OLG Köln: Kein Recht auf „Gegenschlag“ für Kachelmann-Ex

veröffentlicht am 28. November 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Köln, Urteil vom 06.11.2012, Az. 15 U 97/12
§ 823 BGB, § 1004 BGB; Art. 1 GG, Art. 2 GG

Das OLG Köln hat entschieden, dass Äußerungen in der Presse, die nach einem mit Freispruch beendeten Strafverfahren stattfinden und darauf hinauslaufen, dass die verhandelte angebliche Tat doch stattgefunden habe, das Persönlichkeitsrecht des ehemaligen Angeklagten verletzen können. Auch bei unterstellter Wahrheit der Äußerungen würden diese vorliegend nach Auffassung des Gerichts bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen in unzulässiger Weise in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreifen. Ein Recht auf einen „Gegenschlag“ stehe der Beklagten nicht zu.  Sofern sie sich gegen Äußerungen, sie hätte falsche Verdächtigungen ausgesprochen, habe wehren wollen, stehe ihr hierfür ebenso der Rechtsweg offen. Zum Text der Pressemitteilung:

„Der Kläger Jörg Kachelmann nahm seine ehemalige Lebensgefährtin auf Unterlassung verschiedener Äußerungen in Anspruch, welche diese nach Abschluss des gegen den Kläger geführten Strafverfahrens in einem Zeitungsinterview getätigt hatte. Ebenso wie schon das Landgericht Köln gab das Oberlandesgericht Köln in einem am 6.11.2012 verkündeten Urteil dem Kläger recht und wies die Berufung der Beklagten – mit geringen Änderungen eher redaktioneller Natur – zurück (Az: 15 U 97/12).

Aufgrund einer Strafanzeige der Beklagten war gegen den Kläger ein Strafverfahren wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung geführt worden. Das Verfahren endete am 31.5.2011 mit einem Freispruch; das Urteil ist seit dem 7.10.2011 rechtskräftig.

Etwa zwei Wochen nach dem freisprechenden Urteil gewährte die Beklagte einer Zeitschrift ein Interview, das am 16.6.2011 veröffentlicht wurde. Hierin hatte sie u.a. geäußert: „Wer mich und ihn kennt, zweifelt keine Sekunde daran, dass ich mir diesen Wahnsinn nicht ausgedacht habe“ und „Diese Herren erklären vor Gericht, die Tat könne sich nicht so abgespielt haben, wie es die Nebenklägerin, also ich, behauptet – und man selbst sitzt zu Hause, liest das und weiß genau: Es war aber so!“. Außerdem habe sie der Kläger mit dem Tode bedroht, falls sie etwas erzähle.

Nach Ansicht des Klägers verletzten ihn diese und weitere, ähnlich gelagerte Äußerungen in dem Interview in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Beklagte dagegen berief sich auf das Recht zur freien Meinungsäußerung. Zwar sei der Kläger freigesprochen worden, jedoch habe das Gericht nicht seine Unschuld festgestellt, so dass sie weiterhin zur Darstellung ihrer Sicht der Dinge berechtigt sei. Zudem stehe ihr das Recht zum „Gegenschlag“ zu, nachdem sie vom Kläger in dessen öffentlichen Äußerungen angegriffen und u.a. als rachsüchtig bezeichnet worden sei.

Das Landgericht hatte der Klage auf Unterlassung der weiteren Verbreitung der beanstandeten Äußerungen stattgegeben. Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten, die jedoch vom Oberlandesgericht Köln zurückgewiesen wurde.

Ebenso wie das Landgericht Köln hat der auf Presserecht spezialisierte 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts die Äußerungen als Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers eingestuft. Die Äußerungen der Beklagten seien teils als Tatsachenbehauptungen, teils als Meinungsäußerungen mit Tatsachenkern einzustufen. Da weder die Wahrheit noch die Unwahrheit der behaupteten Tatsachen feststehe, sei bei der Prüfung der Frage, ob die Äußerungen unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen zulässig seien, zwar die Wahrheit der behaupteten Tatsachen zu unterstellen. Auch danach griffen die Äußerungen bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen aber in unzulässiger Weise in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein.

Zwar sei die Beklagte, die nach dem Freispruch ihrerseits unter dem Verdacht stehe, den Kläger falsch verdächtigt zu haben, berechtigt, ihre Sicht der Dinge darzustellen, zumal die Öffentlichkeit großen Anteil an dem Strafverfahren gegen den Kläger genommen habe. Die angegriffenen Äußerungen gingen jedoch in ihrer konkreten Form über eine solche Selbstverteidigung hinaus. Es könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger freigesprochen worden sei und daher als unschuldig zu gelten habe. Die Beklagte habe ihre Äußerungen detaillierter und emotionaler gefasst, als es unter dem Gesichtspunkt der Darstellung des eigenen Standpunktes erforderlich gewesen sei. Auch stehe der Beklagten kein so weitgehendes Recht auf einen „Gegenschlag“ gegen die Angriffe des Klägers auf ihre Person zu. Sofern sie die Äußerungen des Klägers zu ihrer Person als unangemessen empfunden habe, stehe ihr ebenso wie diesem der Rechtsweg offen. Das „Recht zum Gegenschlag“ sei vor allem für den politischen Meinungskampf entwickelt worden und könne im vorliegenden Fall die angegriffenen konkreten Aussagen nicht rechtfertigen. Dabei sei vor allem der Gefahr einer Selbstjustiz Rechnung zu tragen, die in einem Rechtsstaat grundsätzlich unzulässig sei und auch wegen der damit verbundene Gefahr der Eskalation durch wechselseitige Verletzungen zu unterbinden sei.

Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen. Die Beklagte kann jedoch bei dem Bundesgerichtshof gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde einlegen.“

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