OLG Karlsruhe: „Enthüllungsroman“ über intime Details verletzt – unabhängig vom Wahrheitsgehalt – das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen

veröffentlicht am 7. Juni 2012

OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.10.2011, Az. 14 U 56/11
§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, § 823 Abs. 1 u. Abs. 2 BGB; Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG

Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass ein so genannter Enthüllungsroman, der in identifizierender Weise intime Details aus dem Sexualleben des Betroffenen verbreitet, dessen Persönlichkeitsrechte verletzt.  Auf die Frage, ob die Schilderungen wahr oder unwahr seien, komme es dabei nicht an, da sie wegen der Berührung des Kernbereichs der Persönlichkeit überhaupt nicht in die Öffentlichkeit gehörten. Die Rechte des Betroffenen überwögen dabei bei weitem die Kunstfreiheit, wobei der Senat in Zweifel zog, ob das streitgegenständliche „Werk“ überhaupt der Kunstfreiheit unterfiele. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Karlsruhe

Urteil

I.
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg vom 1.4.2011 (2 O 28/11) abgeändert:

1.
Dem Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt,

1.1
den Text gemäß Anlage A Seite 1 bis 62 zur Antragsschrift vom 21.3.2011 im Internet oder in sonstiger Weise, auch als Audiodatei, zu publizieren; ausgenommen von dem Verbot ist der Abschnitt „Abrechnung mit Justitia“ (S. 1/2 und 5);

1.2
weitere das angebliche Intimleben der Verfügungskläger betreffende Schilderungen zu verbreiten.

2.
Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen eine der vorstehenden Unterlassungsverpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

3.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

II.
Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

III.
Der Beklagte trägt die in beiden Rechtszügen angefallenen Kosten des Rechtsstreits.

Gründe

A.

Die Kläger begehren im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung von persönlichkeitsverletzenden Äußerungen, die der Verfügungsbeklagte in Schreiben und insbesondere in Gestalt eines ins Internet gestellten „Enthüllungsromans“ verbreitet.

Bereits im Jahre 2005 wurde der Beklagte, ein früherer Bekannter der Klägerin, vom Amtsgericht F. wegen versuchter Erpressung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt, weil er den Klägern angedroht hatte, Details aus ihrem Intimleben, insbesondere zur angeblichen Geschichte ihres Kennenlernens, zu veröffentlichen, und in diesem Zusammenhang die Zahlung von 17,4 Millionen Euro verlangt hatte. Im Herbst 2010 wandte sich der Beklagte erneut an die Kläger und ihren Prozeßbevollmächtigten und kündigte ihnen die Veröffentlichung seiner bereits im Jahre 2005 in einer „88-seitigen roten Mappe“ niedergelegten Geschichte im Internet an. In der Folge stellte er unter der von ihm mitgeteilten Web-Adresse und unter dem Pseudonym H. A. in der Art eines Fortsetzungsromans die Geschichte einer jungen Frau und deren Bemühungen dar, einen wohlhabenden Ehemann zu gewinnen. Wegen der Einzelheiten des Textes wird auf die Anlage A Bezug genommen.

Auf eine Abmahnung vom 29.12.2010 reagierte der Beklagte nicht. Mit Schriftsatz vom 1.2.2011 beantragten die Kläger den Erlaß einer einstweiligen Verfügung dahin, daß dem Beklagten bestimmte konkret bezeichnete Äußerungen (1.1 – 1.5) und die Präsentation des im genannten Internetportal veröffentlichten Textes insgesamt (1.6 und 1.7) zu untersagen seien. Auf den Hinweis des Landgerichts auf Bedenken gegen die Antragstellung formulierten die Kläger mit Schriftsatz vom 21.3.2011 neue Anträge, indem sie auf einen beigefügten Ausdruck des im Internet veröffentlichten Textes und darin vorgenommene farbliche Kennzeichnungen bestimmter zu verbietender Passagen Bezug nahmen. Wegen der Einzelheiten der Antragstellung wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

Die Kläger haben geltend gemacht, der beanstandete Text verletze sie in ihrem Persönlichkeitsrecht, weil sie als die Protagonisten „M,“ und „J.t“ erkennbar seien und der Text unzulässige Schilderungen aus ihrem angeblichen Intimleben und weitere ehrverletzende Äußerungen enthalte.

Mit Urteil vom 1.4.2011 hat das Landgericht den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die Anträge seien unbestimmt und deshalb unzulässig. Der Verweis auf farbliche Markierungen einer 67-seitigen Anlage sei nicht zulässig, da die zu untersagenden Äußerungen ohne weiteres im Antrag wiedergegeben werden könnten. Auch sei unklar, ob jede Äußerung für sich oder oder ob sie im Zusammenhang untersagt werden sollten. Weiter sei unklar, ob die unterstrichenen und die in Rahmen gefaßten Texte unterschiedlich behandelt werden sollten. Bei einer nur teilweisen Stattgabe müßte das Gericht die zulässigen Teile heraussuchen, eigenständig unterscheidbar kennzeichnen und dies dann im Tenor zum Ausdruck bringen; dies sei aber nicht Aufgabe des Gerichts, das über konkret formulierte Anträge zu entscheiden habe. Die Anträge seien auch deshalb unzulässig, weil sie in der gestellten Form erst am letzten Tag vor der mündlichen Verhandlung eingegangen seien und das dem Beklagten zustehende rechtliche Gehör eine Vertagung erfordert hätte, die mit den Grundsätzen des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht in Einklang zu bringen sei. Insbesondere wäre es den Klägern möglich gewesen, auf den Hinweis der Kammer vom 1.3.2011 die umfassende Antragsänderung deutlich früher und -im Sinne der Gewährung effektiven rechtlichen Gehörs- rechtzeitig mitzuteilen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Kläger, die geltend machen, das Landgericht habe die Besonderheiten des einstweiligen Verfügungsverfahrens und dies insbesondere im Äußerungsrecht verkannt und überhöhte Anforderungen an die Bestimmtheit der Anträge gestellt. Etwaige Zweifel an der Antragstellung hätten vom Gericht in der mündlichen Verhandlung geklärt werden müssen. Rechtliches Gehör auf neues Vorbringen und neue Anträge werde im Verfügungsverfahren gerade in der mündlichen Verhandlung gewährt, die Grundsätze des § 296 ZPO seien hier nicht anzuwenden. In der Sache stehe ihnen der geltendgemachte Unterlassungsanspruch zu, weil der beanstandete Text sie in schwerster Weise in ihrem Persönlichkeitsrecht verletze.

Die Kläger haben im zweiten Rechtszug die vor dem Landgericht zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt. Auf Hinweis des Vorsitzenden vom 18.8.2011 haben sie die Antragstellung geändert und stellen nunmehr die erstinstanzlich als Ziff. 1.6, 1.7 und 2. zunächst angekündigten Anträge in abgeänderter Form wie folgt:

1. Dem Verfügungsbeklagten wird ab sofort untersagt,

1.1 den gesamten Text gemäß Anlage A zur Antragsschrift vom 21.3.2011 im Internet oder in sonstiger Weise, auch als Audiodatei, zu publizieren;

1.2 weitere das angebliche Intimleben der Verfügungskläger betreffende Schilderungen zu verbreiten.

2. Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen eine der vor-stehenden Unterlassungsverpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Hilfsweise stellen die Kläger noch folgende Anträge, die inhaltlich im wesentlichen den erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträgen entsprechen:

1. Auf Antrag des Verfügungsklägers Ziff. 1 wird dem Verfügungsbeklagten ab sofort untersagt, die in der beigefügten Anlage A grün gekennzeichneten Äußerungen zu verbreiten.

2. Auf Antrag der Verfügungsklägerin Ziff. 2 wird dem Verfügungsbeklagten ab sofort untersagt, die in der beigefügten Anlage A rot gekennzeichneten Äußerungen zu verbreiten.

3. Auf Antrag beider Verfügungskläger wird dem Verfügungsbeklagten ab sofort untersagt,

3.1 die in der beigefügten Anlage A blau gekennzeichneten Äußerungen zu verbreiten,

3.2 weitere das angebliche Intimleben der Verfügungskläger betreffende Schilderungen zu verbreiten.

4. Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der vorstehenden Unterlassungsverpflichtungen ein Ordnungsgeld bis 250.000,00 EUR und sofern dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Der Beklagte bittet um Zurückweisung der gegnerischen Berufung.

Er verteidigt das angefochtene Urteil gegen die Angriffe der Kläger und meint, die neu gestellten Anträge stellten eine nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist unzulässige Klageerweiterung dar.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die vorgetragenen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Kläger ist im wesentlichen begründet. Die Kläger haben Anspruch auf Unterlassung des vom Beklagten ins Internet gestellten und sie in schwerster Weise verunglimpfenden Textes Anlage A Seite 1 bis 62 insgesamt. Ausgenommen hiervon ist nur der dem Text vorangestellte Abschnitt „Abrechnung mit Justitia“, der nicht die Kläger beeinträchtigt, sondern eine Justizschelte des Beklagten zum Gegenstand hat.

I.
Die Hauptanträge sind zulässig.

1.
Der Antrag Ziff. 1.1 ist zulässig.

a)
Ein Unterlassungsantrag darf gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht derart undeutlich gefaßt sein, daß der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist. Die Bestimmtheit eines Unterlassungsantrages ist in der Regel unproblematisch, wenn der Kläger lediglich das Verbot der Handlung begehrt so wie sie begangen worden ist (BGH NJW-RR 2001, 684). Letzteres ist vorliegend hinsichtlich des Klagantrags Ziff. 1.1 der Fall. Die Kläger begehren ein Verbot des gesamten vom Beklagten ins Internet gestellten Textes, so daß über den Umfang eines entsprechenden Ausspruchs kein Zweifel bestehen kann.

b)
Neben der inhaltlichen Bestimmtheit des Urteilsausspruchs muß auch gewährleistet sein, daß der Urteilsinhalt äußerlich in einer Art und Weise festgelegt wird, daß er auch danach bestimmbar bleibt, da anderenfalls nach Rechtskraft der Entscheidung und insbesondere bei der Zwangsvollstreckung Unsicherheiten entstehen können. Aus diesem Grund muß der Urteilsausspruch in aller Regel aus sich heraus oder gegebenenfalls im Zusammenhang mit seiner Begründung bestimmbar sein, was zur Folge hat, daß der Urteilsinhalt grundsätzlich in einer einheitlichen Urkunde festzulegen ist. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. In besonders gelagerten Fällen können bei der Bemessung der Anforderungen, die zur Sicherung der Bestimmtheit des Urteilsausspruchs aufzustellen sind, die Erfordernisse der Gewährung eines wirksamen Rechtsschutzes oder der Vermeidung eines unangemessenen Aufwands mit abzuwägen sein. So kann etwa bei einer Unterlassungsverurteilung hinsichtlich eines Buches auch auf Anlagen, die zu den Akten gegeben worden sind, verwiesen werden (BGH NJW 2000, 2207/08).

Ein derartiger Sonderfall ist hier gegeben. Bei dem erstrebten Gesamtverbot den 67 Seiten umfassenden Text in den Klageantrag – und im Falle der Verurteilung in den Urteilstenor – aufzunehmen, würde eher zu Unübersichtlichkeit von Antrag und Urteilsausspruch führen als zu Klarheit. Wird stattdessen auf den in der Anlage A niedergelegten Text Bezug genommen, bleiben Antrag und Ausspruch knapp und übersichtlich, ohne daß Einbußen für die Verteidigung des Beklagten ersichtlich sind. Auch für die Vollstreckung sind bei dieser Verfahrensweise Nachteile hinsichtlich Bestimmtheit, Umfang und Grenzen des Verbots nicht ersichtlich.

c)
Die in dem Antrag auf Gesamtverbot liegende Erweiterung des Klageantrags ist zulässig. Sie bedarf nicht nach § 533 Nr. 1 ZPO der Einwilligung des Gegners und muß nicht sachdienlich sein, da die Klageerweiterung ohne Änderung des Klagegrundes keine Klageänderung im Sinne dieser Vorschrift ist (§ 264 Nr. 2 ZPO). Wenn sich der Berufungskläger im Rahmen der ursprünglichen Berufungsbegründung hält und nicht neue Gründe nachschieben muß, die nach § 533 i.V.m. § 529 ZPO nicht eingeführt werden können, ist die Erweiterung bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung zulässig (Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 520 Rn 31). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Klageerweiterung im Streitfall stützt sich auf denselben Sachverhalt, der im zweiten Rechtszug ohnehin zugrunde zu legen ist.

d)
Unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs bestehen gegen die Zulassung des erweiterten Antrags keine Bedenken, ohne daß es grundsätzlicher Erörterungen zu den Besonderheiten des Verfügungsverfahrens bedarf. Der Beklagte hatte ausreichend Gelegenheit, zu dem im Berufungsverfahren (wieder) gestellten Antrag Ziff. 1.1 Stellung zu nehmen.

2.
Auch der Unterlassungsantrag Ziff. 1.2 ist zulässig. Äußerungen, die wie hier die Intimsphäre verletzen, brauchen im Unterlassungsantrag nicht notwendigerweise einzeln aufgeführt zu werden, sondern können Gegenstand eines pauschalen Verbotsverlangens sein (Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 12 Rn 94).

II.
Der Unterlassungsantrag Ziff. 1.1 ist auch in der Sache im wesentlichen begründet.

Der von einer zu erwartenden ehrverletzenden Äußerung Betroffene kann analog § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V. mit § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG deren Unterlassung verlangen, wenn der mit ihr verbundene Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht nicht gerechtfertigt ist. Die Kläger müssen im vorliegenden Fall die Veröffentlichung des inkriminierten Textes nicht hinnehmen. Sie werden durch den Text individuell betroffen und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht rechtswidrig verletzt.

1.
Die Kläger sind von dem veröffentlichten Text in ihrem Persönlichkeitsrecht betroffen.

a)
Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche individuelle Betroffenheit setzt voraus, daß die streitige Darstellung den Betroffenen erkennen läßt. Dies ist nicht nur bei der Nennung des Namens der Fall, sondern kann auch aus der Anführung individualisierender Merkmale folgen (Wenzel/Burkhardt a.a.O. Kap. 12 Rn 43, 54 m.N.; BVerfG NJW 2004, 3619/3620). Die Erkennbarkeit in einem mehr oder minder großen Bekanntenkreis bzw in der näheren persönlichen Umgebung genügt (BGH NJW 2005, 2844, 2845; BVerfG NJW 2008, 39 Tz 75). Für die Bejahung der Erkennbarkeit hat das Bundesverfassungsgericht allerdings im Rahmen der Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber der Freiheit der Kunst die bloße Möglichkeit zur Entschlüsselung bestimmter Vorbilder für Romanfiguren etwa durch sorgfältig recherchierende Kritiker oder Literaturwissenschaftler nicht genügen lassen, sondern gefordert, daß sich die Identifizierung für den mit den Umständen vertrauten Leser aufdrängen müsse; dies setze regelmäßig eine hohe Kumulation von Identifizierungsmerkmalen voraus (BVerfG a.a.O. Tz 76, gegen BGH a.a.O. S. 2845).

b)
Im Streitfall sind die Kläger als die in dem Text beschriebenen Figuren Monika und Joost jedenfalls in ihrer näheren persönlichen Umgebung erkennbar durch folgende unbestrittene identifizierende Merkmale: (Wird ausgeführt,). Der Beklagte hat auch nicht in Abrede gestellt, mit dem Text die Geschichte der Kläger darstellen zu wollen.

2.
Der Text bedeutet in mehrfacher Hinsicht einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Kläger. Er breitet eine Fülle von angeblichen Details aus dem geschlechtlichen Intimleben beider Kläger aus und greift damit bloßstellend in deren Privat- und Intimsphäre ein. Auf die Frage, ob die Schilderungen wahr oder unwahr sind, kommt es dabei nicht an, da sie wegen der Berührung des Kernbereichs der Persönlichkeit überhaupt nicht in die Öffentlichkeit gehören (vgl BGH NJW 2008, 2587 Tz 11). Vielfach erfolgt die Darstellung überdies in einer die Kläger verächtlich machenden und verspottenden Weise und weist der Text auch zahlreiche nicht auf das Geschlechtsleben bezogene Schmähungen der Kläger auf.

3.
Der Eingriff ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

a)
Es erscheint höchst fraglich, ob der beanstandete Text dem Schutzbereich der Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG unterfällt. Er entzieht sich nach Inhalt und Absicht des Autors selbst einem weitgefaßten Begriff eines Kunstwerks als Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung, in dem Eindrücke, Erfahrungen und Fantasien des Autors in literarischer Form zum Ausdruck kommen (BGH a.a.O. S. 2846; BVerfG a.a.O. Tz 59). Vielmehr handelt es sich um einen Text, der ohne erkennbaren künstlerisch-literarischen Gestaltungswillen ausschließlich darauf abzielt, die Kläger in der Öffentlichkeit zu verunglimpfen. Aus der Vorgeschichte der Veröffentlichung, die auf Anlage A S 52 ff ebenfalls teilweise dargestellt wird, ergibt sich, daß der Text vom Autor auch nicht -wie bei Romanautoren üblich- in der Absicht verfaßt wurde, ein literarisches Werk zu schaffen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sondern um mit der Androhung der Veröffentlichung von Indiskretionen eine Geldzahlung der Betroffenen zu erpressen. Dementsprechend sind typische Elemente und Kriterien des künstlerischen Charakters eines literarischen Werkes, wie künstlerische Gestaltung und Ein- und Unterordnung des an reales Geschehen anknüpfenden Stoffes in einen Gesamtorganismus, Schaffung einer neuen, von der Wirklichkeit abgelösten ästhetischen Realität, Verselbständigung des „Abbildes“ durch Verallgemeinerung des Individuellen und Persönlich-Realen zugunsten des Allgemeinen und Zeichenhaften der „Figur“, in dem beanstandeten Text nicht zu erkennen. Für eine -im Konflikt zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Grundrecht auf Kunstfreiheit grundsätzlich gebotene- kunstspezifische Betrachtung (dazu BVerfG a.a.O. Tz 82ff) fehlt es deshalb im Streitfall an hinreichenden Anknüpfungspunkten einer künstlerischen Gestaltung des Stoffes.

b)
Aber auch wenn man den Text grundsätzlich dem Schutzbereich der Kunstfreiheit des Beklagten unterstellt, führt die Abwägung der betroffenen Grundrechte zu dem eindeutigen Ergebnis, daß eine gravierende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Kläger vorliegt, die von der Rechtsordnung nicht hingenommen, geschweige gerechtfertigt werden kann. Mit gröbsten Bloßstellungen im besonders geschützten Intimbereich und der Aneinanderreihung böswilliger Schmähungen greift der beanstandete Text in außergewöhnlich schwerwiegender Weise in das Persönlichkeitsrecht der Kläger ein. Ein künstlerisches Anliegen ist ebensowenig erkennbar wie der Versuch, eine von der Wirklichkeit abgelöste ästhetische Realität zu schaffen; im Gegenteil betont der Autor nachhaltig die Authentizität des geschilderten Geschehens, so schon im Eingangssatz und Schlußsatz der „Vorbemerkungen des Autors“ und im Eingangssatz der „Einträge 1 bis 1 von 18″.

In gleicher Weise muß das grundrechtlich geschützte Recht der freien Meinungsäußerung des Beklagten (Art. 5 Abs. 1 GG) im Streitfall hinter dem gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ebenfalls grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Kläger zurücktreten.

4.
Die Kläger haben (mit geringen Einschränkungen) Anspruch auf das begehrte Verbot des Textes insgesamt.

a)
Ein Gesamtverbot ist dann nicht unverhältnismäßig, wenn die beanstandeten Textteile für die Gesamtkonzeption des Werks beziehungsweise für das Verständnis des mit ihm verfolgten Anliegens von Bedeutung sind. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, bestimmte Streichungen oder Abänderungen vorzunehmen, um die Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen, da es eine Vielzahl möglicher Varianten gäbe, wie diese Änderungen vorgenommen werden könnten, und der Charakter etwa eines Romans durch solche Eingriffe eine erhebliche Veränderung erfahren würde (BVerfG a.a.O. Tz 104; BGH a.a.O. S. 2848). Diese Voraussetzungen für ein Gesamtverbot sind im Streitfall erfüllt. Der gesamte Text ist nahezu durchgehend von einer Fülle von unzulässigen Darstellungen und Anspielungen auf den geschlechtlichen Intimbereich und von Schmähungen der Kläger durchzogen, daß diesbezügliche Veränderungen dem Text die Substanz entziehen müßten. Gerade die verbotenen Schilderungen aus dem geschlechtlichen Intimbereich der Klägerin wie auch des Klägers bilden den Kern des Anliegens des Beklagten, der mit dem Verfassen des Textes zunächst Geld erpressen wollte und sich nach Scheitern dieses Vorhabens durch Veröffentlichen dieser Indiskretionen ersichtlich an den Klägern rächen will. Mit dem Wegfall dieser zahlreichen Passagen im Text wird dieser wie auch das Anliegen des Beklagten insgesamt gegenstands- und substanzlos.

b)
Auszunehmen vom Verbot ist der Textteil „Abrechnung mit Justitia“. Diese Passage befaßt sich nicht mit den Klägern, sondern zielt auf eine Schelte der Justizbehörden. Die Kläger sind hiervon nicht betroffen. Gleiches gilt für die Ankündigung der weiteren Kapitel XI. bis XV. Demgegenüber ist der Abschnitt „Vorbemerkungen des Autors“ in das Gesamtverbot einzubeziehen, da der Autor selbst mit dem Hinweis auf die Authentizität des nachfolgend Geschilderten einen engen sachlichen Zusammenhang mit dem Haupttext herstellt.

c)
Der Anspruch auf ein Gesamtverbot steht auch dem Kläger zu, obwohl er selbst in eigener Person nur in geringerem Maße in der Veröffentlichung erwähnt und verletzt wird als die Klägerin. Er ist jedoch als Ehemann im Streitfall auch von der Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Klägerin betroffen. Dies ist anzunehmen, wenn die Ehrverletzung wie hier die eheliche Gemeinschaft in ihrem Wesensgehalt antastet, wie dies insbesondere bei Angriffen auf die Geschlechtsehre der Ehefrau der Fall ist (vgl Wenzel/Burkhardt a.a.O. Kap. 12 Rn 44; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Aufl. 2005, 44.7).

III.
Der Unterlassungsantrag Ziff. 1.2 ist begründet.

Der beanstandete Text verletzt mit seinen angeblich das Intimleben der Kläger betreffenden Schilderungen in gravierender Weise deren Persönlichkeitsrechte und begründet die dringende Gefahr künftiger Wiederholung unzulässiger Darstellungen aus diesem absolut geschützten Kernbereich durch den Beklagten. Der Unterlassungsanspruch besteht deshalb auch in der geforderten verallgemeinerten Form (vgl Wenzel/Burkhardt a.a.O. Kap. 12 Rn 94).

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die von dem begehrten Gesamtverbot ausgenommenen Abschnitte sind objektiv und gemessen an den Interessen beider Parteien unbedeutend. Sie rechtfertigen keine anteilige Kostenbeteiligung der Kläger. Das Urteil ist rechtskräftig (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO), so daß es keines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf.

I