BGH: Eine Vertragsstrafe ist nicht fällig, wenn die strafbewehrte Unterlassungserklärung vorher nicht angenommen wurde

veröffentlicht am 20. November 2012

BGH, Urteil vom 18.05.2006, Az. I ZR 32/03
§ 145 ff. BGB, § 339 BGB

Der BGH hat in dieser älteren Entscheidung („Klassiker“) entschieden, dass das Zustandekommen einer z.B. wettbewerbsrechtlichen Vertragsstrafenvereinbarung genauso zu beurteilen ist wie das Zustandekommen jedes anderen (Kauf-, Miet-, Arbeits-, Dienst-) Vertrages. Eine Vertragsstrafe kann demnach nicht gefordert werden, wenn das Unterlassungsversprechen nicht angenommen wurde, soweit der Unterlassungsgläubiger keine Unterlassungserklärung vorbereitet hat oder die vom Unterlassungsgläubiger vorbereitete Erklärung vom Unterlassungsschuldner inhaltlich abgeändert wurde. Zum Volltext der Entscheidung:

Bundesgerichtshof

Urteil

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18.05.2006 durch … für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Dezember 2002 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 2. Mai 2002 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien stehen als Anbieter von Internet-Zugängen miteinander im Wettbewerb.

Die Beklagte warb im Sommer 2001 für den von ihr angebotenen DSL-Zugang mit der unrichtigen Behauptung, dieser weise eine Übertragungsgeschwindigkeit von 1.024 kbit/s auf. Mit Schreiben vom 2. Juli 2001 mahnte die Klägerin die Beklagte deswegen unter Beifügung des Entwurfs einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab. Die Beklagte gab am 5. Juli 2001 eine Unterlassungserklärung ab. Sie verwendete dabei aber nicht den von der Klägerin vorgeschlagenen, sondern einen von ihr selbst neu formulierten Text. Dieser unterschied sich von dem Entwurf der Klägerin u. a. durch eine niedrigere Vertragsstrafe und den Vorbehalt von Aufbrauchsfristen für verschiedene Medien. Auf telefonische Nachfragen der Beklagten vom 6. und 11. Juli 2001 erklärte der anwaltliche Vertreter der Klägerin, diese habe noch nicht über die Annahme der Unterlassungserklärung entschieden. Mit Schreiben vom 11. Juli 2001 nahm die Klägerin diese dann an.

In der Zwischenzeit war in der Ausgabe des K. Stadtanzeigers vom 7./8. Juli 2001 eine weitere Anzeige der Beklagten erschienen, in der die von der Klägerin beanstandete unrichtige Aussage erneut enthalten war.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Unterlassungsvertrag zwischen den Parteien sei bereits am 5. Juli 2001 zustande gekommen, so dass die darin enthaltene Vertragsstrafe durch die Anzeige vom 7./8. Juli 2001 verwirkt sei. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt, weil sie das Erscheinen der Anzeige hätte verhindern können.

Die Klägerin hat die Beklagte daher auf Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 5.164,05 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das Berufungsgericht hat der im ersten Rechtszug erfolglosen Klage mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung stattgegeben (OLG Köln OLG-Rep 2003, 150).

Mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat die Klage für im Wesentlichen begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

Der Unterlassungsvertrag sei zwar erst mit der Annahmeerklärung der Klägerin am 11. Juli 2001 zustande gekommen. Die inhaltlich von der Vorgabe der Klägerin deutlich abweichende Erklärung der Beklagten vom 5. Juli 2001 habe gemäß § 150 Abs. 2 BGB einen neuen Antrag dargestellt, den die Klägerin nicht nach § 151 BGB angenommen habe.

Der Vertrag sei jedoch nach seinem Wortlaut und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen dahin auszulegen, dass sich die Beklagte bereits ab dem Zeitpunkt der Abgabe ihrer Erklärung am 5. Juli 2001 strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet habe. Die Beklagte habe ihre Unterlassungspflicht auch schuldhaft verletzt, weil sie vor Abgabe der Unterlassungserklärung nicht sichergestellt habe, dass die betreffende Anzeige nicht mehr erscheinen würde.

II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Unterlassungsvertrag erst am 11. Juli 2001 zustande gekommen ist. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Vertrags, nach der die Vertragsstrafe auch bei vor dem 11. Juli 2001 begangenen Verstößen verwirkt sein sollte.

1.
Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens der zweiten Anzeige am 7./8. Juli 2001 zwischen den Parteien noch keine Vertragsstrafevereinbarung bestanden hat. Der Vertrag ist erst am 11. Juli 2001 geschlossen worden.

a)
Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe wird nicht schon durch eine einseitige Erklärung des Schuldners begründet, sondern setzt den Abschluss eines Vertrags zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner voraus. Für das Zustandekommen eines solchen Vertrags gelten die allgemeinen Vorschriften über Vertragsschlüsse (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 20 Rdn. 7 f.; Staudinger/Rieble, BGB, Neubearbeitung 2004, § 339 Rdn. 20 f. m.w.N.; a.A. Köhler, Festschrift für Gernhuber, 1993, S. 207 ff.). Dem Anspruchsteller bleibt es grundsätzlich unbenommen, seinen Unterlassungsanspruch gegebenenfalls im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchzusetzen, wenn der Schuldner nach Zugang der Abmahnung die Abgabe einer die Wiederholungsgefahr beseitigenden Unterlassungserklärung verzögert.

b)
Durch Abgabe ihrer neu formulierten strafbewehrten Unterlassungserklärung hat die Beklagte das Angebot der Klägerin zum Abschluss eines strafbewehrten Unterlassungsvertrags abgelehnt und zugleich ein neues Angebot abgegeben (§ 150 Abs. 2 BGB).

c)
Nicht zu entscheiden ist im Streitfall die Frage, ob die Beklagte bei ihrem neuen Angebot gemäß § 151 BGB auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet hat. Denn auch dann wäre ein nach außen hervortretendes Verhalten des Empfängers erforderlich gewesen, aus dem der Annahmewille unzweideutig hervorging (BGHZ 74, 352, 356; 111, 97, 101; BGH, Urt. v. 10.2.2000 – IX ZR 397/98, NJW 2000, 1563). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Unterlassungserklärung der Beklagten aber erst am 11. Juli 2001 angenommen.

2.
Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des zwischen den Parteien zustande gekommenen Unterlassungsvertrags.

a)
Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend angenommen, dass Unterlassungsverträge nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen sind. Maßgebend ist demnach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen sind (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.1991 – I ZR 277/89, GRUR 1992, 61, 62 = WRP 1991, 654 – Preisvergleichsliste; BGHZ 121, 13, 16 – Fortsetzungszusammenhang; BGH, Urt. v. 17.7.1997 – I ZR 40/95, GRUR 1997, 931, 932 = WRP 1997, 1067 – Sekundenschnell; BGHZ 146, 318, 322 – Trainingsvertrag).

b)
Demgegenüber findet die Beurteilung des Berufungsgerichts, die vereinbarte Vertragsstrafe habe rückwirkend auch den am 7./8. Juli 2001 begangenen Verstoß erfassen sollen, weder im Wortlaut der Vereinbarung noch in der Interessenlage der Parteien eine Stütze. Sie widerspricht insbesondere dem Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertragsauslegung (vgl. BGHZ 150, 32, 39 – Unikatrahmen; BGH, Urt. v. 25.4.2002 – I ZR 296/99, GRUR 2002, 824 = WRP 2002, 824 – Teilunterwerfung). Der Senat kann den Unterlassungsvertrag insoweit anhand der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und des unstreitigen Parteivorbringens selbst entsprechend auslegen.

aa)
Richtig ist allerdings, dass die vom Schuldner abgegebene einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung, wenn sie ernsthaft ist und auch inhaltlich den an eine solche Erklärung zu stellenden Anforderungen entspricht, die Wiederholungsgefahr unabhängig von einer Annahmeerklärung des Gläubigers und daher gegebenenfalls auch schon vor einer solchen entfallen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1995 – I ZR 212/93, GRUR 1996, 290, 292 = WRP 1996, 199 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I, m.w.N.). Ansprüche aus der strafbewehrten Unterlassungserklärung auf Zahlung der Vertragsstrafe kann der Gläubiger aber grundsätzlich allein für ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses begangene Verstöße geltend machen (BGH, Urt. v. 10.10.1991 – I ZR 147/89, GRUR 1993, 34, 37 = WRP 1992, 160 – Bedienungsanweisung; Ahrens/Schulte, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 10 Rdn. 15; Staudinger/Rieble aaO § 339 Rdn. 20 f.). Dass die Parteien im Streitfall davon abweichend die rückwirkende Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe bereits ab dem Zeitpunkt der Abgabe des Vertragsangebots durch die Beklagte gewollt haben, ist weder dem Wortlaut der getroffenen Vereinbarung noch der vorangegangenen Korrespondenz zu entnehmen.

bb)
Aus der Sicht des Schuldners soll eine durch ein Vertragsstrafeversprechen gesicherte Unterlassungsverpflichtung sicherstellen, dass für von ihr erfasste Handlungen weder eine Wiederholungsgefahr noch eine Erstbegehungsgefahr besteht. Aus der Sicht des Gläubigers geht es in erster Linie um die Sicherung seines als schutzwürdig angesehenen Interesses am Unterbleiben weiterer Zuwiderhandlungen. Außerdem dient die strafbewehrte Unterlassungserklärung aus der Sicht des Gläubigers dazu, einen gerichtlichen Unterlassungstitel zu ersetzen. Es wird deshalb im Allgemeinen weder dem Interesse des Gläubigers noch dem Interesse des Schuldners entsprechen, durch die Unterlassungsverpflichtung schlechter gestellt zu werden als durch ein entsprechendes Urteil (vgl. BGHZ 146, 318, 325 f. – Trainingsvertrag).

cc)
Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung wird dem nicht gerecht. Sie stellt den Schuldner vielmehr schlechter als im Falle der Erwirkung eines Unterlassungstitels. Der Umstand, dass der Schuldner während der Vertragsverhandlungen sein als unlauter angesehenes Wettbewerbsverhalten fortsetzen kann, ohne von der geforderten Vertragsstrafe getroffen zu werden, liegt in der Natur der Sache. Insoweit würde auch eine Unterlassungsklage keine schnellere Abhilfe schaffen (vgl. Staudinger/Rieble aaO § 339 Rdn. 21). Zu Recht weist die Revision zudem darauf hin, dass es die Klägerin in der Hand hatte, wie schnell sie das Angebot der Beklagten annahm. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Klägerin dadurch in dem Zeitraum bis zum Zustandekommen der Unterlassungsvereinbarung auch nicht etwa rechtlos gestellt. Zwar war nach dem vorstehend Ausgeführten die Wiederholungsgefahr für den ursprünglichen Unterlassungsanspruch entfallen. Jedoch begründete der erneute Verstoß einen neuen gesetzlichen Unterlassungsanspruch, den die Klägerin hätte geltend machen können (vgl. BGHZ 130, 288, 294 – Kurze Verjährungsfrist; BGH, Urt. v. 23.10.1997 – I ZR 98/95, GRUR 1998, 1043, 1044 = WRP 1998, 294 – GS-Zeichen).

3.
Da aus den vorstehend dargelegten Gründen bereits kein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Vertragsstrafe besteht, braucht nicht entschieden zu werden, ob die gegen die Bejahung eines schuldhaften Verhaltens der Beklagten gerichteten Rügen der Revision ebenfalls durchgreifen.

III.
Danach war das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten hin aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:

LG Köln, Urteil vom 02.05.2002, Az. 84 O 158/01
OLG Köln, Urteil vom 20.12.2002, Az. 6 U 104/02

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