BGH: Kein Widerrufsrecht bei Kauf an einem Messestand, wenn …

veröffentlicht am 14. Mai 2019

BGH, Urteil vom 10.04.2019, Az. VIII ZR 82/17
§ 312 g Abs. 1 BGB, § 312 b Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 312 b Abs. 2 S.1 BGB

Der BGH hat entschieden, dass bei einem Kauf an einem beweglichen Messestand kein Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 BGB gilt. Die Entscheidung ist jedoch für Messeverkäufer mit Vorsicht zu genießen: Das BGH-Urteil fußt auf einer Entscheidung des EuGH (Urteil vom 07.08.2018, Az. C-485/17, WRP 2018, 1183), wonach der Messestand eines Unternehmens, an dem der Unternehmer seine Tätigkeiten an wenigen Tagen im Jahr ausübt, unter den Begriff „Geschäftsräume“ fällt, „wenn in Anbetracht aller tatsächlichen Umstände rund um diese Tätigkeiten und insbesondere des Erscheinungsbilds des Messestandes sowie der vor Ort selbst verbreiteten Informationen ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist.“ Eine per-se-Erklärung, dass jeglicher Verkauf auf einer Messe ohne Widerrufsrecht erfolge, ist damit nicht abgegeben worden. Dies hat auch der BGH berücksichtigt, der die besonderen Umstände dieses Einzelfalls zum Thema „Überrumpelung“ („damit rechnen konnte“), wie vom OLG München detailliert ausgeführt, bestätigte. Zitat: „Gemessen hieran sei im Streitfall eine Überrumpelungssituation nicht erkennbar. Die „Messe Rosenheim“ sei eine klassische Verkaufsmesse; ihr Spektrum sei vielfältig. Die einzelnen Aussteller würden vom Veranstalter in 19 Branchen gegliedert und in einem „bunten Mix“ über 14 Ausstellungshallen verteilt. Eine breite Palette unterschiedlichster Waren, vom preiswerten Fensterwischer bis zu höherwertigen Gegenständen, wie etwa Duschkabinen, würde dort zum Kauf angeboten. Die Annahme, dass der durchschnittlich interessierte Besucher davon bei einem mehrstündigen Besuch der Messe nichts mitbekomme, könne der Senat nicht nachvollziehen. Die Tatsache, dass es … zahlreiche Aussteller gebe, die die Messe von vornherein primär oder ausschließlich zur Information und Werbung nutzen würden, wie etwa die Agentur für Arbeit, die AOK oder der Arbeiter-Samariter-Bund, spreche nicht dafür, dass der Kläger hier mit der Kaufofferte der Beklagten überrumpelt worden wäre. Denn aus der Aussage des in erster Instanz vernommenen Geschäftsführers der „Messe Rosenheim“ gehe hervor, dass bei der Messe „der Verkauf im Vordergrund“ gestanden habe. Dies ergebe sich auch aus dem vom Landgericht im Einzelnen aufgelisteten Branchenverzeichnis und inzident auch aus dem im Messemagazin abgedruckten Grußwort der Bayerischen Staatsministerin für Wirtschaft, die den Ausstellern zu Messebeginn „Gute Geschäfte“ gewünscht habe. Auch das auf den Kauf einer Einbauküche gerichtete konkrete Angebot der Beklagten enthalte kein Überrumpelungsmoment. Die „Messe Rosenheim“ sei keine Fachmesse, die ein bestimmtes Fachpublikum anziehe, welches Angebote nur einer bestimmten Branche erwarte. Das Angebot sei breit gefächert und umfasse verschiedenartige Waren und Dienstleistungen. Es sei daher für einen Besucher nicht überraschend, dass auf einer solchen Verbrauchermesse auch Einbauküchen angeboten würden.“ Bei einer Verallgemeinerung der BGH-Entscheidung ist somit Vorsicht geboten. Zum Volltext der Entscheidung (BGH: Kein Widerrufsrecht bei Kauf an einem Messestand, wenn …).


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