OLG Schleswig: Bereits einmaliges Angebot eines kompletten Musikalbums erfüllt Filesharing im „gewerblichen Ausmaß“

veröffentlicht am 19. März 2010

OLG Schleswig, Beschluss vom 05.02.2010, Az. 6 W 26/09
§ 101 UrhG

Das OLG Schleswig hat entschieden, dass der Upload eines kompletten Musikalbums als Rechtsverletzung im „gewerblichen Ausmaß“ zu werten ist. In Rechtsprechung und Literatur werde bislang zwar nicht gänzlich einheitlich gewertet, welche Voraussetzungen an eine Rechtsverletzung „gewerblichen Ausmaßes“ zu knüpfen seien (vgl. Musiol GRUR-RR 2009, 1 ff.; Otten GRUR-RR 2009, 369 ff. – beide mit umfangreichem Rechtsprechungsnachweis -; OLG Köln GRUR-RR 2009, 9 ff.; OLG Zweibrücken GRUR-RR 2009, 12 ff.; LG Darmstadt GRUR-RR 2009, 13 ff.; LG Frankfurt GRUR-RR 2009, 15 f.; OLG Oldenburg a.a.O.).

Im Erwägungsgrund 14 zur Entforcement-Richtlinie sei der Begriff des „gewerblichen Ausmaßes“ aber näher erläutert. Danach sei jede Rechtsverletzung erfasst, die auf einen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteil ausgerichtet sei. Eine Gewinnerzielungsabsicht oder eine gewisse Regelmäßigkeit oder Dauer seien danach für ein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung nicht erforderlich. Dasselbe gelte für die Erzielung dauerhafter Einnahmen.

Der Senat folge für den Bereich des Filesharing der Auffassung, dass eine Mindestanzahl von Abrufen bereitgehaltener Dateien für die Annahme gewerbsmäßigen Ausmaßes nicht erforderlich sei (so auch LG Darmstadt GRUR-RR 2009, 13). Maßgeblich sei vielmehr, dass der Nutzer eines Filesharing-Dienstes danach strebt, einen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Ohne gegenteilige Anhaltspunkte könne der Abruf einer urheber- oder leistungsschutzrechtlich geschützten Datei in einem legalen Umfeld nach allgemeiner Lebenserfahrung nur gegen Entgelt erwartet werden. Der Anbieter eines geschützten Werks in einem Filesharing-Dienst erziele den wirtschaftlichen Vorteil, Aufwendungen zu ersparen. Denn mit dem Einstellen von Dateien in einen solchen Dienst bezwecke er, gleichermaßen eingestellte Dateien anderer Nutzer dieses Dienstes ebenfalls kostenfrei – widerrechtlich – herunterladen zu können. Somit sei auch das Heraufladen von Dateien für die Weiterverbreitung an eine unbegrenzte Zahl möglicher Nutzer eine Rechtsverletzung, die unmittelbar auf die Erlangung eines Vorteils ausgerichtet sei. Das öffentliche Angebot einer Datei zum Herunterladen sei keine private Nutzung (vgl. OLG Köln, Magazindienst 2009, 489 ff.).

Das „gewerbliche Ausmaß“ der hier maßgeblichen Rechtsverletzungen ergebe sich zudem aus der Schwere der Rechtsverletzungen (§ 101 Abs. 1 Satz 2 UrhG; BT-Drucksache 16/8783, S. 50). Entscheidend bei der Feststellung der Schwere der Rechtsverletzung sei, ob diese üblicherweise mit einer auf einem gewerblichen Handeln beruhenden Rechtsverletzung verbunden sei. Der Senat folgte der Ansicht, dass dieses Ausmaß auch bei einem einmaligen Angebot eines kompletten Musikalbums während der relevanten Verkaufs- und Verwertungsphase erreicht werde (OLG Köln a. a. O.). Wer ein solches Album unkontrolliert zum Herunterladen durch die Öffentlichkeit in eine Tauschbörse einstelle, verliere jeglichen Einfluss über die weitere Verbreitung dieser Datei und füge dem Rechtsinhaber einen unkontrollierbaren Schaden zu. Ein solches Verhalten stelle eine Rechtsverletzung im Ausmaß entsprechend einer widerrechtlichen gewerblichen Nutzung der fremden Rechte durch den Verletzer dar.

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