OLG Karlsruhe: Bei Fotomontagen besteht nicht immer ein Anspruch auf Gegendarstellung

veröffentlicht am 6. April 2011

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Karlsruhe, Urteil vom 11.03.2011, Az. 14 U 186/10
§§ 11 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BadWürttPrG; 823 Abs. 1, 1004 BGB

Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass hinsichtlich der Veröffentlichung einer Fotomontage nicht generell ein Anspruch auf Gegendarstellung besteht. Im entschiedenen Fall war der Kläger zusammen mit seiner Frau vor einem grünen Blätter-Hintergrund abgebildet. Der Kläger forderte eine Gegendarstellung, da es sich um eine Montage handele. Das Gericht führte dazu aus, dass sich zwar auch aus Fotomontagen gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptungen ergeben könnten, gerade gegen eine solche richte sich das Gegendarstellungsverlangen des Klägers jedoch nicht. Der Kläger beschränke sich in seinem Verlangen lediglich auf die Eigenart der Herstellung als Zusammensetzung aus Einzelbildern. Allein dies stelle jedoch für sich keine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung über den Abgebildeten dar. Dass die einzelnen Bestandteile oder die Abbildung als Ganzes nicht aus dem privaten Bereich des Klägers stammten, komme in der Gegendarstellung gerade nicht zum Ausdruck. Darüber hinaus ließe dies aber auch keine nennenswerte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers erkennen. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Karlsruhe

Urteil

Im Rechtsstreit

wegen einstweiliger Verfügung

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2011 unter Mitwirkung von … für Recht erkannt:

1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 30. November 2010 – 2 O 415/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3.
Beschluß:Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 20.000 EUR.

Gründe

I.
Der Verfügungskläger (in der Folge: Kläger) ist ein bekannter Journalist und Moderator. Er wendet sich mit Antrag (und Hilfsantrag) auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen die Veröffentlichung eines Bildes auf der Titelseite der von der Verfügungsbeklagten (in der Folge: Beklagte) verlegten Zeitschrift „neue woche“ Nr. 42 vom 15.10.2010. Auf dem Bild ist der Kläger neben seiner Frau T. abgebildet vor einem aus grünen Blättern zusammengesetzten Hintergrund – zwischen dem Kopf des Klägers und seiner Frau ist in kleiner Schrift wiedergegeben: „Glücklich verheiratet: TV­Moderator G. J. und Ehefrau T. Die bildliche Darstellung einschließlich des darunter stehenden, in großer Schrift dargestellten Textes „G. J. & SEINE T. Triumph & Tränen Alles über sein geheimes Privat -Leben“ nimmt etwas mehr als die Hälfte der Titelseite ein; neben einigen weiteren Abbildungen unterschiedlicher Art findet sich links neben der Darstellung des Ehepaars eine kleinere Abbildung mit zwei Personen und dem Text „F.S. Quälende Sehnsucht! Bricht H. ihm das Herz?“.

Der Kläger hat unter Hinweis auf die Rechtslage den Abdruck einer Gegendarstellung begehrt, mit der er klarstellen will, daß es sich bei der Abbildung des Ehepaars J. um eine ohne sein Einvernehmen hergestellte Fotomontage handele.

Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt,

1. den Erlass der nachfolgenden einstweiligen Verfügung:

Der Verfügungsbeklagten wird auferlegt, in dem gleichen Teil der Zeitschrift „neue woche“, in der der Artikel „TV-Liebling G. J. Triumph & Tränen! Alles über sein geheimes Privat-Leben“ erschienen ist, mit gleicher Schrift und unter Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung“ als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie „Triumph & Tränen“ sowie der weitere Fließtext der Größe der Schrift der Worte „TV Liebling G. J.“ in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer ohne Einschaltungen und Weglassungen die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:

Gegendarstellung
Auf der Titelseite von „neue woche“ Nr. 42 vom 15. Oktober 2010 ist ein Foto abgebildet, welches mich und meine Frau vor grünen Blättern zeigt.

Hierzu stelle ich fest:
Das Foto ist eine ohne mein Einverständnis hergestellte Fotomontage. Ein Einzelfoto von mir und ein Einzelfoto von meiner Frau wurden auf einen Hintergrund mit grünen Blättem gesetzt.

Potsdam, 28. Oktober 2010-11-29 G. J.

2. hilfsweise den Erlass der nachfolgenden einstweiligen Verfügung:

Der Verfügungsbeklagten wird auferlegt, in dem gleichen Teil der Zeitschrift „neue woche“, in der der Artikel „TV-Liebling G. J. Triumph & Tränen! Alles über sein geheimes Privat-Leben“ erschienen ist, mit gleicher Schrift und unter Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung“ als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie „Triumph & Tränen“ sowie der weitere Fließtext der Größe der Schrift der Worte „TV Liebling G. J.“ in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer ohne Einschaltungen und Weglassungen die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:

Gegendarstellung
Auf der Titelseite von „neue Woche“ Nr. 42 vom 15. Oktober 2010 ist ein Foto abgebildet, welches mich und meine Frau vor grünen Blättern zeigt.

Hierzu stelle ich fest:
Das Foto ist eine ohne mein Einverständnis hergestellte Fotomontage.

Potsdam, 28. Oktober 2010-11-29 G. J.

Die Beklagte ist den Anträgen des Klägers entgegengetreten.

Wegen der vom Kläger verfolgten Ansprüche und des zugrundeliegenden Sachverhalts im einzelnen sowie wegen des Vorbringens der Parteien wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Anträge des Klägers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Grundsätzlich könnten auch bildliche Darstellungen einen Gegendarstellungsanspruch auslösen, sofern darin Tatsachenbehauptungen enthalten sind. Im vorliegenden Fall sei die Gegendarstellung aber nur auf die Richtigstellung des Umstandes gerichtet, daß es sich bei der Abbildung nicht um eine echte einheitliche Fotoaufnahme handele, sondern um eine aus Einzelfotos hergestellte Montage. Die Art der Herstellung einer Abbildung an sich stelle indes keine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung der Abbildung dar.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung weiter. Dadurch, daß zwei von öffentlichen Auftritten stammende Einzelfotos des Klägers und seiner Ehefrau vor einen Hintergrund mit grünen Blättern geklebt wurden, sei der Eindruck eines privaten Fotos in einem Garten o.ä. noch verstärkt worden. Kläger und Ehefrau seien in gleicher Größe abgebildet, es entstehe der Eindruck, als stehe die Ehefrau des Klägers schräg vor ihm. Der einheitliche Hintergrund mit grünen Blättern suggeriere, das Paar habe sich im Freien gemeinsam privat fotografieren lassen. Die Entscheidung des Landgerichts widerspreche diametral der Rechtsprechung des BVerfG in seiner Entscheidung vom 14.2.2005 – Ron Sommer. Die Einzelrichterin beachte auch nicht hinreichend, daßsich jedenfalls dem flüchtigen „Kioskleser“ die Natur der streitgegenständlichen Abbildung als Fotomontage nicht erschließe.

Der Kläger beantragt

Abänderung des angefochtenen Urteils und Erlaß einer einstweiligen Verfügung nach Maßgabe der im ersten Rechtszug gestellten Anträge.

Die Beklagte bittet um Zurückweisung der gegnerischen Berufung.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Im Streitfall sei offensichtlich, daß die Gestaltung der Titelseite keinen realen Ausschnitt aus der Wirklichkeit darstelle.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt des Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Klägers, wonach sich der Gegendarstellungsanspruch auch gegen eine Bildveröffentlichung richten kann, wenn nämlich durch die Veröffentlichung des Bildes eine Tatsachenbehauptung „aufgestellt“ wird (Löffler/Sedelmeier, Presserecht, 5. Aufl., § 11 LPG Rdn. 111; Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Aufl., Kap. 6 Rdn. 78; Wanckel, Foto- und Bildrecht, 3. Aufl., Rdn. 291). Auch aus Fotomontagen können sich gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptungen ergeben, sofern nicht aus der Gestaltung der Fotomontage offensichtlich ist, daß es sich um eine Montage handelt, z.B. durch irreale Proportionen oder sichtbare Schnittkanten (Wanckel a.a.O. Rdn. 292; auch Seitz/Schmidt a.a.O.; s.a. OLG München, AfP 1976, 364: Auch bildliche Darstellungen können einen Gegendarstellungsanspruch auslösen, wenn in ihnen bestimmte Sachverhalte, Begebenheiten, Verhältnisse oder Zustände geschildert werden.).

1.
Ob die Behauptung des Klägers zutrifft, daß die Abbildung beim Leser den Eindruck erwecke, es handele sich um ein im privaten Bereich des Klägers -etwa in seinem Garten- entstandenes Foto, kann dahinstehen. Denn die beantragte Gegendarstellung stellt keine Entgegnung (zu dieser Voraussetzung vgl Löffler/Sedelmeier a.a.O. § 11 LPG Rdn. 126) auf eine so verstandene Tatsachenaussage der Abbildung dar, worauf schon das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Die begehrte Gegendarstellung beschränkt sich vielmehr auf die Eigenart der Herstellung der Abbildung als Zusammensetzung aus Einzelbildern und wendet sich allein gegen den Eindruck einer einheitlichen Fotoaufnahme. Daß etwa die einzelnen Bestandteile oder die Abbildung als Ganzes nicht aus dem privaten Bereich des Klägers stammen, kommt in der Gegendarstellung gerade nicht zum Ausdruck.

2.
Allein der Umstand, daß eine fotografische Abbildung nicht als ein einheitliches Foto, sondern durch Zusammensetzung mehrerer Einzelfotos entstanden ist, stellt für sich keine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung über den Abgebildeten dar, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

Zwar suggerieren fotografische Abbildungen Authentizität und schützt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht auch vor der Verbreitung eines technisch manipulierten Bildes, das den Anschein erweckt, ein authentisches Abbild einer Person zu sein. Im Falle einer das Aussehen verändernden Bildmanipulation wird die in der Regel mitschwingende Tatsachenbehauptung über die Realität des Abgebildeten unzutreffend und können dem Abgebildeten deshalb Abwehransprüche zustehen (BVerfG NJW 2005, 3271). Ob dem Kläger unter diesem Gesichtspunkt im Streitfall z.B. ein Unterlassungsanspruch zustehen könnte, bedarf hier keiner Entscheidung. Der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Gegendarstellung setzt jedenfalls voraus, daß die begehrte Gegendarstellung eine Entgegnung auf eine bestimmte, den Anspruchsteller betreffende Tatsachenaussage der Erstmitteilung sein muß (hM; BVerfG E 97, 125, 147 = NJW 1998, 1381, 1382/83; vgl Löffler/Sedelmeier a.a.O. § 11 LPG Rdn. 126; Seitz/Schmidt a.a.O. Kap. 5 Rdn. 153; Burkhardt a.a.O. Kap. 11 Rdn. 110), die sich in nennenswerter Weise auf sein Persönlichkeitsrecht auswirken können muß (BVerfG a.a.O, S. 148). Dies erfordert nach Auffassung des Senats eine Entgegnung auf eine Sachaussage der Erstmitteilung, die über die bloße Frage hinausgeht, ob die fotografische Abbildung als echte einheitliche Fotoaufnahme entstanden oder aus mehreren Fotos zusammengesetzt ist. Allerdings ist dabei zu beachten, daß eine Fotomontage häufig gerade infolge der Zusammensetzung der Abbildung bestimmte, über den Umstand der Montage hinausgehende und deshalb grundsätzlich gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptungen enthalten kann, so etwa im Fall des LG München (NJW 2004, 606) die mögliche Aussage, daß sich „die drei Protagonisten dieser Affäre nach deren Bekanntwerden einträchtig nebeneinander hätten fotografieren lassen“ oder „daß sich die drei Personen schon früher kannten“ (LG München a.a.O. S, 607). Auch im vorliegenden Fall ist eine Aussage der Abbildung dahin denkbar, daß der Kläger sich entgegen seiner sonstigen Haltung zusammen mit seiner Ehefrau im Privatbereich habe ablichten lassen. Solche Tatsachenaussagen einer Abbildung können bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen gegendarstellungsfähig sein. Demgegenüber besteht auf die vom Kläger begehrte Veröffentlichung der bloßen Gegenerklärung, es handele sich um eine zusammengesetzte Abbildung, ohne Entgegnung auf eine aus der Abbildung abzuleitende inhaltliche Tatsachenaussage kein Anspruch.

3.
Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Senats einen solchen Anspruch zubilligen wollte, würde es im vorliegenden Fall an einem berechtigten Interesse des Klägers (§ 11 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BadWürttPrG) an der begehrten Veröffentlichung fehlen (vgl allgemein zum fehlenden rechtlichen Interesse in den Fällen der Belanglosigkeit von Erstmitteilung oder Entgegnung Seitz/Schmidt a.a.O. Kap. 5 Rdn. 189 f; Burkhardt a.a.O. Kap. 11 Rdn. 53; BVerfG a.a.O.). Der Kläger beanstandet weder eine verfälschende oder gar nachteilige Art der Darstellung seiner Person durch die Abbildung noch eine Verletzung seiner Privatsphäre, sondern macht lediglich geltend, durch die Abbildung könne der Eindruck entstehen, daß er entgegen seiner grundsätzlichen Haltung erlaubt habe, daß die fotografische Abbildung in seinem Privatbereich gefertigt wurde. Dies läßt eine nennenswerte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers nicht erkennen, zumal wenn man berücksichtigt, daß der Kläger durchaus schon Ausnahmen gemacht und sich zur Anfertigung und Veröffentlichung von Fotografien mit privatem Einschlag, wie etwa die auf seinem Weingut gefertigte Fotostrecke, bereitgefunden hat.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist rechtskräftig (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Vorinstanz: LG Offenburg 2 O 415/10

I