OLG München: Beim Vorgehen gegen eine negative Bewertung muss die angebliche Unwahrheit einer Behauptung vom Kläger bewiesen werden

veröffentlicht am 6. März 2015

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG München, Beschluss vom 12.02.2015, Az. 27 U 3365/14
§ 823 BGB, § 1004 BGB; Art. 5 GG

Das OLG München hat entschieden, dass eine negative Bewertung auf einer Online-Handelsplattform nur dann einen Schadensersatzanspruch auslöst, wenn die angebliche Unwahrheit der Behauptung vom klagenden Onlinehändler nachgewiesen wird. Vorliegend wurde um eine angeblich falsche Montageanleitung gestritten. Zum Beweis der Richtigkeit der Anleitung genüge es jedoch nicht, diese vorzulegen und auf eine Vielzahl problemloser Verkäufe zu verweisen. Es müsse der tatsächliche Inhalt der Anleitung unter Beweis gestellt werden. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht München

Beschluss

I.
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 30.07.2014, Az.: 021 0 4589/13, wird durch einstimmigen Beschluss des Senats gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten.

II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

III.
Dieser Beschluss sowie das unter Ziffer I. genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 73.487,50 € festgesetzt.

Gründe

1.
Der Kläger begehrt vom Beklagten Unterlassung und Schadensersatz wegen behaupteter kreditschädigender Bewertungen durch den Beklagten im Internet.

Mit Endurteil vom 30.07.2014 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung führt es aus, Ansprüche des Klägers seien nicht gegeben, da dieser nicht den Nachweis geführt habe, dass die vom Beklagten verbreiteten Behauptungen tatsächlich falsch seien.

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. I Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der in der Berufungsinstanz beantragt:

Der Beklagte wird unter Abänderung des am 30.07.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Augsburg, Az.: 021 0 4589/13, verurteilt,

1. es zu unterlassen, auf Internetverkaufsplattformen wie Amazon und Ebay bei der Produktbewertung des Produktes WIP Insektenschutzfenster folgende oder inhaltsgleiche falsche Tatsachenbehauptungen und damit in Verbindung stehende negative Äußerungen über den Kläger und seine Verkaufstätigkeit zu verbreiten:

a) „In der Anleitung steht ganz klar, man muss den Innenrahmen messen, das ist falsch! Damit wird das Ganze zu kurz!“,

b) „In der Anleitung steht ganz klar, man muss den Innenrahmen messen, das ist falsch! Damit wird das Ganze zu kurz! Ich habe beim Verkäufer angerufen, Fazit: Er will sich dazu lieber nicht äußern, alleine das ist eine Frechheit“,

2. an den Kläger 34.000,-€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. an den Kläger 775,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

4. an den Kläger 487,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

5. an den Kläger weitere 4.000,-€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

6. es zu unterlassen, folgende oder inhaltsgleiche Äußerung über den Kläger im Zusammenhang mit dem Kauf des WIP Insektenschutzfensters über die Verkaufsplattform Amazon vom 28.06.2013 zu behaupten und/oder zu verbreiten: „Vk reagiert nicht“, insbesondere wie im Garantieantrag des Beklagten vom 03.10.2013 geschehen,

7. unter Abänderung des am 30.07.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Augsburg, Az.: 021 0 4589/13, wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aufgrund der falschen Tatsachenbehauptungen und damit in Verbindung stehenden negativen Äußerungen über den Kläger und seine Verkaufstätigkeit in der Produktbewertung des Produktes WIP Insektenschutzfenster auf der Verkaufsplattform Amazon noch entstehen wird. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor, die Beweisdarlegungslast liege beim Beklagten. Schon aufgrund dessen hätte das Urteil zugunsten des Klägers ausfallen müssen.

Des weiteren habe der Kläger rechtzeitig und ausreichend Beweis angeboten. Die Beweisangebote habe das Landgericht schlichtweg ignoriert und dadurch gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verstoßen. Schließlich habe das Erstgericht hinsichtlich der Anträge Ziffer 1 b und 6 schlichtweg eine Beweiswürdigung unterlassen, obwohl die vorgelegten Beweismittel die Falschheit der beanstandeten falschen Tatsachenbehauptungen eindeutig belegten. Im Übrigen sei dieser Sachverhalt auch unstreitig. Weiter habe das Erstgericht verfahrensfehlerhaft die Darlegungslast verkannt und gegen § 139 ZPO verstoßen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvortrages des Klägers wird auf die Berufungsbegründung vom 06.10.2014 (Bl. 113-120 d. A.) Bezug genommen.

Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 13.11.2014 ausführlich dargelegten, der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgenden Rechtsauffassung, auf die gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO Bezug genommen wird.

Die Stellungnahme des Klägers vom 19.01.2015 weist keine neuen entscheidungserheblichen, nicht bereits im Hinweis des Senats behandelten Gesichtspunkte auf.

Hierzu ist noch folgendes auszuführen:

1.
Wie bereits unter Ziffer 1. a) ausführlich dargelegt, steht bei der Äußerung des Beklagten „in der Anleitung steht ganz klar, man muss den Innenraum messen, das ist falsch! Damit wird das Ganze zu kurz!“ nicht die Tatsachenbehauptung, sondern das Werturteil im Vordergrund.

Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Erfassung ihres Sinnes voraus (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014, Az.: VI ZR 39/14 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des BGH). Dabei ist zu beachten, dass eine Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden.

Verfehlt ist es daher, die Äußerung des Beklagten „In der Anleitung steht ganz klar, man muss den Innenrahmen messen, das ist falsch!“ und die weitere Äußerung „Damit wird das Ganze zu kurz!“ unabhängig voneinander zu betrachten. Denn eine Trennung der wertenden und tatsächlichen Inhalte und isolierte Betrachtung dieser Äußerungen des Beklagten würde deren Sinn verfälschen.

Bei dieser Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Da der Beklagte durch seine Äußerung zum Ausdruck bringen wollte, dass er die Montageanleitung für falsch hält und ihre Befolgung zu einem nicht gewünschten Ergebnis führt, ist nach diesen Grundsätzen des BGH, denen auch der Senat folgt, die angegriffene Aussage des Beklagten insgesamt als Meinungsäußerung zu qualifizieren, die vom Grundrecht aus Art. 5 Abs. I Satz I GG gestützt wird.

2.
Ebenso verhält es sich mit den Äußerungen des Beklagten „Ich habe beim Verkäufer angerufen, Fazit: Er will sich dazu lieber nicht äußern, allein das ist eine Frechheit“. Auch hier handelt es sich um eine Äußerung, die Tatsachen und Wertungselemente enthält. Bei Einstufung dieser Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung ist deren Sinn und der Zusammenhang, in dem die Äußerung gefallen ist, zu beachten. Danach steht auch hier die Wertung durch den Beklagten, der sich, wie auch dem vorgelegten E-Mail-Verkehr K 1 zu entnehmen ist, durch den Verkäufer bei Problemen mit dem Fliegengitter nicht richtig beraten fühlt, insbesondere soweit der Beklagte im Rahmen des E-Mail-Verkehrs mehrfach auf das Innenmaß des Fensters laut Anleitung hinweist, wie es auch Schritt 1 der Anleitung „Messen sie zunächst Höhe H und Breite B des Innenrahmens ihres Fensters“ verlangt. Der Beklagte erhält zu diesem Problem nie eine konkrete Stellungnahme, wie dem E-Mail-Verkehr zu entnehmen ist, nie eine Antwort.

Auch diese Äußerung des Beklagten ist ihrem Sinngehalt entsprechend als Weiturteil einzustufen, das durch Art. 5 Abs. I Satz I GG geschützt ist. Dem E-Mail-Verkehr gemäß Anlage K 1 ist zwar zu entnehmen, dass der Kläger als Verkäufer die Mails des Beklagten beantwortet hat. Aus keiner der vorgelegten Mails des Verkäufers ergibt sich jedoch eine Lösung der Fragestellung des Beklagten. Dieser hat, wie seinen Mails zu entnehmen ist, entsprechend der Anleitung Schritt 1 den Innenrahmen des Fensters gemessen und dabei die Höhe H und Breite B ermittelt hat, dann der Anleitung folgend jeweils 1,2 cm bzw. 3,3 cm (vgl. Zeichnung 2) abgezogen hat und von den so ermittelten Maßen H und B entsprechend Schritt 2 nochmal 1,2 bzw. 3,3 cm abgezogen hat, mit der Folge, dass das Ganze zu kurz wurde.

3.
Hinsichtlich der ,,Richtigkeit“ der Montageanleitung ist den Ausführungen im Hinweis des Senats unter 1. b) nichts hinzuzufügen. Hält man sich streng an die teils in Wort und teils in Bild vorliegende Anleitung, führt dies zwangsläufig dazu, dass sowohl von der Höhe als auch von der Breite jeweils 2 x 1 ,2 cm bzw. 3,3 cm abzuziehen sind. Der Kläger selbst führt hierzu in seiner Stellungnahme vom 19.01.2015 auf Seite 7 aus, dass das Istgleichzeichen gemäß Abbildung 2 unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass das, was vor und hinter dem Gleichheitszeichen steht, den gleichen Wert hat. Dies hat zur Folge, dass H dem Wert h – 1 ,2 cm bzw. B dem Wert b – 3,3 cm entspricht.

4.
Die Rüge des § 139 ZPO geht ins Leere (vgl. 3 des Hinweisbeschlusses). Soweit das Erstgericht auf Seite 6 der Entscheidungsgründe ausführt, eine bloße Inaugenscheinnahme der Montageanleitung oder Lektüre könne keinen sicheren Nachweis für die inhaltliche Richtigkeit dieser Montageanleitung erbringen, liegt darin kein entscheidungserheblicher, zu einem anderen Judiz führender Rechtsfehler.

Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der vorgelegten Montageanleitung um ein durchaus taugliches Beweismittel. Die konsequente Befolgung dieser Anleitung führtjedoch zwingend dazu, dass, wie vom Beklagten vorgetragen, „das Ganze zu kurz“ wird.

5.
Hinsichtlich der Äußerung „VK reagiert nicht.“ liegt bereits kein Nachweis vor, dass dieser Wortlaut vom Beklagten stammt. Nach Vortrag des Beklagten ( B. 75 d. A. ) stammt diese Äußerung in Verbindung mit dem Garantieantrag von einem Mitarbeiter des Kundenservice von Amazon und auch Anlage K18 ist eine Äußerung des Beklagten selbst nicht zu entnehmen. Im Übrigen ist auch diese Äußerung in ihrem Zusammenhang und nach ihrem Sinngehalt als Weiturteil zu behandeln, da damit zum Ausdruck kommt, dass der Beklagte auf seine Anfragen keine zielführenden Lösungsvorschläge erhalten hat ( vgl. 1 . und 2.).

Ein entscheidungserheblicher Rechtsfehler des Landgerichts ist dabei nicht im Ansatz ersichtlich.

Im Übrigen wird auf § 313 Abs. 3 ZPO hingewiesen, wonach die schriftlichen Entscheidungsgründe nur eine kurze Zusammenfassung der entscheidenden Erwägungen enthalten.

6.
Die Entscheidung des OLG München vom 28.10.2014 (Az.: 18 U 1022/14) steht der streitgegenständlichen Entscheidung, die der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH (zuletzt im Urteil vom 16. Dezember 2014, VI ZR 39/14) folgt, nicht entgegen. Denn während in der streitgegenständlichen Entscheidung davon auszugehen ist, dass die Äußerungen des Beklagten als Werturteil und Meinung einzustufen sind, lag der Entscheidung des 18. Senats vom 28.10.2014 eine Tatsachenbehauptung zugrunde. Eine Vergleichbarkeit mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt scheidet bereits aus diesem Grunde aus.

Nach alledem erweist sich das Ersturteil in vollem Umfang als zutreffend.

Die Berufung ist daher durch einstimmigen Beschluss des Senats nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. I ZPO.

Die Feststellungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 3 ZPO festgesetzt.

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