OLG Jena: Zur unzulässigen Werbung mit dem Gründungsjahr

veröffentlicht am 5. Juli 2009

OLG Jena, Urteil vom 02.04.2008, Az. 2 U 906/07
§§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 3, 8 Abs. 1 UWG

Das OLG Jena hat entschieden, dass ein Unternehmen nicht mit einem Gründungsjahr werben darf, wenn es zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit der Warenproduktion begonnen hat. Die Parteien waren Wettbewerber auf dem Gebiet der Porzellanmanufaktur. Die Verfügungsbeklagte verwendete Werbematerialien und ein Signet (Bodenmarke), im Rahmen derer zusammen mit einem Bildzeichen und der Firma „Aelteste Volkstedter“ auf das Jahr 1760 Bezug genommen wurde. 1760 hatte Georg Macheleid nach seiner (Wieder-)Entdeckung des Porzellans ein Privileg durch den Fürsten Johann Friedrich von Schwarzburg-Rudolstadt erhalten. Noch bis zu einem Zeitpunkt im Jahre 2006 verwendete die Verfügungsbeklagte bzw. ihre Rechtsvorgänger werbemäßig die Jahresangabe 1762. Diese setzte sie sodann auf 1760 zurück, worin die Verfügungsklägerin eine Irreführung der Verbraucher sah.

Die Werbung mit dem Gründungsdatum eines Unternehmens, so der Senat, sei eine Angabe über die geschäftlichen Verhältnisse des Unternehmens, die beim Publikum den Eindruck von Solidität, Erfahrung und Wertschätzung vermitteln solle. Das gelte nicht nur in der Lebensmittel- oder Getränkebranche, insbesondere im Brauhandwerk, sondern auch, wie hier, im Bereich der Porzellanmanufaktur, weil das Publikum den Erzeugnissen aus älteren Manufakturen erfahrungsgemäß besondere Wertschätzung entgegenbringe. Deshalb würden auch nahezu alle älteren Manufakturen sowohl auf dem Signet (Bodenmarke) als auch in sonstigen Werbeschriften mit ihrem Gründungsdatum (z.B. Meißen: 1710) werben. Werde mit dem Gründungsjahr geworben, so sei dies dann nicht irreführend, wenn das angegebene Gründungsdatum zutreffend sei und seit dem genannten Datum eine ausreichende Kontinuität der Unternehmensführung vorliege (so zum Beispiel im Fall OLG Dresden GRUR 1998, 171).

Um eine Irreführung feststellen zu können, sei zunächst zu ermitteln, welches – vom Gericht selbständig zu ermittelndes – Verständnis der relevante Durchschnittsverbraucher, also der durchschnittlich informierte und situationsadäquat aufmerksame Verbraucher, der Angabe zumisse. Ein dann vorzunehmender Vergleich mit den tatsächlichen Gegebenheiten lasse den Senat unter Berücksichtigung der Besonderheiten zur Beweislast im vorliegenden Falle zu dem Ergebnis kommen, dass eine Irreführung glaubhaft gemacht sei.

Unter einem richtigen Gründungsjahr verstehe der verständige maßgebliche Durchschnittsverbraucher gerade im Falle einer Porzellanmanufaktur dasjenige Datum, in dem das Unternehmen seine wirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen habe. Mit der Nennung des Gründungsdatums einer Manufaktur sei nicht nur die Vorstellung verbunden, in diesem Jahre sei eine Erfindung getätigt worden bzw. habe ein „Erfinder“ ein fürstliches Privileg verliehen bekommen. Das Privileg allein begründe indes noch keine Verbrauchererwartung in die Tradition.

Allerdings könne der Senat die maßgeblichen unternehmerischen und wirtschaftlichen Verhältnisses aufgrund der zur Glaubhaftmachung vorgelegten historischen Quellen nicht mit Sicherheit feststellen. Da die für die Beurteilung der Richtigkeit der Altersangabe maßgebliche Zeitspanne von Oktober 1760 bis Mai 1762 nach der Quellenlage weitgehend im Dunkeln liege, komme es entscheidend darauf an, wer die Beweislast in Bezug auf die Irreführung bzw. die Richtigkeit der Altersangabe habe.

Im Grundsatz sei das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Verfügungsklägerin die Darlegungs- und Beweislast in Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen, also auch die Irreführung trage (MünchKomm UWG/Busche § 5 Rn. 250). Eine Beweislastumkehr gebe es im Zusammenhang mit § 5 UWG zwar grundsätzlich nicht (vgl. zuletzt BGH GRUR 2004, 246 – Mondpreise). Anerkannt seien auf der Grundlage des auch im Prozessrecht geltenden Gebots von Treu und Glauben jedoch Beweiserleichterungen, die einer Beweislastumkehr nahe kommen könnten bzw. eine Beweislastumkehr zur Folge hätten.

Insbesondere sei die Beweislastverteilung im Lichte der Irreführungsrichtlinie (Art. 6 der Richtlinie 84/540/EWG) auch gemeinschaftskonform zu beurteilen MünchKomm UWG/Busche § 5 Rn. 251; Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 5 UWG Rn. 1.18). Dies betreffe bislang anerkannt solche Konstellationen, in denen es dem Beklagten nicht möglich sei, näher vorzutragen oder zu beweisen, weil es um Umstände aus der Sphäre bzw. dem Verantwortungsbereich des Beklagten gehe (vgl. BVerfG NJW 2000, 1483). Voraussetzung solle sein, dass der Kläger über einen bloßen Verdacht hinausgehende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit darlege und unter Beweis stelle (BGH GRUR 1997, 229 – Beratungskompetenz). Dies betreffe insbesondere die Behauptung einer Allein- oder Spitzenstellung.

Bei der Angabe des Gründungsdatums handele es sich zwar nicht um die Behauptung einer Allein- oder Spitzenstellung, die die Verhältnisse bei einer Vielzahl von Marktteilnehmern überprüfen müsste. Auch aus einem für Dritte schwer zugänglichen betriebsinternen Bereich stamme die Angabe zum Gründungsdatum an sich nicht. Das Gründungsjahr eines Unternehmens sei ein Umstand, der grundsätzlich allgemeinen Quellen entnommen werden könne, auch wenn die Ermittlung des Gründungsjahres einer Sphäre entstamme, auf die das werbende Unternehmen leichteren Zugriff habe als ein außenstehender Dritter. Die Besonderheit des vorliegenden Falles bestehe allerdings darin, dass die allgemein zugänglichen Quellen nicht genügend aufschlussreich seien. Denn ihnen lasse sich nicht entnehmen, ob im Jahre 1760 bereits ein Produktionsbetrieb in einem gewissen, Tradition auslösenden Umfange vorhanden gewesen sei, oder lediglich das dem Macheleid erteilte Privileg zusammen mit einer „Experimentierwerkstatt“ ohne die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Betätigung.

Der Senat ging in der Folge von einer Beweislastumkehr aus, was er näher darlegte.

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