AG Königs Wusterhausen: Kein Schmerzensgeld bei schriftsätzlicher beleidigender Äußerungen innerhalb eines Gerichtsverfahrens / „Antragssteller ist schlicht zu faul, zu arbeiten“

veröffentlicht am 25. September 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtAG Königs Wusterhausen, Urteil vom 11.04.2012, Az. 20 C 569/11
§ 823 BGB

Das AG Königs Wusterhausen hat entschieden, dass einer Klage, gerichtet auf die Zahlung von Schmerzensgeld durch die schriftsätzlich vorgetragene Erklärung, der Antragsteller sei schlicht zu faul zu arbeiten, das erforderliche Rechtschutzbedürfnis fehle. Die Äußerungen des Beklagten (in einem anderen Gerichtsverfahren erfolgt) dienten der Rechtsverteidigung und mithin der Wahrnehmung berechtigter Interessen. In gerichtlichen Verfahren sei der Ehrschutz eingeschränkt. Zum Volltext der Entscheidung:

Amtsgericht Königs Wusterhausen

Urteil

1.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Widerruf und Schmerzensgeld wegen einer in einem familiengerichtlichen Verfahren in einem Schriftsatz enthaltenen Äußerung in Anspruch.

Der 27jährige Kläger lebt zusammen mit seiner 24jährigen Lebensgefährtin. Sie sind Eltern von zwei Kindern. Der Kläger holt auf dem zweiten Bildungsweg sein Abitur nach; seine Lebensgefährtin befindet sich in der Ausbildung.

Unter dem Aktenzeichen … betreibt die Lebensgefährtin des Klägers vor dem Amtsgericht Senftenberg ein Unterhaltsverfahren gegen ihren Vater, in dem sie diesen auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt in Anspruch nimmt. Der Beklagte vertritt den Vater der Lebensgefährtin in diesem Verfahren.

In einem Schriftsatz des Beklagten vom 24.08.2011 an das Amtsgericht Senftenberg, in dem der Beklagte zum dortigen Verfahrenskostenhilfeantrag der Lebensgefährtin des Klägers Stellung nahm, schrieb er:

„Grund dieses Rechtsstreits insgesamt ist lediglich der Umstand, dass der Lebensgefährte der Antragsstellerin schlicht zu faul ist, zu arbeiten. Diese Realität muss einmal beim Namen genannt werden. Aus diesem Grund ist er stets bemüht, sich anderweitig um Geld zu kümmern. Hierzu gehört es eben auch, die Angehörigen der Antragsstellerin mit völlig ungerechtfertigten Forderungen zu überziehen. Allein schon die Forderung eines ungekürzten Unterhalts i.H.v. monatlich EUR 670,00 wäre dazu geeignet, sämtliche Unterhaltsansprüche als verwirkt anzusehen.“

Diese Äußerung stand im Zusammenhang mit der Darlegung der Rechtsansicht, dass die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber seiner Lebensgefährtin der des Vaters der Lebensgefährtin vorgehe. Für die weiteren Einzelheiten des Schriftsatzes wird auf die Anlage K 2, Blatt 6-10 d.A. verwiesen.

Dieser Schriftsatz wurde dem Verfahrens bevollmächtigten der Lebensgefährtin am 06.09.2011 zugeleitet und erreichte sodann auch die Lebensgefährtin, Diese ließ im anwaltlichen Schriftsatz vom 20.09.2011 (Anlage K 3, Blatt 11 ff d.A.) erwidern, dass ein gesondertes Ehrschutzverfahren angestrebt würde.

Der Kläger fühlt sich durch die streitgegenständliche Äußerung in seiner Ehre verletzt, insbesondere da er durch die Wahl des zweiten Bildungsweges die Voraussetzungen dafür schaffen wolle, seiner Familie einen angemessenen Unterhalt zur Verfügung zu stellen.

Er beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld nicht unter 500 Euro, nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen;

sowie den Beklagten zu verurteilen, seine im Schriftsatz vom 24.08.2011 zum Aktenzeichen … des Amtsgerichts Senftenberg getätigte Äußerung, der Kläger sei schlicht zu faul zum Arbeiten und aus diesem Grunde stets bemüht, sich anderweitig um Geld zu kümmern, zu widerrufen, durch schriftliche Erklärung gegenüber

a) der Frau …

b) dem Amtsgericht Senftenberg, Familiengericht, Steindamm 8, 01968 Senftenberg,

c) dem Herrn Rechtsanwalt …

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er rügt die örtliche Zuständigkeit des Gerichts. Die fragliche Äußerung sei aus dem Zusammenhang gerissen und stelle überdies keine Beleidigung dar, sondern lediglich eine erlaubte polemische Äußerung, die überdies nicht öffentlich gefallen ist. Überdies habe sich auch der Verfahrensbevollmächtigte der Lebensgefährtin im genannten Unterhalts verfahren nicht immer einer zurückhaltenden Sprache bedient.

Im nachgelassenen Schriftsatz vom, 02.04.2012 vertieft der Beklagte sein Vorbringen und rügt zusätzlich die Passivlegitimation.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verweisen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig. Zwar ist das Gericht gem. § 32 ZPO örtlich zuständig, weil eine unerlaubte Handlung, nämlich eine ehrverletzende Äußerung in einem anwaltlichen Schriftsatz, behauptet wird. Erfolgsort der unerlaubten Handlung ist der Sitz des Geschädigten (vgl. Zöller/Vollkommer, 29. Auflage 2012, § 32 Rdnr. 17), hier also Königs Wusterhausen.

Es fehlt aber am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Die Äußerungen des Beklagten sind in einem anderen Gerichtsverfahren erfolgte, dienten der Rechtsverteidigung und mithin der Wahrnehmung berechtigter Interessen. In gerichtlichen Verfahren ist der Ehrschutz aber eingeschränkt.

Im Einzelnen:

1.
Das die Äußerung des Beklagten geeignet sind, den Kläger in seiner Ehre verletzen, ist offensichtlich und bedarf keiner weiteren Erörterung. Die Ansicht des Beklagten, es handele sich bei der Bezeichnung des Klägers als „zu faul zum Arbeiten“ um ein wertneutrale Zustandsbeschreibung handele, ist abwegig. Der Äußernde unterstellt dem Kläger, er gehe bewusst nicht arbeiten, sondern versuche anderweitig – nämlich durch ungerechtfertigte Inanspruchnahme des Vaters seiner Lebensgefährtin „an Geld zu kommen“. Damit beleidigt er den Kläger, indem er ihn unlautere Absichten unterstellt.

2.
Ehrkränkende Äußerungen im gerichtlichen oder sonst rechtlich geordnetem Verfahren können nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig nicht Gegenstand einer gesonderten Ehrschutzklage sein (vgl. BGH, Urteil vom 28.02.2012, Aktenzeichen VI ZR 79/11, S. 7 veröffentlicht unter www.bundesgerichtshof.de). Das hat seinen Grund darin, dass das Ausgangsverfahren nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden soll (vgl. OLG München NJW-RR 2001, 1473, 1474 mwNw.). Dies gilt auch dann, wenn die ehrverletzenden Äußerungen über Dritte verbreitet werden (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 19.03.2004, Az. 1 U 147/03, zitiert nach wwww.jurisweb.de). Denn ein wirkungsvoller gerichtlicher Rechtsschutz m Familienrechtsstreitigkeiten setzt voraus, dass der Rechtssuchende, ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen, jene Handlungen vornehmen können, die nach seiner vom guten Glauben bestimmten Sicht geeignet sind, sich im Prozess zu behaupten (vgl. OLG München aaO), wobei im Kampf um das Recht ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen kann, um seine Rechtsposition zu unterstützen. Voraussetzung für die Berechtigung eines Anspruchs auf Unterlassung einer in einem gerichtlichen Verfahren gemachten, einen Dritten in seiner Ehre beeinträchtigenden Äußerung ist, dass diese in keinem sachlichen Bezug zum im Rede stehenden Rechtsverhältnis steht oder leichtfertig wider besseres Wissens aufgestellt wird (vgl. OLG Hamburg, aaO)

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich die angegriffene Äußerung als noch zulässig dar. Denn zum einen kann der Kläger, obwohl er formal nicht Beteiligter des familienrechtlichen Verfahrens (im Folgenden: Ausgangsverfahren) ist, nicht wie ein völlig Unbeteiligter behandelt werden. Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass seiner Lebensgefährtin zumindest während der ersten drei Lebensjahre seiner Kinder ein Unterhaltsanspruch gem. § 1615 l Abs. 2 BGB zusteht, der dem Anspruch gegenüber dem Vater der Lebensgefährtin vorrangig wäre (§ 1615 l Abs. 3 Satz 2 BOB). Im Rahmen der Prüfung der Bedürftigkeit für die Verfahrenskostenhilfe hat das Familiengericht auch zu überprüfen, ob der Antragsstellerin vorrangige Einkunftsmöglichkeiten, wie z.B. ein Unterhaltsanspruch gegen den Kläger, zustehen. Darüber hinaus hat das Familiengericht für die Frage der Erfolgsaussicht des Unterhaltsbegehrens zu prüfen, ob vorrangige Unterhaltsverpflichtungen bestehen. Die Äußerung steht mithin in einem sachlichen Bezug zum Rechtsverhältnis.

Sie ist auch nicht leichtfertig wider besseren Wissens aufgestellt worden, denn angesichts des Alters und bisherigem Werdegang des Klägers muss die – hier polemisch überspitzte – Frage erlaubt sein, ob der Kläger nicht vorrangig gehalten ist, den Lebensunterhalt für seine Familie zu verdienen, anstatt sein Recht auf Bildung wahrzunehmen, wie er in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat.

Die Äußerung ist also im Kampf um das Recht noch zulässig, wenngleich das Gericht nicht verkennt, dass sie ehrverletzend ist und in der Sache nicht weiterführt.

3.
Das Gericht hatte keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung im Hinblick auf den nachgelassenen Schriftsatz wiederzueröffnen und dem Kläger eine erneute Stellungnahmefrist zu gewähren. Der Schriftsatz enthielt keinen neuen Vortrag, sondern lediglich Rechtsausführungen, die jederzeit zulässig sind. Es ist auch kein neuer, bisher nicht erörterter Rechtsstandpunkt dargelegt worden. Im Gegenteil hatte das Gericht bereits vor dem Termin zu erkennen gegeben, dass die Klage kaum Aussicht auf Erfolg haben werde. Im Termin ist die Frage, ob die Äußerung so zulässig ist, erörtert worden, wobei das Gericht hieran Zweifel geäußert hat, jedoch ergebnisoffen blieb. Bei dieser Sachlage, bei der für beide Parteien erkennbar war, dass die Rechtsfrage noch weiter geprüft werden sollte, ist eine Wiedereröffnung nur aufgrund weiterer und nicht neuer Rechtsausführungen nicht geboten.

4.
Für den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch besteht unter Berücksichtigung des oben Erörterten ebenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis. Überdies kommt ein solcher nur bei besonders schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Betracht (vgl. AG Hamburg, Urteil vom 09.10.2007, Az: 36A C 52/07, zitiert nach www.jurisweb.de), die hier ersichtlich nicht vorliegen.

5.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

6.
Der Streitwert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

Auf die Entscheidung hingewiesen hat openjur.de (hier).

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