OLG München: Wettbewerbsrechtliche Abmahnung wegen Verletzung von Datenschutzvorschriften nicht möglich

veröffentlicht am 1. März 2012

OLG München, Urteil vom 12.01.2012, Az. 29 U 3926/11
§ 4 Nr. 11 UWG; § 4 BDSG, § 28 Abs. 1 BDSG, § 28 Abs. 3 BDSG, § 35 BDSG

Das OLG München hat entschieden, dass eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung eines Unternehmers an einen Konkurrenten, der Werberundschreiben an zuvor abgeworbene Kunden versandte, nicht berechtigt ist. Durch die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes solle der einzelne Dateninhaber vor Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts geschützt werden, sie stellten jedoch keine zur Abmahnung berechtigenden Marktverhaltensregelungen dar (vgl. auch KG Berlin, Urteil vom 29.04.2011, Az. 5 W 88/11, hier; OLG Stuttgart, Urteil vom 22.02.2007, Az. 2 U 132/06, hier; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 30.06.2005, Az. 6 U 168/04, hier). Zitat:


„b)
Die Nutzung von Daten, die sich auf ehemalige Kunden der Antragsgegnerin beziehen, für das Werbe(rund)schreiben (vgl. Anlage A, Anlage ASt 2, Anlage B 13), stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

c)
Bei § 4, § 28 Abs. 1, Abs. 3, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BDSG handelt es sich indes nicht um gesetzliche Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG.

aa)
Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Die betreffende Vorschrift muss jedenfalls auch die Funktion haben, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln (vgl. BGH GRUR 2010, 654, Rn. 18 – Zweckbetrieb; BGH GRUR 2006, 872, Rn. 15 – Kraftfahrzeuganhänger mit Werbeschildern). Eine Marktbezogenheit im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG liegt nur dann vor, wenn die Vorschrift, gegen die der Wettbewerber bei seinem geschäftlichen Handeln verstößt, eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion aufweist (vgl. BGH GRUR 2010, 654, Rn. 23 – Zweckbetrieb). Ob eine Vorschrift einen derartigen Marktbezug hat, ist unter Heranziehung des Gesetzeszwecks zu beurteilen (vgl. BGH GRUR 2007, 162, Rn. 12 – Mengenausgleich in Selbstentsorgergemeinschaft).

Zweck des Bundesdatenschutzgesetzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird (§ 1 Abs. 1 BDSG). Diese Zwecksetzung steht im Einklang mit Art. 1 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.09.2003 geänderten Fassung. Gemäß dem in § 4 Abs. 1 BDSG statuierten Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit das Bundesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat (vgl. Gola/Schomerus, BDSG, 10. Aufl., § 4, Rn. 3). Neben dem genannten Zweck ist dem Bundesdatenschutzgesetz ein weiterer – sei es auch nur sekundärer – Zweck, das Werbeverhalten von Unternehmen im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln bzw. gleiche Voraussetzungen für werbende Unternehmen zu schaffen, nicht zu entnehmen.

Das Datenschutzrecht ist Ausfluss des Persönlichkeitsrechts und schützt ganz allgemein diese Individualrechtsposition (von Walter, Rechtsbruch als unlauteres Marktverhalten, S. 235). Es geht dabei nicht konkret um den Schutz in der Rolle als Marktteilnehmer (von Walter aaO. S. 235). Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes stellen ungeachtet dessen, dass sich ihre Verletzung im Geschäftsleben durchaus auswirken kann, grundsätzlich keine Marktverhaltensregelungen dar (MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11, Rn. 69 [mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 28 Abs. 4 Satz 2 BDSG]; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4 Nr. 11, Rn. 79; Gärtner/Heil, WRP 2005, 20, 22; Hoeren, VersR 2005, 1014, 1022; Elskamp, Gesetzesverstoß und Wettbewerbsrecht, S. 182 [mit Ausnahme des § 28 Abs. 4 BDSG]; Büttner, Festschrift für Erdmann, 2002, S. 545, 559 unter Bezugnahme auf OLG Frankfurt, Urt. v. 13.12.2000 – 13 U 204/98 sowie auf BGH, Nichtannahmebeschl. v. 15.11.2001 – I ZR 47/01). Weder Verbraucher noch Unternehmer werden von § 4 Abs. 1, § 28 Abs. 1, Abs. 3, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BDSG im Hinblick auf wettbewerbliche Interessen als Marktteilnehmer geschützt, die für einen Verstoß gegen § 3, § 4 Nr. 11 UWG allein relevant sind (vgl. KG, Beschluss vom 05.10.2007 – 2 W 1/07 Kart = Anlage K 2, UA S. 5 f.; a.M. OLG Köln, Urt. v. 19.11.2010 – 6 U 73/10, juris, Rn. 13 sowie tendenziell Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4, Rn. 11.42). An dieser Beurteilung ändert angesichts des vorstehend erörterten Gesetzeszwecks nichts, dass § 28 Abs. 3 BDSG ausdrücklich die Zulässigkeit der Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke der Werbung regelt (vgl. auch BGH GRUR 2006, 872, Rn. 16 ff. – Kraftfahrzeuganhänger mit Werbeschildern).

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann hier dahinstehen, ob der Anwendung von § 4 Abs. 1, § 28 Abs. 1, Abs. 3, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BDSG als gesetzliche Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG im Übrigen entgegenstünde, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken eine vollständige Angleichung des Rechts der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt und in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie) daher – von in der Richtlinie eröffneten Ausnahmen (vgl. insbesondere Art. 3 Abs. 4, Abs. 5) abgesehen – weder mildere noch strengere nationale Regelungen zulässt (vgl. BGH, Urt. v. 09.06.2011 – I ZR 17/10, Rn. 46, juris – Computer-Bild; BGH GRUR 2011, 843, Rn. 14 – Vorrichtung zur Schädlingsbekämpfung; EuGH GRUR 2011, 76, Rn. 27, Rn. 37 – Mediaprint).“

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