OLG Hamm: Zur wettbewerblichen Eigenart von Taschen im Sinne von § 4 Nr. 9a UWG

veröffentlicht am 3. September 2015

OLG Hamm, Urteil vom 16.06.2015, Az. 4 U 32/14
§ 3 Abs. 1 UWG, § 4 Nr. 9 a) UWG, § 8 Abs. 1 S.1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG

Das OLG Hamm hat entschieden, dass „Le-Pliage“-ähnliche Taschen des Herstellers Longchamp nicht vertrieben werden dürfen. Dabei wies der Senat darauf hin, dass die für den Tatbestand der unlauteren Nachahmung erforderliche wettbewerbliche Eigenart nur durch einen Gesamteindruck des Erzeugnisses, nicht durch eine Einzelbetrachtung individueller Merkmale festgestellt werden könne. Das Übereinstimmen des Gesamteindrucks könne allerdings vom Gericht aus eigener Sachkunde festgestellt werden; eines Sachverständigen bedürfe es insoweit nicht. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Hamm

Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.01.2014 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert.

Das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 30.08.2013 wird aufrecht erhalten, soweit

1.
die Beklagte verurteilt worden ist, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland die nachfolgend abgebildeten Taschen anzubieten oder zu bewerben oder anbieten oder bewerben zu lassen,

[Abb.]

[Abb.]

[Abb.]

2.
festgestellt worden ist, dass die Beklagte der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen hat, der dieser aus den oben unter Ziff. 1 genannten Verletzungshandlungen jeweils entstanden ist oder noch entstehen wird,

3.
die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin schriftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die Herkunft und den Umfang des Vertriebs der von ihr in Deutschland angebotenen Taschen gemäß Ziff. 1 und zwar unter Angabe

a) von Namen und Anschrift des oder der Lieferanten,

b) der von ihr bezogenen Stückzahlen, aufgeschlüsselt nach Artikeln, den Bezugszeitpunkten sowie den jeweiligen Einkaufspreisen,

c) der von ihr abgesetzten Stückzahlen, aufgeschlüsselt nach Artikeln, Filialen, Vertriebshandlungen im Wege des Fernabsatzes und den jeweiligen Kalenderdaten des Verkaufs sowie den jeweils erzielten Verkaufspreisen,

jeweils unter Vorlage von Rechnungen als Nachweis,

4.
die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 2.105,45 € zu zahlen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Soweit die Beklagte zur Unterlassung sowie zur Auskunftserteilung und Rechungslegung verurteilt worden ist, kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 170.000,00 € abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

A.
Die Klägerin stellt her und vertreibt in Deutschland über ein Tochterunternehmen die nachfolgend dargestellten Taschen in unterschiedlichen Farben und Formen unter der Bezeichnung „M“ (Artikelnummern 1621, 1623, 2605, 2724):

Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

Die Tasche „M“ war bereits wiederholt Gegenstand der Berichterstattung in der Presse. So wurde – wie sich aus den Anlagen K 9.2, K 9.7 und K 9.11 ergibt – etwa die Ehefrau des Sohnes des britischen Thronfolgers, Kate Middleton, als Trägerin der Handtasche dargestellt. Wegen der Einzelheiten der von der Klägerin angeführten Presseberichte wird auf die Anlagen K 8.1 bis K 8.3 und K 9.1 bis K 9.15 Bezug genommen.

Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelsgeschäft in E, in dem sie u. a. Taschen zum Kauf anbietet.

Am 20.11.2012 ließ die Klägerin bei der Beklagten einen Testkauf durchführen. Da-bei wurde eine Tasche des Herstellers „B“ zu einem Kaufpreis von 24,95 € erworben. Wegen der Einzelheiten der Gestaltung dieser Tasche wird auf den zu den Akten gereichten Testkaufgegenstand verwiesen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.04.2013 (Anlage K 17) mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Auskunftserteilung auf. Sie rügte, die bei dem Testkauf erworbene Handtasche stelle eine Nachahmung der Handtaschen der „M“-Serie dar.

Die Beklagte wies die mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche zurück.

Die Klägerin hat behauptet, die Tasche „M“ sei außerordentlich bekannt und genieße einen herausragenden Ruf; es handele sich um die wohl meistverkaufte Tasche der Welt. Sie habe mit dem Verkauf dieses Produkts an in Deutschland ansässige Händler seit Jahren erhebliche Absatz- und Umsatzzahlen erreicht. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird insoweit auf die Seiten 10 – 12 der Klageschrift Bezug genommen.

Den Vertrieb von Nachahmungen verfolge sie rasch und konsequent, wie sich aus den von ihr vorgelegten Unterlassungserklärungen (Anlagen K 10.1 bis K 10.10), Urteilen (Anlagen K 11.1 bis K 11.5) und Verfügungsbeschlüssen (Anlagen K 12.1 bis K 12.3) ergebe.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Tasche „M“ verfüge über eine ho-he wettbewerbliche Eigenart. Der eigentümliche Gesamteindruck der Tasche werde durch die unter I. 2. a) und 3. c) bb) der Klageschrift genannten Merkmale bestimmt, insbesondere durch die Kombination hinsichtlich Überschlag und Henkeln, die jeweils aus Leder gefertigt seien, und deren Kontrast zu dem aus Nylon bzw. aus nylonähnlichem Material bestehenden Korpus in querformatiger Trapezform.

Angebot und Vertrieb der beanstandeten Imitate begründeten die Gefahr einer vermeidbaren Täuschung über ihre betriebliche Herkunft. Dadurch werde zudem die Wertschätzung der Taschen der Klägerin unangemessen ausgenutzt.

Die Beklagte habe nach alledem unlauter gemäß § 4 Nr. 9 a) und Nr. 9 b) UWG gehandelt.

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt,

1. der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland die nachfolgend abgebildeten Taschen anzubieten oder zu bewerben oder anbieten oder bewerben zu lassen,

[Abb.]

[Abb.]

[Abb.]

2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Verbot zu Ziff. 1 ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen,

3. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen hat, der dieser aus den oben unter Ziff. 1 genannten Verletzungshandlungen jeweils entstanden ist oder noch entstehen wird,

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin schriftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die Herkunft und den Umfang des Vertriebs der von ihr in Deutschland angebotenen Taschen gemäß Ziff. 1 und zwar unter Angabe

a) von Namen und Anschrift des oder der Lieferanten,

b) der von ihr bezogenen Stückzahlen, aufgeschlüsselt nach Artikeln, den Bezugszeitpunkten sowie den jeweiligen Einkaufspreisen,

c) der von ihr abgesetzten Stückzahlen, aufgeschlüsselt nach Artikeln, Filialen, Vertriebshandlungen im Wege des Fernabsatzes und den jeweiligen Kalenderdaten des Verkaufs sowie den jeweils erzielten Verkaufspreisen,

jeweils unter Vorlage von Rechnungen als Nachweis,

5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.374,35 € zu zahlen.

Auf Antrag der Klägerin hat das Landgericht im schriftlichen Vorverfahren am 30.08.2013 Versäumnisurteil gegen die Beklagte erlassen. Gegen das am 09.09.2013 zugestellte Versäumnisurteil hat diese mit einem am 23.09.2013 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat sodann beantragt, das Versäumnisurteil vom 30.08.2013 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 30.08.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie hat mit näheren Ausführungen geltend gemacht, das Landgericht habe ein Versäumnisurteil nicht erlassen dürfen, weil eine Säumnis nicht vorgelegen habe. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift an ihre Prozessbevollmächtigten habe keine Vollmacht bestanden.

Ferner hat die Beklagte eingewandt, die von der Klägerin geltend gemachten An-sprüche seien verwirkt. Dieser sei die beanstandete Tasche seit 2009 bekannt. Gleichwohl habe sie diese vier Jahre lang unbeanstandet gelassen. Dadurch sei für die Beklagte eine Vertrauensposition entstanden.

Zudem hat die Beklagte unter Vorlage von Abbildungen von Taschen anderer Her-steller (Anlagen B 6 bis B 10) die Ansicht vertreten, es liege keine Herkunftstäuschung vor. Auf dem deutschen Markt gebe es seit Jahrzehnten zahlreiche Leder-Nylontaschen, die die von der Klägerin angeführten Merkmale aufwiesen. Die entscheidenden Gestaltungsmerkmale von Falttaschen seien aufgrund einer US-amerikanischen Patentschrift vom 15.09.1925 bekannt.

Ein Vergleich der Merkmale aller Leder-Nylontaschen gemäß Anlagen B 6 bis B 10 mit dem Modell der Klägerin zeige, dass nur eine Merkmalskombination mit Applikationen aus mittelbraunem Leder, goldenem Druckknopf auf dem Überschlag und weißen Sichtnähten auf allen Applikationen auf die betriebliche Herkunft der Leder-Nylontaschen der Klägerin hinweisen könne.

Keines dieser Merkmale liege bei dem von der Beklagten vertriebenen Einkaufsbeutel vor. Die in Rede stehenden Taschen der Parteien unterschieden sich hinsichtlich zahlreicher, im Einzelnen auf den Seiten 15 – 18 des Einspruchsschriftsatzes vom 23.09.2013 (Bl. 106 – 109 d. A.) aufgeführter Merkmale und auch nach ihrem Gesamteindruck. Sie seien zudem für unterschiedliche Zielgruppen bestimmt: Während die Klägerin Modeartikel für zahlungskräftige Kunden vertreibe, handele es sich bei der beanstandeten Tasche des Herstellers „B“ um ein preisgünstiges, praktisches Einkaufsinstrument für ältere Menschen. Der Verkaufspreis der Leder-Nylontaschen der Klägerin sei mindestens 100 % höher als der Preis der Einkaufsbeutel von „B“.

Gegen eine besondere Bekanntheit der Leder-Nylontasche der Klägerin spreche die Studie „P“ aus Mai 2007. Danach sei nur 6 % der repräsentativ Befragten die Marke der Klägerin bekannt und nur 0,4 % von diesen besäßen ein Produkt aus dem Hause der Klägerin.

Ferner liege ein Ausnutzen einer etwaigen Wertschätzung der Tasche der Klägerin nicht vor.

Auch die geltend gemachten Schadensersatz- und Auskunftsansprüche bestünden nicht. Es fehle an einer Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Das Auskunfts-begehren sei zu weit gefasst.

Der Gegenstandswert der Abmahnung sei übersetzt. Die Beklagte betreibe ein kleines Fachgeschäft. Sie habe in den vier Jahren des Angebots der beanstandeten Einkaufsbeutel nur zwei Dutzend von diesen verkauft.

Die Kosten des Testkaufs seien nicht notwendig gewesen. Kosten der allgemeinen Marktbeobachtung seien nicht erstattungsfähig.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht das Versäumnisurteil vom 30.08.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat das Vorliegen einer Nachahmung im Sinne des § 4 Nr. 9 UWG verneint. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

Sie rügt, das Landgericht habe keine Feststellungen zur wettbewerblichen Eigenart der Tasche „M“ getroffen. Die Prüfung der Ähnlichkeit der Taschen durch das Landgericht beruhe auf einer zergliedernden Betrachtung einzelner Merkmale. Maßgebend sei indes die Gesamtwirkung der jeweiligen Erzeugnisse in ihrer jeweiligen Merkmalskombination. Eine Nachahmung liege bereits dann vor, wenn das Erzeugnis wiedererkennbare wesentliche Elemente der Vorlage aufweise.

Ferner sei zu beachten, dass regelmäßig übereinstimmende Merkmale mehr hervor-träten als die Unterschiede. Demnach komme es weniger auf die Unterschiede und mehr auf die Übereinstimmungen der Produkte an. Unterschiede, die nur bei einer vergleichenden Inaugenscheinnahme, wie sie das Landgericht vorgenommen habe, hervorträten, seien unbeachtlich. Maßgeblich sei das Erscheinungsbild der Taschen, das sich bei ihrem Gebrauch im Verkehr oder in der Werbung zeige.

Bei Anwendung dieser Grundsätze handele es sich bei der beanstandeten Tasche um eine Nachahmung der Tasche „M“.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts könnten auch vorbekannte und funktionale Elemente wie die Faltbarkeit der Tasche und die Besatzstücke an den Enden des oberseitigen Reißverschlusses („Ohren“) wettbewerbliche Eigenart begründen.

Zu Unrecht habe sich das Landgericht auf ein Urteil des Cour d‘ appel de Paris und auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg gestützt.

Das erstgenannte Urteil verhalte sich nicht zu den Vorschriften des § 4 Nr. 9 a) und b) UWG; es sei zudem durch Urteil des Kassationsgerichts vom 15.05.2015 aufgehoben worden.

Das Urteil des Landgerichts Hamburg sei wirkungslos, nachdem die dortigen Parteien im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamburg einen Vergleich geschlossen hätten. Das Landgericht habe die von der Klägerin eingereichte Rechtsprechung anderer Gerichte zu „M“-Nachahmungen, durch die das Urteil des Landgerichts Hamburg überholt sei, außer Betracht gelassen.

Die Klägerin verweist hinsichtlich des von ihr ebenfalls angegriffenen Nachfolgemodells der hier beanstandeten Tasche auf das im Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Verfügung ergangene Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20.02.2014 – 14c O 83/13 – (Anlage K 29) und das im nachfolgenden Berufungsverfahren ergangene Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11.12.2014 – 15 U 92/14 – (Anlage K 34) sowie auf das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20.11.2014 – 14c O 186/13 – im diesbezüglichen Hauptsacheverfahren (Anlage K 39).

Ferner nimmt sie hinsichtlich einer Tasche des Herstellers „I“ Bezug auf das im Verfahren 6 U 160/13 ergangene Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 07.03.2014 (Anlage K 30) und den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 05.02.2015 – I ZR 85/14 -, mit dem die Beschwerde der Streithelferin der im dortigen Verfahren Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen worden ist (Anlage K 35a).

Mit näheren Ausführungen macht sie überdies geltend, die vom Landgericht angeführten Merkmale stünden der Annahme einer Nachahmung nicht entgegen.

Ferner führt die Klägerin weitere Presseartikel an, die sich auf die Tasche „M“ beziehen.

Schließlich erhebt sie die Rüge der mangelnden Prozessvollmacht auf Seiten der Beklagten.

Die Klägerin beantragt, das am 17.01.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund abzuändern und das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 30.08.2013 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Die Beklagte legt nun Gutachten zu zwei Verkehrsbefragungen vor, die im März/April 2014 durch das Marktforschungsinstitut GfK durchgeführt wurden (Anlagen B 24a und B 24b), und trägt vor, daraus ergebe sich, dass die Tasche der Klägerin bei den angesprochenen Verkehrskreisen weitestgehend unbekannt sei und nur über sehr geringe Kennzeichnungskraft verfüge, zumal die von der Klägerin behaupteten Absatzzahlen weit weniger als 1 % der Anzahl der jährlich nach Deutschland importierten Handtaschen (50 Millionen) ausmachten.

Nach wie vor macht die Beklagte geltend, die Gemeinsamkeiten der in Rede stehenden Taschen bestünden ausschließlich in solchen Merkmalen, die auch bei mehreren Wettbewerbsprodukten vorlägen, insbesondere bei der Leder-Nylontasche des Herstellers „Q“ gemäß Anlage B 6.

Sie beantragt nun die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens in Form einer Verkehrsbefragung dazu, dass auch Umstände des Marktes für Handtaschen und Reisetaschen bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Gefahr einer durch den Nylonbeutel der Beklagten hervorgerufenen Herkunftstäuschung entgegenstünden, und zu der Frage, welchen Bekanntheitsgrad die Leder-Nylontasche der Klägerin bei den angesprochenen Verkehrskreisen erlangt hat. Zudem beantragt sie hilfsweise die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, welchen branchenüblichen Einfluss intensive Pressearbeit auf die Veröffentlichung von Presseartikeln zu Damenmodeaccessoires hat.

Mit Schriftsatz vom 08.06.2015 überreicht die Beklagte als Anlage B 26a und B 26b Gutachten zu zwei weiteren Verkehrsbefragungen, die im Juli 2014 durch das Marktforschungsinstitut GfK durchgeführt wurden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat im Termin vom 16.06.2015 Beweis erhoben über die von der Klägerin behaupteten Absatz- und Umsatzzahlen in Bezug auf die Taschen „M“ durch Vernehmung der Zeugin T. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom selben Tage Bezug genommen (Bl. 569 ff. d. A.).

B.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist weitaus überwiegend begründet.

I.
Auf die Rüge der Klägerin nach § 88 Abs. 1 ZPO hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Senatstermin die ihm erteilte Prozessvollmacht, die auf den 05.09.2013 datiert, im Original gemäß § 80 ZPO vorgelegt (Bl. 568 d. A.). Zweifel an deren Wirksamkeit bestehen nicht.

II.
Durch den zulässigen Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 30.08.2013 ist der Prozess gemäß § 342 ZPO in die Lage zurückversetzt worden, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand. Auf die Frage, ob das Versäumnisurteil zulässig war und prozessual ordnungsgemäß ergangen ist, kommt es dabei nicht an (MünchKomm/Prütting, ZPO, 4. Aufl., § 343 Rn. 11).

III.
Die Klage ist zulässig.

1.
Der Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Denn er nimmt Bezug auf die konkrete Verletzungshandlung in Gestalt des Anbietens bzw. Bewerbens der im Antrag abgebildeten Tasche.

2.
Die Klägerin ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG klagebefugt, was auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht.

3.
Hinreichende Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Klägerin (§ 8 Abs. 4 UWG) liegen nicht vor.

Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs reicht es – entgegen der vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Senatstermin geäußerten Auffassung – vorliegend nicht aus, dass die Klägerin wegen der hier angegriffenen Tasche nicht gegen deren Hersteller, sondern gegen eine Einzelhändlerin vorgeht. Gleiches gilt für den Umstand, dass der der Berechnung der Abmahnkosten zugrunde gelegte Gegenstandswert – wie noch auszuführen ist – übersetzt ist.

4.
Hinsichtlich des Feststellungsantrags (Klageantrag zu 3.) liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Dieses entfällt nicht wegen des Vorrangs einer Leistungsklage. Denn der Klägerin ist derzeit eine Bezifferung ihres Schadens noch nicht möglich.

IV.
Die Klage ist im Wesentlichen – bis auf einen Teilbetrag des geltend gemachten Zahlungsanspruchs – begründet.

1.
Klageantrag zu 1.:

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 1; 3 Abs. 1; 4 Nr. 9 a) UWG zu.

a)
Das Anbieten bzw. Bewerben der beanstandeten Tasche stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

b)
Damit hat die Beklagte den Unlauterkeitstatbestand des § 4 Nr. 9 a) UWG erfüllt.

Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt.

Der Vertrieb einer Nachahmung kann wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt.

Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je größer der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen (BGH, WRP 2013, 1188 – Regalsystem – m. w. N.).

aa)
Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder dessen charakteristische Merkmale nach dem Gesamteindruck geeignet sind, auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des nachgeahmten Produkts hinzuweisen. Das ist immer dann der Fall, wenn es sich – unabhängig von der Anzahl der Merkmale – von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es aufgrund dieser Eigenschaften einem bestimmten Hersteller zuordnet (BGH, a. a. O. – Regalsystem).

Wettbewerbliche Eigenart setzt nicht Neuheit oder Bekanntheit des Produkts voraus. Bekanntheit kann indes den Grad der wettbewerblichen Eigenart steigern (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.24 m. w. N.).

Die wettbewerbliche Eigenart eines Erzeugnisses kann sich aus seinen ästhetischen Merkmalen ergeben. Es kommt darauf an, ob die zur Gestaltung eines Produkts verwendeten Einzelmerkmale in ihrer Kombination, ggf. auch mit technisch bedingten Merkmalen, dem Produkt ein Gepräge geben, das dem Verkehr einen Rückschluss auf die betriebliche Herkunft ermöglicht (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.27 m. w. N.). Die wettbewerbliche Eigenart muss sich nicht notwendigerweise auf ein bestimmtes Produkt beziehen, sondern kann sich auch aus den übereinstimmenden Merkmalen verschiedener Exemplare einer Modellreihe ergeben (OLG Köln, GRUR-RR 2014, 287, 289; Köhler/Bornkamm, a. a. O.).

Bei der Feststellung der wettbewerblichen Eigenart ist die Verkehrsauffassung maßgebend (BGH, WRP 2012, 1379 – Sandmalkasten). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere auch solche Umstände, die für sich allein weder erforderlich noch ausreichend sind, um die wettbewerbliche Eigenart zu begründen. Maßgeblich ist der Gesamteindruck des Erzeugnisses, nicht etwa eine zergliedernde und auf einzelne Elemente abstellende Betrachtung (BGH, GRUR 2010, 80 – LIKEaBIKE). Indizien für das Vorliegen einer wettbewerblichen Eigenart und ihr Ausmaß können etwa der Kostenaufwand für die Herstellung des Erzeugnisses, seine Bekanntheit und seine Neuheit sein. Für das Ausmaß der Bekanntheit kann es eine Rolle spielen, welchen Marktanteil und welche werbliche Präsenz das Produkt hat, wie lange es auf dem Markt ist, ob der Originalhersteller eine Pionierleistung erbracht hat und ob er sein Produkt aktiv gegen Nachahmer verteidigt hat (BGH, WRP 2013, 1189 – Regalsystem; Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.33).

Das Gericht kann die wettbewerbliche Eigenart regelmäßig aus eigener Sachkunde feststellen, auch wenn die Richter nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (BGH, GRUR 2006, 79 – Jeans I; OLG Düsseldorf, MarkenR 2015, 102). Es bedarf deshalb nicht der Einholung des von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens, und zwar auch nicht zu der Frage, welchen Bekanntheitsgrad die Taschen „M“ bei den angesprochenen Verkehrskreisen erlangt haben. Den Grad der Bekanntheit kann der Senat aufgrund der vorgetragenen Absatz- und Umsatzzahlen betreffend diese Taschen und der diesbezüglichen Presseberichterstattung selbst feststellen (s. unten).

(1)
Nach den vorgenannten Maßstäben kommt den Taschen der Modellreihe „M“ eine hochgradige wettbewerbliche Eigenart zu (OLG Düsseldorf, a. a. O.; OLG Köln, GRUR-RR 2014, 287; OLG Frankfurt, WRP 2013, 1227; LG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2014 – 14c O 83/13 und LG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2014 – 14c O 186/13).

Die wettbewerbliche Eigenart ergibt sich aus der Kombination folgender Merkmale (so auch OLG Düsseldorf, a. a. O. und LG Düsseldorf, a. a. O.):

a) Querformatiger, trapezförmiger Korpus aus Nylon oder nylonartigem Material,

b) dessen Oberseite sich mit einem Reißverschluss öffnen und verschließen lässt.

c) Beidseits unmittelbar neben dem Reißverschluss sind mit Sichtnähten voluminös ausgestaltete, schlauchförmige Tragegriffe und zwischen diesen ein Überschlag angebracht.

d) An beiden Enden des Reißverschlusses befinden sich leicht ansteigend überstehende Besatzstücke („Ohren“).

e) Tragegriffe, Überschlag und Besatzstücke sind aus Leder gefertigt, welches in farblichem Kontrast zum Korpus steht.
111

f) Die Tasche ist faltbar mit der Möglichkeit, die Faltung mittels des Überwurfs zu fixieren.

Auch dieses letztgenannte Merkmal begründet wettbewerbliche Eigenart. Denn es handelt sich nicht um ein technisch zwingend notwendiges Merkmal, sondern nur um ein solches, das zwar technisch bedingt, aber – ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind – frei austauschbar ist (vgl. BGH, GRUR 2010, 1125 – Femur-Teil).

Die Tasche „M“ ist bereits seit 1994/1995 auf dem deutschen Markt vertreten. Das folgt aus den Presseberichten gemäß Anlagen K 8.1 bis K 8.3.

Dass schon zu dieser Zeit eine Tasche mit einer identischen Merkmalskombination auf dem deutschen Markt bekannt gewesen wäre, hat die Beklagte, die die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen trägt, die das Entstehen einer an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart hindern (z. B. vorbekannte Gestaltungen) oder deren Schwächung oder Wegfall begründen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.78 m. w. N.), weder hinreichend dargetan noch ist dies sonst ersichtlich.

Die Tasche, die in der Patentschrift vom 15.09.1925 in Form von Zeichnungen abgebildet ist (Anlage B 1), weist insbesondere keinen trapezförmigen Korpus auf. Aus diesen Zeichnungen ergibt sich ferner nicht, dass bei der Tasche ein farblicher Kontrast zwischen Griffen und Überschlag einerseits und Korpus andererseits sowie seitliche Besatzstücke an den Enden des Reißverschlusses vorhanden sind (OLG Düsseldorf, a. a. O.).

Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass die Taschen gemäß Anlagen B 6 bis B 10 schon zum Zeitpunkt der Markteinführung der Taschen „M“ auf dem deutschen Markt angeboten worden sind. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass einige dieser Taschen sich ohnehin derart von den Taschen der Klägerin unterscheiden, dass sie einen nachhaltig anderen Gesamteindruck erzeugen (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O., zu den dortigen Anlagen AG 6, AG 9 und AG 10).

Die Tasche „Q“, von der die Beklagte Abbildungen eingereicht (Anlage B 6) und ein Exemplar im Senatstermin vorgezeigt hat, steht der wettbewerblichen Eigenart der Taschen „M“ letztlich nicht entgegen. Denn das Nylonmaterial der Tasche „Q“ weist ein auffälliges Jaquardmuster auf. Es stellt sich als ein so prägnantes, den Blick auf sich ziehendes Merkmal dar, dass dadurch ein anderer Gesamteindruck hervorgerufen wird (OLG Düsseldorf, a. a. O.; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2014, 34).

Der Annahme einer wettbewerblichen Eigenart der Taschen „M“ steht ferner nicht die Studie „P“ (Anlage B 17) entgegen. Denn diese Verkehrsbefragung aus dem Jahre 2006 bezieht sich auf die Herstellermarke der Klägerin und nicht auf die Taschen „M“ (OLG Düsseldorf, a. a. O.).

(2)
Die wettbewerbliche Eigenart der Taschen der Modellreihe „M“ ist auch nicht nachträglich durch eine veränderte Marktsituation entfallen.

Von einem Fortbestand der wettbewerblichen Eigenart ist trotz des Vertriebs von Nachahmungen im großen Umfang auszugehen, solange die angesprochenen Verkehrskreise zwischen Original und Kopie unterscheiden und die Kopie ohne weiteres oder nach näherer Prüfung als solche erkennbar ist (BGH, GRUR 1998, 830, 833 – Les-Paul-Gitarren; BGH, GRUR 2007, 795 – Handtaschen). Die wettbewerbliche Eigenart geht nur verloren, wenn die prägenden Gestaltungsmerkmale des nachgeahmten Originals (beispielsweise durch eine Vielzahl von Nachahmungen) Allgemeingut geworden sind, der Verkehr sie also nicht mehr einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet (BGH, GRUR 2007, 984 – Gartenliege; OLG Frankfurt, WRP 2013, 1069, 1070; OLG Düsseldorf, a. a. O.).

Dies ist hier nicht der Fall.

Von einer Schwächung der wettbewerblichen Eigenart der Taschen „M“ kann nicht ausgegangen werden. Dagegen spricht, dass diese Taschen seit Jahren in Deutschland in großem Umfang vertrieben werden und die Klägerin dadurch erhebliche Umsätze erzielt, wie die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin T bestätigt hat. Wegen der Einzelheiten der Absatz- und Umsatzzahlen wird auf die von der Zeugin im Senatstermin überreichte Aufstellung Bezug genommen (Bl. 572 d. A.), deren inhaltliche Richtigkeit sie glaubhaft bestätigt hat. Die Zeugin hat bekundet, sie habe die in der Aufstellung wiedergegebenen Zahlen bei der zuständigen Abteilung der Klägerin angefragt. Anhaltspunkte dafür, dass die betreffenden Absatz- und Umsatzzahlen gleichwohl unzutreffend sein könnten, haben sich nicht ergeben.

Die von der Beklagten in Bezug auf verschiedene Wettbewerbsmodelle vorgetragenen Absatzzahlen (Bl. 179 – 183 d. A.) liegen demgegenüber deutlich niedriger als die Absatzzahlen der Taschen „M“.

(3)
Die hochgradige wettbewerbliche Eigenart der Taschen „M“ spiegelt sich überdies in der sie betreffenden umfangreichen Presseberichterstattung wider, die die Klägerin unter Vorlage von Ablichtungen dargelegt hat (vgl. etwa Anlagen K 8.1 bis K 8.3 und K 9.1 bis K 9.15). Dabei kann dahinstehen, ob diese Berichterstattung maßgeblich auf der Pressearbeit der Klägerin beruht. Denn zum einen kann auch eine noch so intensive Pressearbeit allein nicht bewirken, dass ein Produkt immer wieder Gegenstand der Berichterstattung in bekannten Zeitschriften bzw. Zeitungen ist und Prominenente mit diesem in Verbindung gebracht werden. Außerdem konnten bereits die zahlreichen Presseberichte schon aufgrund ihrer Existenz – also ungeachtet ihrer tatsächlichen Quelle – einen Anstieg der Bekanntheit der Taschen „M“ herbeiführen (OLG Düsseldorf, a. a. O.).

Vor diesem Hintergrund ist die Einholung des von der Beklagten beantragten gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu der Frage, welchen branchenüblichen Einfluss intensive Pressearbeit auf die Veröffentlichung von Presseartikeln zu Damenmodeaccessoires hat, nicht veranlasst.

(4)
Hinzu kommt, dass die Klägerin ihr Produkt aktiv gegen Nachahmungen verteidigt (vgl. BGH, a. a. O. – Regalsystem). Dies ergibt sich aus den Anlagen K 10.1 bis K 10.10, K 11.1 bis K 11.5 und K 12.1 bis K 12.3.

(5)
Der nach alledem hohen wettbewerblichen Eigenart der Taschen „M“ steht nicht das Gutachten zur Verkehrsbefragung gemäß Anlage B 24a entgegen.

An der Aussagekraft des Ergebnisses dieser Verkehrsbefragung bestehen durchgreifende Zweifel. So ist bei der Frage 1. von „Stofftaschen“ die Rede. Es liegt nahe, dass eine nach „Stofftaschen“ befragte Person an einfache Einkaufstaschen und Jutebeutel als Alternative zu Plastiktüten denkt (so auch OLG Düsseldorf, a. a. O.). Darum geht es hier nicht.

Hinzu kommt, dass bei den ab Frage 2. dargestellten Abbildungen die Tasche nicht in gefaltetem Zustand gezeigt worden ist, obwohl sie gerade auch in gefaltetem Zustand benutzt wird.

Dadurch wird die Überzeugungskraft der Verkehrsbefragung entscheidend gemindert (so auch OLG Düsseldorf, a. a. O.).

(6)
Das von der Beklagten mit Schriftsatz vom 08.06.2015 als Anlage B 26a vorgelegte Gutachten über eine weitere Verkehrsbefragung führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch dieses Gutachten begegnet durchgreifenden Bedenken hinsichtlich seiner Überzeugungskraft.

Zwar ist bei der dortigen Frage 2. die Tasche der Klägerin nun auch in gefaltetem Zustand dargestellt.

Ferner ist die Frage 1. abweichend formuliert, indem dort nun von „Stofftaschen, z. B. aus Nylon“ die Rede ist. Gleichwohl besteht auch bei dieser Formulierung die durchaus naheliegende Möglichkeit, dass sich die Teilnehmer eine falsche Vorstellung über den eigentlichen Gegenstand der Befragung bilden. Denn der Begriff „Stofftaschen“ kann auch mit dem erläuternden Zusatz „z. B. aus Nylon“ den unzutreffenden Eindruck hervorrufen, es gehe um eine einfache Einkaufstasche, nicht aber um eine Tasche als Modeartikel, die auch für Einkaufszwecke benutzt werden kann.

So bezeichnet selbst die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit die Tasche der Klägerin nicht als „Stofftasche aus Nylon“, sondern als „Leder-Nylon-Tasche“.

Die von der Beklagten eingereichten Gutachten zu den Verkehrsbefragungen geben keinen Anlass zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Denn – wie ausgeführt – kann der Senat die wettbewerbliche Eigenart der Taschen der Klägerin selbst feststellen.

bb)
Die angegriffene Tasche stellt eine nahezu identische Nachahmung der von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Taschen „M“ dar.

Eine nahezu identische Nachahmung liegt vor, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist (BGH, GRUR 2010, 1125 – Femur-Teil).

Dabei kommt es darauf an, ob gerade die übernommenen Gestaltungsmittel diejenigen sind, die die wettbewerbliche Eigenart des Produkts ausmachen, für das Schutz beansprucht wird (BGH, GRUR 2007, 795 – Handtaschen).

Insoweit ist auf die Sichtweise des Durchschnittsverbrauchers abzustellen, der die betreffenden Produkte nicht nebeneinander sieht und unmittelbar miteinander vergleicht, sondern auf Grund seiner Erinnerung in Beziehung zueinander setzt (OLG Köln, WRP 2014, 337). Dabei ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Produkte abzustellen (BGH, a. a. O. – Handtaschen). Denn der Verkehr nimmt ein Produkt in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen wahr, ohne es einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (BGH, GRUR 2010, 80 – LIKEaBIKE). Daher genügt es nicht, nur einzelne Gestaltungsmerkmale zu vergleichen, um den Grad der Ähnlichkeit zu bestimmen (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.37a).

Die von der Beklagten angebotene Tasche des Herstellers „B“ ist nach ihrer Gesamtwirkung ebenso wie die Taschen der Klägerin dadurch gekennzeichnet, dass die Tragegriffe, der Überschlag und die Besatzstücke anders koloriert sind als der Korpus der Tasche, woraus sich eine markante Kontrastwirkung ergibt.

Zudem verfügt die beanstandete Tasche ebenso wie die Taschen „M“ über einen mittig angeordneten Überschlag sowie voluminös ausgestaltete, schlauchförmige Tragegriffe und Besatzstücke an den Reißverschlussenden. Auch die angegriffene Tasche ist oben mit einem Reißverschluss versehen. Sie ist zudem faltbar und die Faltung kann mittels des Überschlags fixiert werden (vgl. OLG Düsseldorf, MarkenR 2015, 102, zum Nachfolgemodell der hier angegriffenen Tasche).

Die im Detail vorhandenen Unterschiede der beiden Taschen, die die Beklagte im Einzelnen anführt (insbesondere: Tragegriffe, Überschlag und Besatzstücke der angegriffenen Tasche bestehen nicht aus braunem Leder, sondern aus schwarzem Nylon bzw. Sicherheitsgurt; Korpus der beanstandeten Tasche ist nicht schwarz gehalten, sondern mit einem rot-weißen Streifenmuster versehen; Überschlag unterschiedlich geformt; farblich unterschiedliche Sichtnähte, Reißverschlusstasche auf der Rückseite der Tasche der Beklagten, divergierende Form der Aufsatzstücke der Henkel, kleines Schild mit Größenangabe am Überschlag, fehlende Prägung auf dem Überschlag und kein goldener Druckknopf), stehen angesichts der Übereinstimmung der Taschen in ihren grundlegenden Gestaltungsmerkmalen dem Vorliegen einer nahezu identischen Nachahmung nicht entgegen.

Auch in dem vorhandenen Streifenmuster der angegriffenen Tasche sieht der maßgebliche Durchschnittsverbraucher nur eine unerhebliche Abweichung. Denn Streifenmuster sind allgemein gängig, worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat. Darauf, ob ihre mit einem Streifenmuster versehene Tasche (Artikelnummer 2605 gemäß Anlage K 3) auch in Deutschland angeboten worden ist, kommt es deshalb nicht entscheidend an.

Ein Wertungswiderspruch in Bezug auf die Tasche „Q“ gemäß Anlage B 6 liegt nicht vor. Wie oben ausgeführt, lässt das auffällige Jaquardmuster dieser Tasche einen eigenständigen Gesamteindruck entstehen, der sich von den hier in Rede stehenden Taschen der Parteien erheblich unterscheidet.

Der Begriff der Nachahmung setzt zudem voraus, dass der Nachahmer in Kenntnis des Originals gehandelt hat. Jedenfalls bei – wie hier gegebener – weitgehender Übereinstimmung des nachgeahmten Produkts mit dem Original spricht ein Anscheinsbeweis für die Kenntnis (vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 4 Rn. 9/46 m. w. N.). Dieser Anscheinsbeweis ist nicht widerlegt.

Dass auch der in Anspruch genommene Händler um das Vorliegen einer Nachahmung weiß oder damit rechnet, ist insoweit nicht erforderlich (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.68; Ohly/Sosnitza, a. a. O.).

cc)
Es liegt auch eine vermeidbare Herkunftstäuschung vor.

(1)
Eine Herkunftstäuschung ist anzunehmen, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder einem mit ihm geschäftlich oder organisatorisch verbundenen Unternehmen. Das Hervorrufen bloßer Assoziationen an das Originalprodukt reicht nicht aus. Maßgebend ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (oder sonstigen Marktteilnehmers), der sich für das Produkt interessiert (BGH, GRUR 2010, 1125 – Femur-Teil; OLG Köln, GRUR-RR 2014, 287; Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.42).

Voraussetzung für eine Herkunftstäuschung ist, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt hat, so dass sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH, GRUR 2005, 166, 167 – Puppenausstattungen; BGH, GRUR 2006, 79 – Jeans I; BGH, GRUR 2007, 339 – Stufenleitern; BGH, GRUR 2007, 984 – Gartenliege). Eine Verkehrsgeltung im Sinne von § 4 Nr. 2 MarkenG muss nicht erreicht sein (BGH, GRUR 2002, 275, 277 – Noppenbahnen; BGH, GRUR 2006, 79 – Jeans I), sondern es reicht eine gewisse Bekanntheit auf dem inländischen Markt im Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung aus (BGH, GRUR 2009, 79 – Gebäckpresse). Die Bekanntheit kann sich nicht nur aus entsprechenden Werbeanstrengungen, sondern auch aus der Dauer der Marktpräsenz, den hohen Absatzzahlen des Originals oder dem hohen Marktanteil ergeben (BGH, GRUR 2007, 339 – Stufenleitern; BGH, GRUR 2007, 984 – Gartenliege; BGH, WRP 2013, 1189 – Regalsystem; Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.41a).

Bekanntheit setzt nur Kenntnis des nachgeahmten Originals, nicht auch die Kenntnis des Namens des Originalherstellers voraus (BGH, GRUR 2006, 79 – Jeans I; OLG Düsseldorf, a. a. O.; Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.41b).

Es ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es auch mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH, GRUR 2007, 795 – Handtaschen; BGH, GRUR 2010, 80 – LIKEaBIKE). Eine Herkunftstäuschung scheidet aus, wenn der Verkehr bereits bei geringer Aufmerksamkeit die Unterschiedlichkeit von Original und Nachahmung wahrnimmt (BGH GRUR 2007, 795 – Handtaschen). Die Herkunftstäuschung setzt nicht voraus, dass alle Gestaltungsmerkmale des Produkts eines Mitbewerbers übernommen werden. Vielmehr kommt es darauf an, dass gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sind, im Verkehr auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen (BGH, GRUR 1999, 923, 926 – Tele-Info-CD; BGH, GRUR 2001, 251, 253 – Messerkennzeichnung; BGH, GRUR 2005, 166, 168 – Puppenausstattungen; BGH, GRUR 2007, 795 – Handtaschen; OLG Köln, GRUR-RR 2007, 100, 101; OLG Düsseldorf, MarkenR 2015, 102; Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.43).

Die Taschen „M“ verfügen über eine hohe Verkehrsbekanntheit. Der Käufer, der ein Angebot der beanstandeten Tasche wahrnimmt, geht angesichts der Übereinstimmungen in den prägenden Merkmalen der Produkte davon aus, es handele sich um die ihm bekannten Produkte der Klägerin oder jedenfalls um Produkte eines Herstellers, der mit der Klägerin organisatorisch oder geschäftlich verbunden ist. Durch die bestehenden Unterschiede in Details der Taschen wird die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht beseitigt (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2014, 287).

Die angesprochenen Verkehrskreise nehmen irrtümlich entweder an, dass es sich um ein neues Modell aus der Produktreihe der Klägerin handelt, oder – wenn ihnen der auf den Hersteller „B“ hinweisende Schriftzug auf der beanstandeten Tasche auffällt -, dass zwischen den beteiligten Unternehmen lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen bestehen.

Die Angabe eines anderen Herstellers auf dem Produkt ist nur dann beachtlich, wenn diese deutlich erkennbar ist (vgl. BGH, GRUR 2001, 251, 254 – Messerkennzeichnung; BGH, GRUR 2009, 1069 – Knoblauchwürste; OLG Düsseldorf, a. a. O.). Daran fehlt es hier jedenfalls hinsichtlich der auf der angegriffenen Tasche angebrachten Herstellerkennzeichnung, die sich auf deren Vorderseite befindet. Zum einen ist diese Kennzeichnung deutlich kleiner gehalten als die Markenbezeichnung „SCORLAN“. Eine (als solche erkennbare) Handelsmarke auf dem nachgeahmten Produkt räumt die Gefahr der Herkunftstäuschung nicht notwendig aus (BGH, GRUR 2009, 1069 – Knoblauchwürste). Zum anderen sind sowohl die Angabe der Marke als auch die Herstellerkennzeichnung überhaupt nicht erkennbar, wenn die Tasche gefaltet ist.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Senatstermin angegeben hat, die Taschen des Herstellers „B“ würden stets in einem Karton feilgeboten, der mit einer Herstellerangabe versehen sei, trifft dies jedenfalls nicht in Bezug auf die Beklagte zu. Denn diese hat die Tasche ausweislich der Anlage K 14 und der im Klageantrag zu 3. enthaltenen dritten Abbildung (auch) ohne einen solchen Karton in ihrem Schaufenster präsentiert. Unter dem von § 4 Nr. 9 UWG vorausgesetzten Anbieten ist nicht nur das konkrete Verkaufsangebot zu verstehen, sondern jede Handlung, die auf den Vertrieb gerichtet ist, einschließlich der Werbung und dem Feilhalten (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.39).

Da es sich bei den in Rede stehenden Taschen nicht um Luxusartikel, sondern um eher alltägliche Produkte handelt – selbst die Tasche der Klägerin gehört lediglich dem mittleren Preissegment an -, lässt der maßgebliche Durchschnittsverbraucher bei der Auswahlentscheidung auch bloß durchschnittliche Aufmerksamkeit walten (OLG Düsseldorf, a. a. O.).

Auch der Verkaufspreis der angegriffenen Tasche vermag die Gefahr einer Herkunftsverwechslung nicht zu beseitigen. Dieser liegt mit 24,95 € zwar deutlich unter dem Preis einer Tasche aus dem Sortiment der Klägerin (die im Termin vor dem Landgericht vorgelegte Tasche der Klägerin ist mit einem Preis von 67,50 € ausgezeichnet). Gleichwohl vermittelt der Preis von 24,95 € nicht zwangsläufig den Eindruck einer Billigware. Vielmehr liegt die Verbrauchervorstellung, es handele sich um eine günstigere, komplett aus Nylon bestehende Modellvariante aus dem Hause der Klägerin oder um ein günstigeres Lizenzprodukt, durchaus nahe (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2014 – 14c O 83/13).

Der Annahme der Gefahr einer Herkunftstäuschung steht nicht das Gutachten zu der Verkehrsbefragung gemäß Anlage B 24b entgegen. Zum einen bezieht sich die Verkehrsbefragung nicht auf die hier beanstandete Tasche, sondern auf deren Nachfolgemodell. Zum anderen ist die Überzeugungskraft dieses Gutachtens – wie auch des Gutachtens gemäß Anlage B 24a (s. oben) – dadurch entscheidend vermindert, dass sich die Frage 1. auf „Stofftaschen“ bezieht und die ab Frage 2. eingeblendeten Bilder die betreffende Tasche nicht in gefaltetem Zustand zeigen.

Das Gutachten gemäß Anlage B 26b betrifft eine Tasche von „U“, um die es hier nicht geht. Zudem wurde bei dieser Verkehrsbefragung (dortige Frage 6.) ebenfalls – wie auch bei der Verkehrsbefragung gemäß Anlage B 26a – nach „Stofftaschen, z. B. aus Nylon“ gefragt. Auch diese Formulierung kann bei den befragten Teilnehmern zu Fehlvorstellungen führen, weil es zumindest möglich ist, dass sie mit „Stofftaschen, z. B. aus Nylon“ einfache Einkaufstaschen als Alternative zu Plastikbeuteln assoziieren.

Die Übersichten „Zur wirtschaftlichen Lage der deutschen Lederwarenindustrie im Jahr 2013″ und „Zur wirtschaftlichen Lage der deutschen Lederwaren- und Kofferindustrie im ersten Halbjahr 2014″ (Anlage B 25) rechtfertigen keine andere Beurteilung. Selbst wenn der Anteil der Taschen „M“ auf dem deutschen Markt deutlich weniger als 1 % ausmachen sollte, kann daraus nicht auf mangelnde Bekanntheit geschlossen werden. Die Bekanntheit eines Produkts beruht nicht allein auf seinem Marktanteil. Ansonsten wären etliche Luxusprodukte per se vom ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz ausgenommen, was ersichtlich unzutreffend wäre (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O.).

Die Einholung des von der Beklagten beantragten gerichtlichen Sachverständigengutachtens in Form einer Verkehrsbefragung dazu, dass auch Umstände des Marktes für Handtaschen und Reisetaschen bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Gefahr einer durch den Nylonbeutel der Beklagten hervorgerufenen Herkunftstäuschung entgegenstehen, war nicht veranlasst.

Zum einen handelt es sich bei diesem Beweisantrag, den die Beklagte so erstmals in der Berufungsinstanz stellt, um ein neues Verteidigungsmittel. Die Voraussetzungen für dessen Zulassung nach § 531 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Zum anderen betrifft dieser Beweisantritt keine hinreichend konkrete Tatsachenbehauptung. Welche Umstände des Marktes für Handtaschen und Reisetaschen zu berücksichtigen sein sollen, ist nicht dargetan. Eine Beweiserhebung liefe somit auf eine unzulässige Ausforschung hinaus.

(2)
Die Herkunftstäuschung ist auch vermeidbar. Denn in Bezug auf Handtaschen besteht eine weitreichende Gestaltungsfreiheit und -möglichkeit (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2014, 287).

dd)
Angesichts der hohen wettbewerblichen Eigenart der Taschen „M“, die auf ihrer erheblichen Verkehrsbekanntheit beruht, führt die vorzunehmende Gesamtabwägung zu dem Ergebnis, dass eine wettbewerblich unzulässige Nachahmung der Produkte der Klägerin vorliegt (vgl. OLG Köln, a. a. O.)

c)
Ob auch der Unlauterkeitstatbestand des § 4 Nr. 9 b) UWG erfüllt ist, kann dahinstehen.

d)
Eine spürbare Interessenbeeinträchtigung liegt bei Verwirklichung des Tatbestandes des § 4 Nr. 9 UWG stets vor (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.20).
180

e)
Die durch den vorliegenden Wettbewerbsverstoß begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr ist nicht widerlegt. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung der Beklagten liegt nicht vor.

f)
Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist schließlich nicht verwirkt.

Bei wiederholten gleichartigen Verletzungshandlungen – wie dem Anbieten und Bewerben der in Rede stehenden Taschen – lässt jede Verletzungshandlung einen neuen Unterlassungsanspruch entstehen. Auch längere Untätigkeit des Rechteinhabers gegenüber bestimmten gleichartigen Verletzungshandlungen kann kein berechtigtes Vertrauen darauf begründen, der Rechteinhaber werde auch künftig ein derartiges Verhalten dulden und auch in der Zukunft nicht gegen solche – jeweils neuen – Rechtsverletzungen vorgehen (vgl. BGH, WRP 2014, 1465 – Hard Rock Cafe).

Da es vorliegend um das Anbieten und Bewerben der Taschen zum Zeitpunkt des Testkaufs am 20.11.2012 geht, fehlt es an dem für eine Verwirkung erforderlichen sog. Zeitmoment.

2.
Die Ordnungsmittelandrohung (Klageantrag zu 2.) beruht auf § 890 ZPO.

3.
Klageantrag zu 3.:

Der zulässige Feststellungsantrag ist begründet.

Die Beklagte ist der Klägerin nach § 9 S. 1 UWG zum Schadensersatz verpflichtet.

Sie hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet und somit fahrlässig gehandelt, § 276 Abs. 2 BGB. An die Sorgfaltsanforderungen sind im Lauterkeitsrecht strenge Anforderungen zu stellen. Der Verletzer kann sich daher grundsätzlich nicht darauf berufen, er habe sein Verhalten unverschuldet für zulässig gehalten. Es genügt, dass er mit der nicht fern liegenden Möglichkeit einer Rechtsverletzung rechnen musste (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.82). Das ist hier der Fall.

Es besteht auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Klägerin durch den Wettbewerbsverstoß der Beklagten ein Schaden entstanden ist. Es genügt, dass nach der Lebenserfahrung der Eintritt eines Schadens zumindest denkbar und möglich ist, wobei ein großzügiger Maßstab anzulegen ist (BGH, GRUR 2001, 849, 850 – Remailing-Angebot; BGH, GRUR 2012, 193 – Sportwetten im Internet II). Dies ist bei Wettbewerbsverstößen grundsätzlich zu bejahen (BGH, a. a. O. – Remailing-Angebot). In der Regel bedarf es daher keiner detaillierten Darlegungen (BGH, GRUR 2001, 84 – Neu in Bielefeld II; Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 12 Rn. 2.55).

4.
Klageantrag zu 4.:

Auch der geltend gemachte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch ist begründet.

Dieser ergibt sich aus dem durch den Wettbewerbsverstoß der Beklagten begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis der Parteien in Verbindung mit § 242 BGB.

Nach Treu und Glauben besteht eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete sie unschwer, d. h. ohne unbillig belastet zu sein, zu geben vermag (Köhler/Bornkamm, 33. Aufl., § 9 UWG Rn. 4.5 m. w. N.).

Die Klägerin ist auf die begehrte Auskunft bzw. Drittauskunft (vgl. dazu Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 9 Rn. 4.2 und 4.4) angewiesen, um weitere Verletzungshandlungen durch Dritte zu unterbinden und um ihren Schadensersatzanspruch beziffern zu können.

Das Auskunftsbegehren ist auch nicht zu weit gefasst.

Bei dem hier vorliegenden Wettbewerbsverstoß nach § 4 Nr. 9 UWG besteht zudem ein Anspruch auf Rechnungslegung (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 9 Rn. 4.7b).

5.
Klageantrag zu 5.:

a)
Abmahnkosten:

Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 2.080,50 €.

Denn die Abmahnung war nach den obigen Ausführungen berechtigt.

Der Senat hält allerdings den der Berechnung der Abmahnkosten zugrunde gelegten Gegenstandswert von 300.000,00 € für übersetzt. Denn bei der Beklagten handelt es sich um eine Einzelhändlerin, die das angegriffene Taschenmodell nicht ausschließbar nur in geringem Umfang vertrieben hat. Bei dieser Sachlage ist das sog. Angriffsinteresse der Klägerin auch angesichts der Marktbedeutung ihrer Taschen mit einem Gegenstandswert von 150.000,00 € angemessen berücksichtigt.

Die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten belaufen sich demnach auf 2.080,50 € (1,3-fache Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG: 2.060,50 € zzgl. Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €).

b)
Kosten des Testkaufs (Kaufpreis):

Die eigentlichen Kosten des Testkaufs (Kaufpreis in Höhe von 24,95 €) kann die Klägerin als Rechtsverfolgungskosten nach § 9 S. 1 UWG erstattet verlangen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 9 Rn. 1.29).

Der Testkauf war erforderlich. Denn nur so konnte sich die Klägerin die beanstandete Tasche im Original verschaffen, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG prüfen zu können.

c)
Kosten der Einschaltung des Testkäufers (Honorar und Versandkosten):

Die Kosten für die Einschaltung des Testkäufers (Honorar und Versandkosten) sind indes hier nicht erstattungsfähig.

Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen wie Detekteikosten, die zum Nachweis eines Verstoßes anfallen, ist ein konkreter Verdacht gegen den Inanspruchgenommenen. Erforderlich ist eine Abgrenzung zu allgemeinen Vorsorgekosten, etwa Kosten der allgemeinen Marktbeobachtung, die nicht erstattungsfähig sind (OLG Karlsruhe, NJOZ 2010, 1421,1422; OLG München, WRP 2012, 579; Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 9 Rn. 1.29).

Die Klägerin hat trotz Bestreitens der Notwendigkeit der Kosten des Testkaufs durch die Beklagte nicht näher dargelegt, dass bereits vor Beauftragung des Testkäufers ein konkreter Verdacht gegen die Beklagte im Hinblick auf einen Verstoß gegen § 4 Nr. 9 UWG bestand.

C.
Prozessuale Nebenentscheidungen:

I.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1; 97 Abs. 1 ZPO.

II.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10; 711 ZPO.

III.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.

I