OLG Köln: Kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung, wenn illegales Filesharing über 2 Jahre nach Erstveröffentlichung erfolgt

veröffentlicht am 19. Januar 2012

OLG Köln, Beschluss vom 05.07.2011, Az. 6 W 121/11
§ 101 Abs. 9 UrhG

Das OLG Köln hat entschieden, dass im Rahmen der Auskunftserstattung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG von dem erforderlichen gewerblichen Ausmaß der Rechtsverletzung regelmäßig nur dann auszugehen ist, wenn der Verstoß innerhalb der ersten sechs Monate nach Erstveröffentlichung des Werkes erfolgt ist. Diese Voraussetzung sei vorliegend bei weitem nicht erfüllt: Die Antragstellerin rüge eine Rechtsverletzung, die im April 2011 und damit 25 Monate nach der Erstveröffentlichung des Werkes im März 2009 erfolgt sein solle. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Köln

Beschluss



1.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 37. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 237 O 80/11 – vom 19.05.2011 wird zurückgewiesen.

2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe

Die Antragstellerin hat beantragt, der weiteren Beteiligten zu gestatten, ihr unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG Auskunft zu erteilen über den Namen und die Anschrift (u.a.) derjenigen Nutzer, denen die in der Anlage Ast 1 zu ihrem Antrag im Hinblick auf das Werk „Walking On A Dream“ der Künstlergruppe „Empire of the Sun“ aufgeführten IP-Adressen mit den laufenden Nummern 2xx – 2xx zu den in der Anlage aufgeführten Zeitpunkten zugewiesen waren. Diesen Antrag hat die Kammer durch den angefochtenen Beschluss mit der Begründung abgelehnt, es fehle an der Voraussetzung des gewerblichen Ausmaßes der Rechtsverletzung. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Diese ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Nach der der Antragstellerin bekannten, inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Senats ist im Rahmen der Gestattung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG von dem erforderlichen gewerblichen Ausmaß der Rechtsverletzung regelmäßig nur dann auszugehen, wenn der Verstoß innerhalb der ersten sechs Monate nach Erstveröffentlichung des Werkes erfolgt ist. Diese Voraussetzung ist indes bei weitem nicht erfüllt: Die Antragstellerin rügt eine Rechtsverletzung, die im April 2011 und damit 25 Monate nach der Erstveröffentlichung des Werkes im März 2009 erfolgt sein soll.

Der Antragstellerin ist einzuräumen, dass in Ausnahmefällen auch nach Ablauf der erwähnten Frist von sechs Monaten von einem gewerblichen Ausmaß auszugehen sein kann. Dies setzt jedoch besondere Umstände voraus, die die Antragstellerin schon erstinstanzlich, aber auch im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen hat und die auch sonst nicht ersichtlich sind.

Das gewerbliche Ausmaß der Rechtsverletzung kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass der Titel „We are the People“ auf dem in Rede stehenden Album „Walking On A Dream“ sich in der Woche der Antragstellung auf Platz 39 der Single-Charts in Deutschland befunden hat. Mag damit diesem einzelnen Titel ein gewisser noch andauernder Erfolg nicht abzusprechen sein, so belegt dies doch nicht, dass hinsichtlich des gesamten Albums, für den die Antragstellerin die Gestattungsanordnung begehrt und auf dem im Übrigen neun weitere nicht mehr in den Charts befindliche Titel eingespielt sind, die wirtschaftliche Verwertung nicht bereits weitestgehend abgeschlossen gewesen wäre. Ein anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Senats: Dieser hat allerdings in den von der Antragstellerin angeführten Beschlüssen vom 18.11.2010 – 6 W 185/10 – und (bestätigend) vom 27.12.2010 – 6 W 155/10 – ausgeführt, einen besonderen Umstand im vorstehenden Sinne könne es darstellen, wenn ein Titel auf einem Album zu einem nach Ablauf von sechs Monaten liegenden Zeitpunkt eine „besonders gute Chartplatzierung“ aufweise. Zugrunde lag dem die Platzierung des Einzeltitels auf Platz zwei der Single-Charts. Von einer guten Platzierung im Sinne dieser Rechtsprechung kann indes bei der Platzierung eines einzelnen Titels auf Rang 39 nicht die Rede sein.

Im Übrigen hat der Senat in der von der Antragstellerin weiter angeführten Entscheidung vom 13.4.2010 – 6 W 28/10 -, die ebenfalls bestätigend in dem Beschluss vom 27.12.2010 – 6 W 155/10 – aufgegriffen worden ist, ausgeführt, das gewerbliche Aus­maß könne sich auch daraus ergeben, dass neben einer Chartplatzierung eines einzelnen Titels eines Albums weitere Umstände bestehen, die für eine Fortdauer der aktuellen Verwertungsphase sprechen. Damals ist das angenommen worden für das Erstwerk einer Künstlergruppe, deren Verwertung langsamer als üblich angelaufen war. Auch danach kann die Beschwerde im vorliegenden Verfahren, in dem insoweit allenfalls noch der aktuelle Verkaufspreis des Albums als besonderer Umstand in Betracht zu ziehen sein könnte, keinen Erfolg haben. Der Vertrieb eines Albums zu üblichen, nicht herabgesetzten Preisen belegt – wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat – nicht, dass sich das Werk noch in der aktuellen Verkaufsphase befindet. Das gilt, zumindest wenn das Erstveröffentlichungsdatum – wie im vorliegenden Fall – mehr als zwei Jahre zurückliegt, auch dann, wenn sich auf dem Album ein einzelner Titel befindet, der noch einen mittleren Rang der Top 100 Charts inne hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 101 Abs. 9 Satz 4 und 5 UrhG, 84 FamFG. Der Festsetzung eines Beschwerdewertes bedarf es nicht, weil gemäß §§ 128e Abs. 1 Nr. 4, 131 KostO eine Festgebühr anfällt und außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

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