OLG Köln: Zur Wettbewerbswidrigkeit ärztlicher Beratung im Internet

veröffentlicht am 4. Oktober 2012

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Köln, Urteil vom 10.08.2012, Az. 6 U 235/11
§ 9 HWG; § 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG

Das OLG Köln hat entschieden, dass eine fachärztliche Beratung unter einer Internet-Domain „gesundheitsberatung.de“ einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz darstellt und daher wettbewerbswidrig ist. Nach dieser Vorschrift liege eine unzulässige Werbung für entweder eine Diagnose („Erkennung“) oder Therapie („Behandlung“) vor, wenn beides nicht auf eigener Wahrnehmung des Arztes beruhe. Diese Voraussetzungen seien im entschiedenen Fall erfüllt worden. Zu den von Nutzern gestellten Fragen habe sich die hier beklagte Ärztin konkret und individuell diagnostisch oder mit Therapieempfehlungen geäußert. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Köln

Urteil

1.)
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23.11.2011 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 131/11 – teilweise dahin abgeändert, dass unter Abweisung der Klage insoweit das Verbot sich nicht auf die Äußerungen der Beklagten bezieht, die sich aus den als S. 21 f, 25 f und 29 – 31 zum Gegenstand des Tenors gemachten Anlagen K 6, K 8 und K 10 ergeben.

2.)
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3.)
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger zu 3/10 und die Beklagte zu 7/10 zu tragen.

4.)
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsanspruches durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Vollstreckung des Zahlungsanspruches kann die Beklagte und die Vollstreckung der Kostenerstattungsansprüche können die Parteien durch Si­cher­heitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

5.)
Die Revision wird nicht zugelassen.

Begründung

A.

Der Kläger ist der Verband Sozialer Wettbewerb in Berlin. Die Beklagte, eine Fachärztin für Gynäkologie, beteiligt sich an einem Internetauftritt der H Verlag GmbH unter der Domain „Gesundheitsberatung.de“. Dort findet der Nutzer unter der nach ärztlichen Fachrichtungen unterteilten Rubrik „Sie fragen – Experten antworten“ die Möglichkeit, (medizinische) Fragen zu stellen und (unter anderem von der Beklagten) Antworten zu erhalten. Wegen der Einzelheiten wird auf die in dem landgerichtlichen Urteilstenor auf S. 3 – 5 wiedergegebene Anlage K 11 verwiesen. Die Unterseite „Expertenrat“ der Domain enthält folgenden Hinweis:

„Die Informationen unserer Experten ersetzen keine persönliche ärztliche Beratung und Behandlung. Im Zweifelsfall wenden Sie sich bitte persönlich an ihren behandelnden Arzt.“

Der Internetauftritt ist in der Vergangenheit von der R AG betrieben worden, die sich inzwischen in der Insolvenz befindet.

Der Kläger sieht in dem beschriebenen Angebot u.a. Verstöße gegen das Werbeverbot des HWG und hat in dem Verfahren 31 O 629/09 die erwähnte frühere Be­treiberin und in dem Verfahren 31 O 637/09, beide LG Köln, insgesamt sechs Ärztinnen und Ärzte, unter anderem auch die Beklagte, auf Unterlassung in Anspruch genommen. Beide Verfahren haben durch Kostenvergleich geendet, nachdem die R AG sich offenbar verpflichtet hatte, „nicht für Krankheitsfragen zu werben und keine individuellen Antworten zu konkreten Krankheitsfragen zu geben“ (vgl. Bl. 376 in 31 O 637/09; Bl. 346 in 31 O 629/09).

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags wird gem. § 540 Abs.1 S.1 Ziff.1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Nachdem der Kläger (vorsorglich) klargestellt hatte, er gehe (jeweils in Verbindung mit § 4 Nr. 11 UWG) in erster Linie aus § 9 HWG und nur hilfsweise aus § 7 HWG sowie § 12 Abs. 3 BOÄ vor, hat die Kammer die Beklagte mit der Begründung zur Unterlassung und dem Ersatz von Abmahnkosten verurteilt, durch ihre einzelnen, aus den Anlagen K 1 – K 10, die sämtlich zum Bestandteil des Urteilstenors gemacht worden sind, ersichtlichen Antworten habe sie im Sinne des § 9 HWG unerlaubte Fernbehandlungen beworben.

Im Berufungsverfahren, mit dem sie weiter die Abweisung der Klage erstrebt, stellt die Beklagte die Antragsbefugnis des Klägers in Abrede und rügt den Antrag als unbestimmt. Sie meint weiter, sie habe weder im geschäftlichen Verkehr gehandelt noch Werbung betrieben. Hierzu hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ihre (frei-)berufliche Tätigkeit näher erläutert. Der die Internetseite betreibende H Verlag könne sich – so hat die Beklagte weiter vorgetragen – auf Art. 5 GG berufen. Zumindest unter Berücksichtigung dessen liege keine Fernbehandlung vor, weil sie in keinem Falle eine Diagnose gestellt oder einen Behandlungsvorschlag gemacht habe.

Der Kläger legt (als Anlage BB 1) seine Mitgliederliste vor und verteidigt das Urteil.

Die Akten 31 O 629/09 und 31 O 637/09, beide LG Köln, waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

B.

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache auch teilweise Erfolg. Soweit der Urteilstenor zur Hauptsache durch die vorliegende Entscheidung geändert wird, stellen die betreffenden Antworten der Beklagten Werbung für eine Fernbehandlung nicht dar.

I.
Die Klage ist zulässig. Weder fehlt es an der Klagebefugnis, noch ist der Antrag unbestimmt.

1.
Der Kläger leitet seine Klagebefugnis aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG her. Dies setzt voraus, dass ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die auf demselben Markt wie die Beklagte Dienstleistungen anbieten. Die Klage richtet sich nicht gegen die H Verlag GmbH mit dem etwaigen Ziel, die Seite der Beklagten (und anderen Ärzten) nicht mehr zur Verfügung zu stellen, sondern ausschließlich gegen die Beklagte als Ärztin, der es untersagt werden soll, auf jener (für sie fremden) Internetseite die beanstandeten Antworten zu erteilen. Der Kläger muss daher nicht in hinreichender Zahl als Mitglieder über Verlage verfügen, die derartige Äußerungen veröffentlichen, sondern über Ärzte oder vergleichbare Institutionen. Das ist der Fall.

a)
Nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 2007, 610, Rz.18 – „Sammelmitgliedschaft V“) ist die notwendige Anzahl dann erreicht, wenn die Mitglieder in der Weise für den Markt repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann. Diese Voraussetzung ist erfüllt: Zu den Mitgliedern des Klägers gehören ausweislich seines Berufungsvortrags eine Kurklinik (dd) sowie drei weitere Kliniken (ee), die Ärztekammern Hamburg und Schleswig-Holstein (ll) und zehn Heilpraktiker (rr). Die beiden Ärztekammern in den nördlichen Bundesländern repräsentieren einen nicht unerheblichen Anteil der deutschen Ärzteschaft. Die beanstandete Werbung ist bundesweit und damit auch im Norden Deutschlands aufzurufen. Die Ärztekammern sind zu berücksichtigen, weil für die Klagebefugnis eine durch sie repräsentierte sogenannte „mittelbare Mitgliedschaft“ genügt (vgl. im Ein­zel­nen Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 8, Rz. 3.43 m. w. N.). Ergänzend tragen die erwähnten Kliniken wegen der in ihnen tätigen Ärzte zur Klagebefugnis bei. Damit verfügt der Kläger in einem Umfang über Ärzte als Mitglieder, der ein missbräuchliches Vorgehen als ausgeschlossen erscheinen lässt. Es kommt hinzu, dass wegen ihrer Nähe zum Ärztestand auch die zehn Heilpraktiker (rr) zu berücksichtigen sind.

b)
Der Kläger hat zu seiner Mitgliederstruktur in erster Instanz nicht vorgetragen (sondern nur eine in ihrer Allgemeinheit unergiebige Auflistung von BGH-Ent­schei­dungen zu ihrer Klagebefugnis in anderen Auseinandersetzungen angeführt). Der jetzige, durch die (erstmalige) Rüge der Beklagten in der Berufungsbegründung hervorgerufene Vortrag des Klägers kann gleichwohl nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden. Die Beklagte hat in der mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich erklärt, die behaupteten Mit­glied­schaften würden nicht bestritten. Zudem hatte das Landgericht den Kläger auf seinen mangelnden konkreten Vortrag zur Klagebefugnis nicht hingewiesen.

2.
Der Klageantrag ist auch im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend be­stimmt. Der Antrag hat ein Verbot ausschließlich der von der Beklagten erteilten Antworten auf die gestellten Fragen, also die jeweiligen konkreten Verletzungsformen, zum Gegenstand. Die Formulierung „und dies geschieht wie in der Werbung gemäß Anlagen K 1 – K 10 wiedergegeben“ im Klageantrag ist nicht als bloße Wiedergabe von Beispielen, sondern als Beschränkung auf die konkreten Verletzungsformen zu verstehen. Damit ist der Antrag hinreichend bestimmt. Wie der BGH in den Entscheidungen GRUR 2006, 164, Rz. 14 – „ Aktivierungskosten II“; GRUR 2011, 340, Rz. 21 – „Irische Butter“ und jüngst GRUR 2012, 842, Rz 13 – „Neue Personenkraftwagen“ ausgeführt hat, ist ein Antrag, der – wie hier – auf ein Unterlassen nur der konkreten Verletzungsform gerichtet ist, auch dann nicht unzulässig, wenn er durch die Verbalisierung näher beschreibt, aus welchen Gründen eben jene konkrete Verletzungsform beanstandet werde. Es ist unter dieser Voraussetzung auch unschädlich, dass die Verbalisierung auf Gesetzesbegriffe zurückgreift.

Die Auffassung der Beklagten, der Antrag sei dadurch unbestimmt geworden, dass der Kläger für den Fall einer bestimmten Rechtsauffassung des Senats eine neue Antragsfassung ankündigt, trifft schließlich nicht zu. Der Senat hat nur den Antrag zu beurteilen, der gestellt worden ist.

II.
Die Klage ist aber nur zum Teil begründet. Dem Kläger stehen neben dem aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG folgenden Kostenerstattungsanspruch zwar aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG i.V.m. § 9 HWG auch Unterlassungsansprüche zu, dies jedoch nur hinsichtlich der auf die Anlagen K 1 – K 5, K 7 und K 9 gestützten Beanstandungen.

1.
Die Beklagte hat durch die Erteilung der beanstandeten Antworten im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 UWG jeweils „geschäftliche Handlungen“ vorgenommen. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG unter anderem jedes Verhalten einer Person zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes von Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Unter den dabei verwendeten Unternehmensbegriff fallen auch selbständige berufliche Tätigkeiten, insbesondere freiberufliche Tätigkeiten von Ärzten (vgl. Köhler a.a.O., § 2, Rz. 29 m.w.N.). Die Beklagte, eine Mutter von vier Kindern, hat nach ihrem unbestrittenen Vortrag in der Berufungsverhandlung während der ihr vorgeworfenen Beteiligung an dem Internet Auftritt des H-Verlages ihren Beruf als Ärztin allerdings aus­schließlich als Praxisvertreterin in verschiedenen L Arztpraxen ausgeübt. Gleich­wohl hat sie durch diese Beteiligung im Sinne der Bestimmung ihr Unternehmen gefördert. Die Beklagte war oder ist noch eine entgeltlich tätige freie Mitarbeiterin der H Verlag GmbH. Durch die Beantwortung der im Rahmen dieser Beschäftigung an sie gerichteten Fragen hat sie ihre Stellung als freie Mitarbeiterin des Verlages gefestigt, die Voraussetzungen für eine Wei­terbeschäftigung geschaffen und so ihre freiberufliche Tätigkeit gefördert.

Ihr Einwand, bei redaktionellen Beiträgen werde eine Wettbewerbsabsicht des Unternehmens nicht vermutet, geht fehl. Das Gesetz fordert seit der UWG-Novelle 2008 eine Wettbewerbsförderungsabsicht nicht mehr. Die Beklagte wird zudem mit der beanstandeten Tätigkeit zwar als freie Mitarbeiterin des H Verlag, aber nicht redaktionell tätig. Ihr wird nicht vorgeworfen, für den H Verlag ärztliche Aussagen Dritter redaktionell verwendet und verbreitet zu haben, sondern die beanstandeten Antworten in ihrer Eigenschaft als Arzt selbst erteilt und dann anderen bekannt gemacht zu haben. Sie ist damit nicht für das Presseunternehmen redaktionell tätig geworden, aus Art. 5 GG in Betracht kommende Einschränkungen des Anwendungsbereichs von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG bestehen nicht.

2.
Die beanstandeten Antworten in den vorstehend aufgezählten sieben Fällen stellen eine Fernbehandlung im Sinne des § 9 HWG und damit die Verletzung einer Marktverhaltensregel gem. § 4 Nr. 11 UWG dar. Dagegen liegt in den weiteren streitgegenständlichen drei Fällen ein solcher Verstoß nicht vor.

a)
Gemäß § 9 HWG ist unzulässig „eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen … beruht (Fernbehandlung)“. Vorausgesetzt ist danach die Werbung für entweder eine Diagnose („Erkennung“) oder Therapie („Behandlung“), wenn beides nicht auf eigener Wahrnehmung des Arztes beruht. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

aa)
Der Begriff der Fernbehandlung setzt voraus, dass der Patient Fragen an den Werbung Treibenden stellen kann, die das Ziel eines Behandlungsvorschlags oder der Diagnose haben sollen (vgl. Bülow/Ring, HWG, 4. Auflage, § 9, Rz. 6 m. w. N.). Wesentlicher Aspekt der Fernbehandlung ist weiter, dass der Behandelnde sich konkret und individuell zu der zu behandelnden Person äußert (vgl. Gröning, HWG, Stand August 1998, § 9 Rz. 11) und diese Äußerung nicht auf einer eigenen Wahrnehmung des Arztes beruht. Ausgehend hiervon hat die Kammer in den aufgezählten sieben Fällen zu Recht die Antworten der Beklagten als Fernbehandlung angesehen.

Dieser sind von den Nutzern jeweils detaillierte medizinische Fragen gestellt worden, zu denen sie sich konkret und individuell diagnostisch oder mit Therapieempfehlungen geäußert hat. Es trifft danach die Auffassung der Beklagten nicht zu, wonach die von ihm so genannten Gesundheitstipps „allesamt allgemein gehalten“ sind und die Ratsuchenden nicht konkret beraten werden. So hatte beispielsweise im ersten Fall (Anlage K 1, LG Urteil S. 7 -10) eine 17-jährige Patientin, die mit der „Pille“ evaluna 20 verhütete, u.a. gefragt, ob es ratsam sei, das ihr zur Behandlung einer Blasenentzündung ärztlich verschriebene Präparat Monuril 3000 zu nehmen, und – in einer Nachfrage – wie sie bei dem Weglassen der Einnahmepause vorgehen müsse. Die Antwort der Beklagten, die zuvor dargestellt hatte, Wechselwirkungen der Präparate seien nicht bekannt, auf die Nachfrage: „Nehmen sie die Pille einfach ohne Unterbrechung weiter, dadurch wird Ihre Blutung nicht wie erwartet beginnen, Zwischenblutungen sind aber möglich.“ stellte eine therapeutische Aussage darüber dar, wie die an einer Blasenentzündung erkrankte Patientin das gewohnte Verhütungsmittel weiter verwenden könne. Im Ergebnis dasselbe gilt in den weiteren sechs vorstehend aufgelisteten Fällen. Insbesondere verliert die Antwort ihren Charakter als Fernbehandlung nicht dadurch, dass die Beklagte, wie im Fall der Anlage K 4, wo sie diagnostisch ausgeführt hat, die beklagten Schmerzen der Patientin könnten durch eine Nierenerkrankung verursacht sein, ausdrücklich erwähnt, dass eine Ferndiagnose nicht möglich sei. Der Senat sieht zu den übrigen Einzelfällen von weiteren Ausführungen ab, nachdem die Beklagte das Urteil lediglich generell als unrichtig angegriffen und nicht vorgetragen hat, dass einzelne der Antworten, auf die sich die vom Senat bestätigte Verurteilung durch das Landgericht stützt, wegen ihrer speziellen Formulierung keine Fernbehandlung darstellten.

In all diesen Fällen beruhten die Antworten nicht auf eigener Wahrnehmung der Beklagten. Diese setzt eine eigene Untersuchung des Arztes voraus, weshalb – was zwischen den Parteien nicht streitig ist – das bloße Lesen einer virtuell übermittelten Schilderung der Befindlichkeit des Patienten nicht ausreicht.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf den oben wiedergegebenen Hinweis, wonach die Informationen keine persönliche ärztliche Beratung und Behandlung ersetze und der Nutzer sich im Zweifelsfall persönlich an seinen behandelnden Arzt wen­den möge. Dieser wird den Nutzer nicht davon abhalten, die Äußerungen der Beklagten als ernstgemeinte seriöse ärztliche Diagnose aufzufassen. Es kommt hinzu, dass der Hinweis ohnehin nur für den Zweifelsfall zu einem persönlichen Arztbesuch rät, für die Fernbehandlung aber (gerade) auch dann nicht geworben werden darf, wenn durch sie subjektiv keine Zweifel verbleiben. Es kann danach offen bleiben, ob überhaupt gewährleistet ist, dass jeder Nutzer den Hinweis zur Kenntnis nimmt.

bb)
Demgegenüber liegt eine Fernbehandlung in den mit den Anlagen K 6, K 8 und K 10 dargestellten Fällen nicht vor; insoweit ist die Berufung begründet.

Im Fall der Anlage K 6 beschränkte sich die Antwort der Beklagten auf die Empfehlung an die Patientin, sich erneut untersuchen zu lassen. Die Norm des § 9 HWG soll verhindern, dass der Patient sich mit der erteilten Auskunft zufrieden gibt und von einem gebotenen Arztbesuch absieht. Der Rat, einen Arzt aufzusuchen, stellt eine Fernbehandlung daher nicht dar. Im Fall der Anlage K 8 sieht der Senat deswegen keine Fernbehandlung, weil die Empfehlung, einen Schwan­gerschaftstest durchzuführen, weder diagnostischer noch therapeutischer Natur ist und auch hinsichtlich der Abszessbildung die Antwort mit dem Hinweis, dass diese normalerweise nicht durch eine Schwangerschaft gefördert werde, letztlich eine Diagnose nicht gestellt wird. Schließlich stellt im Falle der Anlage 10 die Empfehlung, eine (wie eindeutig gemeint ist: ärztliche) Kontrolle durchzuführen, aus den zur Anlage K 8 dargelegten Gründen eine Fernbehandlung nicht dar. Das gilt auch angesichts der von der Beklagten gegebenen Empfehlung, dass das Sekret, das nicht milchig sein dürfe, und auch der Hormonwert untersucht werden solle, weil dies nur die empfohlene ärztliche Maßnahme näher beschreibt.

cc)
Die Beklagte betreibt – entgegen ihrer Auffassung – mit den von ihr erteilten und veröffentlichten Antworten in den sieben dargestellten Fällen Werbung für die Fernbehandlung.

§ 9 HWG untersagt – das ist der Beklagten einzuräumen – nicht die Durchführung der Fernbehandlung, sondern lediglich die Werbung für eine solche. Indes hat die Kammer zu Recht angenommen, dass die Beklagte durch ihre Teilnahme an dem Internetauftritt des H-Verlag auch Werbung für diese Fernbehandlung betreibt. Der Vorwurf, der angegriffenen Entscheidung liege durch eine Gleichsetzung der Fernbehandlung mit der Werbung für diese ein Zirkelschluss zugrunde, ist nicht gerechtfertigt.

Die konkreten Fragen und die jeweils Fernbehandlungen darstellenden Antworten der Beklagten sind für jeden registrierten Nutzer der Plattform des H-Verlages einsehbar. Schon darin liegt eine Werbung, die darauf gerichtet ist, den Interessenten dazu zu veranlassen, selbst medizinische Fragen an einen der Gesundheitsexperten zu richten. Es kommt hinzu, dass diese werbliche Wirkung noch – sogar nicht unerheblich – durch folgenden in der konkreten Verletzungsform der Anlage K 11 enthaltenen Hinweis verstärkt wird:

„Lesen Sie zusätzlich die Dialoge anderer Nutzer und entdecken Sie, dass Sie mit Ihren Erfahrungen nicht allein sind.“

b)
Zutreffend und unbeanstandet hat die Kammer auch angenommen, dass Verstöße gegen § 9 HWG der Regelung des § 4 Nr. 11 UWG unterfallen. Die Norm soll den Verbraucher vor möglichen schädlichen Folgen von Fernbehandlungen schützen und regelt mit diesem Ziel gleichermaßen das Verhalten der Marktteilnehmer.

c)
Die danach zu Recht beanstandete Werbung der Beklagten für Fernbehandlungen ist auch im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Das stellt die Beklagte nicht in Abrede und bedarf insbesondere angesichts der erhebliche Breitenwirkung einer Internetplattform keiner näheren Begründung.

3.)
Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten folgt aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Auf dessen Höhe hat es keinen Einfluss, dass die Abmahnung hinsichtlich der oben näher beschriebenen drei Fälle unbegründet war. Der Kläger macht eine Kostenpauschale geltend, deren Höhe nicht von der Anzahl der abgemahnten Verstöße abhängig ist (vgl. BGH GRUR 2010, 744, Rz 51 – „Sondernewsletter“).

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich entgegen der Meinung der Beklagten um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Die rechtlichen Anforderungen an eine Werbung für Fernbehandlungen im Sinne des § 9 HWG liegen fest, der Senat hat lediglich über die Anwendbarkeit der Norm im vorliegenden Einzelfall zu entscheiden.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird im Einverständnis der Parteien auf 25.000 € festgesetzt.

Vorinstanz:
LG Köln, Az. 84 O 131/11

I