AG Bremen: Negative Bewertung bei eBay wird nicht entfernt, obwohl die Verkaufsabwicklung formal rechtmäßig war

veröffentlicht am 11. Februar 2010

AG Bremen, Urteil vom 27.11.2009, Az. 9 C 412/09
§§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB

Ein interessantes Urteil präsentiert das Amtsgericht Bremen zur Thema „Negative eBay-Bewertung“. Unsere Kanzlei war nicht beteiligt. Die Argumentation, mit der die Entfernung einer negativen Bewertung abgelehnt wurde, überzeugt nicht. Obwohl die Verkaufsabwicklung durch den Onlinehändler de lege lata rechtmäßig war (i.e. keine Erstattung von Hinsendekosten) wurde der Käuferin auf der Internethandelsplattform eBay das Recht zugestanden, den Verkäufer mit einer Negativbewertung des Wortlauts „Vorsicht bei Reklamation! Übelste Abzocke bei Versandkosten!!!“ zu überziehen.

Zweifelhaft ist zunächst die Prämisse des Amtsgerichts, dass es sich um ein Werturteil gehandelt habe, so dass es sich mit dem „wahr/falsch“ der Bewertung nicht auseinanderzusetzen brauchte.

Ausgesprochen praxisfremd ist dagegen der sinngemäße Schluss des Gerichts, wer bei eBay Waren verkaufe, sei es selbst schuld, wenn er negative Bewertungen erhalte; und überhaupt könne er ja auch einen Gegenkommentar abgeben. Zitat: „Dieses Bewertungssystem dient letztlich sowohl den Interessen des Käufers als auch denen des Verkäufers und bildet eine wesentliche Grundlage in einem zum Teil anonymisierten Handel bei eBay (s. LG Düsseldorf, MMR 2004, S. 496). Schließlich stellen die positiven Bewertungen auch eine kostenlose Werbemaßnahme für den Verkäufer dar und die Mitglieder nehmen an dem Markt freiwillig teil, setzen sich also bewusst der Gefahr (auch) negativer Kritik aus. Ein überwiegendes Schutzinteresse seitens des Verkäufers kann nicht bestehen, zumal der Bewertete nicht gänzlich schutzlos ist, sondern sich seinerseits durch einen Gegenkommentar zur Wehr setzen kann. Schutzbedürftige Belange des Handelspartners werden dabei berücksichtigt. Aus einer Interessens- und Güterabwägung und unter Zugrundelegung des Umstandes, dass bei dem Internetauktionshaus eBay ein spezielles Bewertungsverfahren existiert und es sich bei diesem System um ein Verkaufsforum handelt, ist die negative Bewertung der Klägerin aus der subjektiven Sicht des Beklagten zulässig und rechtmäßig.

Was das Gericht offensichtlich nicht verstand, ist die verheerende Wirkung einer negativen Bewertung des Verkäufers auf seine, auf der Startseite seines Angebots prominent wiedergegebene Gesamt-Zufriedenheitsstatistik, die idealerweise bei 100 % liegt. Diese Wirkung wird keineswegs durch einen, auf einer Unterseite zu lesenden Gegenkommentar aufgehoben, da der Verbraucher sich bei bestimmten Statistikschwellenwerten mit dem Verkäufer nicht näher befasst. Umso mehr hätte die Frage, ob eine Tatsachenbehauptung oder ein bloßes Werturteil vorlag, sorgfältig geprüft werden müssen.

Der Hinweis des Amtsgerichts auf das anhängige Verfahren vor dem BGH (Link: Vorlagebeschluss) bzw. EuGH (Link: Generalstaatsanwalt), nach denen möglicherweise (!) eine gesetzliche Pflicht besteht, die Hinsendekosten zu erstatten, vermag keine Rechtfertigung zu liefern, da ein rechtskräftiges Urteil eben noch nicht vorliegt. Ist sich aber nicht einmal der BGH über die derzeit geltende Rechtslage sicher, erachten wir folgende Feststellung für verfehlt:“Die in den AGB der Klägerin enthaltene Regelung könnte somit gegen europäisches Recht verstoßen. Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte daher einen berechtigten Grund, seine Unzufriedenheit über die diesbezügliche Praxis der Klägerin in Form einer negativen Bewertung öffentlich kundzutun. Die negative Bewertung war zulässig und rechtmäßig.“ Möglicherweise hätte das Hinwirken auf eine Aussetzung des Verfahrens und die Berücksichtigung des nahenden BGH-Urteils dem Urteil einen festeren Boden gegeben.

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