VG Berlin: Verbreitung jugendgefährdender Schriften fällt nicht unter Kunstfreiheit

veröffentlicht am 16. Februar 2011

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtVG Berlin, Beschluss vom 16.12.2010, Az. 27 L 355.10
§§ 5 Abs. 1, 20 Abs. 4 JMStVtr; Art. 5 Abs. 3 GG

Das VG Berlin hat entschieden, dass der Betreiber eines Internetportals für erotische Kunst in Form von Literatur, Videos und Fotografie sich nicht auf die Kunstfreiheit berufen kann, wenn Textpassagen enthalten sind, in denen sexuelle Vorgänge explizit, im Detail und drastisch beschrieben werden. Ohne ausreichende Maßnahmen zur Sicherstellung, dass Minderjährigen diese Inhalte nicht zugänglich gemacht werden, gehe der Jugendschutz vor. Die gesetzliche Folge, dass bei jugendgefährdenden Angeboten der Anbieter dafür zu sorgen habe, dass Kinder oder Jugendliche sie üblicherweise nicht wahrnehmen, was durch technische Mittel oder zeitliche Einschränkung des Angebots erfolgen könne, trage den kollidierenden Grundrechten hinreichend Rechnung und unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem Anbieter war zuvor aufgegeben worden, dass er die Webseite nur zwischen 22.00 und 6.00 Uhr „einschalten“ dürfe, was das VG als gerechtfertigt ansah. Zum Volltext der Entscheidung:


Verwaltungsgericht Berlin

Beschluss

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller betreibt als Domaininhaber ein unter den Web-Adressen „w… und „ w… “ ohne zeitliche oder personelle Beschränkungen aufrufbares Internetportal, das erotische Kunst in Form von Literatur, Videos und Fotografie bereithält.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2008 teilte jugendschutz.net dem Antragsteller mit, dass auf diesem Internetportal abrufbare Angebote jugendgefährdend und unzulässig seien – wobei zwei Buchtexte auszugsweise als beanstandenswert zitiert wurden – und forderte zur Schließung dieser Angebote auf. Zugleich fertigte jugendschutz.net eine Vorlage für die Prüfgruppe der Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (nachfolgend: KJM), mit der ein Verstoß gegen das Pornographieverbot geltend gemacht wurde. Die Prüfgruppe kam in ihrer Sitzung vom 10. September 2008 unter Bezugnahme auf einen Beispielstext, ein Beispielvideo und die Verlinkung auf ein Foto zu dem Ergebnis, dass das Angebot des Antragstellers entwicklungsbeeinträchtigend gemäß § 5 Abs. 1 JMStV sei und zudem kein Jugendschutzbeauftragter bestellt sei. Die Antragsgegnerin informierte daraufhin den Antragsteller mit Schreiben vom 17. November 2008 über das Ergebnis der Prüfung bei der Prüfgruppe der KJM und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. In seiner Stellungnahme vom 22. Dezember 2008 legte der Antragsteller dar: Es handele sich bei dem Onlineportal um einen Teil eines seit August 1990 bestehenden Kunstprojektes, in dessen Rahmen bis 2005 auch eine wöchentliche Lesung in Zusammenarbeit unter anderem mit dem Berliner Schriftstellerverband veranstaltet worden sei und das 2007 auf den Buchhandel ausgeweitet worden sei, wo unter dem Label „E…“ mehrere Bücher veröffentlicht worden seien. Auch bei dem Onlineauftritt würde eine strikt künstlerische Konzeption und Zielrichtung verfolgt. So würden die Geschichten unter dem Namen bzw. dem Pseudonym des Autors veröffentlicht, es gäbe keine Rubriken oder thematische Kategorien, das Archiv sei lediglich in alphabetischer bzw. chronologischer Reihe sortiert, wobei die Titel der Geschichten keine Rückschlüsse auf den Inhalt zuließen. Bei den Videoclips handele es sich um solche, die bereits auf anderen öffentlich zugänglichen Videoportalen unbeanstandet veröffentlicht worden seien und über die berichtet werden solle.

Die Antragsgegnerin wies mit Schreiben vom 6. Januar 2009 den Antragsteller darauf hin, dass die KJM den beispielhaft genannten Text und das Video nicht als pornographisch, sondern lediglich als entwicklungsbeeinträchtigend gewertet habe und gab erneut Gelegenheit zur Stellungnahme, die der Antragsteller nicht nutzte. Die Antragsgegnerin gab daraufhin unter dem 15. Februar 2010 für beide Webadressen eine Entscheidungsempfehlung für den Prüfausschuss der KJM ab, in dem es heißt: „1. Die KJM stellt fest, dass das … Angebot… gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV verstößt. 2. Gegenüber dem Anbieter ist wegen des Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV eine Beanstandung auszusprechen. Für die Erstellung des Bescheides wird… eine Verwaltungsgebühr in Höhe von insgesamt 75 € empfohlen… 3. Gegenüber dem Anbieter ist wegen des anhaltenden Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV durch das Angebot … eine medienrechtliche Untersagung auszusprechen“. Ferner wurde der Erlass eines Bußgeldbescheides wegen des Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie die Einleitung eines Verfahrens wegen des Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV und dessen Abgabe an die Staatsanwaltschaft empfohlen. Diese Entscheidungsempfehlung billigte der 31. Prüfausschuss Telemedien der KJM einstimmig.

Mit zwei Bescheiden vom 27. September 2010 beanstandete der Direktor der Antragsgegnerin das unter den Web-Adressen „w… und „ w… “ vom Antragsteller verbreitete Internetangebot als Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV. Ferner untersagte er dem Antragsteller, das genannte Angebot in dieser Fassung weiter zu verbreiten; der Antragsteller erfülle seine gesetzliche Verpflichtung in Zukunft, wenn er dafür Sorge trage, dass Kinder und Jugendliche die entsprechenden Inhalte nicht wahrnähmen, was durch Begrenzung der Verbreitungszeit, Vorschaltung eines technischen oder sonstigen Schutzes oder durch Entfernung aller entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte aus dem Angebot geschehen könne. Für den Fall, dass innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides weiterhin gegen den Bescheid verstoßen werde, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1500 € angedroht, die sofortige Vollziehung der Beanstandung, Untersagungsverfügung und Zwangsmittelandrohung wurde angeordnet. Schließlich wurden dem Antragsteller die Verfahrenskosten auferlegt und eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 75 € festgesetzt. Zur Begründung bezieht sich die Antragsgegnerin auf dem Wortlaut ausgewählter auszugsweise wiedergegebener Texte, die unter der Rubrik Literatur im Internetportal des Antragstellers abrufbar seien, die sexuelle Vorgänge explizit und zum Teil grob anreißerisch beschrieben. Das gesamte literarische Angebot der Webseite sei auf diese Art und Weise ausgerichtet. In Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz habe die KJM die Texte in ihrer Gesamtheit zwar als zulässig bewertet, gleichwohl könne eine Überforderung Minderjähriger aufgrund der explizit geschilderten sexuellen Vorgänge im Einklang mit dem Erfahrungshorizont dieser Altersgruppe nicht ausgeschlossen werden. Das Internetangebot enthalte trotz der Berücksichtigung des Gesamtangebotes und der künstlerischen Gestaltung entwicklungsbeeinträchtigende Textpassagen, die ohne Jugendschutzprogramm oder Altersverifikationssystem einsehbar und damit unzulässig seien. Im vorliegenden Fall sei nach Ansicht der KJM dem Jugendschutz Vorrang vor dem Kunstvorbehalt einzuräumen. Das Programm dürfe daher Minderjährigen nicht zugänglich gemacht werden. Es müsse sichergestellt sein, dass das Angebot durch ein Jugendschutzprogramm oder andere Vorkehrungen geschützt werde, da die Seite Textpassagen enthalte, in denen sexuelle Vorgänge explizit, im Detail und drastisch beschrieben werden. Das Weiteranbieten des Internetangebotes werde für die Zukunft untersagt, da sonst die Gefahr bestehe, dass der Verstoß gegen den JMStV auch in Zukunft fortgesetzt werde. Deshalb sei auch die Androhung eines Zwangsgeldes erforderlich. An der sofortigen Vollziehbarkeit der getroffenen Maßnahme bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse, denn die natürliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sei ein Schutzgut mit einem für die Allgemeinheit besonders hohen Wert, angesichts dessen der andauernde Rechtsverstoß bis zu einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung nicht länger hingenommen werden könne.

Der Antragsteller hat am 11. Oktober 2010 Klagen erhoben und zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das Gericht hat die beiden Klageverfahren (27 K 356.10 und 27 K. 358.10) sowie die beiden Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz jeweils zur gemeinsamenEntscheidung verbunden.

Der Antragsteller trägt vor, die Antragsgegnerin habe keine hinreichende Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz vorgenommen. Es liege ein Eingriff in die Kunstfreiheit vor, denn wenn er die Webseite nur zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr einschalten dürfte, diese während der Hauptnutzungszeit des Internets aber abgeschaltet lassen müsse, könne von zensurgleicher Wirkung gesprochen werden. Im Übrigen handele es sich bei der streitgegenständlichen Webseite um ein einziges Angebot, die Antragsgegnerin habe deshalb fehlerhaft die zwei Domains zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht. Ferner sei die Stellungnahme des Antragstellers offenbar nicht in die Entscheidung der KJM eingeflossen, wie sich aus einer im Verwaltungsvorgang (Bd. 1, Seite 106/107) enthaltenen Mail ergebe. Schließlich sei der Antragsteller auch nicht ordnungsgemäß angehört worden, seine Anhörung sei rund zwei Jahre vor Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgt.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage (VG 27 K 356.10) gegen die Bescheide vom 27. September 2010 wiederherzustellen,

hilfsweise, die sofortige Vollziehung aufzuheben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Hauptantrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. Er muss sich auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die angefochtenen Bescheide richten (§ 80 Abs. 5 S. 1 erster Halbsatz VwGO). Denn die angefochtenen Bescheide sind nach § 7 Abs. 3 2. Hs des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks in der Fassung vom 14. Mai 2009 (GVBl S. 251 – nachfolgend: MStV -) als Maßnahmen der Aufsicht über Veranstalter kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Soweit der Antragsgegner zusätzlich die sofortige Vollziehung der mit den Bescheiden angeordneten Maßnahmen angeordnet hat, beruht dies offenbar auf der Rechtsprechung der Kammer, die im Beschluss vom 26. Mai 2008 (VG 27 A 37.08) ein überwiegendes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht aus der damaligen Regelung des § 7 Abs. 3, 2.Hs MStV (in der Fassung des Gesetzes vom 29. März 2007 [GVBl Seite 131]) – wonach die Klage gegen Entscheidungen der Medienanstalt (ausnahmslos) keine aufschiebende Wirkung hat – herleiten konnte, weil der Gesetzgeber ausweislich der damaligen Gesetzesbegründung mit der Regelung lediglich den sofortigen Vollzug zur Lizenzierungs- und Frequenzbelegungsentscheidungen ermöglichen wollte (vgl. Beschluss a.a.O., Seite 4 des amtlichen Umdrucks). Hieran kann angesichts der den Umfang der gesetzlichen Vollziehbarkeit von Entscheidungen der Medienanstalt abschließenden Bestimmung des § 7 Abs. 3 2.Hs MStV in der hier maßgeblichen Fassung der Neuregelung vom 14. Mai 2009 jedoch nicht mehr festgehalten werden.

Der Prüfungsmaßstab des Gerichts bestimmt sich demzufolge entsprechend § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch das Gericht setzt dementsprechend voraus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestehen. Das ist jedoch nicht der Fall:

1.
Rechtsgrundlage der Beanstandung und der Untersagungsverfügung (Ziffern 1 und 2 der angefochtenen Bescheide) sind § 20 Abs. 1 und 4 des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz im Rundfunk und Telemedien – JMStV – in der seit 1. April 2010 geltenden Fassung (vgl. Art. 2 des 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrags, GVBl.2009, S. 39) i.V.m. § 59 Abs. 3 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag) – RStV – [ebenfalls in der seit 1. April 2010 geltenden Fassung des 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrags, GVBl.2009, S. 39]. Der Antragsteller ist Anbieter von Telemedien i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 3 RStV, wobei das Gericht auf der Grundlage der Angaben des Antragstellers davon ausgeht, dass er die auf dem Internetportal über die in den Bescheiden genannten Webseiten zugänglichen Informationen – erotische Kunst in Form von Literatur, Videos und Fotografie – selbst vermittelt. Der Antragsteller ist damit nach § 7 Abs. 1 des Telemediengesetzes (BGBl 2007 I S. 251) – TMG – für diese von ihm zur Nutzung bereitgehaltenen Informationen verantwortlich und damit richtiger Adressat für die von der Antragsgegnerin als nach dem Sitz des Antragstellers zuständiger Landesmedienanstalt „durch die KJM“ zu treffenden Maßnahmen (§ 20 Abs. 4 und 6 JMStV).

Die Beanstandung und die Untersagungsverfügung sind rechtmäßig. Der Antragsteller verstößt mit seinem über die beiden Web-Adressen zeitlich und personell ungehindert zugänglichen Internetportal gegen § 5 Abs. 1 JMStV, da dieses Angebot in seiner gegenwärtigen Form geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen und bei der Verbreitung dieses Angebots vom Antragsteller nicht dafür Sorge getragen wurde, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen dieses Angebot üblicherweise nicht wahrnehmen. Die mit dem Angebot des Antragstellers verbundene Jugendgefährdung wurde aufgrund der Beschlussempfehlung der Antragsgegnerin vom 31. Prüfausschuss Telemedien der KJM einstimmig festgestellt; die einstimmige Entscheidung des Prüfausschusses gilt nach § 14 Abs. 5 S. 3 JMStV als Entscheidung der KJM.

Das von der KJM angenommene Vorliegen einer Jugendgefährdung ist nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung der Kammer (Urteil vom 28. Januar 2009 – VG 27 A. 61.07 – [rechtskräftig] Juris Rn. 37 ff, 41) kommt der KJM für die mit dem in § 5 Abs. 1 JMStV tatbestandlich verwendeten Begriff „geeignet … die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen… zu beeinträchtigen“ notwendigerweise verbundene Bewertung zwar kein Beurteilungsspielraum zu, ihre Entscheidung stellt aber eine sachverständige Äußerung eines unabhängigen (vgl. § 14 Abs. 6 S. 1 JMStV) und sachverständigen (§ 14 Abs. 3 S. 1 JMStV) Gremiums dar, die im gerichtlichen Verfahren verwertet werden kann, sofern die Begründung des Gremiums plausibel ist und von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht. Es ist dann Sache des Betroffenen, die Plausibilität oder die Bewertungsgrundlage der sachverständigen Äußerung zu erschüttern; erfolgt dies – wie im vorliegenden Verfahren – nicht, so kann das Gericht von der Richtigkeit der Bewertung durch das sachverständige Gremium ausgehen.

Danach bestehen keine Zweifel daran, dass das Angebot des Antragstellers im Sinne von § 5 Abs. 1 JMStV jugendgefährdend ist. Der Prüfausschuss der KJM hat einstimmig der Entscheidungsempfehlung der Antragsgegnerin vom 15. Februar 2010 zugestimmt, in der es heißt: „… Das Angebot ist zwar insgesamt nicht unzulässig, darf aber nach Auffassung der mabb Minderjährigen nicht zugänglich gemacht werden, bzw. es sollte sichergestellt sein, dass das Angebot durch ein Jugendschutzprogramm oder anderer Vorkehrungen geschützt ist, da die Seite Textpassagen enthält, in denen sexuelle Vorgänge explizit, im Detail und drastisch beschrieben werden. Unter der Rubrik ‚Literatur‘ findet sich beispielsweise der Text ‚ Blue Moon‘, der explizit sexuelle Vorgänge beschreibt, wie folgende Ausschnitt belegt:… In Abwägung zwischen der Kunstfreiheit und dem Jugendschutz werte die die mabb den Text in seiner Gesamtheit als zulässig. Gleichwohl kann eine Überforderung Minderjähriger aufgrund der explizit geschilderten sexuellen Vorgänge (Analverkehr, möglicherweise in irgendeiner erzwungenen Form) im Einklang mit dem Erfahrungshorizont dieser Altersgruppe jedoch nicht ausgeschlossen werden, so dass eine Entwicklungsbeeinträchtigung i.S. von § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV zu befürchten steht…“. Die mit der Zustimmung des Prüfausschusses bestätigte Bewertung dieser Textpassage, die in den angefochtenen Bescheiden durch weitere Beispiele aus der im Internetportal zugänglichen Literatur ergänzt wird, ist ohne weiteres plausibel, die Textpassage selbst ist unverfälscht und im Internetportal des Antragstellers zugänglich. Beides wird vom Antragsteller selbst nicht infrage gestellt.

Die Untersagungsverfügung ist auch nicht unverhältnismäßig. Sie erfasst die in § 5 Abs. 3 JMStV genannten Möglichkeiten, unter denen der Antragsteller sein Internetportal über die beiden Domains zugänglich halten kann; der Antragsteller wird nicht dazu gezwungen, sein Angebot nur während seiner Ansicht nach unattraktiver Zeiten zu verbreiten.

2.
Die Einwendungen des Antragstellers gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide greifen nicht durch.

a)
Soweit der Antragsteller einwendet, Maßnahmen gegen sein Angebot seien schon deshalb unzulässig, weil sein Angebot durch die schrankenlose Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) geschützt sei, ist dem nicht zu folgen: Es ist durchaus fraglich, ob der Antragsteller mit seinem Angebot Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 GG ist. Das Angebot des Antragstellers besteht in der Bereitstellung eines den Nutzern über das Internet zugänglichen Internetportals, in dem fremde Kunsterzeugnisse – ähnlich wie in einer Präsenzbibliothek – betrachtet werden können. Hierfür wird der Grundrechtsschutz jedenfalls über die Grundrechte zur Kommunikationsfreiheit – also Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 GG – vermittelt; insoweit ist die Grundrechtsausübung durch den Gesetzesvorbehalt der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 1 GG) bzw. den Jugendschutz (Art. 5 Abs. 2 GG) jedoch bereits von Verfassungs wegen beschränkt. Dem Antragsteller – der nicht dargetan hat, selbst Verfasser der in seinem Internetportal angebotenen Literatur usw. zu sein – könnte der Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG nur dann zukommen, wenn er maßgeblich daran beteiligt ist, dass diese Literatur der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Unter diesem Aspekt hat das BVerfG etwa den Verleger eines Buches (BVerfGE 30, 173 [191]) die Grundrechtsträgerschaft aus Art. 5 Abs. 3 GG zuerkannt (krit. dazu: Scholz in Maunz-Dürig, GG, 4 d) dd) zu Art. 5 Abs. 3). Hierfür hat der Antragsteller jedoch nichts glaubhaft gemacht.

Einer weiteren Aufklärung bedurfte dies schon deshalb nicht, weil auch unter der Prämisse, dass das Angebot des Antragstellers durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt wäre, die von der Antragsgegnerin getroffenen Maßnahmen verfassungskonform sind. Dass der Schutz der Jugend aufgrund des in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verbrieften elterlichen Erziehungsrechts und aufgrund des Rechts der Kinder und Jugendlichen auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG Verfassungsrang hat, hat das BVerfG wiederholt – auch in der vom Antragsteller zitierten Entscheidung vom 27. November 1990 (1 BvR 402/87 – Mutzenbacher -) – festgestellt (a.a.O., Juris Rn. 32 ff). Der Gesetzgeber ist daher befugt, der vorbehaltlos gewährleisteten Kunstfreiheit Belange des Kinder- und Jugendschutzes gegenüberzustellen, wenn eine Gefährdung von Kindern und Jugendlichen nicht vernünftigerweise auszuschließen ist (a.a.O., Juris Rn. 37). Die vom BVerfG aufgestellten Anforderungen an ein solches Gesetz werden vom JMStV erfüllt, wobei – gegenüber der vom BVerfG a.a.O. entschiedenen Indizierung eines einzelnen Literaturwerkes – das Risiko einer Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch Beiträge in Telemedien schon deswegen erhöht ist, weil praktisch jeder Altersgruppe im Internet ein Zugang zu allen Beiträgen ermöglicht wird, wobei sogar ein zufälliger Aufruf jugendgefährdender Internetbeiträge nicht ausgeschlossen ist. Insbesondere vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich, dass der Gesetzgeber des JMStV in § 5 die Entscheidung, welche Angebote geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, nicht selbst trifft, sondern sie einem sachverständigen Gremium – der KJM bzw. anerkannten Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle (§§ 14,19 JMStV) – überlässt. Der erforderliche Ausgleich mit den Grundrechten aus Art. 5 GG im Wege praktischer Konkordanz ist gesetzlich durch § 5 Abs. 3 JMStV erfolgt, danach ist gewährleistet, dass auch ein entwicklungsbeeinträchtigendes Angebot weiter verbreitet werden kann, sofern sichergestellt wird, dass der geschützte Personenkreis der Kinder und Jugendlichen dieses Angebot nicht ohne weiteres wahrnehmen kann. Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistet keinen Anspruch des Grundrechtsträgers darauf, dass ein zur Beeinträchtigung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen geeignetes Kunstwerk Kindern und Jugendlichen jederzeit frei – also ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten – zugänglich ist, weil gerade im Fall der Kollision zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz dem Verfassungsgebot des Jugendschutzes Rechnung zu tragen ist. Die gesetzliche Folge – bei jugendgefährdenden Angeboten hat der Anbieter dafür zu sorgen, dass Kinder oder Jugendliche (§ 3 Abs. 1 JMStV) sie üblicherweise nicht wahrnehmen, was durch technische Mittel oder zeitliche Einschränkung des Angebots erfolgen kann (§ 5 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 S. 1 JMStV) – trägt den kollidierenden Grundrechten hinreichend Rechnung und unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

b)
Soweit der Antragsteller die KJM als verfassungsrechtlich unzulässige Mischverwaltung ansieht, verkennt er den Charakter der KJM. Diese ist sachverständiges Organ der jeweils zur Medienaufsicht berufenen Landesmedienanstalt (§ 14 Abs. 2 S. 2 JMStV ), das sich aus Mitgliedern aus dem Kreis der Direktoren der Landesmedienanstalten sowie von den für den Jugendschutz zuständigen obersten Landesbehörden und der obersten Bundesbehörde entsandten Personen zusammensetzt und das nicht weisungsgebunden ist (§ 14 Abs. 3, Abs. 6 JMStV). Eine Beteiligung staatlicher Behörden an der schon wegen Art. 5 Abs. 2 GG nur staatsfern möglichen Medienaufsicht findet nicht statt, sie liegt insbesondere nicht schon in der Entsendung sachverständiger Personen durch die genannten Behörden in das Gremium KJM, da diese Personen nicht notwendigerweise Behördenbedienstete sind, jedenfalls bei ihrer Tätigkeit bei der KJM keinen Weisungen unterliegen.

c)
Es liegen auch keine verfahrensrechtlichen Fehler vor, die die Suspendierung der angefochtenen Bescheide rechtfertigen könnten. Der vom Antragsteller geltend gemachte Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt nicht vor. Dem Antragsteller ist hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden; § 28 Abs. 1 VwVfG ist nicht verletzt. Wie aus der Tatbestandsschilderung ersichtlich, hatte der Antragsteller nicht nur Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis der Prüfung bei der Prüfgruppe der KJM im November 2008, sondern ihm wurde diese aufgrund seiner den Gesichtspunkt „Jugendgefährdung im Sinne von § 5 Abs. 1 JMStV“ nicht erfassenden Stellungnahme vom 22. Dezember 2008 erneut am 16. Januar 2009 eingeräumt. Dass damit der Vorschrift des § 28 Abs. 1 VwVfG Genüge getan ist, ergibt sich aus dem Verlauf des Verfahrens bei der KJM. Nach § 9 Abs. 1 der Geschäftsordnung der KJM (siehe www.kjm-online.de , Stichwort „Recht“, Geschäftsordnung) werden zur Vorbereitung der Entscheidung der Prüfausschüsse und der KJM Prüfgruppen eingesetzt, die die Prüffälle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufarbeiten und Entscheidungsempfehlungen abgeben. Eine solche Prüfgruppe hat aufgrund der von Jugendschutz. net im Juli 2008 eingegangenem Beschlussempfehlung, dass der Antragsteller mit dem Zugänglichmachen seines Internetportals gegen § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 in Verbindung mit S. 2 JMStV (einfache Pornografie) verstößt, in der Präsenzprüfung vom 10. September 2008 einstimmig entschieden, dass der Antragsteller mit dem Angebot nicht gegen das Pornografieverbot verstößt, das jedermann zugängliche Angebot jedoch Textpassagen und Videos bereithalte, die von der Prüfgruppe einhellig als entwicklungsbeeinträchtigend gemäß § 5 Abs. 1 JMStV gewertet würden. Die daraufhin erfolgende Anhörung des Antragstellers war erforderlich, um dem Entscheidungsgremium der KJM – also (zunächst) dem Prüfausschuss, im Falle einer nicht einstimmigen Entscheidung dem Plenum der KJM (§ 8 Abs. 6 GO-KJM) – das auch eine Stellungnahme des Betroffenen umfassende Material zur Entscheidungsfindung in die Hand zu geben. Nach der einstimmigen Entscheidung des Prüfausschusses im vorliegenden Fall bedurfte es schon deshalb keiner erneuten Anhörung des Antragstellers, weil die einstimmige Entscheidung des Prüfausschusses als Entscheidung der KJM gilt (§ 14 Abs. 5 S. 3 JMStV) und die Entscheidung der KJM gegenüber den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend ist (§ 17 Abs. 1 S. 5 JMStV); eine Stellungnahme des Antragstellers hätte zu diesem Zeitpunkt daher keine Auswirkungen auf die von der Antragsgegnerin zu treffende Maßnahme mehr haben können.

Soweit der Antragsteller geltend macht, seine Stellungnahme vom 22. Dezember 2008 sei nicht in die Entscheidung der KJM eingeflossen und dies aus einer Mail der Justitiarin der Antragsgegnerin vom 16. Oktober 2009 (nicht, wie der Antragsteller zitiert, 2010, vgl. Bl. 106 Verwaltungsvorgang I [roter Hefter]) herleiten will, verkennt er bereits, dass diese Mail nichts mit dem vorliegenden Beanstandungs- und Untersagungsverfahren zu tun hat, sondern sich auf eine Entscheidungsempfehlung der Antragsgegnerin vom 11. Januar 2010 für den Prüfausschuss zur Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens bezieht. Dagegen lagen den Mitgliedern des im vorliegenden Fall entscheidenden 31. Prüfausschusses mit der Entscheidungsempfehlung der Antragsgegnerin vom 15. Februar 2010 auch deren Anlagen – darunter: Stellungnahme des Anbieters vom 22. Dezember 2008 – vor, wie sich aus dem Anschreiben des Vorsitzenden der KJM an die Mitglieder des 31. Prüfungsausschusses vom 22. Februar 2010 ergibt.

Auch der Verfahrensablauf bei dem Prüfausschuss macht dessen Entscheidung nicht rechtsfehlerhaft. Zwar entspricht die gängige und offensichtlich auch hier angewandte Verfahrenspraxis, den Mitgliedern des Prüfausschlusses zur Entscheidungsfindung im Umlaufverfahren „Faxantworten“ vorzulegen, die direkt an den Vorsitzenden der KJM zurückgesandt werden und von deren Inhalt die anderen Mitglieder des Prüfausschusses keine Kenntnis haben, nicht den Anforderungen an eine Gremienentscheidung (vgl. dazu ausführlich Urteil der Kammer vom 28. Januar 2009 – VG 27 A 61.07 -, Juris Rn. 56). Denn eine kollegiale Entscheidungsfindung setzt voraus, dass jedes Mitglied des Gremiums Kenntnis davon hat, für welche Entscheidung die anderen Gremienmitglieder votieren. Jedoch lässt die Einstimmigkeit der parallel, nicht kollegial getroffenen Entscheidung des Prüfausschusses offensichtlich sein, dass dieser Ausschuss auch in einem ordentlichen Umlaufverfahren – also einem koordinierten Miteinander der Entscheidungsfindung – zum gleichen Ergebnis gekommen wäre. Da die getroffene Entscheidung auch materiell rechtmäßig ist – wie oben unter 1 dargestellt -, ist der Verfahrensfehler damit entsprechend § 46 VwVfG als unbeachtlich anzusehen.

d)
Keinen Verfahrensfehler stellt es dar, dass die Antragsgegnerin in den angefochtenen Bescheiden beide Domains des Antragstellers zum Gegenstand medienaufsichtsrechtlicher Maßnahmen gemacht hat. Denn nicht die Domains, sondern das Internetportal, auf das über diese zugegriffen werden kann, ist jugendgefährdend. Damit hat die Antragsgegnerin sicherzustellen, dass ein Zugriff auf das Internetportal über alle Domains nur unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 JMStV möglich ist.

3.
Auch die Zwangsmittelandrohung ist rechtmäßig. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid offenbar das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Brandenburg, zudem mit falscher Zitierweise (§ 56 statt richtig § 16 usw.) angegeben hat. Für den Antragsteller ist jedoch nach seinem Wohnsitz das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Berlin zugrundezulegen, das dem bundesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsgesetz gleicht (vgl. § 5 Abs. 2 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung). Danach ist das Zwangsgeld die richtige Vollstreckungsmaßnahme, da die Untersagungsverfügung eine unvertretbare Handlung betrifft (§ 11 Abs. 1 VwVG). Die Antragsgegnerin ist Vollstreckungsbehörde (§ 7 Abs. 1 VwVG), die Zwangsmittelandrohung entspricht den Anforderungen des §§ 13 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 VwVG, die angedrohte Höhe des Zwangsgeldes ist im Hinblick auf § 11 Abs. 3 VwVG aus den im Bescheid angegebenen Gründen nicht zu beanstanden.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 39 ff, 52 GKG, wobei zu berücksichtigen war, dass sich die Maßnahme auf zwei Domains bezieht.

I