OLG Köln: Beschwerde eines Internetanschluss-Inhabers gegen Auskunftsbegehren eines Rechteinhabers wegen illegalen Filesharings erfolgreich / Auskunft nur bei „Offensichtlichkeit des Rechtsverstoßes“

veröffentlicht am 16. Mai 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Köln, Beschluss vom 20.01.2012, Az. 6 W 242/11
§ 101 Abs. 9 UrhG, § 101 Abs. 2 UrhG

Das OLG Köln hat entschieden, dass ein Rechteinhaber nicht von einem Provider die Adressdaten eines Internetanschluss-Inhabers zu einer bestimmten IP-Adresse verlangen kann, wenn er nicht nachweist, dass eine offensichtliche Rechtsverletzung im Sinne des § 101 Abs. 2 UrhG vorliegt. Dabei beziehe sich das Erfordernis der Offensichtlichkeit in § 101 Abs. 2 UrhG, so der Senat, neben der Rechtsverletzung auch auf die Zuordnung dieser Verletzung zu den begehrten Verkehrsdaten. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Die vom Antragsteller mit der Ermittlung von Rechtsverletzungen beauftragte H. setze zur Erfassung der IP-Adressen ausweislich der eidesstattlichen Versicherung ihres Systemadministrators das Computerprogramm „Observer“ ein. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass dieses Programm geeignet gewesen sei, die behaupteten Rechtsverletzungen zuverlässig zu ermitteln. Die eidesstattliche Versicherung enthalte lediglich die Behauptung, mit dem fraglichen Programm könne „beweissicher“ eine Rechtsverletzung dokumentiert werden und die fehlerfreie Funktionsweise der Software werde in regelmäßigen Abständen überprüft. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Köln

Beschluss

Es wird festgestellt, dass der Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln – Az. 218 O 216/11 – vom 15.09.2011 die Beschwerdeführer in ihren Rechten verletzt hat, soweit darin der Beteiligten zu 3 gestattet worden ist, dem Antragsteller unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift der Beschwerdeführer zu erteilen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Beschwerdewert: 750,00 EUR

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet, denn es kann nicht festgestellt werden, dass von den in der Anlage ASt. 1 aufgelisteten IP-Adressen aus Rechtsverletzungen begangen worden sind.

Eine Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG setzt voraus, dass eine offensichtliche Rechtsverletzung im Sinne des § 101 Abs. 2 UrhG vorliegt. Dabei bezieht sich das Erfordernis der Offensichtlichkeit in § 101 Abs. 2 UrhG neben der Rechtsverletzung auch auf die Zuordnung dieser Verletzung zu den begehrten Verkehrsdaten (Senat, GRUR-RR 2009, 9, 11).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die vom Antragsteller mit der Ermittlung von Rechtsverletzungen beauftragte H. setzt zur Erfassung der IP-Adressen ausweislich der eidesstattlichen Versicherung ihres Systemadministrators das Computerprogramm „Observer“ ein. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass dieses Programm geeignet war, die behaupteten Rechtsverletzungen zuverlässig zu ermitteln. Die eidesstattliche Versicherung enthält lediglich die Behauptung, mit dem fraglichen Programm könne „beweissicher“ eine Rechtsverletzung dokumentiert werden und die fehlerfreie Funktionsweise der Software werde in regelmäßigen Abständen überprüft. Nachvollziehbar sind diese pauschalen Bewertungen nicht. Dabei bestand umso mehr Anlass, konkret zur Zuverlässigkeit der Software vorzutragen, als der Senat bereits mehrfach entsprechenden Vortrag in Verfahren, die auf Ermittlungen der H. gestützt waren, als unzureichend angesehen hat (wie den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers bekannt ist).

Nachdem der Senat hierauf hingewiesen hat, hat der Antragsteller die Kopie einer beglaubigten Übersetzung eines Gutachtens, das der Übersetzerin als Computerdatei vorgelegen hatte, beigebracht. Auf den Hinweis des Senats, einer solchen Kopie komme allenfalls ein geringer Beweiswert zu, hat der Antragsteller die Vernehmung des Geschäftsführer der H. angeboten und die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt. Für beides besteht indes keine Veranlassung:

Die angebotene Vernehmung des Geschäftsführers der H. ist nicht geeignet, die Zuverlässigkeit der Ermittlung der Rechtsverletzungen durch die Software „Observer“ festzustellen. Denn die Zuverlässigkeit lässt sich nicht auf der Grundlage der Wahrnehmungen des Zeugen beurteilen. Vielmehr ist hierfür eine Untersuchung der Software durch einen unabhängigen Sachverständigen erforderlich.

Auch die Beauftragung eines Sachverständigen ist nicht veranlasst. Das Erfordernis der Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung dient dem Schutz der am Verfahren zunächst nicht beteiligten Anschlussinhaber, der durch eine unberechtigte Inanspruchnahme in erheblicher Weise in seinen Rechten verletzt wird (vgl. Senat, GRUR-RR 2009, 9, 11). Dieser Schutz läuft leer, wenn die Ordnungsgemäßheit der Ermittlungen erst im Nachhinein (also nachdem die Auskunft erteilt worden ist) auf die Rüge des Anschlussinhabers hin ermittelt wird. Vielmehr muss dem Erfordernis der Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung bereits im Zeitpunkt der Antragstellung genügt werden. Der Rechteinhaber muss daher, bevor er mit der Ermittlung von Rechtsverletzungen beginnt, sicherstellen, dass diese Ermittlungen ordnungsgemäß durchgeführt werden und dass er dies dokumentieren kann. Setzt er hierfür eine Software ein, muss diese durch einen unabhängigen Sachverständigen überprüft und regelmäßig kontrolliert werden. Eine nachträgliche Untersuchung der eingesetzten Software durch das Gericht mit ungewissem Ausgang (vgl. Beschluss des Senats vom 7.9.2011 – 6 W 82/11) genügt dagegen nicht, um eine Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung begründen zu können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG iVm. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.

I