BGH: Keine Erstattung von Abmahnkosten bei einer Schubladenverfügung

veröffentlicht am 15. Januar 2010

BGH, Urteil vom 07.10.2009, Az. I ZR 216/07
§§ 12 Abs. 1 UWG; 667; 677; 683 S. 1 BGB

Im Falle einer sog. „Schubladenverfügung“ wird zunächst eine einstweilige Verfügung erwirkt und erst nach deren Erlass den Gegner abgemahnt. Unterwirft sich der Abgemahnte nicht, wird ihm die bereits erlassene einstweilige Verfügung zugestellt. Eine Schubladenverfügung bietet sich u.a. an, um dem Gegner die Möglichkeit der Hinterlegung einer Schutzschrift zu nehmen. Der BGH hat nun dieser Vorgehensweise zwar keinen Riegel vorgeschoben, jedoch entschieden, dass der Abmahner bei vorheriger Erwirkung einer Schubladenverfügung keinen Anspruch auf Erstattung seiner folgenden Abmahnkosten hat.

Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergebe sich nicht aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, weil die Abmahnungen erst zu einem Zeitpunkt an die Beklagten versandt worden seien, als die Klägerin bereits Verbotsverfügungen gegen sie erwirkt habe. Aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG folge, dass Ersatz der Aufwendungen nur für Abmahnungen beansprucht werden könne, die vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens wegen desselben Wettbewerbsverstoßes ausgesprochen worden seien. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG solle der Gläubiger den Schuldner vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. An die Regelung der vorgerichtlichen Abmahnung knüpfe § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG unmittelbar mit der Formulierung an, dass der Anspruch auf Kostenerstattung bestehe „soweit die Abmahnung berechtigt sei“. Mithin sei in § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG eine Obliegenheit zu einer vorgerichtlichen Abmahnung und in § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG der Anspruch auf Ersatz der zur Erfüllung dieser Obliegenheit erforderlichen Aufwendungen geregelt. Auch nach der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorschrift besteheder Kostenerstattungsanspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nur für eine Abmahnung, die vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen werde.

Auch ein Anspruch der Klägerin auf Freistellung von den für die beiden Abmahnschreiben entstandenen Kosten aus § 683 Satz 1, §§ 677, 667 BGB sei zu verneinen, weil die Abmahnungen jedenfalls nicht im Interesse der Beklagten gelegen hätten.

Anders als bei einer vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens ausgesprochenen Abmahnung bestünde kein Interesse des Schuldners, nach Erlass einer Verbotsverfügung noch abgemahnt zu werden. Unerheblich sei, dass sich die Situation für den Abgemahnten, der nichts von der erlassenen Beschlussverfügung wisse, nicht anders darstelle, als wenn er vorgerichtlich abgemahnt worden wäre. Zwar erhalte der Schuldner auch durch die nachgeschaltete Abmahnung Gelegenheit, eine den Streit beilegende Unterwerfungserklärung abzugeben. Diese Möglichkeit stünde ihm aber auch offen, wenn ihm die Verbotsverfügung sogleich zugestellt würde. Entscheidend sei, dass der Schuldner den Rechtsstreit im Falle der nachgeschalteten Abmahnung durch eine Unterwerfungserklärung nicht mehr vermeiden könne.

Zweck der Abmahnung sei es, dem Schuldner, der sich nicht streitig stelle, eine Möglichkeit zu geben, den Streit kostengünstig beizulegen. Die nachgeschaltete Abmahnung vermittele eine solche kostengünstige Möglichkeit nicht. Sei bereits eine einstweilige Verfügung gegen den Schuldner erlassen worden, sei es für den Schuldner am kostengünstigsten, wenn ihm die Verfügung zugestellt werde und er gegen diese Verfügung Kostenwiderspruch einlege oder eine Unterwerfungserklärung abgebe. Ein auf die Kosten beschränkter Widerspruch des Schuldners habe in der Regel zur Folge, dass die für den Erlass der Verbotsverfügung entstandenen Kosten nach § 93 ZPO vom Gläubiger zu tragen seien. Denn der Schuldner eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs, der vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens nicht abgemahnt worden sei, werde so behandelt, als habe er keine Veranlassung zur Klage gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.1989, Az. I ZR 63/88, GRUR 1990, 381, 382 – Antwortpflicht des Abgemahnten; Beschluss vom 21.12.2006, Az. I ZB 17/06, GRUR 2007, 629 Tz. 13 – Zugang des Abmahnschreibens; BGH GRUR 2006, 439 Tz. 12 – Geltendmachung der Abmahnkosten). Diese Regelung beruhe auf der Erwägung, dass ein Gläubiger nur dann ohne Kostenrisiko gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen solle, wenn er davon ausgehen müsse, sein Ziel ohne Klage- oder Verfügungsverfahren nicht erreichen zu können (Bornkamm in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 12 Rdn. 1.8; Fezer/Büscher, UWG, § 12 Rdn. 3).

Dasselbe Ergebnis könne der Schuldner in dieser Situation durch eine Unterwerfungserklärung erreichen. Sie nötige den Gläubiger dazu, den gestellten Verfügungsantrag in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Stimme der Schuldner der Erledigung zu, müsse nach § 91a ZPO über die Kosten des Verfügungsverfahrens entschieden werden, wobei wiederum der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu Gunsten des Schuldners heranzuziehen sei, der – weil nicht abgemahnt – keine Veranlassung zur Inanspruchnahme des Gerichts gegeben habe (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO Rdn. 1.9).

Vorinstanzen:

LG Köln, Entscheidung vom 10.05.2007, Az. 31 O 1029/07
OLG Köln, Entscheidung vom 07.12.2007, Az. 6 U 118/07

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