OLG Karlsruhe: „Ok“-Vermerk auf Fax-Sendeprotokoll spricht für Zugang des gefaxten Dokuments

veröffentlicht am 11. November 2008

OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.09.2008, Az. 12 U 65/08
§ 120 BGB

Das OLG Karlsruhe vertritt die Rechtsansicht, dass das Vorliegen eines „OK“-Vermerks im Sendebericht eines Faxes das Zustandekommen der Verbindung belegt. Infolgedessen könne belegt werden, dass in einem bestimmten Zeitraum zwischen zwei Faxgeräten (Festnetznummern) eine Leitungsverbindung bestanden habe, was zur Annahme ausreiche, dass das versendete Dokument beim Adressaten auch angekommen sei. Zu beachten ist allerdings, dass sich das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidungsfindung auch maßgeblich auf die Aussage einer Zeugin, ein Sachverständigengutachten sowie den Umstand berief, dass der Empfänger Kaufmann war. Die Frage, ob allein das Sendeprotokoll des Faxgerätes ausgereicht hätte, um den Empfang des gefaxten Dokuments zu belegen, kann somit nicht beantwortet werden. Das OLG Karlsruhe tritt damit der Rechtsansicht des OLG Celle (? Klicken Sie bitte auf diesen Link: OLG Celle) und des OLG München (? Klicken Sie bitte auf diesen JavaScript-Link: OLG München, Beschluss vom 08.10.1998, Az. 15 W 2631/98) bei, gleichzeitig aber der Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1996, 665, BGH NJW 2004, 1320) und des OLG Brandenburg (? Klicken Sie bitte auf diesen Link: OLG Brandenburg) entgegen.

Oberlandesgericht Karlsruhe

Urteil
Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 06.03.2008 durch … für Recht erkannt:

1.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 06.03.2008 – 2 O 421/07 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.
Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.12.2007 aus einer zum 01.06.2003 genommenen Krankenversicherung.

Der Beklagte nahm zum 01.01.2007 eine Tätigkeit als Angestellter auf und wurde dadurch pflichtversichertes Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Er trägt vor, den Versicherungsvertrag durch Telefaxschreiben vom 17.12.2006 unter Hinweis auf seine zum 01.01.2007 eintretende gesetzliche Krankenversicherungspflicht „mit sofortiger Wirkung“ gekündigt zu haben. Die Klägerin stellt den Zugang des Telefaxschreibens in Abrede.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Urteil vom 06.03.2008 Bezug genommen wird, soweit sie mit den hier getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, hat der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seinen erstinstanzlich gestellten Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien in beiden Instanzen nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der gerichtlichen Verfügungen und Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen W vom 01.09.2008, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird, und durch Vernehmung der Zeugin H. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 16.09.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe

II.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

1.
Der Beklagte hat den bestehenden Versicherungsvertrag wirksam durch Telefaxschreiben vom 17.12.2006 gekündigt. Entgegen der Vorinstanz ist der Senat – sachverständig beraten – davon überzeugt, dass das Telefaxschreiben vom 17.12.2006 der Klägerin am 18.12.2006 gegen 1.46 Uhr zugegangen ist. Dabei lässt der Senat offen, ob es am Empfangsgerät der Klägerin zu einem Ausdruck des Schreibens gekommen ist.

a)
Der Bundesgerichtshof hatte in seiner früheren Rechtsprechung mehrfach ausgesprochen, dass ein durch Telefax übermittelter Schriftsatz grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen ist, in welchem das Telefaxgerät des Gerichts ihn vollständig ausgedruckt hat (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.1994 – VIII ZR 153/93NJW 1995, 665 unter II 3 b bb aaa; Beschlüsse vom 04.05.1994 – XII ZB 21/94NJW 1994, 2097 unter II 2; vom 19. April 1994 – VI ZB 3/94NJW 1994, 1881 unter II 2 a; vom 12.12.1990 – XII ZB 64/90VersR 1991, 894 unter 2 b). Diese den technischen Gegebenheiten der Telekommunikation nicht mehr gerecht werdende Auffassung hat der Bundesgerichtshof jedoch inzwischen aufgegeben. Für den Eingang eines per Telefax übermittelten Dokuments stellt er nunmehr auf den vollständigen Empfang (Speicherung) der gesendeten technischen Signale im Telefaxgerät des Gerichts ab (BGHZ 167, 214, 219 f., 223).

b)
Es liegt nicht fern, diese Grundsätze auch auf die Zugangsproblematik im Privatrechtsverkehr zu übertragen (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.1994 aaO). Dem folgt der Senat zumindest dann, wenn es sich beim Empfänger wie hier um eine Aktiengesellschaft handelt, die zu den Kaufleuten zählt (§§ 1, 6 HGB, 3 Abs. 1 AktG). Zumindest ihnen ist im geschäftlichen Verkehr ein Signalzugang als Zugang im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls dann zuzurechnen, wenn wie hier konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein (ordnungsgemäßer) Ausdruck des Schreibens aus von der Klägerin nicht zu vertretenden Gründen gescheitert sein könnte, weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Denn damit ist das Telefaxschreiben – entsprechend den allgemeinen Grundsätzen (vgl. nur Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Auflage 2008, § 130 Rn. 5) – so in ihren Empfangsbereich gelangt, dass sie die Möglichkeit hatte, vom Inhalt der enthaltenen Willenserklärung Kenntnis zu nehmen.

c)
Die Überzeugung dafür, dass der Beklagte das Kündigungsschreiben vom 17.12.2006 an die Klägerin gesendet hat und die gesendeten technischen Signale am 18.12.2006 gegen 1.46 Uhr vollständig im Telefaxgerät der Klägerin angekommen sind, hat der Senat kumulativ anhand der Aussage der Zeugin H, des „OK“-Vermerks auf dem zugehörigen Sendebericht und den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen W in seinem Gutachten vom 01.09.2008 gewonnen.

Die Zeugin H hat zur Überzeugung des Senats bestätigt, dass der Beklagte das – in Ablichtung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 18.12.2007 zur Akte gegebene – Kündigungsschreiben von ihrem Telefaxanschluss aus versandt hat. Ihr Freund – der Beklagte – sei ein Nachtarbeiter. Es sei am letzten Sonntag vor Weihnachten 2006 gewesen. Als sie schon habe zu Bett gehen wollen, habe ihr ihr Freund erklärt, dass er noch einen Brief an die Krankenversicherung schreiben müsse. Sie sei dann noch aufgeblieben und habe gesehen, wie er eine Faxvorlage verfasst und ausgedruckt habe. Sie habe sich das kurz angesehen und gemeint, dass das so sicher in Ordnung gehe. Sie sei dann zwar nicht daneben gestanden, als ihr Freund das Telefaxgerät bedient habe, sondern habe sich für das Bett fertig gemacht. Als ihr Freund dann auch ins Bett gekommen sei, habe er ihr jedoch erklärt, dass die Faxübertragung geklappt und er sich auch einen Sendebericht ausgedruckt habe. Der Senat hält diese Angaben für wahr. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin haben sich nicht ergeben.

Das Vorliegen eines „OK“-Vermerks im Sendebericht belegt das Zustandekommen der Verbindung (BGH, Beschluss vom 23.10.1995 – II ZB 6/95MDR 1996, 99 (Leitsatz 2) und in juris unter Tz. 8). Infolgedessen steht aufgrund des vom Beklagten vorgelegten Sendeprotokolls fest, dass zwischen dem von ihm benutzten Telefaxgerät der ZeuginH und dem von ihm angewählten Telefaxgerät der Klägerin am 18.12.2006 zwischen 1.45 Uhr und 1.46 Uhr eine Leitungsverbindung bestanden hat.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Übermittlung der Telefaxnachricht trotz Vorliegens eines Sendeberichts mit „OK“-Vermerk an Leitungsstörungen, die zum Abbruch der Verbindung geführt haben könnten und die nach dem Grundgedanken des § 120 BGB in den Risikobereich des Beklagten gefallen wären (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 05.03.2008 – 4 U 132/07 – veröffentlicht in juris – unter Tz. 22), gescheitert sein könnte, bewertet der Sachverständige W mit 0%. Diesem eindeutigen Ergebnis schließt sich der Senat an. Aufgrund des Ablaufs der Kommunikation bei den hier verwendeten Geräten kann bei einem „OK“-Vermerk generell davon ausgegangen werden, dass die Faxübertragung im Speicher des empfangenden Geräts angekommen ist. In Anbetracht dessen, dass die vom Sachverständigen realitätsgerecht nachgestellte Übertragung des Kündigungsschreibens vom 17.12.2006 per Telefax nach einer Übertragungsdauer von 38 Sekunden erfolgreich abgeschlossen war und der Übertragungsvorgang nach dem vom Beklagten vorgelegten Sendebericht 39 Sekunden gedauert hat, hat der Senat keinen Zweifel, dass die Seite nicht nur „mindestens in großen Teilen“, sondern vollständig in das Empfangsgerät der Klägerin übertragen wurde und nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen ist.

Welche Bedeutung einem Empfangsjournal hier gegebenenfalls zugekommen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.1994 aaO unter II 3 c), konnte der Senat nicht prüfen, weil die Klägerin Telefaxeingänge nicht dokumentiert bzw. archiviert.

2.
Durch die Kündigung vom 17.12.2006 ist ein (etwaiger) Prämienanspruch der Klägerin mit Wirkung vom 01.01.2007, dem Tag des Eintritts der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht des Beklagten, nach den §§ 178h Abs. 2 Sätze 1 und 2, 178o VVG a.F. entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 2004 – IV ZR 214/03VersR 2005, 66 vor 1 und unter 2 d). Der Klägerin stehen daher für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.12.2007 Krankenversicherungsbeiträge nicht zu.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf die §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage des Zugangs eines per Telefax übermittelten Dokuments beim Empfänger zuzulassen.

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