OLG Saarbrücken: Abmahnung muss dem Abgemahnten eine sachliche Prüfung ermöglichen

veröffentlicht am 10. August 2015

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 16.03.2015, Az. 1 W 7/15
§ 12 UWG; § 93 ZPO

Das OLG Saarbrücken hat entschieden, dass eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung den Anforderungen genügt, wenn sie dem Abgemahnten eine sachliche Prüfung des vorgeworfenen Verstoßes ermöglicht. Dazu sei es nicht erforderlich, dass jede Einzelheit mitgeteilt werde, soweit der Abgemahnte aus den erhaltenen Informationen und etwas Aufklärungswillen den Verstoß nachvollziehen könne. Gebe der Abgemahnte keine Unterlassungserklärung auf eine solche Abmahnung ab, gebe er Veranlassung zum Erlass einer einstweiligen Verfügung. Zum Volltext der Entscheidung:

Saarländisches Oberlandesgericht

Beschluss

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hier:sofortige Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch … am 16. März 2015 beschlossen:

1.
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten gegen die in dem Urteil des Landgerichts -Kammer für Handelssachen I Saarbrücken vom 14. Januar 2015 – Az.: 7 HK 0 68/14 – ergangene Kostenentscheidung wird zurückgewiesen.

2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Verfügungsbeklagten zur Last.

3.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Durch das im Beschlusstenor näher bezeichnete Urteil hat das Landgericht – Kammer für Handelssachen – Saarbrücken auf den Kostenwiderspruch der Verfügungsbeklagten nach von dieser am 4.11.2014 abgegebener Abschlusserklärung unter Anerkenntnis der in Zift. 1 und 2 des Beschlusses vom 15.10.2014 ergangenen ordnungsmittelbewehrten Untersagungsanordnung die Beschlussverfügung im Kostenpunkt bestätigt und der Verfügungsbeklagten die weiteren Kosten des Verfahrens auferlegt.

Das Landgericht hat den Standpunkt vertreten, dass die nach Einreichung des Verfügungsgesuches abgegebene Abschlusserklärung der Verfügungsbeklagten vom 4.11.2914 kein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO darstelle, da die Verfügungsbeklagte nach am 2.1.2014 erfolgter ordnungsgemäßer Abmahnung durch die Nichtabgabe der von der Verfügungsklägerin begehrten vertragsstrafebewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung Veranlassung zur Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens gegeben habe.

Gegen die Kostenentscheidung in dem ihr am 20.1.2015 zugestellten Urteil hat die Verfügungsbeklagte mit am 3.2.2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.1.2015 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie anstrebt, dass die Kosten des einstweiligen Verfügungsrechtsstreits der Verfügungsklägerin auferlegt werden.

II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.

1.
Die isolierte Anfechtung der in dem Urteil vom 14. Januar 2015 ergangenen Kostenentscheidung mit der sofortigen Beschwerde ist statthaft. Gegen ein Urteil, das über den Kostenwiderspruch entscheidet, ist nach herrschender, vom Senat geteilter Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum die sofortige Beschwerde analog § 99 Abs.2 ZPO und nicht die Berufung gegeben (Zöller-Herget, ZPO. 30. Aufl. Rn. 17 zu § 99 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen ). Ein Anerkenntnis liegt auch vor, wenn der Schuldner nach Erlass der einstweiligen Verfügung durch Abgabe einer Abschlusserklärung zu erkennen gibt, dass er die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung akzeptiert. Hierdurch wird ein weiteres Verfahren in der Hauptsache, dem danach das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde, vermieden (BGH GRUR 2010, 855; Köhler/Bornkamp, UWG, 33.Aufl. Rn.3.77 zu § 12 mwN; Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl. Rn. 183 zu § 12 mwN; Fezer, UWG, Rn. 137 f. zu § 12). Der auf den Kostenpunkt beschränkte Widerspruch (Kostenwiderspruch) stellt ein Anerkenntnis unter Verwahrung gegen die Auferlegung der Kosten dar. Ob nach dem Anerkenntnis ein förmliches Anerkenntnisurteil ergeht, ist für die Anwendbarkeit von § 93 ZPO ohne Belang (Musielak-Lackmann, ZPO, 11. Aufl. Rn. 3 zu § 93 mwN).

Der Streitwert in der Hauptsache übersteigt den in § 511 ZPO genannten Betrag. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200 € (§ 567 Abs.2 ZPO). Da die Form des § 569 ZPO und die Notfrist von 2 Wochen, die durch die am 22.10.2014 erfolgte Zustellung des Urteils in Gang gesetzt wurde, gewahrt sind, ist die sofortige Beschwerde zulässig.

2.
In der Sache bleibt dem Rechtsmittel der Erfolg jedoch versagt. Das Landgericht hat der Verfügungsbeklagten zu Recht die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Voraussetzung für die Anwendung des § 93 ZPO wäre, dass die Verfügungsbeklagte vorgerichtlich keine Veranlassung zur Anrufung des Gerichts und zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben haben darf. Ein Verfügungsbeklagter hat dann Veranlassung zur Anrufung des Gerichts gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf ein mögliches Verschulden so war, dass der Verfügungskläger annehmen musste, er werde ohne die beantragte einstweilige Verfügung nicht zu seinem Recht kommen (einhellige Auffassung vgl. u.a. Zöller­Herget, ZPO, Rn. 3 zu § 93 mwN).

Unterlassungsansprüche nach dem UWG setzen tatbestandlich eine Wiederholungsgefahr voraus, die bei stattgefundener Verletzungshandlung vermutet wird. Die Wiederholungsgefahr kann regelmäßig nur durch die Abgabe einer vertragsstrafbewerten Unterlassungsverpflichtungserklärung ausgeräumt werden.

Allerdings ist der Verletzte in solchen Fällen im eigenen Interesse gehalten, den Störer vorher abzumahnen. Denn wenn der Verletzer vorgerichtlich erfolglos abgemahnt wurde und er keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat, hat er regelmäßig zur Klageerhebung Veranlassung gegeben (Zöller-Herget, a.a.O. Rn. 6 zu § 93 Stichwort: Wettbewerbsstreitigkeiten; OLG Hamburg NJW 1986, 2119; OLG Frankfurt WRP 1978, 825).

Die Abmahnung muss den Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhaltens, das Verlangen nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, eine (angemessene) Fristsetzung für die Abgabe dieser Erklärung und die Androhung gerichtlicher Maßnahmen enthalten (Fezer a.a.O. Rn. 8 f. zu § 12 mwN).

Der Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhaltens muss dabei so konkret angegeben werden, dass der Schuldner erkennen kann, was ihm in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorgeworfen wird. Erforderlich ist dazu die Angabe der konkreten Verletzungshandlung, die so genau bezeichnet werden muss, dass der Abgemahnte weiß, was ihm vorgeworfen wird, so dass er die erforderlichen Schlussfolgerungen ziehen kann (OLG Koblenz GRUR 1981,671,674; Fezer a.a.O.). Dazu müssen zwar nicht zwingend alle Einzelheiten des Wettbewerbsverstoßes angegeben werden (OLG Hamburg WRP 1995, 125). Die Informationen müssen aber so genau sein, dass sie dem Abgemahnten eine sachliche Prüfung ermöglichen. Beweismittel brauchen nicht angegeben zu werden (KG GRUR 1983, 673, 674).

Die Verfügungsklägerin hat der Verfügungsbeklagten in ihrem Abmahnschreiben vom 2.10.2014 (BI. 77 f. d.A.) mitgeteilt, eine Kundin der Verfügungsklägerin habe am Nachmittag am 11.9.2014 den Anruf eines Herrn J. B. erhalten, der sie zunächst gefragt habe, ob sie Post von ihrem Energiezulieferer erhalten habe, da sie hierauf noch nicht geantwortet habe. Nachdem die Kundin dies verneint habe, habe Herr J. B. ihr gesagt, das Schreiben sei dringend und sie müsse unbedingt hierauf reagieren und am Telefon einen Vertrag abschließen. Der Anrufer habe weiter behauptet, dass er für einen Zulieferer arbeite, der die Verfügungsklägerin mit Ökostrom beliefere, da diese keinen 100-prozentigen Ökostrom bereitstellen könne. Bei dem Zulieferer handele es sich um die Firma S. (Anmerkung des Senats: die Verfügungsbeklagte betreibt unter dieser Bezeichnung eine Internet-Webseite und sie ist Inhaberin einer so lautenden Wort-Bildmarke); die Verfügungsklägerin wünsche die Kontaktaufnahme ausdrücklich. Der Anrufer habe die Kundin in der Folge unter Druck gesetzt und ihr den Eindruck vermittelt, dass sie ohne den ihr angedienten Vertragsabschluss mit S. keinen Strom mehr erhalte, woraufhin es zu dem gewünschten Vertragsabschluss gekommen sei, den die Kundin, die sich getäuscht und überrumpelt fühlte, anschließend per E-Mail und Einschreiben mit Rückschein widerrufen habe.

Die Verfügungsbeklagte bat die Verfügungsklägerin nach Erhalt der Abmahnung mit Anwaltsschreiben vom 9.10.2014 (BI. 101 f. d.A.) zwecks Klärung des Sachverhalts um ergänzende Mitteilung des Namens und der Anschrift der betreffenden Kundin, ohne die es ihr (vorgeblich) nicht möglich sei zu klären, ob das behauptete Gespräch und wenn ja mit welchem Inhalt stattgefunden hat. Für den Fall der vollständigen Mitteilung des Sachverhalts behielt sich die Verfügungsbeklagte ein sofortiges Anerkenntnis mit der entsprechenden Kostenfolge vor.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass das Abmahnschreiben der Verfügungsklägerin den inhaltlichen Anforderungen genügt und die Verfügungsbeklagte in die Lage versetzt hat, die behauptete Verletzungshandlung zu klären und die erforderlichen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Der Verfügungsbeklagten wurde nicht nur mitgeteilt, wann sich der gerügte Wettbewerbsverstoß genau ereignet hat, nämlich am Nachmittag des 11.9.2014, sondern auch, dass er eine in Saarbrücken wohnhafte Kundin der Verfügungsklägerin betraf. Darüber hinaus wurde der Verfügungsbeklagten der verantwortliche Vertriebsmitarbeiter namentlich bekannt gegeben und sie wurde ferner davon in Kenntnis gesetzt, dass es zu einem Vertragsabschluss mit der Kundin gekommen war und dass diese den Vertrag anschließend per E-Mail und durch Einschreiben mit Rückschein widerrufen hat (BI. 79 d.A.).

Aufgrund dieser Informationen war die Verfügungsbeklagte – auch ohne Mitteilung des Namens und der Anschrift der Kundin – bei vorhandenem Aufklärungswillen ohne weiteres zu einer hinreichenden Klärung des Sachverhalts in der Lage.

Der Einwand der Verfügungsbeklagten, sie habe sämtliche weibliche Kundinnen, die am 11.9.2014 in Saarbrücken von Vertriebsmitarbeitern kontaktiert wurden, anrufen und diese befragen müssen, ob die beanstandeten Äußerungen ihnen gegenüber gemacht wurden, geht fehl.

Die Verfügungsbeklagte hätte lediglich den ihr namentlich bekannt gegebenen Vertriebsmitarbeiter J. B. zitieren und ihn wegen der am Nachmittag des 11.9.2014 zu von ihm akquirierten und später widerrufenen Verträgen mit in Saarbrücken wohnhaften Kundinnen befragen müssen. Dabei hätte der Vertriebsmitarbeiter unter Aufzeigen der bei unrichtigen Angaben drohenden Konsequenzen zu den von der Verfügungsklägerin beanstandeten Behauptungen befragt und die Verfügungsbeklagte hätte in Abhängigkeit vom Ergebnis dieser Befragung entscheiden können, ob sie die gewünschte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgibt oder nicht.

Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs.1 ZPO zurückzuweisen.

Vorinstanz:
LG Saarbrücken, Az. 7 HK O 68/14

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