OLG Stuttgart: Ein Antrag auf Feststellung der grundsätzlichen Schadensersatzpflicht erhöht Streitwert nicht

veröffentlicht am 13. Januar 2009

OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.12.2008, Az. 7 W 79/08
§§
5 ZPO i. V. m. 48 Abs. 1 GKG; §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. 264a StGB, 826 BGB

Das Oberlandesgericht hat festgestellt, dass ein Antrag auf grundsätzliche Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dann keinen Einfluss auf die Bemessung des Streitwertes eines Verfahrens hat, wenn gleichzeitig auf Schadensersatz geklagt wird. Der Antrag sei in diesem Fall mit dem Zahlungsantrag wirtschaftlich identisch, so dass die Addition der einzelnen Streitwerte zu unterbleiben hat. Dabei sei unerheblich, dass bei Geltendmachung der Ansprüche in unterschiedlichen Verfahren jedem Anspruch ein eigener Streitwert zuzumessen sei.


Oberlandesgericht Stuttgart

Beschluss

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Ulm vom 15.09.2008 (2 O 17/08) wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Der Kläger nahm vorliegend zunächst eine als GmbH & Co. KG organisierte Finanzberatungsgesellschaft, deren Komplementärin (die Verwaltungs-GmbH) sowie den Beklagten als Geschäftsführer in Anspruch. Gegen die beiden Erstgenannten wurden Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung im Rahmen eines Beratervertrages geltend gemacht. Dem Kläger war eine Kapitalanlage in Form einer Beteiligung vermittelt worden. Des Weiteren verlangte der Kläger in diesem Zusammenhang von allen drei Beteiligten Schadenersatz aus unerlaubter Handlung. Gegenüber dem Beklagten begehrte er zusätzlich die Feststellung, dass dieser dem Kläger aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zu Schadensersatz verpflichtet ist. Hinsichtlich der beiden Erstgenannten wurde die Klage zurückgenommen. Mit dem Beklagten schloss der Kläger einen Vergleich.

Das Landgericht hat den Streitwert entsprechend dem geltend gemachten Zahlungsanspruch in Höhe von 10.947,93 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der die Auffassung vertreten wird, der Streitwert des Feststellungsantrags sei auf 80% des Leistungsantrags zu bemessen.

II.
Die nach § 68 Abs. 1 GKG i. V. mit § 32 Abs. 2 RVG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1.
Der zusätzliche Feststellungsantrag erhöht den Streitwert nicht, weil er mit dem Zahlungsantrag wirtschaftlich identisch ist.

a)
Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche sind nur dann gemäß § 5 ZPO i. V. mit § 48 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen, wenn sie wirtschaftlich unterschiedliche Streitgegenstände betreffen. Bei wirtschaftlicher Identität hat die Addition zu unterbleiben (OLGR Karlsruhe 2004, 388 m.w.N.).

b)
Zwar kann die Feststellung, dass ein gleichzeitig zuerkannter Schadensersatzanspruch auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht, in der anschließenden Zwangsvollstreckung (§ 850 f Abs. 2 ZPO) und auch bei einer späteren Insolvenz des Beklagten (§§ 302 Nr. 1, 174 Abs. 2 InsO) für den Kläger von Vorteil sein. Eine solche Feststellung kann grundsätzlich seine Aussicht verbessern, den Zahlungstitel im Rahmen einer Privilegierung zu realisieren. Im vorliegenden Fall ist die Zahlungsklage gegen den Beklagten aber ausschließlich auf ein Vorsatzdelikt gestützt (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 264a StGB; § 826 BGB). Sie konnte hinsichtlich des Beklagten, zu dem keine vertragliche Beziehung bestand, auch nur mit dieser Begründung Erfolg haben. Daher bedurfte es einer zusätzlichen Feststellung des Vorliegens einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung nicht. Für den Nachweis einer Bevorzugung im Sinne von § 850 f Abs. 2 ZPO genügt es, wenn in dem vollstreckbaren Titel der deliktische Schuldgrund und der erforderliche Verschuldensgrad genannt sind (BGHZ 152, 148; BGH NJW 2005, 1663). Auch für eine Forderungsanmeldung nach § 174 Abs. 2 InsO sind Weiterungen nicht erforderlich. Ein gesonderter Feststellungsantrag ist daher nur dann streitwerterhöhend zu berücksichtigen, wenn nach dem Klagevorbringen auch ein anderer Rechtsgrund als ein solcher aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung in Betracht kommt (OLG Dresden MDR 2008, 50). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Unerheblich ist, dass bei einer Geltendmachung der Ansprüche in verschiedenen Prozessen jeder Anspruch mit einem eigenen Streitwert berücksichtigt werden müsste. Dieses Problem stellt sich auch bei anderen wirtschaftlich identischen Ansprüchen. Entscheidend ist, dass eine Zusammenfassung der Ansprüche eine einheitliche Betrachtung erforderlich macht (OLG Stuttgart BauR 2003, 131).

Die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgebrachte Entscheidung des OLG Dresden (Beschluss vom 02.03.2007; 1 AR 11/07) hat im Verlaufe des dortigen Rechtsstreits deutlichen Widerspruch erfahren (OLG Dresden MDR 2008, 50). Bemerkenswert ist, dass die spätere Entscheidung nicht vorgelegt wurde, obwohl die Prozessbevollmächtigten beider Seiten zumindest an dem einleitenden Verfahren über die Gerichtsstandsbestimmung beteiligt waren. Der Senat schließt sich aus den vorgenannten Gründen der späteren Entscheidung an.

2.
Im Übrigen wäre der mit der Beschwerde geltend gemachte Streitwert in der Höhe unangemessen. Ein zusätzlicher Feststellungsantrag in der vorliegenden Konstellation erhöht den Streitwert allenfalls geringfügig (OLG Dresden MDR 2008, 50; Zöller-Herget, ZPO, 27 Auflage, § 3 Rn. 16 [Feststellungsklage] – maximal 5 %).

III.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

I