OLG München: Anspruch auf Gegendarstellung besteht nur, wenn noch Aktualität zum betreffenden Presseartikel besteht / 4-Wochen-Frist

veröffentlicht am 15. Januar 2014

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG München, Urteil vom 20.09.2013, Az. 18 U 3075/13 Pre
§ 11 LPressG

Das OLG München hat entschieden, dass ein Anspruch auf Gegendarstellung nur dann besteht, wenn noch Aktualität zum betreffenden Presseartikel besteht. Im vorliegenden Fall bestätigte der Senat insoweit eine 4-Wochen-Frist. Der Kläger hatte u.a. argumentiert, die streitgegenständliche Darstellung habe sich in einer Wochenbeilage befunden, auf welche eine regelmäßige 4-6-Wochen-Frist zur Anwendung komme. Das Oberlandesgericht konnte sich dieser Wertung („Wochenbeilage“) allerdings nicht anschließen. Im Ergebnis ist bei der Übermittlung von Gegendarstellungen ein ganz besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der Frist zu legen. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht München

In dem Rechtsstreit

wegen Gegendarsteliung

erlässt das Oberlandesgericht München -18. Zivilsenat- durch … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2013 folgendes

Endurteil

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten werden das Endurteil des Landgerichts München I vom 31.07.2013 und die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 19.07.2013 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe

(abgekürzt nach § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig und begründet.

Dem Verfügungskläger steht ein Anspruch auf Veröffentlichung der beantragten Gegendarsteliung gem. Art. 10 BayPrG im Wege der einstweiligen Verfügung nicht zu. Da der streitgegenständliche Antrag des Verfügungsklägers nicht innerhalb der Aktualitätsgrenze geltend gemacht wurde, fehlt es am berechtigten Interesse an der Gegendarstellung.

Über den Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayPrG hinaus besteht ein berechtigtes Interesse an einer Gegendarsteliung nur dann, wenn nach objektiven Gesichtspunkten die Angelegenheit, wegen der eine Gegendarsteliung begehrt wird, noch so aktuell ist, dass sie dem Bewusstsein der Leser noch nicht entschwunden ist (OLG München NJW-RR 1989, 180; NJW-RR 1998, 26 f.). Ob eine Angelegenheit noch aktuell ist, beurteilt sich nach den Umständen des einzelnen Falles, wie der Person des Betroffenen, seiner Stellung in der Öffentlichkeit, nach dem Thema, dem Umfang und der Bedeutung der Meidung für den Betroffenen und insbesondere die Öffentlichkeit. Außerdem sind die Art und Erscheinungsweise des Druckwerks zu berücksichtigen, wobei grundsätzlich das gedruckte Wort in der Regel längeren Bestand hat als eine Äußerung in einer Hörfunk- oder Fernsehsendung (vgl. Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4, Aufl., Kap. 5, Rn. 60; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 11, Rn. 11.172, jeweils m.w.N.).

Zwar gelten für die Aktualitätsgrenze keine starren Fristen. Entscheidend ist der Einzelfall. Jedoch hat das erkennende Gericht Hinweise auf anzunehmende regelmäßige Fristen gegeben. So liegt die Grenze bei einem durchschnittlichen Artikel in einer Tageszeitung bei etwa vier Wochen (Seitz/Schmidt a.a.O. Rn. 61 m.w.N.), Angesichts der Funktion der Aktualitätsgrenze kommt es für deren Wahrung nicht nur darauf an, dass das Gegendarstellungsverlangen rechtzeitig bei der Verfügungsbeklagten eingeht, sondern auch darauf, dass der Verfügungsantrag so rechtzeitig beim Erstgericht eingeht, dass es bei der gebotenen zügigen Behandlung von Eilverfahren noch innerhalb der Aktualitätsgrenze eine erste Sachentscheidung treffen könnte (OLG München NJW-RR 1998, 26/27; Seitz/Schmidt a.a.O. Rnr. 62).

Ausgehend hiervon ist die Aktualitätsgrenze voriiegend überschritten. Der Artikel mit der beanstandeten Äußerung erschien am 15.06.2013. Der Verfügungsantrag ging am 17.07.2013, also vier Tage nach Ablauf der Vierwochenfrist beim Landgericht München I ein. Zwar ist der streitgegenständliche Artikel in der Wochenendausgabe der … im Teil … (entsprechend der Anlage BB 5) erschienen. Hieraus folgt jedoch nicht, dass auf die für wöchentlich erscheinende Zeitschriften geltende Regelfrist von etwa vier bis sechs Wochen abzustellen wäre. Bei dem Teil … der … handelt es sich aus der Sicht des Durchschnittslesers nicht um eine eigenständige, lediglich wöchentlich erscheinende Zeitung, wie der Verfügungskiäger meint. Die Schrifttype und auch die Aufmachung entsprechen derjenigen der täglich publizierten, anderen Bücher der … Der Leser nimmt den Teil … auch nicht deswegen als eigenständig wahr, weil er auszugsweise auf der ersten Seite der Wochenendausgabe der … vorgestellt wird. Ihm bleiben Inhalte aus der Wochenendausgabe vielmehr ohne jede Differenzierung danach, dass sie gerade im Teil … erschienen wären, als Mitteilungen der täglich erscheinenden … in Erinnerung.

Es liegen keine Umstände vor, die es rechtfertigen würden, die Aktualitätsgrenze trotz Überschreitung der Frist als gewahrt anzusehen. Es ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass der streitgegenständliche Artikel prominent platziert gewesen wäre. Bei der konkret angegriffenen Passage handelt es sich um eine einzelne kurze Äußerung. Ein besonderer Erinnerungswert des angegriffenen Beitrags ergibt sich auch nicht aus der Bekanntheit des Verfügungsklägers. Zwar betrifft die angegriffene Äußerung das Verhältnis zwischen dem Verfügungskläger und seiner Mutter, woraus angesichts der Popularität des Verfügungsklägers folgt, dass es sich aus der Sicht des Durchschnittslesers um eine nicht ganz unbedeutende Passage des Artikels, der den Verfügungskläger vor dem Hintergrund seines Heimatortes … darstellt, handelt. Andererseits erschöpft sich der Aussagegehalt des angegriffenen Zitats der Mutter des Verfügungsklägers – über die zuvor gesagt wird, dass sie nicht mit Journalisten spreche – auch darin, dass sie darauf hinweist, dass er sein eigenes Leben habe wie auch sie selbst. Zwar ist der Behauptung eine gewisse oder scheinbare Distanzierung der Mutter des Verfügungsklägers von diesem zu entnehmen. Jedoch ist nicht anzunehmen, dass die fragliche Äußerung mehr als vier Wochen nach dem Erscheinen der Zeitung im Gedächtnis des Durchschnittslesers haften geblieben ist. Der Verfügungskiäger kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm kein schuldhaftes Zögern vorzuwerfen sei und erst, nachdem die Parteien versucht hätten, eine Lösung zu finden und Rechtsargumente auszutauschen, der Antrag auf Erfass einer einstweiligen Verfügung notwendig geworden sei. Zwar wurde die Gegendarsteliung bereits innerhalb von 10 Tagen zugeleitet. Die Versäumung der Frist wurde vom Verfügungskläger jedoch dadurch ohne Not verschuldet, dass die vorgerichtiiche Korrespondenz zum Gegendarsteilungsverlangen bereits am 03.07.2013 mit Erhalt des Schreibens der Verfügungsbeklagten vom gleichen Tag, in dem diese erklärte, dass das Begehren zurückgewiesen werde und die Angelegenheit erledigt sei, beendet war (vgi. Anlage AG 4). Der Verfügungskiäger weist unzutreffend darauf hin, dass die Antragstellung bei Gericht erst am 17.07.2013 dem Umstand geschuldet gewesen sei, dass umfangreiche Korrespondenz hin und hergesandt worden sei. Die Verfügungsbeklagte hat dies unter Berufung auf die Anlage AG 4 bestritten. Eine Glaubhaftmachung seitens des Verfügungskiägers ist nicht erfolgt. Eine im Schriftsatz vom 15.08.2013 erwähnte Schutzschrift, in der Korrespondenz teilweise enthalten gewesen sein soll, existiert nicht.

Auch aus der vom Verfügungskläger in Bezug genommenen Entscheidung des OLG München vom 10.01.2006 (Anlage BB 8 ) ergibt sich keine andere Beurteilung. Wie aus den Urteilsgründen ersichtlich, war Gegenstand der Entscheidung, ob Art. 10 BayPrG im Wege einer Gesetzesanalogie zu Art. 18 BayMG und Art. 17 BayRG eine gesetzliche Regelung zum erforderlichen Zeitpunkt des Zugangs des Gegendarstetlungsverlangens beim Verpflichteten entnommen werden kann, was der Senat verneint hat. Dabei konnte in dem zu beurteilenden Faif ausdrücklich dahingestellt bleiben, wie die Aktualitätsgrenze (bezogen auf den Eingang eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der die Gegendarsteilung erstrebt wird) zu bestimmen ist. Auf Seite 10 der Urteilsgründe wird zudem festgestellt, dass die angegriffene Äußerung auch noch vier Monate nach ihrer Veröffentlichung diskutiert wurde. Der Entscheidung kann daher, anders als der Verfügungskläger meint, nicht entnommen werden, dass für die Einhaltung der Aktualititätsgrenze allein entscheidend sei, wann das Gegendarstellungsverlangen dem Verpflichteten zugeleitet wurde. Ergänzend wird hinsichtlich der Rechtsprechung des Senats zur Bemessung der Aktualitätsgrenze für Tageszeitungen auf die Entscheidung vom 25.01.2011, Az. 18 U 5310/10 Pre (abgedruckt bei juris), sowie für wöchentlich erscheinende Zeitschriften auf das Urteil vom 29.11.2011, Az.: 18 U 3582/11 Pre, verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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