AG Köln: Zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht – Die Kuh definiert nicht den Besitzer

veröffentlicht am 19. August 2010

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtAG Köln, Urteil vom 22.06.2010, Az. 111 C 33/10
§§ 823 Abs. 1, 812 Abs. 1, 687 Abs. 2, 681, 667 BGB

Das AG Köln hat entschieden, dass die ungenehmigte Veröffentlichung von Fotos, die von einem Kalb einer Bäuerin gefertigt wurden, nicht gegen das Persönlichkeitsrecht der Bäuerin verstoßen. Das Gericht führte aus, dass zwar in der unzulässigen Fertigung und Verbreitung von Fotos grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen könne, dafür jedoch stets ein Bezug zur menschlichen Persönlichkeit erforderlich sei. Dieser Bezug könne sich daraus ergeben, dass sich durch die auf dem Foto abgebildeten Sachen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Rechtsgutsinhabers, hier der Klägerin, schließen ließen, so wie etwa beim ungenehmigten Fotografieren eines fremden Hauses. Vorliegend kam das Gericht jedoch zu dem Schluss, dass durch die Fotos des Rinderkalbs „Anita“ keine Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Klägerin erfolgen könnten. Ob die Klägerin lieber das Verfahren gewonnen hätte oder doch erleichtert ist, dass ihre Persönlichkeit nicht durch eine Kuh definiert wird, blieb offen.

Amtsgericht Köln

Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Bäuerin und bewirtschaftet in Lindlar einen Bauernhof, auf dem sie u. a. auch Kälber hält.

Die Beklagte ist Event-Veranstalterin.

Die Beklagte betrieb die Internetseite www.rettet-anita-de, die sich mit der Bewerbung (Promotion) einer „Kuh-Charity-Party“, die am 12.12.09 in den Opernterrassen in Köln stattfand, beschäftigt. Auf dieser Internetseite befanden sich drei Bilder des Rinderkalbs „Anita“ der Klägerin mit der Ohrenmarkennummer DE 05 361 00451. Diese Bilder waren von den Zeuginnen L. und M. bei einem Besuch auf dem Bauernhof der Klägerin gefertigt worden. Die Bilder des Rinderkalbs wurden ferner im Rahmen der Bewerbung der oben genannten Veranstaltung auch in anderen Medien wie etwa in der Zeitung „Express“ veröffentlicht. Nachdem die Veranstaltung stattgefunden hatte, stellte die Beklagte unter dem 16.12.2009 ein als Reportage aufgemachtes Internet-Video unter der Rubrik „Presse“ auf ihrer Internetseite ein, wobei wiederum Fotos von dem oben genannten Rinderkalb „Anita“ der Klägerin eingeblendet wurden.

Zwischenzeitlich ist die Internetseite www.rettet-anita-de nicht mehr geschaltet.

Die Klägerin behauptet, der Beklagten sei zu keinem Zeitpunkt die Erlaubnis erteilt worden, Fotos von dem Rinderkalb der Klägerin zu fertigen und diese gewerblich zu nutzen oder Promotion damit zu betreiben. Die Veranstaltung vom 12.12.2009 sei allein auf Gewinnerzielung gerichtet gewesen. Es habe sich insbesondere nicht um ein Charity-Event gehandelt.

Ferner behauptet die Klägerin, mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 11.12.2009 habe sie die Beklagte zur Entfernung der Bilder ihres Rinderkalbs sowie zur Abgabe einer entsprechenden Verpflichtungs-/Unterlassungserklärung unter Fristsetzung bis zum 14.12.2009 erfolglos aufgefordert. Darüber hinaus habe sie die Beklagte in diesem Schreiben zur Zahlung eines angemessenen Schadensersatzes erfolglos unter Fristsetzung bis zum 12.12.2009 aufgefordert. Für das Rechtsanwaltsschreiben vom 11.12.2009 hätten ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten ihr, der Klägerin, 316,18 € in Rechnung gestellt.

Die Klägerin ist der Ansicht, die gewerbliche Nutzung von Fotos ihres Kalbes stelle eine Verletzung ihrer Eigentumsrechte dar, die einen pauschalen Schadensersatz in Höhe von 2.000,00 € rechtfertigen. Insofern behauptet die Klägerin, dies seien Kosten, die sie dafür hätte verlangen können, wenn ein Dritter gewerbliche Fotos vom Rinderkalb hätte machen wollen, um damit Werbung zu betreiben.

Die Klägerin ist ferner der Ansicht, die Beklagte sei auch ungerechtfertigt bereichert, da die Beklagte Kosten für die Anmietung oder die Fotorechte entsprechender Fotos von Rinderkälbern erspart habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2009 zu zahlen.

Ferner beantragt die Klägerin,

die Beklagte zu verurteilen, sie von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 316,18 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Zeuginnen L., eine ihrer Mitarbeiterinnen, und M. hätten die Fotos von dem Kalb bei einem Besuch auf dem Hof der Klägerin mit Erlaubnis des Vaters der Klägerin, der sich als Eigentümer des Hofes geriert habe, gefertigt. Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Vater der Klägerin tatsächlich nicht Eigentümer des Kalbes gewesen sei, spiele keine Rolle, da dies aufgrund des Umstandes, dass sich der Vater der Klägerin als Eigentümer geriert habe, nicht erkennbar gewesen sei.

Die Beklagte behauptet, bei der Veranstaltung vom 12.12.2009 habe es sich um eine Charity-Veranstaltung gehandelt, die dazu gedient habe, Gelder zu sammeln, um dem Kalb, das sich den rechten Vorderlauf gebrochen hatte, den Schlachthof zu ersparen.

Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin für gewerbliche Fotos von ihrem Rinderkalb 2.000,00 € pro Shooting hätte erhalten können.

Die Klägerin hat mit der am 12.01.10 bei Gericht eingegangenen und am 01.03.10 zugestellten Klage neben den oben dargelegten Anträgen ferner beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die sich aus der Anlage zu der Klage ergebenden Fotos vom Rinderkalb mit der Ohrenmarkennummer: DE 05 361 00451 von der Internetseite www.rettet-anita.de unter Rubrik Bilder zu entfernen.

Nachdem die Internetseite www.Rettet-Anita.de nicht mehr geschaltet ist, haben die Parteien diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2010 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung von 2.000,00 € bezüglich der Fertigung und Verbreitung von Fotos ihres Rinderkalbs „Anita“ durch die Beklagte.

Die Klägerinhat insofern gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB.

Denn ein eine Rechtsgutverletzung begründender Eingriff hinsichtlich des Rechts am Bild des Kalbs der Klägerin „Anita“ durch die Beklagte ist nicht gegeben.

Eine Eigentumsverletzung der Klägerin durch die Beklagte ist nicht gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Beklagte die Fertigung der Fotos, die unstreitig durch die Zeuginnen L. und M. bei einem Besuch auf dem Hof der Klägerin erfolgte, zurechnen lassen muss. Denn Eigentum der Klägerin ist weder durch die Fertigung der Fotos noch durch deren Verbreitung verletzt worden. Das Rinderkalb „Anita“ der Klägerin ist weder durch die Fertigung der Fotos noch durch deren Verbreitung durch die Beklagte verletzt bzw. beschädigt worden. Weder das Fotografieren selbst noch die gewerbliche Verwertung von Fotografien ist als Einwirkung auf das Eigentum anzusehen (BGH NJW 89, 2251). Der Fotografiervorgang lässt als Realakt die Verfügungsbefugnis des Eigentümers unberührt. Es fehlt auch an einer tatsächlichen Einwirkung auf das Eigentum. Diese kann nach der Rechtsprechung zwar nicht nur durch eine Substanzverletzung, sondern auch durch eine sonstige die tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers treffende Einwirkung auf die Sache erfolgen. Es handelt sich dabei um Fälle, in denen der Eigentümer in der tatsächlichen Nutzung seiner Sache beeinträchtigt wird, indem deren Benutzung be- oder verhindert wird. Darum geht es beim Fotografieren hingegen nicht. Der Fotografiervorgang hat keinerlei Auswirkung auf die Sache selbst. Er hindert den Eigentümer nicht daran, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und stört ihn auch nicht in seinem Besitz (BGH a. a. O.).

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin gegeben.

Zwar kann in der unzulässigen Fertigung und Verbreitung von Fotos grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen. Erforderlich ist insofern jedoch stets ein Bezug zur menschlichen Persönlichkeit, z. B. dadurch, dass sich durch die auf dem Foto abgebildeten Sachen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Rechtsgutsinhabers, hier der Klägerin, schließen lassen. Dies ist etwa angenommen worden, bei dem ungenehmigten Fotografieren eines fremden Hauses und der ungenehmigten Verbreitung dieser Fotos. Vorliegend ist der Fall jedoch anders, da durch die Fotos des Rinderkalbs „Anita“ keine Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Klägerin erfolgen können. Denn anders als bei Häusern bzw. Wohnungen, wo deren Eigentümer bzw. Besitzer gestaltend tätig wird und sich daraus Rückschlüsse auf dessen Persönlichkeit und dessen Lebensstil schließen lassen, ist dies bei der Fertigung von Fotos eines Rinderkalbs nicht der Fall.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 BGB.

Die insofern allein in Betracht kommende Eingriffskondiktion setzt voraus, dass ein in der Klägerin zugeordnetes Recht eingegriffen wurde. Dies ist jedoch – wie bereits dargelegt – nicht der Fall.

Auch hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 687 Abs. 2, 681, 667 BGB.

Denn da – wie bereits dargelegt – weder das Fotografieren noch die Verwertung der Abbildungen dem Rechtskreis der Klägerin zuzuordnen ist, hat die Beklagte schon kein fremdes Geschäft geführt.

Mangels Bestehens der Hauptforderung war die Klage auch hinsichtlich der geltend gemachten Nebenforderungen, dem Freistellungsanspruch bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und dem Zinsanspruch, abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91 a ZPO. Auch soweit die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des ursprünglich ferner angekündigten Antrags, die Fotos des Rinderkalbs „Anita“ aus dem Internet zu entfernen, nachdem die Internetseite nicht mehr geschaltet ist, in der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2010 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren der Klägerin die Kosten gem. § 91 a ZPO aufzuerlegen. Dies entspricht der Billigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands. Die Klägerin wäre nach dem bisherigen Sach- und Streitstand auch insofern unterlegen. Ihr stand kein Anspruch gegen die Beklagte auf Entfernung der Fotos aus dem Internet aus §§ 903, 1004 BGB zu. Denn insofern mangelt es wiederum – wie bereits dargelegt – an einer Eigentumsverletzung.

Die Ausführungen der Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.06.10 gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da sie rechtlich zu keiner anderen Beurteilung führen. Im Übrigen sind sie verspätet, § 296 a ZPO.

Die übrigen prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: bis 3.000,00 €

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