. Es sei festgestellt worden, dass der gelieferte Sandsteintyp außergewöhnlich wasserdurchlässig sei und außerdem auch der mechanischen Beanspruchung für Treppen durch starke Absandung nicht standhalte (Schreiben GA 113, 114). Weitere Mängelrügen wurden mit Schreiben vom 28.04.2009 (GA 82) und schließlich anwaltlich am 13.05.2009 (GA 116) erhoben.

Nach Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens (AZ 12 H 10/09, Amtsgericht Arnsberg) erneuerte die Klägerin die Außentreppe des Klostergebäudes. Vorprozessual machte sie fruchtlos gegenüber der Beklagten Ersatzansprüche in Höhe von 33.849,84 € geltend, die sie nun mit der streitigen Klage teilweise gerichtlich verfolgt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, etwaige Mängel würden gem. § 377 HGB als genehmigt gelten, da es an einer zwischen den Parteien als Kaufleuten erforderlichen und durch die nicht einbezogenen AGB der Klägerin auch nicht abbedungenen rechtzeitigen Mangelrüge fehle.

Für die tatsächlichen Feststellungen und die näheren rechtlichen Ausführungen wird im Übrigen gem. § 540 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.

Sie meint das Landgericht habe verkannt, dass der Vertrag erst im Juli 2007 unter Einbeziehung ihrer AGB zustande gekommen sei. Damit sei Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge wirksam abbedungen. Zudem sei rechtzeitig gerügt worden. Schäden größeren Ausmaßes seinen erst im Januar 2009 erkennbar gewesen. Hinzu komme, so trägt die Klägerin in zweiter Instanz vor, dass weitere Rügen wegen der kategorischen Ablehnung der Beklagten auf ihr erstes Schreiben im Januar 2009 ohnehin entbehrlich gewesen seien.

Der Senat hat die Klägerin mit Schreiben vom 06.10.2010, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Zu Recht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin ihrer uneingeschränkt bestehenden Rügepflicht aus § 377 HGB nicht genügt habe.

In dem auf den Hinweis erfolgten Schriftsatz vertritt die Klägerin die Auffassung, die von ihr in den AGB verwendete Klausel sei entgegen der in dem Hinweis des Senats zum Ausdruck gebrachten Auffassung wirksam, weil sie für offene Mängel keinen Verzicht auf die Rügepflicht enthalte. Zudem sei der Mangel nicht offenkundig gewesen. Unzutreffend sei auch, dass zum Auftreten der Mängel zeitlich zweideutig vorgetragen sei. Frostschäden seien – von der Beklagten unwidersprochen – erstmals Mitte Januar 2009 aufgetreten. Entgegen der vom Senat vertretenen Auffassung sei die Beschreibung der Mängel in den Schreiben von Januar 2008 auch ausreichend.

II.

Die Ausführungen in dem Schriftsatz vom 15.11.2011 führen nicht zu einer von dem Hinweis vom 06.10.2011 abweichenden Bewertung.

Es ist weiter nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO).

Nicht überzeugend ist zunächst der Einwand der Klägerin, der Ausschluss der Rügepflicht in ihren AGB betreffe offene Mängel nicht. Die Klägerin selbst hat in ihrer Berufungsbegründung, S. 4 (GA 175) – uneingeschränkt – ausgeführt, dass zwischen den Parteien als Kaufleuten die Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge gem. § 377 HGB abbedungen worden sei. Eine Differenzierung zwischen versteckten und offenen Mängeln nimmt die Klägerin mithin selber nicht vor. Dies entspricht im Übrigen dem Wortlaut ihrer AGB, in deren Satz 1 der Ziff. 6 es uneingeschränkt heißt: „Unser Vertragspartner verzichtet auf den Einwand verspäteter Mängelrüge“. Soweit die Klägerin nunmehr meint, aus dem Satz 2 der Ziff. 6 ergebe sich, dass die Rügepflicht für offene Mängel gerade nicht ausgeschlossen sei, so ist die Regelung jedenfalls unklar. Die Einschränkung hinsichtlich verpackter Ware lässt eine eindeutige Differenzierung zwischen offenen und verdeckten Mängeln nicht zu. Sowohl verpackte als auch unverpackte Ware kann sowohl offene als auch verdeckte Mängel haben. Unklarheiten gehen aber zu Lasten der Klägerin als Verwenderin, § 305 c Abs. 2 BGB. Unter Anwendung dieser Unklarheitenregelung kann eine Differenzierung zwischen verdeckten und offenen Mängeln in der von der Klägerin in ihren AGB verwendeten Regelung nicht festgestellt werden, was – wie in dem Hinweis des Senats dargelegt – zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel führt.

Entgegen der von der Klägerin im Schriftsatz vom 15.11.2011 vertretenen Auffassung verbleibt es für den Senat auch bei der Widersprüchlichkeit des Vortrags zum erstmaligen Auftreten der streitigen Mängel. So hat die Klägerin in der Klageschrift, S. 2 (GA 2) vorgetragen, die Mängel seien „schon nach kurzer Zeit“ aufgetreten. Im Schriftsatz vom 12.04.2011, S. 6 (GA 67) ist die Rede vom „Frühjahr 2009 und damit ca. ein halbes Jahr nach Abschluss der Arbeiten im Herbst 2008″ “ nach Ende der Frostperiode“, was im Schriftsatz vom 18.04.2011, S. 2 (GA76) wiederholt wird. Im Schriftsatz vom 04.05.2011, S. 2 f (GA 84 f) ist wiederum die Rede von Mängeln, die Ende Oktober 2008, kurz nach Beginn der Frostperiode am 21.11.2008, Anfang Dezember 2008 und dann nach Ende der Frostperiode im März/April 2009 auftraten. Vom „Ende der Frostperiode“ ist dann wieder die Rede im Schriftsatz vom 20.05.2011, S. 1 (GA 133). Ein einheitlicher und insbesondere dahin gehenden Vortrag, dass die Mängel erstmals Mitte Januar 2009 auftraten, ist dem ebenso wenig zu entnehmen wie die Tatsache, dass der Zeitpunkt des Auftretens der Mängel zwischen den Parteien unstreitig wäre (vgl. zu den Zeitpunkten z.B. Schriftsatz der Beklagten vom 04.05.2011 (GA 79) und vom 25.05.2011, S. 2 (GA 139)).

Auf den Inhalt der Rügen vom 16.01. und 28.01.2009 kommt es nach alledem nicht mehr an. Im Übrigen hält der Senat die Rügen auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 15.11.2011 für nicht ausreichend, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Hinweisbeschluss vom 06.102011 verwiesen wird.

Da auch im Übrigen keine Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Feststellungen des Landgerichts bestehen und keine Rechtsfehler ersichtlich sind, hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Da die Rechtssache zudem keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint, kann die Zurückweisung nach dem Hinweis des Senats per Beschluss erfolgen, § 522 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

Vorinstanz:
LG Arnsberg, Az. I-8 O 145/10

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