AG Frankfurt a.M.: Adolf-Hitler-Video im Whatsapp-Status stellt Volksverhetzung dar

veröffentlicht am 3. März 2022

AG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.01.2022, Az. 907 Ds 6111 Js 250180/19
§ 86a Abs.1 Nr.1 StGB a.F., § 86a Abs.2 StGB a.F., § 86 Abs.1 Nr.4 StGB a.F., § 130 Abs.2 Nr.1 a) StGB, § 130 Abs.1 Nr.1 StGB a.F., § 52 StGB

einen Videoausschnitt, in dem Adolf Hitler gezeigt wirdDas AG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass die Vorhaltung eines Videos von Adolf Hitler im Whatsapp-Status-Bereich, das u.a. mit den Sätzen unterlegt ist „ICH HABE GEGEN DIE JÜDISCHE TYRANNEI GEKÄMPFT“ und „STEH AUF NICHTJUDEN DER WELT ORGANISIERT EUCH GEGEN DIE JÜDISCHE TYRANNEI UND KÄMPFT UM EUER VOLK“ u.a. den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Die verhängte Geldstrafe von 750,00 EUR begründete das Gericht u.a. wie folgt: Innerhalb des Strafrahmens sei zugunsten des Angeklagten insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass die Tat bereits mehr als zwei Jahre in der Vergangenheit gelegen habe, er die Tatbegehung gestanden habe, keine Erkenntnisse zu einem tatsächlichen Verbreitungserfolg vorgelegen hätten, so dass zu Gunsten des Angeklagten anzunehmen gewesen sei, dass das Video aufgrund seiner Tat nur von einer geringen Anzahl von Menschen tatsächlich wahrgenommen worden sei, sowie der Umstand, dass zugunsten des Angeklagten davon auszugehen war, dass er das Video in Hinblick auf den volksverhetzenden Inhalt lediglich aufgrund von Sorg- und Gedankenlosigkeit geteilt habe, er jedoch nicht die mit dem Video verbundene Ideologie geteilt habe. Zum Volltext der Entscheidung:

Amtsgericht Frankfurt a.M.

Urteil

Der Angeklagte ist der Volksverhetzung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen schuldig.

Er wird deswegen zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Angewendete Vorschriften: §§ 86a Abs.1 Nr.1 und Abs.2 a.F., 86 Abs.1 Nr.4 a.F., 130 Abs.2 Nr.1 a) und Abs.1 Nr.1 a.F., 52 StGB

Gründe
I.

Der zur Zeit der Hauptverhandlung …-jährige Angeklagte wurde in … geboren und lebt mit seiner derzeit schwangeren Freundin und seinem …-jährigen Sohn in … . Er ist momentan arbeitssuchend und war zuletzt im Februar 2021 beruflich tätig.

Der Angeklagte wurde am 09.09.2016 vom Landgericht Frankfurt a.M. wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Das Urteil wurde am 18.05.2017 rechtskräftig. Mit Entscheidung vom 04.07.2019 wurde der Strafrest bis 12.08.2022 zur Bewährung ausgesetzt.

Weitere Eintragungen im Bundeszentralregisterauszug für den Angeklagten vom 17.09.2021 liegen nicht vor.

II.

Am 22.10.2019 lud der Angeklagte um 12:18 Uhr ein Video in seinem WhatsApp-Status hoch, das von sämtlichen Personen für eine Dauer von 24 Stunden angesehen werden konnte, die die damalige Mobilfunknummer des Angeklagten in einem zur Installation von WhatsApp geeigneten Endgerät gespeichert und WhatsApp installiert hatten. In dem Video mit einer Dauer von knapp 1:20 Minuten sind in der ersten halben Minute strafrechtlich nicht relevante Videoausschnitte von Menschen in verschiedenen Situation, wie z.B. am Strand, beim Lesen oder der eigenen Hochzeit, zu erkennen. Währenddessen ist eine Stimme zu hören, die folgende zusätzlich mit weißem Text in dem Video aufgeführten Inhalte wiedergibt:

„DER KOSTBARSTE BESITZ AUF DIESER WELT, ABER…

…IST DAS EIGENE VOLK

UND FÜR DIESES VOLK

UND UM DIESES VOLK

WOLLEN WIR RINGEN UND WOLLEN WIR KÄMPFEN!

UND NIEMALS ERLAHMEN!

UND NIEMALS ERMÜDEN!

UND NIEMALS VERZAGEN!

UND NIEMALS VERZWEIFELN!“

Danach werden Videoausschnitte aus der Zeit des Nationalsozialismus wiedergegeben. So sieht man u.a. Adolf Hitler, der den sogenannten „Hitlergruß“ ausführt, im Gleichschritt marschierende Soldaten, ein goldenes Hakenkreuz, weitere Darstellungen von Adolf Hitler, eine Formation von Flugzeugen, die ein Hakenkreuz andeutet und Abwürfe von Bomben aus Flugzeugen. Auch sind immer wieder Hakenkreuzflaggen zu erkennen. Über diese Bilder werden folgende Inhalte mit weißem Text gut lesbar eingebettet:

„EUROPA WIRD ERWACHEN

WEIL WIR ES SCHON EINMAL GETAN HABEN

UND WIR WERDEN ES WIEDER TUN

STEH AUF NICHTJUDEN DER WELT

ORGANISIERT EUCH GEGEN DIE JÜDISCHE TYRANNEI

UND KÄMPFT UM EUER VOLK

ICH HABE GEGEN DIE JÜDISCHE TYRANNEI GEKÄMPFT

BITTE LADE DIESES VIDEO HERUNTER UND TEILE ES ÜBERALL

MACHE DIE WAHRHEIT VIRAL“

Der Satz „ICH HABE GEGEN DIE JÜDISCHE TYRANNEI GEKÄMPFT“ unterlegt dabei einen Videoausschnitt, in dem Adolf Hitler gezeigt wird.

Der Angeklagte teilte das Video bewusst in seinem Status und war sich bewusst, dass das Video dadurch von allen Personen in WhatsApp wahrgenommen werden konnte, die zu der Zeit seine Mobilfunknummer gespeichert hatten. Er kannte auch den bildlich dargestellten Inhalt des von ihm geteilten Videos. Dass mit dem Video zum Hass gegen die jüdische Bevölkerung aufgestachelt wird, erkannte der Angeklagte zumindest als nicht ganz fernliegend und nahm dies billigend in Kauf.

III.

Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten, denen das Gericht gefolgt ist, sowie der Auskunft aus dem Bundeszentralregister, die der Angeklagte als richtig anerkannt hat.

Der Sachverhalt steht nach der Hauptverhandlung aufgrund der Einlassung des Angeklagten und der Inaugenscheinnahme des maßgeblichen Videos zur Überzeugung des Gerichts fest.

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, das später in Augenschein genommene Video bei WhatsApp geteilt zu haben. Er habe sich gewundert, wer so viel Zeit und Geld in das Video investiert habe und das Video insgesamt als lächerlich angesehen. Inhaltlich identifiziere er sich nicht mit dem Video. Er erkenne Hitler und Hakenkreuz aus dem Video, sei jedoch selbst nicht rechtsradikal. Den Text im Video habe er bemerkt, sich jedoch nicht genau mit diesem auseinandergesetzt. Auf Vorhalt aus dem polizeilichen Vermerk zur Beschlagnahme seines Mobiltelefons erklärte er, es könne schon hinkommen, dass er damals 229 Kontakte in seinem Mobiltelefon gespeichert hatte.

Durch die geständige Einlassung des Angeklagten steht für das Gericht ohne Zweifel fest, dass dieser das Video bewusst bei WhatsApp als Status teilte und auch die bildlich dargestellten Inhalte kannte. Da er das Video teilte, um es für andere Personen sichtbar zu machen, wusste er auch, dass dadurch das Video von sämtlichen Personen angesehen werden konnte, die die Mobilfunknummer des Angeklagten gespeichert hatten und zu der Zeit WhatsApp benutzten. Dass mit dem Video zum Hass gegen die jüdische Bevölkerung aufgestachelt wird – wie unter IV. unten näher ausgeführt – erkannte der Angeklagte aufgrund der Darstellungen von Adolf Hitler und Hakenkreuzen, auch ohne sich mit dem Text in dem Video auseinandergesetzt zu haben, als nicht fernliegend und nahm diesen Umstand billigend in Kauf. Eine eindeutige Kenntnis des Angeklagten von den zum Hass aufstachelnden Inhalten oder gar eine dahingehende Absicht ließ sich diesem dagegen nicht nachweisen. Dessen Einlassung, er habe sich mit dem Text nicht näher befasst und er identifiziere sich nicht mit der nationalsozialistischen Ideologie, lässt sich im Ergebnis nicht widerlegen, da sich aus dem Bundeszentralregisterauszug für den Angeklagten aber auch im Übrigen aus den im Rahmen der in hiesigem Verfahren erfolgten Ermittlungen keine Erkenntnisse ergeben, die den Angeklagten mit der rechtsradikalen oder einer anderweitigen antisemitischen Szene bzw. dahingehenden Straftaten in Verbindung brächten.

Der konkrete Inhalt des Videos ergibt sich, ebenso wie die konkrete Tatzeit, aus der erfolgten Inaugenscheinnahme in der Hauptverhandlung. Dass das Video aufgrund des Einstellens als Status bei WhatsApp in einer Zeit von 24 Stunden für sämtliche Personen mit gespeicherter Mobilfunknummer des Angeklagten in einem WhatsApp-fähigen Endgerät angesehen werden konnte, ist eine allgemeinkundige Tatsache und ergibt sich ergänzend dazu daraus, dass der Angeklagte in seinem umfassenden Geständnis keine Ausführungen dahingehend machte, das Video nach Einstellen als Statusmeldung eigens dort wieder entfernt zu haben.

IV.

Der Angeklagte hat sich daher wegen Volksverhetzung (§ 130 Abs.2 Nr.1 a) und Abs.1 Nr.1 StGB a.F.) in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86a Abs.1 Nr.1 und Abs.2, 86 Abs.1 Nr.4 StGB jew. a.F.) strafbar gemacht.

1. Hinsichtlich des Tatbestands der Volksverhetzung ist das Gericht der Überzeugung, dass das geteilte Video objektiv zum Hass gegen die jüdische Bevölkerung aufstachelt, der Angeklagte dieses durch das Einstellen als WhatsApp-Status verbreitet hat und die Einstellung des Angeklagten zu den Inhalten der Verwirklichung des Tatbestands nicht entgegenstehen.

a) Zur Überzeugung des Gerichts erfüllt das Video die Voraussetzungen des § 130 Abs.2 Nr.1 a) und Abs.1 Nr.1 StGB, da es zweifellos zum Hass gegen eine religiöse Gruppe, nämlich die der Angehörigen des jüdischen Glaubens, aufstachelt.

Unter Aufstachelung zum Hass ist ein Verhalten zu verstehen, welches auf die Gefühle oder den Intellekt eines anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende, feindselige Haltung gegen den betreffenden Bevölkerungsteil oder die betreffende Gruppe zu erzeugen oder zu verstärken (BGH Urteil vom 20.09.2011 – 4 StR 129/11BeckRS 2011, 24305 Rdn. 18; Urteil vom 03.04.2008 – 3 StR 394/07BeckRS 2008, 6865 Rdn.15).

Das unter II. beschriebene Video verwirklicht nach diesen Maßstäben eindeutig das Tatbestandsmerkmal des Aufstachelns zum Hass in Bezug auf Angehörige des jüdischen Glaubens. Das Video nimmt sowohl mit seiner überhöhten Anknüpfung an das eigene Volk, als auch durch die konkret wiedergegebenen Bilder und Geschehnisse sowie durch den Aufruf zum Kampf gegen die jüdische Tyrannei unverkennbar Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Es richtet sich nach eigenem Wortlaut an die „Nichtjuden der Welt“, die zum Aufstehen und zum Kampf um das eigene Volk aufgefordert werden. Durch die Aussage, dass Europa erwachen werde, „weil wir es schon einmal getan haben“, wird in Zusammenspiel mit den gezeigten Bildern von Adolf Hitler, Hakenkreuzen und Videosequenzen aus dem Krieg sowie dem Aufruf zum Kampf gegen die jüdische Tyrannei objektiv an den massenhaften Mord an der jüdischen Bevölkerung und das damalige Bestreben der endgültigen Auslöschung des Judentums zur Zeit des Nationalsozialismus angeknüpft. Das Zusammenspiel von Text und Bildern stellt die menschenverachtenden Taten der Nationalsozialisten im Ergebnis als erstrebenswert dar und bringt ferner den Wunsch nach Wiederholung des Genozids zum Ausdruck.

Soweit der Verteidiger des Angeklagten die Ansicht vertritt, das Video sei hinsichtlich des konkreten Aussagegehalts unklar und interpretationsfähig und am ehesten als Aufruf zum Angriffskrieg gegen Israel zu verstehen, stimmt das Gericht dem nicht zu. Das Video bringt mit seinen Bildern und Texten eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck, dass Menschen nichtjüdischen Glaubens in Anlehnung an die Massenvernichtungen zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland einen Kampf gegen Angehörige des jüdischen Glaubens beginnen sollen. Die von der Verteidigung erkannten vermeintlichen Unklarheiten und Auslegungsschwierigkeiten, vermag das Gericht auch bei noch so interpretationsoffener Deutung des Inhalts nicht zu erkennen. Insbesondere ist die Interpretation, das Video fordere zu einem Angriffskrieg gegen Israel auf, objektiv vollkommen fernliegend. Weder der Text, noch die wiedergegebenen Bilder nehmen selbst Bezug zu Israel. Die Annahme, dass mit der „jüdischen Tyrannei“ am ehesten auf Israel Bezug genommen werden solle, erschließt sich nicht und ist auch keine objektiv nach allgemeinem Verständnis nachvollziehbare Auslegung. Denn das Judentum ist zwar zweifellos eng mit dem Staat Israel verknüpft. Der Rückschluss, dass mit dem Wort „jüdisch“ eigentlich „israelisch“ gemeint sein müsse, ist jedoch konstruiert und wäre nur dann denkbar, wenn in dem Video in anderer Weise eindeutige Bezüge zu Israel hergestellt würden, die eine dahingehende Auslegung möglich erscheinen ließen. Insbesondere spricht gegen die Auslegung eines auf Israel bezogenen Kampfaufrufes, dass der Satz „ICH HABE GEGEN DIE JÜDISCHE TYRANNEI GEKÄMPFT“ in dem Video bildlich eindeutig mit der gleichzeitig erfolgenden Darstellung von Adolf Hitler verknüpft wird und damit im Ergebnis bei verständiger Würdigung als dessen fiktive Äußerung zu verstehen sein soll. Zu Lebzeiten von Adolf Hitler gab es jedoch den unabhängigen Staat Israel nicht. Gekämpft hat Adolf Hitler dagegen unter anderem und ganz maßgeblich für die Auslöschung jeglichen jüdischen Lebens, was umso mehr unterstreicht, dass mit dem Kampf um das eigene Volk und gegen die jüdische Tyrannei auf die Massenvernichtungen an Juden zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland Bezug genommen wird.

b) Zur Überzeugung des Gerichts hat der Angeklagte das Video auch verbreitet, indem er es als WhatsApp-Status einstellte.

Ein Verbreiten i.S.d. § 130 Abs.2 Nr.1 StGB a.F. liegt vor, wenn eine Schrift i.S.d. § 11 Abs.3 StGB a.F ihrer Substanz nach einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht wird, wobei dieser nach Zahl und Individualität unbestimmt oder jedenfalls so groß sein muss, dass er für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist. Eines Verbreitungserfolgs in dem Sinne, dass ein größerer Personenkreis tatsächlich von der Schrift Kenntnis genommen haben muss oder diese zumindest erlangt hat, bedarf es dagegen nicht (BGH, Beschluss vom 10.01.2017 − 3 StR 144/16, NStZ 2017, 405).

Durch das Einstellen eines Inhaltes in den WhatsApp-Status wird dieser sämtlichen Personen in den Status-Mitteilungen der App mit der Möglichkeit der Wiedergabe angezeigt, die die Mobilfunknummer der inhaltsteilenden Person in einem Endgerät gespeichert und auf jenem Gerät WhatsApp installiert haben. Soweit man seine Mobilfunknummer mit anderen Personen austauscht oder auch Dritte auf anderem Weg die Nummer erhalten und speichern, besteht für diese somit eine entsprechende Möglichkeit der Kenntnisnahme. Der Angeklagte hat auf Vorhalt aus dem polizeilichen Durchsuchungsbericht erklärt, dass die bei der Beschlagnahme seines Mobiltelefons festgehaltene Anzahl von 229 Kontakten durchaus zutreffen könne. Zwar lässt diese Zahl keinen eindeutigen Rückschluss dahingehend zu, dass sämtliche Kontakte des Angeklagten zur Tatzeit das Video auch wahrnehmen konnten, da die bei dem Angeklagten noch vorhandenen Kontakte dessen Mobilfunknummer zur Tatzeit in den von ihnen benutzten Geräten unter Umständen gar nicht (mehr) gespeichert hatten. Allerdings lässt die Zahl indiziell eine Einschätzung zu, in welchem Umfang der Angeklagte seine Mobilfunknummer Dritten weitergegeben hatte, da üblicherweise der Austausch von Mobilfunknummern gegenseitig erfolgt und auch der Angeklagte nicht erklärt hat, Mobilfunknummern Dritter nur zu sammeln, diesen jedoch nicht auch seine Nummer weiterzugeben. Da WhatsApp bereits zur Tatzeit die in Deutschland meistgenutzte Kommunikations-App war, lässt sich aufgrund der Anzahl an Kontakten aus Sicht des Gerichts unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten mit hinreichender Sicherheit rückschließen, dass eine Zahl von – äußerst zurückhaltend geschätzt – mindestens 75 Personen das entsprechende Video aufgrund des Einstellens als Status durch den Angeklagten potentiell auf ihren Endgeräten abspielen konnten. Das stellt zur Überzeugung des Gerichts einen größeren Personenkreis dar, der nach Zahl und Individualität so groß ist, dass er für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist. Die Möglichkeit der Wiedergabe bestand insoweit nicht lediglich begrenzt für einen durch konkreten Zusammenhang verbundenen Personenkreis, wie z.B. dem Freundeskreis, einer Vereinszugehörigkeit oder im Arbeitsumfeld, sondern war für diverse Personen ohne Verbindung zu- bzw. Kenntnis voneinander gegeben. Insbesondere wurden auch die Ermittlungen gegen den Angeklagten ursprünglich eingeleitet, weil ein Zeuge das Video gesehen und daraufhin Anzeige erstattet hatte, der zu dem Angeklagten überhaupt keine persönliche Verbindung hat und diesen zur Tatzeit ausweislich des in Augenschein genommenen Videos als „…“ in seinem Handy gespeichert hatte. Angesichts dieser Umstände kann keine Rede davon sein, dass der Personenkreis, dem das Video zum Abspielen zugänglich gemacht wurde, für den Angeklagten kontrollierbar war.

Wie viele Personen tatsächlich Kenntnis von dem Video genommen haben, kann für die Frage der Tatbestandsmäßigkeit dahinstehen, da ein Verbreitungserfolg nach den vorhergehend dargelegten Grundsätzen nicht erforderlich ist, um das Merkmal des Verbreitens zu erfüllen.

c) Der Tatbestandsverwirklichung steht nicht entgegen, dass der Angeklagte das Video nach seiner Einlassung lächerlich fand und er keine Verbindung zu der in dem Video wiedergegebenen nationalsozialistischen Ideologie vorweist. Der Tatbestand des § 130 Abs.2 Nr.1 StGB setzt keine rechtsfeindliche Gesinnung als besonderes subjektives Merkmal voraus. Ob der Angeklagte mit den verbreiteten Inhalten übereinstimmt, kann somit im Ergebnis für die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Volksverhetzung in der hier begangenen Variante dahinstehen (vgl. auch: BGH, Urteil vom 14.01.1964 – 3 StR 51/63NJW 1964, 673).

2. Soweit das Gericht ferner eine tateinheitliche Verwirklichung des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen bejaht, sind derartige Kennzeichen in verschiedener Ausführung in dem Video erkennbar, liegt keine Ausnahme von der Strafbarkeit vor und steht die fehlende Kenntnis des Angeklagten von der Strafbarkeit dieser nicht entgegen.

a) In dem beschriebenen Video finden sich mit der Darstellung von Hakenkreuzen, Adolf Hitlers sowie der Ausführung des „Hitlergrußes“ mehrfach Kennzeichen i.S.d. § 86a Abs.2 StGB, die der ehemaligen nationalsozialistischen Organisation i.S.d. §§ 86a Abs.1 Nr.1, 86 Abs.1 Nr.4 StGB zuzurechnen sind und damit unter den Tatbestand fallen (MüKoStGB/Anstötz, 4. Aufl. 2021, StGB § 86a Rdn. 8 und 10 jew. m.w.N.). Diese hat der Angeklagte auch verbreitet, wobei hinsichtlich der Begründung auf die Ausführungen unter IV. 1 b) Bezug genommen wird.

b) Der Verwirklichung des Tatbestands steht nicht entgegen, dass die entsprechend gezeigten Darstellungen ebenso im Fernsehen oder auf anderen Plattformen öffentlich zu sehen sein können. Soweit der Verteidiger des Angeklagten hierbei darauf verweist, dass derartige Inhalte täglich auf N24, N-TV oder in Mediatheken abgerufen werden können, gilt insoweit, dass diese Inhalte als Berichterstattung über Vorgänge der Geschichte nach der sog. Sozialadäquanzklausel in §§ 86a Abs.3 i.V.m. 86 Abs.3 StGB nicht als strafbar zu bewerten sind. Das der hiesigen Tat zugrunde liegende Video hat jedoch klar erkennbar nicht den Inhalt oder die Intention, über die Geschichte zu berichten, sondern bettet die Bilder zwecks Ausmalung des eigenen Aufrufs zum Kampf gegen die vermeintliche jüdische Tyrannei ein. Selbst wenn die konkret verwendeten Videosequenzen somit unter Umständen aus Quellen geschichtlicher Berichterstattung ohne strafbaren Inhalt entnommen worden sein sollten, kommt es für die Bewertung der Strafbarkeit maßgeblich auf den Kontext der Verwendung der Kennzeichen in ihrer konkreten Form an. Dieser bereits ausführlich beschriebene Kontext zeigt eine Verwendung der Kennzeichen jedoch ausdrücklich nicht im Rahmen einer geschichtlichen Berichterstattung, sondern vielmehr als Bebilderung eines geschichtsvergessenen Aufrufs zu Hass und Gewalt gegenüber der jüdischen Bevölkerung.

c) Soweit der Angeklagte sich eingelassen hat, dass er sich der Strafbarkeit in Hinblick auf die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nicht bewusst war, steht auch dies der Strafbarkeit nicht entgegen. Dieser Umstand stellt einen Verbotsirrtum nach § 17 S.1 StGB dar, der jedoch aus Sicht des Gerichts für den Angeklagten zweifellos vermeidbar war. Der Angeklagte hat sich zumindest insoweit mit der Geschichte Deutschlands befasst, dass er Hakenkreuz und Adolf Hitler nach seiner Einlassung wiedererkannt hat. Auch, dass das Tragen von verfassungsfeindlichen Symbolen eine Straftat darstellt, war ihm ausdrücklich bekannt. Insoweit hätte der Angeklagte unter Berücksichtigung seiner intellektuellen Fähigkeiten und auch nach dem persönlichen Eindruck des Gerichts in der Hauptverhandlung auch ohne umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema zu der Erkenntnis gelangen können, dass das Zugänglichmachen derartiger Inhalte für einen großen Personenkreis eine Straftat darstellt.

V.

Für die Bemessung der Strafhöhe wurde der Regelstrafrahmen des § 130 Abs.2 StGB zugrunde gelegt, welcher eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht.

Innerhalb dieses Strafrahmens war zugunsten des Angeklagten insbesondere zu berücksichtigen, dass die Tat bereits mehr als zwei Jahre in der Vergangenheit liegt, er die Tatbegehung gestanden hat, keine Erkenntnisse zu einem tatsächlichen Verbreitungserfolg vorliegen, so dass zu Gunsten des Angeklagten anzunehmen ist, dass das Video aufgrund seiner Tat nur von einer geringen Anzahl von Menschen tatsächlich wahrgenommen wurde, sowie der Umstand, dass zugunsten des Angeklagten davon auszugehen ist, dass er das Video in Hinblick auf den volksverhetzenden Inhalt lediglich aufgrund von Sorg- und Gedankenlosigkeit teilte, er jedoch nicht die mit dem Video verbundene Ideologie teilt.

Zulasten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er eine erhebliche, wenn auch nicht einschlägige, Vorstrafe hat, zur Tatzeit unter laufender Bewährung stand und mit der Tat tateinheitlich zwei verschiedene Straftatbestände verwirklicht wurden.

Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erachtet das Gericht eine Geldstrafe in Höhe von 75 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen.

Die Höhe eines Tagessatzes war entsprechend der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des Angeklagten auf 10 € festzusetzen.

Die Einziehung des beschlagnahmten Mobiltelefons des Angeklagten, auf dem das maßgebliche Video gespeichert wurde, war aus Sicht des Gerichts nicht notwendig. § 74 Abs.1 StGB sieht die Möglichkeit einer Einziehung von Gegenständen vor, die zur Begehung einer Straftat gebraucht wurden, was im Fall des beschlagnahmten Mobiltelefons grundsätzlich der Fall ist. Das Gericht erkennt nach dem ihm gesetzlich eingeräumten Ermessen jedoch keine Notwendigkeit einer Einziehung, da der Angeklagte die Tat auch mit jedem anderen WhatsApp-fähigen Gerät hätte begehen können bzw. wieder begehen könnte und keine Gründe erkennbar sind, wegen derer das konkret benutzte Mobiltelefon einen Anreiz für die Tatbegehung und auch eine Wiederholung dieser darstellen würde. Insbesondere hat das Gericht aufgrund der Hauptverhandlung auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte das Mobiltelefon erneut in vergleichbarer Weise verwenden wird, so dass mit dem Unterbleiben der Einziehung auch unter Berücksichtigung präventiver Gesichtspunkte kein Risiko verbunden ist.

VI.

Da der Angeklagte verurteilt wurde, hat er die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen, § 465 Abs. 1 StPO.

Hinweis: Auf die Entscheidung hingewiesen wurde in der hervorragenden Datenbank für (kostenlos verfügbare) Volltext-Urteile OpenJur, und zwar hier (Permalink: https://openjur.de/u/2386596.html).

I