BGH: Eine Bürogemeinschaft aus Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern darf nicht ohne Weiteres mit der Kanzleibezeichnung „… Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer“ werben

veröffentlicht am 15. April 2014

Rechtsanwalt Dr. Ole DammBGH, Urteil vom 06.11.2013, Az. I ZR 147/12
§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG

Der BGH hat entschieden, dass ein Rechtsanwalt A, der mit einem Wirtschaftsprüfer B lediglich in Bürogemeinschaft zusammenarbeitet, also ohne haftungsrechtliche Einheit (wie etwa Partnergesellschaft, Gesellschaft bürgerlichen Rechts) nicht als „AB Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer“ werben darf, wenn dabei auf den fehlenden Haftungszusammenschluss nicht hinreichend deutlich hingewiesen wird. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundesgerichtshof

Urteil

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 06.11.2013 durch … für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg – 3. Zivilsenat – vom 02.07.2012 aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hof – Kammer für Handelssachen – vom 22.02.2012 abgeändert.

Der Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR verurteilt, es zu unterlassen, zu Zwecken des Wettbewerbs mit dem Hinweis

„Wirtschaftsprüfer“

wie aus der Anlage ersichtlich zu werben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Anlage z. Protokoll vom 6. November 2013:

Wirtschaftsprüfer

Tatbestand

Die Klägerin beanstandet den vom beklagten Rechtsanwalt verwendeten Briefbogen als irreführend im Hinblick auf die Angabe „Wirtschaftsprüfer“.

Der Beklagte betreibt seine Rechtsanwaltskanzlei in Bürogemeinschaft mit dem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer D. M. . Er verwendet das Logo „HM Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater“ auf den Briefbögen wie folgt:

Wirtschaftsprüfer

Die Klägerin hat beantragt, es dem Beklagten unter Androhung eines näher bezeichneten Ordnungsgeldes zu untersagen, mit dem Hinweis „Wirtschaftsprüfer“ zu werben, wenn dies wie auf dem oben eingeblendeten Briefbogen erfolgt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist vom Berufungsgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen worden.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet und hierzu ausgeführt:

In dem beanstandeten Briefbogen sei lediglich das Logo „HM“ mit den drei Berufsqualifikationen „Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater“ blickfangmäßig hervorgehoben. Den gesamten Text am rechten Rand des Briefbogens nehme der Verkehr als Erläuterung wahr, welche Qualifikationen die einzelnen Mitarbeiter der „HM Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater“ hätten. Das Logo auf der linken Seite des Briefbogens enthalte keine Namen und sei schon deshalb nicht geeignet, bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Fehlvorstellung hervorzurufen. Selbst wenn ein potentieller Mandant den Buchstaben „HM“ Namen zuordne, könne der Buchstabe „M“ allenfalls für den Kooperationspartner M. stehen, der Wirtschaftsprüfer sei. Der in einem von der Klägerin vorgelegten Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22.07.2011 (14 O 124/10) vertretenen Auffassung, bei einem Briefkopf mit den Begriffen „Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer“ könne der Verkehr ohne weiteres davon ausgehen, dass neben Rechtsanwälten auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Sozien seien, schließe sich das Berufungsgericht nicht an. Der beanstandete Briefbogen erwecke daher keinen unzutreffenden Eindruck über die beruflichen Qualifikationen des Beklagten.

II.
Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist begründet, weil die Gestaltung des beanstandeten Briefbogens irreführend ist (§§ 8, 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG).

1.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, bei einem Briefkopf mit den Berufsbezeichnungen „Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater“ gehe der Verkehr nicht davon aus, dass die so herausgestellten Berufsträger als Gesellschafter einer gemeinsamen Sozietät miteinander verbunden seien, widerspricht der Lebenserfahrung und ist mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vereinbar.

Wird der Kurzbezeichnung einer Rechtsanwaltskanzlei ein Zusatz zur Qualifikation der Berufsträger wie „Rechtsanwälte und Notare“ oder „Wirtschaftsprüfer und Steuerberater“ hinzugesetzt, versteht der Verkehr dies als Hinweis darauf, dass sich in der entsprechenden Kanzlei Berufsträger dieser Qualifikation zusammengeschlossen haben (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2007 I ZR 152/04, GRUR 2007, 807 Rn. 12 = WRP 2007, 955 Fachanwälte). Die auf dem Briefbogen blickfangmäßig hervorgehobene Bezeichnung „HM Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater“ erscheint dem Verkehr als eine solche Kurzbezeichnung einer Anwaltskanzlei im Sinne von § 9 BORA. Ihrer Gestaltung ist nicht zu entnehmen, dass es sich bei „HM“ lediglich um eine Kooperation von Rechtsanwälten mit einem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater handelt.

Dementsprechend hat es der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs als irreführend angesehen, wenn der Briefkopf einer Kanzlei, für sich genommen, die eindeutige Aussage enthält, dass sie durch ihre Sozien neben anwaltlichen Leistungen auch Leistungen eines Steuerberaters oder Patentanwalts anbietet und erbringt, tatsächlich aber nur in einem bloßen Kooperationsverhältnis mit der Kanzlei stehende Personen die Qualifikationen als Steuerberater und Patentanwalt haben (BGH, Beschluss vom 23.09.2002 AnwZ (B) 67/01, NJW 2003, 346).

In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass der Begriff der Sozietät aus Sicht des Verkehrs keinen eindeutigen Inhalt mehr haben mag (BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 33 f.; dazu Hirtz, NJW 2012, 3550, 3551). Rechtsanwälten stehen mittlerweile neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zahlreiche andere Rechtsformen für die gemeinschaftliche Berufsausübung zur Verfügung, wie die Partnerschaftsgesellschaft, die Anwalts-GmbH oder ausländische Rechtsformen (vgl. Deckenbrock, NJW 2008, 3529). Unabhängig davon hat der Verkehr allerdings die berechtigte Erwartung, dass sich die unter einer einheitlichen Kurzbezeichnung auftretenden Berufsträger unter Aufgabe ihrer beruflichen und unternehmerischen Selbständigkeit zu gemeinschaftlicher Berufsausübung in einer haftungsrechtlichen Einheit verbunden haben. Eine Bürogemeinschaft oder Kooperation unternehmerisch eigenständiger Berufsträger wird der Verkehr unter einer einheitlichen Kurzbezeichnung nur bei hinreichend deutlichen Hinweisen erkennen. Anders als unter Umständen bei Hinzufügung des Hinweises „Zusammenschluss von Sozietäten“ (vgl. BGHZ 194, 79 Rn. 28) hat der Verkehr bei der im Streitfall verwendeten Kurzbezeichnung keinen Anlass anzunehmen, es handele sich bei „HM“ um jeweils rechtlich eigenständige Kanzleien, nämlich um eine für Recht und eine für Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Er wird daher über die tatsächlichen rechtlichen Verhältnisse irregeführt.

2.
Die beanstandete Kurzbezeichnung verstößt damit jedenfalls bei isolierter Betrachtung gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG (Irreführung über die Person und Befähigung des Unternehmers). Der Verbraucher bleibt im Unklaren, um welches Unternehmen es sich bei „HM“ handelt, und dass der Beklagte in seiner Kanzlei nicht mit Berufsträgern verbunden ist, die über eine Qualifikation als Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater verfügen. Der Beklagte ist zwar berechtigt, auf seine auf Dauer angelegte und durch tatsächliche Ausübung verfestigte Kooperation mit dem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater M. in geeigneter Weise hinzuweisen (vgl. § 8 Satz 2 BORA). Dies darf jedoch nicht so geschehen, dass den Mitgliedern seiner Kanzlei besondere Befähigungen zugewiesen werden, die allein der Kooperationspartner aufweist (vgl. BGH, NJW 2003, 346).

3.
Die durch die Gestaltung der Kurzbezeichnung hervorgerufene Irreführungsgefahr wird bei der gebotenen Gesamtbetrachtung auch nicht durch die übrige Gestaltung des Briefbogens ausgeräumt.

Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass der Verkehr bei der im Umgang mit Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern zu erwartenden Sorgfalt in dem Text auf der rechten Seite des Briefbogens eine Erläuterung der links verwendeten Kurzbezeichnung erkennen wird. Er wird deshalb einen Zusammenhang zwischen „HM“ und der drucktechnisch herausgestellten Rechtsanwaltssozietät H. , v. W. und Kollegen annehmen. Aufgrund der auch noch recht groß gestalteten Schrifttype wird der Verkehr ferner noch erkennen, dass dieser Sozietät nur drei Rechtsanwälte angehören. Hat der Ratsuchende dies bemerkt, liegt für ihn aber sehr nahe, die Rechtsanwälte H. , v. W. und Kollegen als Teil einer kurz „HM“ bezeichneten Sozietät oder eines Zusammenschlusses von Sozietäten zu verstehen, dessen Mitglieder auch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sind. Da sich diese beiden Möglichkeiten aber deutlich und – wie dargelegt – in wettbewerblich relevanter Weise von dem tatsächlich allein bestehenden Kooperationsverhältnis unterscheiden, unterliegt der Verbraucher auch bei Kenntnisnahme der drucktechnisch hervorgehobenen Erläuterungen auf der rechten Seite des Briefbogens weiterhin einer Fehlvorstellung.

Die entscheidende Erläuterung „in Kooperation mit “ fällt dagegen nur bei besonders aufmerksamer Lektüre des Briefbogens auf. Die Gefahr, den Kooperationshinweis zu überlesen, wird noch dadurch verstärkt, dass der Wirtschaftsprüfer D. M. dem Kanzleinamen H. drucktechnisch eindeutig unter- und ihm dadurch zugeordnet wird.

Selbst wenn schließlich einige Rechtsuchende den Kooperationshinweis erfassen sollten, bliebe für sie immer noch offen, ob es nicht neben dem Kooperationspartner M. in dem als „HM“ bezeichneten Zusammenschluss von Berufsträgern noch andere Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gibt, die sich mit den Rechtsanwälten H. , v. W. und Kollegen unabhängig von der Kooperation mit dem Wirtschaftsprüfer M. zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammengeschlossen haben. Der Durchschnittsmandant, insbesondere der erstmals mit der Sozietät des Beklagten in Kontakt tretende Rechtsuchende, kennt die Geschichte der Kanzlei des Beklagten nicht. Ihm ist die seit vielen Jahren bestehende Kooperation mit Herrn M. und erst recht die Entstehungsgeschichte des Logos „HM“ nicht bekannt. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein potentieller Mandant könne den Buchstaben „M“ im Logo „HM“ allenfalls Herrn M. zuordnen, erscheint unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung des Briefbogens fernliegend.

Der Bundesgerichtshof hat auch bereits entschieden, dass dann, wenn nur Kooperationspartner einer Anwaltskanzlei eine Qualifikation aufweisen, wie sie in der Kopfleiste eines Briefbogens blickfangmäßig herausgestellt wird, die Gefahr einer Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise über die berufliche Qualifikation der Sozietätsmitglieder nicht dadurch ausgeräumt wird, dass die betreffende Berufsbezeichnung am rechten Rand des Briefkopfs durch Namensnennung des Kooperationspartners unter Hinzufügung seiner beruflichen Stellung erläutert wird (BGH, NJW 2003, 346 f.). In jenem Fall war der Hinweis „in Kooperation“ durch Fettdruck und Unterstreichung sogar auffälliger als im Streitfall. Anders als das Berufungsgericht meint, kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, dass der Kanzleiname in der Kopfzeile in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die Namen von vier Rechtsanwälten enthielt. Für die Bejahung einer Irreführung maßgeblich ist vielmehr, dass der Kurzbezeichnung einer Kanzlei in unzutreffender Weise blickfangmäßig bestimmte Berufsbezeichnungen zugeordnet werden.

4.
Die durch die Gestaltung des Briefbogens hervorgerufene Fehlvorstellung des Verkehrs ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch wettbewerbsrechtlich relevant. Bei einer Kooperation werden Mandate nicht gemeinschaftlich, sondern von jedem im Rahmen der Kooperation tätigen Berufsträger gesondert angenommen, so dass allein dieser dem Mandanten für die fehlerhafte Bearbeitung der übertragenen Rechtsangelegenheit haftet (vgl. BGHZ 194, 79 Rn. 24). Der Ratsuchende hat nicht die Möglichkeit, die Kooperation „HM“ insgesamt mit seiner Vertretung zu beauftragen, sondern nur den einen oder den anderen Kooperationspartner oder beide gesondert. Die mit der Kurzbezeichnung beworbene Kooperation bietet ihm daher nicht im Wesentlichen die gleichen Vorteile wie die Mandatierung einer einheitlichen Sozietät. Insbesondere ist bei einer Inanspruchnahme von Dienstleistungen sowohl der Rechtsanwälte wie auch des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers durch einen Mandanten im selben Fall nicht ohne weiteres deutlich, welche Kanzlei bei eventuellen Beratungsfehlern haftet, wenn als Fehlerursache zunächst sowohl die rechtliche als auch die steuerliche Beratung in Betracht kommt. Zudem sind die interne Beratung und Abstimmung unter den verschiedenen Berufsträgern bei einer einheitlichen Kanzlei regelmäßig leichter als bei einer bloßen Kooperation, selbst wenn wie im Streitfall eine Bürogemeinschaft besteht.

III.
Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dem Unterlassungsantrag der Klägerin ist stattzugeben, da der beanstandete Briefbogen irreführend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG ist.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:
LG Hof, Urteil vom 22.02.2012, Az. 1 HKO 60/11
OLG Bamberg, Urteil vom 02.07.2012, Az. 3 U 47/12

I