BGH: Muss der Rechtsanwalt auf die drohenden Kosten eines Abschlussschreibens hinweisen?

veröffentlicht am 23. Oktober 2009

BGH, Urteil vom 08.12.2005, Az. IX ZR 188/04
§ 823 BGB

Der BGH hat entschieden, dass ein Rechtsanwalt nicht haftet, wenn er seinen Mandanten – nach Erlass einer einstweiligen Verfügung – nicht darauf hinweist, dass nunmehr ein Abschlussschreiben des gegnerischen Rechtsanwalts folgen kann, welches regelmäßig mit einer Kostenlast bis zu einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr verbunden ist. Die Beklagte hatte der Klägerin vorgeworfen, von ihr über die Möglichkeit einer unaufgeforderten Abschlusserklärung zur Vermeidung der Kostenlast des gegnerischen Abschlussschreibens nicht rechtzeitig aufgeklärt worden zu sein. Einen solchen Rat hätte sie, wäre er rechtzeitig erteilt worden, nach ihrer Behauptung befolgt.

Die anwaltliche Beratung und Betreuung bezwecke, dem Auftraggeber fehlende Kenntnisse und Fertigkeiten in der Wahrnehmung seiner Rechtsangelegenheiten zu ersetzen. Der Auftraggeber müsse imstande sein, nach den bei der Beratung erteilten Hinweisen seine Rechte und Interessen wahren und eine Fehlentscheidung vermeiden zu können (vgl. BGHZ 129, 386, 396; BGH, Urteil vom 04.06.1996, Az. IX ZR 246/95, WM 1996, 1841, 1843). Könne ein rechtlicher Gesichtspunkt die Entscheidung eines vernünftigen Auftraggebers beeinflussen, so dürfe er von dem verantwortlichen Berater nicht verschwiegen werden, falls der Auftraggeber über diese Umstände nicht bereits unterrichtet sei (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2005, Az. IX ZR 127/04, Umdruck Rn. 13, z.V.b.).

Die Rechtsprechung zum gewerblichen Rechtschutz billige dem Verletzten für den Gebührenaufwand seines Abschlussschreibens einen Erstattungsanspruch gegen den im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unterlegenen Antragsgegner seit langem nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu, wenn dadurch – auch im Interesse des Störers – ein Rechtsstreit in der Hauptsache vermieden werde (vgl. BGHZ 52, 393, 399; BGH, Urteil vom 02.03.1973, Az. I ZR 5/72, NJW 1973, 901, 903 – Goldene Armbänder). In Abgrenzung dazu werde im Schrifttum verbreitet die Ansicht vertreten, dass dem Antragsgegner dann keine Kosten eines Abschlussschreibens zur Last fallen, wenn er bereits vor dessen Absendung unaufgefordert die Abschlusserklärung abgegeben habe (Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht 23. Aufl. § 12 UWG Rn. 3.73; Ahrens, Der Wettbewerbsprozess 5. Aufl. Kap. 58 Rn. 42; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren 8. Aufl. Kap. 43 Rn. 33; Schuschke/Walker/Schmukle, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz Bd. II 3. Aufl. Anh. zu § 935 ZPO Abschn. D Rn. 21; ebenso LG Wiesbaden WRP 1991, 342). Himmelsbach (Das Mandat im Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. Rn. 628) gibt „zur Vermeidung der Kostenfolge“ noch besonders den Praxistipp, der Kostenlast eines gegnerischen Abschlussschreibens vorzubeugen, indem unmittelbar nach Vollziehung einer einstweiligen Verfügung dem Verfügungskläger mitgeteilt werde, ob der Verfügungsbeklagte sie als endgültige Regelung anerkenne; der Antragsgegner (Verfügungsbeklagte) übersehe häufig, dass die ordnungsgemäße Aufforderung zur Abgabe der Abschlusserklärung eine Erstattungsforderung auslöse. So sei es nach der schriftlichen Anfrage der Beklagten bei der Klägerin, ob die Erstattungsforderung für das Abschlussschreiben der Gegnerin akzeptiert werde müsse, auch hier.

Zu den rechtlichen Gesichtspunkten, über welche der Rechtsanwalt seinen Auftraggeber aufklären müsse, könne auch die Größe und Höhe des Kostenerstattungsrisikos gehören, welches nach dem Vorstehenden für den Gebührenaufwand eines gegnerischen Abschlussschreibens drohe. Im Einzelnen hänge dies aber von den Umständen ab.

Die maßgebenden Umstände habe das Berufungsgericht hier mit seiner Auffassung, die Klägerin habe die Beklagte alsbald nach dem Bekanntwerden des Verfügungsurteils auf das Kostenrisiko eines gegnerischen Abschlussschreibens hinweisen müssen, nicht ausreichend in Betracht gezogen. Der Rechtsanwalt sei, so der BGH, nach Zustellung einer einstweiligen Verfügung gegen seinen Auftraggeber nicht zu dem Hinweis verpflichtet, dass durch die unaufgeforderte Abgabe einer Abschlusserklärung möglicherweise eine sonst eintretende Kostenbelastung vermieden werden kann, solange er diesem Gesichtspunkt bei den Entscheidungen seines Auftraggebers nur untergeordnete Bedeutung beimessen dürfe.

In der Entscheidungssituation der Beklagten ergebe sich eine rechtlich vorgegebene Stufenfolge. Die Beklagte könne eine Abschlusserklärung erst dann abgeben, wenn sie sich zum Verzicht auf die Berufung gegen das Verfügungsurteil und zur Klaglosstellung ihrer Gegnerin in der Hauptsache entschlossen habe. In diesem Entscheidungsprozess sei die Aussicht, mit einer unaufgefordert abgegebenen Abschlusserklärung den gegnerischen Kostenerstattungsanspruch von netto 1.046 EUR zu vermeiden, nach dem Gegenstand der Auseinandersetzung um die beabsichtigte Aufführung eines Musicals und die laufende Internetwerbung hierfür rechtlich und wirtschaftlich zunächst von untergeordneter Bedeutung gewesen. Erst dann, wenn sich die Beklagte mit Blick auf den Gegenstand der Auseinandersetzung entschlossen habe, keine Berufung gegen das sie beschwerende Verfügungsurteil einzulegen und auch von einem Antrag zur Klagerhebung (§ 926 ZPO) abzusehen, habe für sie die Frage einer eigenen Abschlusserklärung und im Zusammenhang damit die mögliche Kostenersparnis bei zeitlicher Überholung eines gegnerischen Abschlussschreibens Bedeutung gewinnen können.

Wann die Beklagte nach entsprechender Beratung dieses Entschließungsstadium erreicht habe, sei nicht vorgetragen worden. Damit sei auch nicht erkennbar, dass die Klägerin ihre Beratung bereits auf den Kostengesichtspunkt erweitern habe müssen, bevor das Abschlussschreiben der Verfügungsklägerin vom 07.11.2002 abgesandt worden sei.

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