BGH: Darf der Unterlassungsgläubiger zugleich aus einstweiliger Verfügung und Unterlassungserklärung vorgehen?

veröffentlicht am 5. Mai 2010

BGH, Urteil vom 17.09.2009, Az. I ZR 217/07
§§ 147 Abs. 2; 315 Abs. 1, 339; § 890 ZPO

Der BGH hat entschieden, dass ein Unterlassungsgläubiger bei einem wiederholten Wettbewerbsverstoß sowohl die Verhängung eines Ordnungsgeldes beantragen als auch eine Vertragsstrafe gegen den Unterlassungsschuldner geltend machen kann. Die Geschäftsgrundlage für einen Unterlassungsvertrag sei nicht deshalb entfallen, weil der Unterlassungsgläuber vor Annahme der Unterlassungerklärung eine einstweilige Verfügung erwirkt und zugestellt habe. Die Parteien eines durch Vertragsstrafe gesicherten Unterlassungsvertrags verfolgten mit dem Vertragsschluss unterschiedliche Interessen. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung diene aus der Sicht des Gläubigers auch dazu, im Falle eines weiteren Verstoßes ohne den mit einem Nachweis verbundenen Aufwand und die mit einer Klage verbundenen Risiken pauschaliert Schadensersatz zu erlangen. Dieses Interesse werde durch einen Unterlassungstitel nicht beseitigt. Allerdings sei das Ordnungsgeld auf die Vertragsstrafe anzurechnen.

Der Entscheidung lag ein eher kurioser Fall zu Grunde: Die Parteien handelten mit Computerhardware. Die Klägerin ließ die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 16.02.2006 abmahnen, weil die Beklagte in der Werbung für ein Notebook auf Testergebnisse hingewiesen hatte, ohne die Fundstellen der Tests hinreichend lesbar zu machen. Sie forderte die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 25.02.2006 auf. Die Beklagte verpflichtete sich daraufhin in einer mit dem Datum vom 23.02.2006 versehenen Unterwerfungserklärung, die den Bevollmächtigten der Klägerin am 06.03.2006 zuging,
1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Online-Verkehr zu Wettbewerbszwecken Testfundstellen zu bewerben, ohne Ort bzw. Ausgabe und Datum der Erstveröffentlichung lesbar anzugeben;
2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine in das billige Ermessen der Klägerin, gegebenenfalls vom zuständigen Gericht zu überprüfende Vertragsstrafe zu zahlen. Die Klägerin nahm die Unterlassungserklärung noch am Tag ihres Zugangs mit anwaltlichem Telefaxschreiben an. Zuvor hatte die Klägerin bereits am 27.02.2006 beim Landgericht Hamburg wegen derselben von ihr beanstandeten Werbung eine Unterlassungsverfügung erwirkt, die der Beklagten am 02.03.2006 zugestellt wurde. Die Beklagte gab am 21.03.2006 eine Abschlusserklärung ab, mit der sie die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannte. Am 20.10.2006 warb die Beklagte für einen Router mit der Angabe „Digital.World Testsieger“, ohne das Datum oder die Ausgabe der Veröffentlichung anzugeben. Am selben Tag warb sie zudem für einen GPS-Navigator mit der Angabe „Der mehrfache Testsieger“, ohne Ort oder Datum der Veröffentlichung zu nennen. Auf Antrag der Klägerin setzte das Landgericht Hamburg deshalb gegen die Beklagte mit Beschluss vom 02.01.2007 ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.500,00 EUR fest. Im darauf folgenden Rechtsstreit nahm die Klägerin die Beklagte wegen derselben Verstöße vom 20.10.2006 auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 EUR in Anspruch. Sie war der Ansicht, dieser Betrag sei für die von der Beklagten begangenen Verstöße gegen die Unterlassungsvereinbarung angemessen. Eine Anrechnung des vom Landgericht Hamburg festgesetzten Ordnungsgelds auf die Vertragsstrafe komme nicht in Betracht, weil sie dieses bei der eigenen Festsetzung bereits berücksichtigt habe.

Die Beklagte war dem entgegengetreten und hatte insbesondere geltend gemacht, ein Unterlassungsvertrag sei zwischen den Parteien wegen verspäteter Annahme ihres Vertragsangebots seitens der Klägerin nicht zustande gekommen. Am 06.03.2006 habe sie nicht mehr mit einer Annahmeerklärung der Klägerin zu rechnen gebraucht. Zudem habe sie die Zustellung der einstweiligen Verfügung am 02.03.2006 als Ablehnung ihres Angebots zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags auffassen müssen. Jedenfalls sei sie berechtigt, das Vertragsverhältnis wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu kündigen, was spätestens mit Schriftsatz vom 19.01.2007 geschehen sei. Im Übrigen müsse auf eine Vertragsstrafe, die höchstens 1.500,00 EUR betragen dürfe, das vom Landgericht Hamburg festgesetzte Ordnungsgeld in gleicher Höhe angerechnet werden.

Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Urteil vom 04.05.2007, Az. 33 O 12/07 KfH
OLG Stuttgart, Urteil vom 29.11.2007, Az. 2 U 38/07

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