AG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.04.2009, Az. 29 C 1957/08-86
§§ 19a, 97, 97a UrhG, §§ 670, 677, 683 S. 1 BGB
Das AG Frankfurt a.M. hatte sich in dieser Entscheidung aus dem Jahr 2009 mit einigen weiteren, höchst gängigen Argumenten auseinanderzusetzen, die ein wegen illegalen Filesharings Abgemahnter üblicherweise vorbringt. Auf ein anderes Urteil des AG Frankfurt a.M. mit gleichem Kontext aus dem Jahr 2008 wurde bereits hingewiesen (Link: AG Frankfurt): Der Beklagte bestritt die Aktivlegitimation unter der Behauptung, die Klägerin besitze kein Urheberrecht an den streitgegenständlichen Tonaufnahmen. Die Richtigkeit des klägerseits vorgelegten Gutachtens zur Zuordnung der IP-Adresse sei bereits deshalb zu bezweifeln, weil es heutzutage durchaus möglich sei, durch entsprechende technische Einrichtungen und Programme falsche IP-Adressen vorzugaukeln bzw. vorhandene IP-Adressen Dritter zu benutzen, um unerkannt zu bleiben.
Zum fraglichen Zeitpunkt habe er sich überhaupt nicht zu Hause befunden und dementsprechend den PC nicht benutzt. Auch sein Sohn habe den Computer zum vorgenannten Zeitpunkt nicht bedient. Vielmehr müsse ein unbekannter Dritter sich von außen über die WLAN-Verbindung unberechtigterweise Zugang zum Internet verschafft haben. Die von der Klägerin ermittelten Daten unterlägen einem Beweisverwertungsverbot. Außerdem verstoße die Tätigkeit der Klägerin gegen § 1 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten. Die pauschale Bezifferung des Schadens mit 150,00 EUR sei unschlüssig und der bei der Berechnung der Rechtsanwaltsgebühr zugrunde gelegte Gegenstandswert mit 10.000,00 EUR überhöht.
Das Amtsgericht hielt die Klägerin für aktivlegitimiert. Sie habe unter Vorlage des streitgegenständlichen CD-Covers (sic!) substantiiert vorgetragen, dass die Firma … Produzentin und Inhaberin der Tonträgerrechte an dem Tonträger „3 Tage wach“ sei. Als Tonträgerhersteller habe die Fa. (…) das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen (§ 85 Abs. 1 UrhG). Durch den Vertrag vom 06.03.2008 habe sie das Recht besessen, den Tonträger in dezentralen Computernetzen auszuwerten und damit auch rechtwidrige Angebote Dritter in eigenem Namen zu verfolgen, auf die Klägerin übertragen. Das pauschale Bestreiten des Beklagten sei demgegenüber unbeachtlich.
Die Tätigkeit der Klägerin verstoße auch nicht gegen § 1 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz. Die Klägerin betreibe mit dem ihr übertragenen Recht zur Auswertung der Tonträger in dezentralen Computernetzen keine Rechtsdienstleistung i. S. d. § 2 RDG und bedürfe insoweit auch keiner Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 UrhWG (vgl. OGL Köln, Beschluss vom 21.10.2008, Az. 6 Wx 2/08, Link: OLG Köln).
Die Kosten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalt i. H. v. 651,80 EUR habe der Beklagte der Klägerin nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu ersetzen (§§ 683 S. 1, 677, 670 BGB). Das unter dem 07.07.2008 an den Beklagten gerichtete Abmahnschreiben sei veranlasst gewesen und ordnungsgemäß erfolgt.
Die Klägerin habe die Verletzung ihrer ausschließlichen Nutzungsrechte an der streitgegenständlichen Tonaufnahme durch Anbieten in einer Peer-to-Peer-Tauschbörse über den Internetanschluss des Beklagten substantiiert dargelegt und unter Zuhilfenahme der Auswertungsergebnisse der Software (…) dokumentiert. Das Anbieten urheberrechtlich geschützten Materials in Online-Tauschbörsen sei rechtswidrig. Aus § 15 Abs. 2 UrhG folge das ausschließliche Recht des Urhebers, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben. Dieses Recht werde durch § 19 a UrhG dahin präzisiert, dass allein der Urheber darüber befinden solle, ob und in welcher Weise sein Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfe. In diese Entscheidungsbefugnis greift derjenige als Verletzter ein, der einer unüberschaubaren Zahl von Tauschbörsennutzern ohne Erlaubnis des Urhebers den Zugriff auf geschützte Werkinhalte gestatte. Es ist daher anerkannt, dass das Bereitstellen von Multimediawerken zum Download von § 19 a UrhG erfasst werde und Ansprüche des Rechteinhabers auf Unterlassung und Schadensersatz begründe (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.09.2008, Az.: 4 W 62/08).
Entgegen der Auffassung des Beklagten unterlägen die von der Staatsanwaltschaft ermittelten und an die Klägerin bekannt gegebenen Daten des Nutzers der dynamischen IP-Adresse nicht einem Beweisverwertungsverbot. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Identität desjenigen, der zu einem bestimmten Zeitpunkt Nutzer einer dynamischen IP-Adresse gewesen sei, als „Verkehrsdatum“ i. S. d. § 3 Nr. 30 TKG einzuordnen ist. Dies könne aber dahingestellt bleiben, weil die Mitteilung über den jeweiligen Nutzer der dynamischen IP-Adresse weder das Grundrecht des Anschlussinhabers auf Wahrung des Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 GG noch sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletze (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.09.2008, Az.: 4 W 62/08).
Den Erfordernissen einer sekundären Beweislast, sich im Rahmen der ihm nach § 138 Abs. 2 und 3 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der Gegenseite zu äußern, habe der Beklagte nicht genüge geleistet.
Die Angriffe des Beklagten gegen die Richtigkeit der Abgleichung der Hash-Werte seien vor dem Hintergrund der substantiierten Darlegung der Klägerin unzulässig und damit unbeachtlich. Gleiches gelte für die Beanstandung hinsichtlich der Ermittlung der IP-Adresse. Die Datenrecherche der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main sei dokumentiert. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch kein Ermittlungsfehler hinsichtlich des maßgeblichen Datums erkennbar. Streitgegenständlich sei ein Vorfall vom 08.03.2008, 10:26:05 Uhr, unter der IP-Adresse (…). Der Provider 1 & 1 habe diesen Daten beanstandungsfrei den Anschluss des Beklagten zugeordnet (vgl. Bl. 67 d. A.). Die Angabe des Datums mit „3/8/2008″ rechtfertige keine andere Beurteilung. Es handele sich vielmehr um die angelsächsische Schreibweise eines Datums, welche mit Trennstrichen den Monat vor den Tag stellt.
Das pauschale Bestreiten der Rechtsverletzung durch den Beklagten sei unzulässig. Zunächst spreche ein Anscheinsbeweis dafür, dass er als Anschlussinhaber die Verletzungshandlung selbst begangen habe. Die Behauptung, er habe sich am 08.03.2008 um 10:26:05 Uhr nicht zu Hause befunden, sei unsubstantiiert und irrelevant. Gegenstand des Vorwurfs sei nicht das Herunterladen, sondern das Bereitstellen einer Datei in einer Tauschbörse zum Download für eine unbegrenzte Anzahl von Personen. Hierfür sei die persönliche Anwesenheit vor dem PC überhaupt nicht erforderlich. Die angegebene Uhrzeit bezeichne nicht den Zeitpunkt des Herunterladens, sondern den der Feststellung durch die Klägerin, dass die betreffende Datei über den Internetanschluss des Beklagten öffentlich zugänglich gemacht worden sei. Vor diesem Hintergrund sei es irrelevant, wo sich der Beklagte zu diesem Zeitpunkt befunden habe.
Die Hinweise des Beklagten auf die Möglichkeit des Missbrauchs des Internetanschlusses durch Dritte seien rein spekulativer Natur und unbeachtlich.
Die Berechnung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühr aus einem Streitwert von 10.000,00 EUR begegneten keinen Bedenken und ensprächen ständiger Rechtsprechung.
Die geltend gemachte Lizenzgebühr i. H. v. 150,00 EUR stehe der Klägerin aus § 97 Abs. 1 UrhG zu.
Im Rahmen des § 97 Abs. 1 UrhG sei der Zustand wieder herzustellen, der ohne die Rechtsverletzung bestehen würde. Da die Verletzung eines Rechts nicht ungeschehen gemacht werden könne, sei neben der Schadensbeseitigung, die bei Verschulden nach § 249 BGB gefordert werden könne, eine Entschädigung in Geld zu leisten (§ 251 BGB). In Übereinstimmung mit der Klägerin erfolge hier die Schadensberechnung im Wege einer angemessenen Lizenz, sog. Entschädigungslizenz. Diese Berechnung beruhe auf dem Gedanken, dass der schuldhaft handelnde Verletzter nicht besser gestellt sein solle als derjenige, der das Schutzrecht als vertraglicher Lizenznehmer rechtmäßig nutze. Der Abschluss eines Lizenzvertrages zu angemessenen Bedingungen werde danach fingiert. Als angemessen gelte die Lizenzgebühr, die verständige Vertragspartner verständigerweise vereinbart hätten (Schricker, Urhebergesetz, 2. Aufl., § 97 Rdz. 60ff.). Die geltend gemachte Schadenslizenz in Höhe von 150,00 EUR sei unter Berücksichtigung der Grundsätze der Lizenzanalogie ohne weiteres angemessen.