OLG Nürnberg: Will der Rechtsanwalt ein fristwahrendes Fax verschicken lassen, darf er nicht nur eine Checkliste mit Anweisungen verfassen, sondern muss auch den späteren Sendebericht kontrollieren

veröffentlicht am 1. Juli 2013

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Nürnberg, Beschluss vom 18.06.2013, Az. 2 U 515/13
§ 233 ZPO

Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz per Fax verschicken lässt, seinen Sorgfaltspflichten auch dann noch nicht ausreichend nachkommt, wenn er eine „Checkliste für fristwahrende Schriftsätze“ führt und auf dieser zum Unterpunkt „vorab per Telefax?“ notiert „Überprüfung des Sendeberichts (Seiten vollständig, Anlagen vollständig?“. Erforderlich sei vielmehr die Überprüfung des Sendeberichts vor Fristablauf. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Nürnberg

Beschluss

I.
Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

II.
Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22.02.2013, Az. 7 O 8332/12, wird verworfen.

III.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war dem Beklagten nicht zu gewähren:

1.
Der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, § 234 Abs. 1 ZPO.

2.
Der Antrag ist aber nicht begründet, weil der Beklagte nicht ohne sein Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten, § 233 ZPO.

Der Schriftsatz vom 26.04.2013 ist innerhalb der am 26.04.2013 ablaufenden Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht weder im Original noch als Fax eingegangen. Das Original ist beim Oberlandesgericht am 27.04.2013 eingegangen. Das Fax ist, wie sich aus den Übertragungsprotokollen feststellen lässt, nicht an das Gerät des Oberlandesgerichts (-2880), sondern an das der Strafabteilung beim Amtsgericht Nürnberg (-2882) geschickt worden und nach Weiterleitung im gewöhnlichen Geschäftsgang beim Oberlandesgericht erst am 29.04.2013 eingegangen. Nach dem durch eine eidesstattliche Versicherung von Frau H… S… glaubhaft gemachten anwaltlichen Vorbringen des Beklagtenvertreters beruht dies darauf, dass die bisher stets zuverlässige Sekretärin des Beklagtenvertreters versehentlich im Kopf des Schriftsatzes die falsche Faxnummer eingetragen hat und dies auch nicht bei der Überprüfung des Sendeberichts aufgefallen ist.

Das erste Versehen ist dem Beklagten nicht zuzurechnen; er braucht sich nur ein etwa vorkommendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigen selbst zurechnen zu lassen, nicht aber Versehen von dessen Kanzleipersonal. Auch wenn der Beklagtenvertreter den Schriftsatz vom 26.04.2013 zu einem Zeitpunkt unterzeichnet hat, zu dem die (falsche) Faxnummer schon eingesetzt war, liegt darin kein Verschulden. Die anwaltliche Prüfungspflicht bezieht sich nur auf die Richtigkeit der Bezeichnung des Gerichts, nicht dagegen auf die richtige postalische Anschrift oder Faxnummer. Diese Unterscheidung findet ihre Begründung darin, dass der Anwalt zwar für rechtlich korrekte Zuordnung eines fristgebundenen Schriftsatzes zum richtigen Gericht verantwortlich ist, weil er insoweit als juristischer Fachmann gefordert wird; dagegen kann er sich hinsichtlich der richtigen postalischen Anschrift des von ihm bestimmten Gerichts in der Regel auf seine zuverlässigen Angestellten verlassen, weil es sich hier um eine büromäßige Aufgabe ohne jeden Bezug zu Rechtsfragen handelt (BGH, Beschluss vom 23.03.1995, Az. VII ZB 19/94, NJW 1995, 2015, recherchiert bei juris).

Ein – dem Beklagten zuzurechnendes – Verschulden des Anwalts liegt aber darin, dass dieser nicht durch eine ausreichende allgemeine Kanzleianweisung sichergestellt hat, dass bei der Überprüfung des Sendeberichts auch die Richtigkeit der gewählten und im Sendebericht erscheinenden Nummer anhand einer zuverlässigen Quelle kontrolliert wird.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Rechtsanwalt bei Versendung von Schriftsätzen per Telefax durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird. Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können. Dabei genügt der Vergleich der auf dem Sendebericht ausgedruckten Faxnummer mit der in den Schriftsatz eingesetzten nicht. Dieser Abgleich ist nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Faxnummer zutreffend ermittelt wurde. Die Überprüfung der Richtigkeit der im Sendebericht ausgewiesenen Empfängernummer ist deshalb anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle vorzunehmen, aus dem bzw. der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist. Nur so kann die Gefahr beherrscht werden, dass fristgebundene Rechtsmittelschriften und Rechtsmittelbegründungen per Fax trotz richtiger Gerichtsadressierung versehentlich an einen anderen Empfänger gelangen. Es reicht allerdings die allgemeine Anweisung aus, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der schriftlich niedergelegten Faxnummer zu vergleichen, die ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist; in solchen Fällen ist nicht erforderlich, diese Nummer nach Absenden des Schriftsatzes noch ein weiteres Mal anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 27.03.2012, Az. VI ZB 49/11, NJW-RR 2012, 744, recherchiert bei juris). Auch wenn in der Vergangenheit einzelne Senate des Bundesgerichtshofs einen Vergleich der im Sendebericht genannten mit der in der Akte genannten Telefaxnummer für ausreichend gehalten haben, wenn die Nummer aus einem Schreiben des Empfangsgerichts im selben Verfahren ermittelt worden war, genügt die vom Beklagtenvertreter vorgelegte „Checkliste für fristwahrende Schriftsätze“ den Anforderungen an eine ausreichende allgemeine Kanzleianweisung nicht. Dort wird zwar zunächst durch die – knappe, aber möglicherweise noch ausreichende – Formulierung „Richtige/aktuelle Faxnummer“ angewiesen, die aktuelle Nummer aus einer zuverlässigen Quelle zu ermitteln; bei dem Punkt „Überprüfung des Sendeberichts“ wird aber durch den Klammerzusatz „Seiten vollständig, Anlagen vollständig?“ nur eine Kontrolle darauf angeordnet, dass alle Seiten des Schriftsatzes und der Anlagen übertragen worden sind. Die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderliche Überprüfung anhand des Sendeberichts, ob die dort genannte Nummer auch die zutreffende Nummer des Empfangsgerichts ist, wird dort überhaupt nicht erwähnt. Der Klammerzusatz lässt auch nicht durch Formulierungen wie „usw.“, „insbesondere“ oder ähnliches erkennen, dass sich die Überprüfung auf weitere Gesichtspunkte erstrecken solle. Dieses Verschulden, das in einer nicht ausreichenden allgemeinen Kanzleianweisung liegt, ist im vorliegenden Fall auch für die Fristversäumung kausal geworden. Insbesondere kann der Senat nach dem konkreten Vortrag des Beklagtenvertreters, er habe Frau S… „auf den bevorstehenden Fristablauf hingewiesen und ihr die Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift per Telefax vorab sowie durch Versendung per Post an das OLG Nürnberg konkret aufgetragen“, auch nicht davon ausgehen, dass der Beklagtenvertreter seine Sekretärin in diesem Einzelfall konkret angewiesen hätte, die aus dem Sendebericht ersichtliche Faxnummer daraufhin zu überprüfen, ob sie zum Empfangsgericht gehört. Nur dann, wenn eine solche konkrete Einzelanweisung erteilt, aber durch die sonst zuverlässige Kanzleiangestellte nicht oder unrichtig ausgeführt worden wäre, wäre ein anwaltliches Verschulden ausgeschlossen. Da der Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 16.05.2013 erkennbar den vollständigen Inhalt seiner Anweisung an die Sekretärin mitgeteilt hat, bestand auch kein Anlass, Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben.

II.
Da die Berufung des Beklagten somit nicht innerhalb der am 26.04.2013 ablaufenden Frist des § 520 Abs. 2 ZPO beim Oberlandesgericht Nürnberg eingegangen ist, war sie gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen; die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf die Entscheidung hingewiesen hat openjur.de (hier).

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