VG Karlsruhe: Auf Bundesland beschränktes Glückspielangebot ist rechtswidrig

veröffentlicht am 4. Oktober 2009

VG Karlsruhe, Beschluss vom 19.08.2009, Az. 3 K 1261/09
§ 80 Abs. 5 VwGO, § 9 Abs. 1 S. 1 – 3 GlüStV

Das VG Karlsruhe hat entschieden, dass ein auf das Bundesland Baden-Württemberg beschränktes Glücksspielverbot rechtswidrig ist. Nach vorheriger Anhörung durch das Hessische Ministerium des Innern hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe der Antragstellerin mit Verfügung vom 18.05.2009 untersagt, in Baden-Württemberg Glücksspiel zu veranstalten, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen. Die Antragsstellerin begehrte daraufhin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 18.05.2009 anzuordnen, u.a. weil ihr etwas Unmögliches abverlangt werde; es sei technisch nicht durchführbar, bei jedem Spielinteressierten festzustellen, wo er sich aufhalte. Diese Rechtsansicht vertrat auch das Verwaltungsgericht. Noch am 22.07.2009 hatte der BayVGH eine Erfüllung des Glückspielverbots mittels Geolokalisierung für machbar gehalten (Link: BayVGH).

Die auf § 9 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 GlüStV gestützte Verbotsverfügung sei nach ständiger Rechtsprechung der Kammer voraussichtlich insofern rechtswidrig, als das der Antragstellerin mit der Untersagungsverfügung etwas Unmögliches abverlangt werde (vgl. Bay. VGH, Beschl.v. 07.05.2007 – 24 CS 07.10 -, juris; Hess. VGH, Beschl.v. 29.10.2007 – 7 TG 53/07 -, unveröffentlicht; Nied. OVG, Beschl.v. 03.04.2009 – 11 ME 399/09 -, ZfWG 2009, 184; VG Karlsruhe, Urt.v. 25.02.2008 – 3 K 2917/06 -; Urt.v. 25.02.2008 – 3 K 3141/06; Urt.v. 17.12.2007 – 3 K 3056/06 -; Urt.v. 17.12.2007 – 3 K 196/07 -; jeweils unveröffentlicht; a.A.: Bay. VGH, Beschl.v. 20.11.2008 – 10 CS 08.2399 -, NVwZ-RR 2009, 202; Beschl.v. 22.07.2009 – 10 CS 09.1184, 10 CS 09.1185 -; OVG Berlin-Brand. , Beschl. v, 16.03.2009 – 1 S 224.08 -, Juris-Rdnr. 19).

Aus technischen Gründen sei voraussichtlich der alleinige Ausschluss von Spielern bzw. Lesern von Internetinhalten in Baden-Württemberg bei Aufrechterhaltung des Internetangebots nicht möglich. Private Internetnutzer wählten sich üblicherweise unter Verwendung einer sogenannten dynamischen IP-Adresse in das Internet ein, d.h. es werde bei jedem Einwahlvorgang jeweils eine neue IP-Adresse automatisch vergeben (hierzu und zum Folgenden vgl. VG Ansbach, Beschl.v. 14.12.2006 – AN 4 S 06.03253 -, juris; Nied. OVG, Beschl , v. 03.04.2009 – 11 ME 399/09 -, ZfWG 2009, 184). Diese lasse sich zwar im Nachhinein durch entsprechende Rückfragen beim Provider auf den betreffenden Nutzer zurückverfolgen, eine geografische Lokalisierung des Nutzers im Moment der Einwahl in das Internet bzw. bei Abschluss einer Wette sei jedoch anhand der IP-Adresse – zumindest für private Dienstanbieter und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand – wohl nicht ohne Weiteres möglich. FÜr diese erheblichen Bedenken an der technischen Umsetzbarkeit der Verfügung trägt der Antragsgegner die materielle Beweislast (vgl. Bay. VGH, Beschl.v. 07.05.2007, a.a.O.; Hess. VGH, a.a.O.). Das Gleiche gelte, soweit der Antragsgegner eine Verhinderung der Glücksspielteilnahme von Personen in Baden-Württemberg mittels einer Kombinationen verschiedener technischer Mittel wie Geolokalisation, Festnetz- oder Handy-Ortung für möglich halte.

Die Antragstellerin könne nicht darauf verwiesen werden, wegen der im Hinblick auf Baden-Württemberg fehlenden Umsetzbarkeit der angefochtenen Verfügung ihre europaweit tätigen Tochtergesellschaften anzuweisen, ihre beanstandeten Internetangebote ganz vom Markt zu nehmen, d.h. mit Wirkung für alle Internetnutzer deutschland- bzw. europaweit. Soweit das Regierungspräsidium dies in den Gründen des Bescheides anrege und die Antragstellerin damit letztlich auf eine Sperrung der Webseiten für ganz Deutschland verweise, nehme das Regierungspräsidium eine Regelungskompetenz auch für die anderen Bundesländer in Anspruch. Dieses dürfte aller Voraussicht nach schon deswegen nicht zulässig sein, weil der Glücksspielstaatsvertrag in § 9 Abs. 1 Satz 4 für diese Fallkonstellation eine ausdrückliche Regelung vorsehe (vgl. Nied. OVG, Beschl.v. 03.04.2009, a.a.O., Juris-Rdnr. 57 ff.). Darüber hinaus dürfte für die Antragstellerin die vollständige Abschaltung der Internetseiten ihrer Tochtergesellschaften auch unzumutbar sein, denn nicht verboten werden könne diesen wohl aufgrund der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts sowie des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs der Internetvertrieb in Niedersachsen und Hessen. Zudem vermittelten die Tochtergesellschaften im europäischen Ausland rechtmäßig verschiedenen Glücksspiele, was ihnen bei einer Pflicht zur Abschaltung ihrer Seiten unmöglich gemacht würde.

Die Kammer folge nicht der vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (vgl.Beschl.v. 21.12.2007 – 6 S 2223/07 -, ZfWG 2007, 432; vgl. auch Sächsisches OVG, Beschl.v. 12.12.2007 – 3 BS 286/06 -, juris) vertretenen Ansicht, die Untersagungsverfügung könne dahin ausgelegt werden, dass es zu ihrer Befolgung ausreiche, dass die Antragstellerin die Wettangebote ihrer Tochtergesellschaften ausdrücklich und eindeutig dahin einschränke, dass diese sich künftig nicht mehr an Wettinteressierte in Baden-Württemberg richteten, dass sie darauf hinweise, dass Wetten aus Baden-Württemberg von ihr auch nicht vermittelt würden, dass sie tatsächlich auch so verfahre und durch eine entsprechende Gestaltung der von ihr zu verantwortenden Internetseite zunächst entsprechende Erklärungen der Wettinteressierten einfordere. Ein solches Verständnis der Untersagungsverfügung werde von deren Wortlaut in Ziffer 1 („wird … untersagt“) nicht gedeckt. Untersagung meine die vollständige Unterbindung des Abschlusses von Sportwetten durch Unterlassung der Sportwettenvermittlung, nicht lediglich die Errichtung von Hindernissen für Wettinteressenten. Würde mit der Verfügung nur Letzteres verlangt, hätte die Verfügung auch als Handlungsverpflichtung und nicht nur als Verbot formuliert werden müssen (vgl. Hess. VGH, a.a.O.; Nied. OVG, Beschl.v. 03.04.2009, a.a.O., Juris-Rdnr. 61). Eine hiervon abweichende Lesart wäre auch nicht mit dem Wortlaut der in der angefochtenen Verfügung ebenfalls enthaltenen Verpflichtung in Ziffer 2 zu vereinbaren, dass die Antragsgegnerin die untersagten Tätigkeiten unverzüglich „einzustellen“ habe und „die Einstellung“ der Tätigkeiten dem Regierungspräsidium schriftlich mitzuteilen sei. Mit Einstellung sei ebenfalls die vollständige Unterbindung des Abschlusses von Sportwetten gemeint; auch insoweit wird ein Unterlassen gefordert, ein Verbot und kein Handlungsgebot aufgestellt.

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