AG Bonn, Urteil vom 30.10.2012, Az. 108 C 271/12
§ 307 BGB
Das AG Bonn hat entschieden, dass ein in einem Kreditvertrag festgelegtes Bearbeitungsentgelt (hier: 1.200,00 EUR für einen Kredit von 40.000,00 EUR) unwirksam ist, wenn es sich um eine AGB-Klausel handelt. Eine solche Klausel sei als unzulässige Preisnebenabrede unwirksam. Es handele sich um ein Entgelt für eine Leistung, die der Verwender der AGB von Gesetz wegen sowieso erbringen müsse (Kapitalüberlassung durch den Darlehensgeber) und für die keine zusätzliche Vergütung anfalle. Daher sei die Gebühr zzgl. Zinsen dem Kläger zu erstatten. Zum Volltext der Entscheidung:
Amtsgericht Bonn
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 1.204,59 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus Euro 1.200 seit dem 31.07.2012 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von Euro 205,87 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger und die Beklagte schlossen im März 2012 einen Kreditvertrag mit der Nummer #####/#### ab. Die Kreditsumme betrug 40.000,00 Euro. Teil des Kreditvertrages war ein Bearbeitungsentgelt, welches die Beklagte vorliegend in Höhe von 1.200,00 Euro berechnete. Die Rückzahlung eben dieses Betrages nebst 4 Prozent Zinsen forderten die Kläger von der Beklagten mit Schreiben vom 15.03.2012 unter Fristsetzung bis zum 29.03.2012. Mit Schreiben vom 19.03.2012 antwortete die Beklagte, sie hielt die Erhebung des Bearbeitungsentgelts für zulässig und sah sich, mit Hinweis auf die noch unklare Rechtslage, nicht zu einer Erstattung veranlasst. Durch das Schreiben vom 13.04.2012 forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung von 1.200,00 Euro, Zahlung von 4,59 Euro Zinsen, sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 205,87 Euro bis zum 27.04.2012 auf.
Die Kläger sind der Meinung, dass es sich bei der Bearbeitungsgebühr, als Preisnebenabrede und nicht als Hauptleistung, um eine kontrollfähige allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB handeln würde. Als solche sei sie auf Grund Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S.1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam. Die Kläger meinen, die Regelung sei mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Kläger sind der Meinung, dass die Beklagte zur Rückzahlung der Bearbeitungsgebühr verpflichtet sei. Die Kläger sind zudem der Ansicht, dass die Beklagte sich durch das Schreiben vom 19.03.2012 und der Ablehnung der Zahlung in den Verzug begeben habe.
Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen,
an sie als Gesamtgläubiger 1.204,59 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
an sie als Gesamtgläubiger 205,87 Euro für vorgerichtliche Rechtsverfolgung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, es handele sich bei der Bearbeitungsentgeltklausel nicht um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung und damit um keine allgemeine Geschäftsbedingung. Hilfsweise meint die Beklagte, dass die Klausel als Preisnebenabrede einer Inhaltskontrolle entzogen sei, zumindest aber wegen § 306 Abs. 2 BGB kein Erstattungsanspruch bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Lediglich hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung von Verzugszinsen auf die ausgerechneten Zinsen war die Klage unbegründet und daher teilweise abzuweisen.
I.
Die Kläger haben als Gesamtschuldner gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 1.200 Euro gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB.
1.
Die Kläger haben an die Beklagte 1.200,00 Euro als Bearbeitungsentgelt für einen Darlehensvertrag geleistet.
2.
Die Beklagte hat das Entgelt ohne rechtlichen Grund erlangt. Die Bearbeitungsentgeltklausel ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
a)
Die in dem von der Beklagten eingesetzten Online Kredit Vertrag „Bearbeitungsentgelt“ genannte Bedingung ist eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist Verwenderin der für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Bedingung und hat diese einseitig gestellt.
Für die Prüfung, ob die Bedingung für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist, ist entgegen der Argumentation der Beklagten nicht die im Einzelfall errechnete Höhe des Bearbeitungsentgeltes entscheidend, sondern der Umstand, dass die Bedingung ein solches Entgelt zu berechnen überhaupt im Kreditvertrag vorkommt.
b)
Die Bearbeitungsentgeltklausel ist der Inhaltskontrolle im Sinne des § 307 BGB auch nicht entzogen.
aa)
Nur Bedingungen welche die Hauptleistung des Vertrages unmittelbar bestimmen sind einer Inhaltskontrolle entzogen, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Handelt es sich aber um Preisnebenabreden, also Leistungen, die der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen von Gesetz wegen sowieso erbringen muss und für die keine zusätzliche Vergütung anfällt, ist eine Inhaltskontrolle geboten. Dies gilt auch bei Regelungen über die Erhebung von Entgelten für Tätigkeiten zu denen der Verwender auf Grund einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist oder im eigenen Interesse erbringt. (BGH, Urt. v. 07.12.2010 – XI ZR 3/10, ZGS 2011, 134 [137] Rn. 26; Urteile vom 21. April 2009 – XI ZR 55/08 und XI ZR 78/08, ZGS 2009, 322 [324 f.]; Urt. v. 07.06.2011 – XI ZR 388/10, ZGS 2011, 417 [419] Rn. 19).
bb)
Die streitgegenständliche Bedingung ist eine Preisnebenabrede und kein Teil der Hauptpflicht. Der Darlehensgeber ist zur Überlassung des Darlehensbetrages bereits von Gesetzes wegen verpflichtet, § 488 Abs. 1 S. 1 BGB.
Gemäß § 488 Abs. 1 BGB ist der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in vereinbarter Höhe zur Verfügung zu stellen und der Darlehensnehmer muss einen geschuldeten Zins zahlen und das Darlehen bei Fälligkeit zurückzahlen. Eine Hauptpflicht zur Zahlung eines Bearbeitungsentgeltes durch den Darlehensnehmer ist nicht zu erkennen. Das Bearbeitungsentgelt wird laut Darlehensvertrag für die Kapitalüberlassung erhoben. Die Kapitalüberlassung ist aber direkte gesetzliche Pflicht des Darlehensgebers, § 488 Abs. 1 S. 1 BGB. Ihre gesetzlichen Verpflichtungen hat die Beklagte zu erfüllen, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu dürfen. Zeitgleich liegt die Kapitalüberlassung auch im eigenen Interesse der Beklagten, ohne die sie sich vertragswidrig verhalten würde. Ständige Rechtsprechung des BGH ist es, dass ein solches Entgeltfestsetzungsrecht von Kreditinstituten mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweicht, nicht vereinbar ist und den Darlehensnehmer unangemessen benachteiligt (BGH NJW 2009, 2051).
cc)
Die Schlussfolgerung, dass das Bearbeitungsentgelt Teil der Hauptleistung ist oder der Gesetzgeber die Erhebung eines solchen Entgeltes für zulässig hält, weil in die Berechnung des effektiven Jahreszinses Bearbeitungsgebühren einzubeziehen sind und diese damit Teil der Gesamtkalkulation der Kreditkosten werden, ist abzulehnen. (OLG Dresden, Urteil vom 29.09.2011 – 8 U 562/11; OLG Bamberg, BKR 2010, 436; Nobbe, WM 2008, 185 [193]; a. A.: OLG Celle, Beschl. v. 02.02.2010 – 3 W 109/09, NJW 2010, 2141). Entscheidend ist allein, ob ein Entgelt für eine Leistung vorliegt, die auf vertraglicher Grundlage erbracht wird (vgl. BGH Urteil vom 18. Mai 1999 – XI ZR 219/98 – bei juris; Nobbe a. a. O.). Dass vom Kreditgeber ausbedungene Einmalzahlungen bei der Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes einzubeziehen sind, besagt noch nichts darüber, ob das Kreditinstitut für das verlangte Entgelt tatsächlich im Interesse des Kunden eine Gegenleistung erbringt. Eine Bearbeitungsentgeltklausel ist deshalb auch dann unzulässig, wenn sie als Teil des effektiven Jahreszinses ausgewiesen ist (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.02.2011 – 4 U 174/10).
3.
Der Umfang der Herausgabe umfasst zusätzlich Zinsen in Höhe von 4,59 Euro, § 818 Abs. 1 BGB. Die Kläger haben grundsätzlich nachzuweisen, dass die Beklagte als Bereicherte tatsächlich Nutzungen gezogen hat. Bei einem Anspruch auf eine Geldsumme gegenüber einer Bank aber sind nach der Lebenserfahrung wirtschaftliche Vorteile zu vermuten (Palandt, § 818, Rn. 10).
II.
Die Kläger haben gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Zahlung von 205,87 Euro Verzugskosten, § 286 Abs. 1 S. 1 BGB.
Die Beklagte befand sich seit Ablauf der im Mahnschreiben der Kläger vom 15.03.2012 gesetzten Frist im Verzug. Die Rückzahlung war unmittelbar bei Abschluss des Kreditvertrages fällig. Eine vertragliche oder gesetzliche Bestimmung hinsichtlich der Fälligkeit liegt nicht vor, so dass als Ausdruck des typischen Parteiwillens und als ergänzender Rechtssatz sofortige Fälligkeit gilt (Palandt/Grüneberg, § 271, Rn. 2). Die Mahnung ist in der schriftlichen Leistungsaufforderung der Kläger vom 15.03.2012 zu sehen. Die Kläger haben die Beklagte aufgefordert, die geschuldete Leistung, nämlich die Rückzahlung der Bearbeitungsgebühr, zu erbringen. Auf diese Mahnung hin hat die Beklagte nicht geleistet.
III.
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus Euro 1.200 seit dem 31.07.2012 gemäß §§ 291, 288 BGB. Ein Anspruch auf Verzugszinsen aus den ausgerechneten Zinsen in Höhe von Euro 4,59 besteht nach § 289 S. 1 BGB nicht. Danach sind auf Zinsen Verzugszinsen nicht zu entrichten.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
Streitwert: Euro 1.410,46