BGH: Wiederholte Verstöße gegen Unterlassungsurteil können bei Handlungseinheit zusammengefasst werden

veröffentlicht am 15. April 2021

BGH, Beschluss vom 17.12.2020, Az. I ZB 99/19
§ 890 Abs. 1 S.1 ZPO

Der BGH hat entschieden, dass wiederholte Verstöße gegen eine Unterlassungsverurteilung unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden, die aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen. Zu einer natürlichen Handlungseinheit können nur solche Verhaltensweisen zusammengefasst werden, die gegen dasselbe gerichtliche Verbot verstoßen. Zum Volltext der Entscheidung:


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Bundesgerichtshof

Beschluss

Die Rechtsbeschwerden der Schuldnerin und der Gläubigerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart – 2. Zivilsenat – vom 25.09.2019 werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Schuldnerin 3/10, die Gläubigerin 7/10.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Gläubigerin und die Schuldnerin sind Wettbewerber im Bereich der Vermittlung von Studienplätzen für Medizin, Zahnmedizin und Tiermedizin im Ausland.

Die Gläubigerin betreibt aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.01.2017 die Zwangsvollstreckung. Darin wurde die Schuldnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im Hinblick auf ihre Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Studienplätzen, insbesondere im Ausland, unter anderem mit folgenden Aussagen zu werben:

4.
„Bei gutem Verlauf können Sie je nach Universität bereits nach einem Jahr zurück nach Deutschland wechseln. Nach dem 4. Semester haben Sie in der Regel physikumsadäquate Leistungen in Deutschland als ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung – es muss entsprechend kein Physikum geschrieben werden;“ wie geschehen in Anlage K9,

und

7. „Wir achten bei der Auswahl unserer Partneruniversitäten streng auf die Anrechnungsfähigkeit. Die im Ausland erworbenen Leistungsnachweise und Fachsemester eröffnen die Wechselmöglichkeit in höhere Fachsemester.“

1.
Mit der Schuldnerin am 28. Mai 2018 zugestelltem Antrag vom 23. Mai 2018 hat die Gläubigerin die Festsetzung von Ordnungsgeld wegen Verstößen gegen Ziffer 4 des Unterlassungstitels durch eine E-Mail vom 17. Januar 2018 und gegen Ziffer 7 durch den Text der Broschüre „Medizinstudium im Ausland 2018“ beantragt.

a) In der E-Mail vom 17. Januar 2018 hieß es:

„Bei gutem Verlauf können Sie je nach Universität bereits nach einem Jahr zurück nach Deutschland wechseln. Nach dem vierten Semester haben Sie erfahrungsgemäß an den meisten Universitäten physikumsadäquate Leistungen in Deutschland als Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung – es muss entsprechend kein Physikum geschrieben werden.“

b) Die beanstandete Broschüre „Medizinstudium im Ausland 2018“ enthielt folgende Passage:

„Wir achten bei der Auswahl unserer Vermittlungsuniversitäten auf eine möglichst gute Anrechnungsfähigkeit. Die im Ausland erworbenen Leistungsnachweise und Fachsemester eröffnen, nach Maßgabe der Anerkennung, die Wechselmöglichkeit in höhere Fachsemester.“

c) Das Landgericht hat mit Beschluss vom 1. August 2018 wegen Verstößen gegen den Unterlassungstenor zu 4 durch die E-Mail vom 17. Januar 2018 und gegen den Unterlassungstenor zu 7 durch die Broschüre „Medizinstudium im Ausland 2018“ gegen die Schuldnerin zwei Ordnungsgelder in Höhe von jeweils 15.000 €, insgesamt 30.000 €, verhängt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.

2. Mit Antrag vom 14. September 2018 hat die Gläubigerin wegen vier weiterer Verstöße gegen die Unterlassungsverurteilung die erneute Verhängung von Ordnungsgeld in Höhe von mindestens 100.000 € beantragt.

a) Die Gläubigerin ist der Ansicht, die Schuldnerin habe durch die Versendung einer E-Mail vom 13. April 2018 wiederum gegen Ziffer 4 und 7 der Unterlassungsverurteilung verstoßen.

Das mit dieser E-Mail als Anlage versandte Anschreiben an Studieninteressierte enthielt folgende Passage:

„Bei gutem Verlauf können Sie je nach Universität bereits nach einem Jahr zurück nach Deutschland wechseln. Nach dem vierten Semester haben Sie erfahrungsgemäß an den meisten Universitäten Leistungen, die dem Physikum in Deutschland entsprechen, als ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung erbracht. Es muss entsprechend kein Physikum geschrieben werden.“

Der E-Mail vom 13. April 2018 war als Anlage außerdem die Broschüre der Schuldnerin „Medizinstudium im Ausland 2018“ beigefügt, die erneut folgende Passage enthielt:

„Wir achten bei der Auswahl unserer Vermittlungsuniversitäten auf eine möglichst gute Anrechnungsfähigkeit. Die im Ausland erworbenen Leistungsnachweise und Fachsemester eröffnen, nach Maßgabe der Anerkennung, die Wechselmöglichkeit in höhere Fachsemester.“

b) Die Gläubigerin hat außerdem zwei weitere Verstöße gegen Ziffer 7 des Urteilstenors darin gesehen, dass die Schuldnerin am 29. Juni 2018 im Abstand von 19 Sekunden E-Mails an zwei verschiedene Interessentinnen versandt hatte, denen jeweils als Anhang die Broschüre „Medizinstudium im Ausland 2018“ beigefügt war, die wiederum die von der Gläubigerin beanstandete und vorstehend wiedergegebene Passage enthielt.

c) Das Landgericht hat den erneuten Ordnungsmittelantrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Beschwerdegericht die Entscheidung des Landgerichts teilweise abgeändert und gegen die Schuldnerin wegen zweier Verstöße gegen den Unterlassungstitel ein Ordnungsgeld in Höhe von jeweils 15.000 €, insgesamt 30.000 €, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 1.000 € einen Tag Ordnungshaft festgesetzt. Den weitergehenden Ordnungsmittelantrag hat es zurückgewiesen.

Dagegen wenden sich die Gläubigerin und die Schuldnerin mit ihren vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden. Die Gläubigerin verfolgt ihren Ordnungsgeldantrag weiter, soweit er bislang erfolglos geblieben ist. Die Schuldnerin erstrebt dessen Zurückweisung in vollem Umfang.

II.
Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Schuldnerin habe durch die E-Mail vom 13. April 2018 einerseits und die beiden E-Mails vom 29. Juni 2018 andererseits jeweils einen Verstoß gegen den Vollstreckungstitel begangen, wofür erneut zwei Ordnungsgelder in Höhe von insgesamt 30.000 € zu verhängen seien. Im Übrigen sei der Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin unbegründet. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die beanstandeten Verhaltensweisen verstießen gegen die Verbote im Unterlassungstenor zu 4 und 7. Sie seien nicht bereits durch den Ordnungsmittelbeschluss vom 1. August 2018 geahndet. Sie stünden nicht in natürlicher Handlungseinheit zu den mit diesem Ordnungsmittelbeschluss sanktionierten Zuwiderhandlungen gegen den Vollstreckungstitel. Dem stehe nicht entgegen, dass die mit dem zweiten Ordnungsmittelantrag gerügten Verstöße gegen die Unterlassungsverurteilung vor dem ersten Ordnungsmittelbeschluss erfolgt seien. Jedenfalls sei eine Zäsur durch die Zustellung des ersten Ordnungsmittelantrags vom 23. Mai 2018 eingetreten, so dass die Annahme einer fortdauernden natürlichen Handlungseinheit ausscheide. Allerdings habe die Gläubigerin nur zwei Handlungen im Rechtssinne schlüssig vorgetragen. Die beiden Werbe-E-Mails vom 29. Juni 2018 stellten einen einheitlichen Verstoß dar, hiervon sei die E-Mail vom 13. April 2018 zu trennen. Der Versand der Broschüre mit E-Mails vom 13. April 2018 und 29. Juni 2018 stelle mit diesen einen einheitlichen Verstoß dar. Die Schuldnerin habe vorsätzlich gehandelt. Es sei angemessen, beide Zuwiderhandlungen mit einem Ordnungsgeld von jeweils 15.000 €, insgesamt mit 30.000 €, zu ahnden.

III.
Die Rechtsbeschwerden der Schuldnerin und der Gläubigerin sind aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch ansonsten nach § 575 ZPO zulässig. Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts ist zwar nicht rechtsfehlerfrei. Die Rechtsfehler wirken sich im Ergebnis jedoch nicht aus.

1.
Nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist der Schuldner, wenn er der Verpflichtung zuwiderhandelt, eine Handlung zu unterlassen, wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 EUR, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen (§ 890 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird (§ 890 Abs. 2 ZPO).

2.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Verhängung von Ordnungsmitteln ist in dem rechtskräftigen Vollstreckungstitel angedroht worden.

3.
Die Schuldnerin hat durch die Versendung des Anschreibens an Studieninteressierte und der Broschüre „Medizinstudium im Ausland 2018“ mit der E-Mail vom 13. April 2018 gegen die Unterlassungsverurteilung zu 4 und 7 und durch die Versendung der Broschüre „Medizinstudium im Ausland 2018“ mit den beiden E-Mails vom 29. Juni 2018 gegen die Unterlassungsverurteilung zu 7 verstoßen. Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass die von der Schuldnerin gewählten Formulierungen nur marginale sprachliche Änderungen der mit den Unterlassungsverurteilungen zu 4 und 7 verbotenen Aussagen darstellen, die den unlauteren Kern der verbotenen Aussagen nicht verlassen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Soweit die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin der Ansicht ist, dass ihr Verhalten nicht als Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtungen anzusehen ist, ersetzt sie in einer im Rechtsbeschwerdeverfahren unzulässigen Weise die tatrichterliche Beurteilung des Beschwerdegerichts durch ihre eigene, ohne dabei einen Rechtsfehler des Beschwerdegerichts aufzuzeigen.

4.
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Beschwerdegerichts, die mit dem zweiten Ordnungsmittelantrag beanstandeten Zuwiderhandlungen gegen den Vollstreckungstitel seien nicht bereits durch den ersten Ordnungsgeldbeschluss geahndet worden (dazu III 4 b). Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, die mit dem zweiten Ordnungsmittelantrag beanstandete E-Mail vom 13. April 2018 einerseits und die beiden E-Mails vom 29. Juni 2018 andererseits stellten mehrere Zuwiderhandlungen dar, lässt keinen Rechtsfehler erkennen (dazu II 4 c). Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hat keinen Erfolg, soweit sie geltend macht, in den beiden E-Mails vom 29. Juni 2018 seien mehrere Zuwiderhandlungen zu sehen (dazu III 4 d); sie beanstandet jedoch mit Recht die Beurteilung des Beschwerdegerichts, im Streitfall lägen lediglich zwei Zuwiderhandlungen gegen die titulierten Unterlassungsverpflichtungen vor (dazu III 4 e).

a)
Die Verhaltensweisen der Schuldnerin können nicht nach den Grundsätzen über den Fortsetzungszusammenhang bewertet werden. Nachdem der Bundesgerichtshof das aus dem Strafrecht stammende Rechtsinstitut des Fortsetzungszusammenhangs für den Bereich des Strafrechts aufgegeben und der Senat den Rechtsbegriff der Fortsetzungstat im Recht der Vertragsstrafe für unanwendbar erklärt hat (BGH, Urteil vom 25. Januar 2001 – I ZR 323/98, BGHZ 146, 318, 324 f. [juris Rn. 17] – Trainingsvertrag), hat der Senat an diesem Institut auch für die Zwangsvollstreckung nicht festgehalten (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – I ZB 32/06, GRUR 2009, 427 Rn. 14 = WRP 2009, 637). In der Zwangsvollstreckung können bei der Bemessung des Ordnungsmittels auch ohne die Grundsätze der fortgesetzten Handlung alle Umstände berücksichtigt werden, die es angemessen erscheinen lassen, bei wiederholten Verstößen nicht das Vielfache der für eine einzelne Zuwiderhandlung als angemessen erachteten Sanktion zu verhängen (BGH, GRUR 2009, 427 Rn. 14). Im Zivilrecht und in der Zwangsvollstreckung können mehrere – auch fahrlässige – Verhaltensweisen, die aufgrund ihres räumlichzeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen, unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit als eine Tat angesehen werden (BGH, GRUR 2009, 427 Rn. 13). Kann bei natürlicher Betrachtungsweise angenommen werden, dass der Schuldner jeweils einen neuen Entschluss zum Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung gefasst oder einen bereits gefassten Entschluss bewusst bekräftigt hat, spricht dies gegen das Vorliegen einer natürlichen Handlungseinheit und für die Annahme von mehreren Zuwiderhandlungen (vgl. BGHZ 146, 318, 326 [juris Rn. 29] – Trainingsvertrag). Hiervon ist das Beschwerdegericht ausgegangen.

b)
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Beschwerdegerichts, die Verhaltensweisen der Schuldnerin, die die Gläubigerin zum Gegenstand der beiden Ordnungsmittelverfahren gemacht hat, stellten eine Mehrzahl von Einzelverstößen und keine natürliche Handlungseinheit dar, die mit dem zweiten Ordnungsmittelantrag beanstandeten Zuwiderhandlungen gegen die Unterlassungsverurteilungen seien deshalb nicht bereits mit dem ersten Ordnungsgeldbeschluss geahndet.

aa)
Das Beschwerdegericht hat angenommen, eine natürliche Handlungseinheit des mit dem zweiten Ordnungsmittelantrag gerügten Verhaltens – also des Versands der E-Mail vom 13. April 2018 und der beiden E-Mails vom 29. Juni 2018 – mit dem Versand der E-Mail vom 17. Januar 2018 und der Broschüre „Medizinstudium im Ausland 2018“ in der damaligen Fassung, die Gegenstand des ersten Ordnungsmittelverfahrens gewesen seien, komme nicht in Betracht. Die Schuldnerin habe gegenüber der E-Mail vom 17. Januar 2018 und der seinerzeit angegriffenen Fassung der Broschüre „Medizinstudium im Ausland 2018“ sowohl den Text der E-Mails als auch den Text der Anhänge einschließlich der Broschüre geändert. Die Verbreitung der Neufassung stelle eine neu zu überprüfende Handlung dar. Unerheblich sei, dass die umgearbeitete Broschüre denselben Namen trage wie die alte. Es komme entscheidend darauf an, dass der Inhalt verändert worden sei. Diese Beurteilung hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

bb)
Das Beschwerdegericht hat mit Recht angenommen, dass sprachlich geringfügige Veränderungen an den in Rede stehenden Werbeaussagen für einen neuen Entschluss der Schuldnerin zum Verstoß gegen die Unterlassungsverurteilung sprechen (vgl. BGHZ 146, 318, 326 [juris Rn. 29] – Trainingsvertrag). Die Schuldnerin hat die beanstandete Werbeaussage in der E-Mail vom 13. April 2018, die sich auf im Ausland erworbene und dem Physikum entsprechende Studienleistungen bezieht (Unterlassungstenor zu 4), gegenüber der entsprechenden Werbeaussage in der E-Mail vom 17. Januar 2018 sprachlich leicht verändert. Dies spricht für einen erneuten Tatentschluss zum Verstoß gegen den Unterlassungstenor zu 4.

cc)
Die Schuldnerin hat zwar die Broschüre „Medizinstudium im Ausland 2018“ gegenüber der Fassung, die Gegenstand des ersten Ordnungsmittelantrags war, sprachlich nicht verändert. Dies ergibt sich aus den beiden Ordnungsmittelanträgen der Gläubigerin, auf die das Beschwerdegericht Bezug genommen hat. Zwischen den im ersten und im zweiten Ordnungsmittelverfahren beanstandeten Verhaltensweisen liegen aber mehrere Monate. Es kann zwar bei natürlicher Betrachtungsweise gerechtfertigt sein, wiederholte Verstöße innerhalb eines kurzen abgegrenzten Zeitraums zusammenzufassen. Bei wiederholten Verstößen nach einem längeren Zeitraum scheidet jedoch die Zusammenfassung mehrerer Handlungen zu einer natürlichen Handlungseinheit regelmäßig aus. Dieser zeitliche Abstand rechtfertigt im Streitfall den Schluss darauf, dass die Schuldnerin den Entschluss zum Verstoß gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung zu 7 wiederholt bewusst bekräftigt hat.

c)
Die E-Mail vom 13. April 2018 und die beiden E-Mails vom 29. Juni 2018 bilden ebenfalls keine natürliche Handlungseinheit aa) Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Werbe-E-Mails vom 13. April 2018 und vom 29. Juni 2018 stellten zwei voneinander zu trennende Verstöße dar. Die E-Mail vom 13. April 2018 decke sich inhaltlich nicht vollständig mit den E-Mails vom 29. Juni 2018. Deshalb sei davon auszugehen, dass sie nicht als Folge derselben, sondern einer eigenständigen Programmierung versandt worden sei. Außerdem liege zwischen dem 13. April 2018 und dem 29. Juni 2018 die Zustellung des Ordnungsmittelantrags der Gläubigerin am 28. Mai 2018, der eine Zäsur bewirke. Das vorangegangene Ordnungsmittelverfahren stelle eine Zäsur dar, die der Annahme einer fortdauernden natürlichen Handlungseinheit entgegenstehe. Die Zäsur trete nicht erst durch den Ordnungsmittelbeschluss ein, sondern schon mit Zustellung des Ordnungsmittelantrags. Diese gebe dem Vollstreckungsschuldner Anlass, selbstkritisch zu überprüfen, ob sein Verhalten dem titulierten Anspruch gerecht werde. Diese Beurteilung hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

bb)
Es ist allerdings fraglich, ob die Beurteilung des Beschwerdegerichts, die E-Mail vom 13. April 2018 einerseits und die E-Mails vom 29. Juni 2018 andererseits seien jeweils aufgrund einer veränderten Programmierung versandt worden, von seinen Feststellungen getragen wird. Die von der Gläubigerin vorgelegten E-Mails der Schuldnerin, auf die das Beschwerdegericht Bezug genommen hat, weisen identische Betreffzeilen und einen identischen Wortlaut auf. Ihnen waren jeweils vier Anlagen mit identischer Bezeichnung beigefügt. Es kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Schuldnerin den Versand ihrer Werbe-E-Mails technisch geändert und bereits dadurch zu erkennen gegeben hat, dass sie einen erneuten Entschluss zum Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung zu 7 gefasst hat.

cc)
Die Beurteilung des Beschwerdegerichts erweist sich jedenfalls deshalb im Ergebnis als richtig, weil der Schuldnerin am 28. Mai 2018, also zwischen dem 13. April 2018 und dem 29. Juni 2018, der erste Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin zugestellt worden ist. Das Beschwerdegericht hat mit Recht angenommen, dass die Schuldnerin danach zwangsläufig erneut eine Entscheidung darüber treffen musste, ob sie das ihr verbotene Verhalten – unverändert – fortsetzt. Davon ist hier auszugehen, weil die Schuldnerin zeitlich danach am 29. Juni 2018 weitere Werbe-E-Mails mit den verbotenen Inhalten an Studieninteressenten versandt hat.

d)
Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin macht ohne Erfolg geltend, die beiden Werbe-E-Mails vom 29. Juni 2018 seien nicht als eine natürliche Handlungseinheit anzusehen. Diese inhaltlich übereinstimmenden E-Mails sind nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts innerhalb eines Abstands von nur 19 Sekunden an zwei verschiedene Interessentinnen versandt worden. Bei nahezu zeitgleich versandten E-Mails identischen Inhalts begegnet die Beurteilung des Beschwerdegerichts, es handele sich bei natürlicher Betrachtungsweise um ein einheitliches Tun, keinen Bedenken. Auf die Frage, ob der stellvertretende Direktor der Schuldnerin mehrere E-Mails gleichen Inhalts versandt hat, wie die Gläubigerin behauptet hat, oder ob eine automatische Generierung stattgefunden hat, wie die Schuldnerin vorgetragen hat, kommt es angesichts dieses engen zeitlichen Zusammenhangs nicht an.

e)
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts liegen jedoch insgesamt nicht zwei, sondern drei Zuwiderhandlungen der Schuldnerin gegen den Vollstreckungstitel vor.

aa)
Das Beschwerdegericht hat angenommen, neben der E-Mail vom 13. April 2018 einerseits und den beiden E-Mails vom 29. Juni 2018 andererseits würde auch in der Verbreitung der Broschüre ein eigenständiger Verstoß liegen. Die Gläubigerin habe jedoch über die genannten E-Mails hinaus keine Verbreitung dieser Druckschrift vorgetragen. Soweit sie mit diesen E-Mails versandt worden sei, stelle sie mit diesen einen einheitlichen Verstoß dar. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

bb)
Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass die Schuldnerin mit der E-Mail vom 13. April 2018 gegen zwei verschiedene Unterlassungsverurteilungen verstoßen hat und damit wegen zwei Zuwiderhandlungen ein Ordnungsgeld festzusetzen war.

(1)
Zu einer natürlichen Handlungseinheit können nur solche Verhaltensweisen zusammengefasst werden, die gegen dasselbe gerichtliche Verbot verstoßen. Dies dient dazu, bei wiederholten Verstößen mehrere Verhaltensweisen zusammenzufassen, die aufgrund ihres räumlichzeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (vgl. BGH, GRUR 2009, 427 Rn. 13). Das Institut der natürlichen Handlungseinheit dient jedoch nicht dazu, mehrere Verhaltensweisen zusammenzufassen, die gegen unterschiedliche Verbotsaussprüche verstoßen. Anderenfalls bliebe unberücksichtigt, dass der Schuldner mehrfach verurteilt worden ist und sich in mehrfacher Weise der Befolgung von gerichtlichen Verboten widersetzt hat (vgl. OLG Düsseldorf, WRP 2019, 637, 641 f. [juris Rn. 43]).

(2)
Die Schuldnerin hat durch das Versenden des der E-Mail vom 13. April 2018 beigefügten Anschreibens an Studieninteressenten gegen die Unterlassungsverurteilung zu 4 und mit der Beifügung der Broschüre „Medizinstudium im Ausland 2018“ gegen die Unterlassungsverurteilung zu 7 zu verstoßen.

cc)
Neben den in der E-Mail vom 13. April 2018 liegenden Verstößen gegen die Unterlassungsverurteilungen zu 4 und 7 des Vollstreckungstitels hat die Schuldnerin mit den beiden E-Mails vom 29. Juni 2018, die als natürliche Handlungseinheit anzusehen sind (vgl. III 4 c), durch die jeweilige Beifügung der Broschüre „Medizinstudium im Ausland 2018“ ein weiteres Mal gegen die Unterlassungsverurteilung zu 7 verstoßen, so dass insgesamt drei Zuwiderhandlungen vorliegen.

5.
Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Verschulden des Schuldners voraussetzt (BVerfG, NJW-RR 2007, 860 Rn. 11 mwN). Auch diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Schuldnerin habe vorsätzlich gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung verstoßen, weil es für die Verantwortlichen der Schuldnerin auf der Hand gelegen habe, dass die marginal geänderten Werbetexte weiterhin irreführend seien. Die Vorgehensweise der Schuldnerin lasse erkennen, dass es ihr nicht darum gegangen sei, den Vollstreckungstitel zu befolgen, sondern ihn zu umgehen.

Dem hält die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin ohne Erfolg entgegen, die Schuldnerin sei der Auffassung gewesen, dass ein kerngleicher Verstoß gegen die Unterlassungsverurteilungen nicht vorgelegen habe, so dass allenfalls Fahrlässigkeit vorliege und das Verschulden der Schuldnerin damit geringer schwer wiege. Damit ersetzt die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin in einer im Rechtsbeschwerdeverfahren unzulässigen Weise die tatrichterliche Beurteilung des Beschwerdegerichts durch ihre eigene, ohne dabei einen Rechtsfehler des Beschwerdegerichts aufzuzeigen.

6.
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wendet sich ohne Erfolg gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von insgesamt 30.000 €. Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin macht vergeblich die Festsetzung eines höheren Ordnungsgeldes geltend.

a) Bei der Wahl und Bemessung der Ordnungsmittel steht dem Tatgericht ein Ermessen zu. Die getroffene Entscheidung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob alle wesentlichen Umstände rechtsfehlerfrei gewürdigt worden sind und von dem Ermessen gemäß dem Gesetzeszweck unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Gebrauch gemacht worden ist (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – I ZB 118/15, GRUR 2017, 318 Rn. 16 = WRP 2017, 328 mwN).

b)
Das Beschwerdegericht hat angenommen, erforderlich und angemessen zur Ahndung der beiden Zuwiderhandlungen sei ein Ordnungsgeld von je 15.000 €, in Summe 30.000 €. Der Umstand, dass mehrere Verstöße sanktioniert würden, führe nicht zu einer Absenkung des für den einzelnen Verstoß angemessenen Ordnungsgeldes, wobei auch bei einer Gesamtbetrachtung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeitskontrolle eine Herabsetzung nicht in Betracht komme. Die Zahl der in Rede stehenden Verstöße sei gering. Besonderheiten, die das festgesetzte Ordnungsgeld in der Summe als übermäßig erscheinen lassen könnten, lägen nicht vor. Dass sich die Schuldnerin derzeit in Liquidation befinde, ändere daran nichts. Sie sei noch nicht erloschen, eine Rückkehr an den Markt sei möglich. Eine Erhöhung des Ordnungsgeldes sei nicht deshalb geboten, weil die nunmehr sanktionierten Verstöße vor dem Erlass des Ordnungsmittelbeschlusses vom 1. August 2018 begangen worden seien und den dort abgehandelten Zuwiderhandlungen ähnelten. Wären diese Verstöße seinerzeit mitbehandelt worden, wäre für sie kein anderes Ordnungsgeld festzusetzen gewesen. Diese Beurteilung des Beschwerdegerichts ist zwar nicht frei von Rechtsfehlern. Diese wirken sich im Ergebnis jedoch nicht aus.

c)
Ordnungsmittel sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen. Die Ordnungsmittel des § 890 ZPO haben einen doppelten Zweck. Als zivilrechtliche Beugemaßnahme dienen sie – präventiv – der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen. Daneben stellen sie – repressiv – eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots dar. Dieser doppelte Zweck erfordert es, die Bemessung der Ordnungsmittel jedenfalls in erster Linie im Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten (BGH, GRUR 2017, 318 Rn. 17 mwN). Da die Festsetzung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 ZPO für den Betroffenen strafähnliche Wirkung hat, muss seine Verhängung, grundlegenden strafrechtlichen Prinzipien genügen. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes setzt daher ein Verschulden des Schuldners voraus. Nach dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die Strafe oder die strafähnliche Sanktion und dementsprechend auch das Ordnungsgeld ferner in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung und dem Verschulden des Zuwiderhandelnden stehen. Darüber hinaus sind nach dem Grundsatz der Opfergleichheit bei der Verhängung einer Geldstrafe und dementsprechend bei der Festsetzung eines Ordnungsgeldes die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters oder des Zuwiderhandelnden zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die Sanktion bei vergleichbaren Straftaten oder Zuwiderhandlungen unterschiedlich bemittelte Täter oder Zuwiderhandelnde gleich schwer trifft. Die Verhängung der Geldstrafe in Tagessätzen nach § 40 StGB dient der Verwirklichung dieser Grundsätze. Daher kann diese Vorschrift bei der Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes entsprechend angewandt werden (BGH, GRUR 2017, 318 Rn. 19 mwN).

d)
Die Rechtsbeschwerden der Schuldnerin und der Gläubigerin wenden sich im Ergebnis ohne Erfolg dagegen, dass das Beschwerdegericht wegen der Zuwiderhandlungen gegen den Vollstreckungstitel durch die Versendung der E-Mails am 13. April 2018 und am 29. Juni 2018 Ordnungsgelder in Höhe von jeweils 15.000 €, insgesamt 30.000 €, verhängt hat.

aa)
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin rügt ohne Erfolg, das Beschwerdegericht habe keine Rücksicht auf die Vermögenssituation der Schuldnerin genommen.

(1)
Das Beschwerdegericht hat bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin berücksichtigt. Es hat insbesondere von sich aus aufgrund seiner Kenntnis aus anderen Verfahren dem Umstand Rechnung getragen, dass die Schuldnerin sich derzeit in Liquidation befindet. Es hat dies jedoch nicht zum Anlass genommen, die Höhe des von ihm als angemessen erachteten Ordnungsgeldes herabzusetzen, weil die Schuldnerin an den Markt zurückkehren könne.

(2)
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin hält diese Erwägung für spekulativ und rügt, das Beschwerdegericht habe die finanziellen Verhältnisse der Schuldnerin nicht in seine Erwägungen einbezogen. Damit kann sie nicht durchdringen.

Die Schuldnerin hat in beiden Beschwerdeverfahren zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen lediglich vorgetragen, sie habe in den Jahren 2015 und 2016 Verluste erwirtschaftet. Dieser Vortrag lässt bereits nicht erkennen, dass ein Ordnungsgeld in Höhe von 15.000 € für Zuwiderhandlungen im Jahr 2018 unangemessen hoch ist. Die Schuldnerin hat außerdem keinen Vortrag dazu gehalten, welche Gründe zu ihrer Liquidation geführt haben, sie hat insbesondere nicht geltend gemacht, ihre Liquidation erfolge aus wirtschaftlichen Gründen.

Das Beschwerdegericht hat außerdem bereits im ersten Ordnungsmittelverfahren eine Absenkung des für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes in Höhe von 15.000 € im Hinblick darauf nicht als angemessen erachtet, dass ihm aus verschiedenen Verfahren bekannt sei, dass die Schuldnerin mit jeder einzelnen Studienplatzvermittlung erhebliche Einnahmen erziele. Dies lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Schuldnerin erkennen und wird von der Rechtsbeschwerde der Schuldnerin auch nicht angegriffen.

bb)
Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wendet sich ohne Erfolg gegen die Art und Weise, wie das Beschwerdegericht das erste Ordnungsmittelverfahren bei der Bemessung des Ordnungsgeldes im zweiten Ordnungsmittelverfahren berücksichtigt hat.

(1)
Das Beschwerdegericht hat es für angemessen erachtet, alle mit den beiden Ordnungsmittelanträgen beanstandeten Zuwiderhandlungen gegen die Unterlassungsverurteilungen so zu behandeln, als ob über sie durch den ersten Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts vom 1. August 2018 einheitlich entschieden worden wäre. Diese Beurteilung lässt keinen Ermessensfehler erkennen. Eine solche Betrachtung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Gläubigerin mit dem zweiten Ordnungsmittelantrag vom 14. September 2018 die Versendung der E-Mail vom 13. April 2018 beanstandet hat, die zeitlich vor dem ersten Ordnungsmittelantrag vom 23. Mai 2018 erfolgt war, und dass die Zuwiderhandlung am 29. Juni 2018, die ebenfalls Gegenstand des zweiten Ordnungsmittelantrags war, zeitlich vor dem ersten Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts vom 1. August 2018 lag. Da das Beschwerdegericht jeweils von vorsätzlichem Handeln der Schuldnerin ausgegangen ist, liegt es im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens, die Zustellung des ersten Ordnungsmittelantrags der Gläubigerin nicht zum Anlass zu nehmen, für die zeitlich danach liegende Zuwiderhandlung am 29. Juni 2018 ein höheres Ordnungsgeld zu verhängen.

(2)
Auch im Übrigen benachteiligt die Berücksichtigung des ersten Ordnungsmittelverfahrens durch das Beschwerdegericht die Gläubigerin nicht.

In der Zwangsvollstreckung können bei der Bemessung des Ordnungsmittels auch ohne die Grundsätze der fortgesetzten Handlung alle Umstände berücksichtigt werden, die es angemessen erscheinen lassen, bei wiederholten Verstößen nicht das Vielfache der für eine einzelne Zuwiderhandlung als angemessen erachteten Sanktion zu verhängen. Insbesondere kann das Prozessgericht bei der Bemessung in Rechnung stellen, dass der gegenüber der Unternehmensleitung erhobene Verschuldensvorwurf sich dann, wenn der einzelne Teilakt von einem Mitarbeiter begangen worden ist, allein auf das Organisations- oder Überwachungsverschulden des Unternehmens stützt (BGH, GRUR 2009, 427 Rn. 14). In diesem Zusammenhang kann auch die Tatsache berücksichtigt werden, dass bereits ein erstes Ordnungsmittelverfahren stattgefunden hat. Sie kann es rechtfertigen, das Vielfache der für eine einzelne Zuwiderhandlung als angemessen erachteten Sanktion zu verhängen, weil die bislang ergriffenen Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Verstöße offensichtlich nicht ausreichten (vgl. BGH, GRUR 2009, 427 Rn. 15).

Hiervon ist das Beschwerdegericht ausgegangen. Es hat ein Vielfaches des als angemessen erachteten Ordnungsgeldes verhängt und der Schuldnerin versagt, sich auf ein Organisationsverschulden zu berufen, das zu einer Ermäßigung des insgesamt zu verhängenden Ordnungsgeldes hätte führen können. Angesichts der nicht unbeträchtlichen Höhe des Ordnungsgeldes von 15.000 € ist weder von der Gläubigerin dargelegt noch sonst ersichtlich, dass allein ein noch höheres Ordnungsgeld ermessensfehlerfrei gewesen wäre.

cc)
Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin macht demgegenüber mit Recht geltend, das Beschwerdegericht habe rechtsfehlerhaft den Umstand unberücksichtigt gelassen, dass am 29. Juni 2018 im Sekundentakt zwei E-Mails an zwei verschiedene Interessentinnen versandt worden sind und am 13. April 2018 nur eine einzelne E-Mail. Damit hat das Beschwerdegericht den unterschiedlichen Umfang der beiden in Rede stehenden Zuwiderhandlungen nicht berücksichtigt, indem es bei der Bemessung des Ordnungsgeldes die Zuwiderhandlung durch die Versendung der beiden E-Mails vom 29. Juni 2018 und diejenige durch die Versendung der – einzelnen – E-Mail vom 13. April 2018 gleich behandelt hat. Wiegt bei einer Mehrzahl zu ahndender Verstöße einer von ihnen schwerer als die anderen, kann dies die Festsetzung eines höheren Ordnungsgeldes rechtfertigen.

dd)
Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin beanstandet außerdem zu Recht, dass das Beschwerdegericht lediglich zwei und nicht drei Verstöße gegen die Unterlassungsverurteilungen bei der Bemessung des Ordnungsgeldes berücksichtigt hat (dazu III 4 e Rn. 31 bis 36).

ee)
Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin kann jedoch deshalb keinen Erfolg haben, da zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts seit den Zuwiderhandlungen am 13. April 2018 und am 29. Juni 2018 mehr als zwei Jahre vergangen sind und damit Verfolgungsverjährung gemäß Art. 9 Abs. 1 EGStGB eingetreten ist.

(1)
Für die Ordnungsmittel des § 890 ZPO gilt die Regelung des Art. 9 EGStGB. Hinsichtlich der hier allein in Frage stehenden Verfolgungsverjährung bestimmt Art. 9 Abs. 1 EGStGB, dass die – in der Regel – zweijährige Verjährungsfrist beginnt, sobald die Handlung beendet ist, und dass die Verjährung die Festsetzung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft ausschließt. Ein Ruhen der Verjährung ist nur für den Fall vorgesehen, dass nach dem Gesetz das Verfahren zur Festsetzung des Ordnungsgeldes nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann (Art. 9 Abs. 1 Satz 4 EGStGB). Eine § 78b Abs. 3 StGB und § 32 Abs. 2 OWiG entsprechende Regelung dahin, dass die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt abläuft, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist eine Entscheidung im ersten Rechtszug ergangen ist, enthält Art. 9 EGStGB nicht (BGH, Beschluss vom 5. November 2004 – IXa ZB 18/04, BGHZ 161, 60, 63 f. [juris Rn. 10]). Ein innerhalb der laufenden Verjährungsfrist gestellter Ordnungsmittelantrag des Gläubigers lässt die Verfolgungsverjährung nicht bis zu einer Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag ruhen. Die Auslegung von Vorschriften über die Verjährung – wie hier über das Ruhen der Verjährung – muss sich im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich eng an den Wortlaut des Gesetzes anlehnen. Die Verfolgungsverjährung von Ordnungsmitteln kann danach aus Gründen der Rechtssicherheit nur in den in Art. 9 Abs. 1 Satz 4 EGStGB abschließend geregelten Fällen ruhen, dass die Verfolgung nach dem Gesetz nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann (zu Art. 9 Abs. 2 Satz 4 EGStGB: BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 – I ZB 72/17, NJW-RR 2019, 822 Rn. 15).

(2)
Gleichwohl kann, jedenfalls im Anwendungsbereich des § 890 ZPO, die Verfolgungsverjährung nicht (mehr) eintreten, wenn das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht auf den Antrag des Gläubigers ein Ordnungsmittel bereits festgesetzt hat. Diese Annahme erfordert weder eine § 78b Abs. 3 StGB und § 32 Abs. 2 OWiG entsprechende zusätzliche Regelung noch muss dafür diesen Vorschriften ein allgemeiner, auf Art. 9 EGStGB zu übertragender Rechtsgedanke entnommen werden. Sie ergibt sich vielmehr schon aus dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 EGStGB, soweit dort bestimmt ist, dass die Verjährung die Festsetzung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft ausschließt. Wird ein Ordnungsmittel festgesetzt, endet der Lauf der Verfolgungsverjährung, ohne dass der rechtskräftige Abschluss des Festsetzungsverfahrens eine Rolle spielt (BGHZ 161, 60, 64 [juris Rn. 11]; BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – I ZB 20/11, GRUR 2012, 427 Rn. 7; BGH, NJW-RR 2019, 822 Rn. 11; vgl. auch BFH, Beschluss vom 26. Mai 1995 – X B 335/94, BFH/NV 1995, 1004, 1005 [juris Rn. 7]). Von der ersten Festsetzung eines Ordnungsmittels an kommt nur noch die Vollstreckungsverjährung (Art. 9 Abs. 2 EGStGB) in Betracht (BGHZ 161, 60, 64 [juris Rn. 11]; BGH, NJW-RR 2019, 822 Rn. 11).

(3)
Die Verfolgungsverjährung begann mit der Beendigung der hier in Rede stehenden Handlungen, also mit Abschluss der Versendung der E-Mails am 13. April 2018 und am 29. Juni 2018. Das Beschwerdegericht hat mit Beschluss vom 25. September 2019 – also vor Ablauf der Verfolgungsverjährung – wegen zweier Verstöße gegen den Vollstreckungstitel ein Ordnungsgeld in Höhe von 30.000 € festgesetzt. Damit endete in diesem Umfang der Lauf der Verfolgungsverjährung.

(4)
Soweit das Beschwerdegericht dagegen kein Ordnungsgeld festgesetzt hat, greift Art. 9 Abs. 1 EGStGB ein. Die Verfolgungsverjährung ist, ebenso wie die Vollstreckungsverjährung, ein Verfahrenshindernis (vgl. Engelhart in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 OWiG Rn. 1), das von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1958 – 4 StR 145/58, BGHSt 11, 393, 395).

Dies führt im Streitfall dazu, dass die Festsetzung eines weiteren Ordnungsgeldes im Hinblick darauf ausscheidet, dass in der Versendung der E-Mail vom 13. April 2018 entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht nur ein einziger, sondern ein doppelter Verstoß gegen den Vollstreckungstitel liegt.

Wegen der eingetretenen Verfolgungsverjährung ist es auch nicht möglich, das vom Beschwerdegericht mit 15.000 € zu niedrig angesetzte Ordnungsgeld wegen der Versendung der beiden E-Mails vom 29. Juni 2018 nach Eintritt der Verfolgungsverjährung zu erhöhen. Wie sich aus Art. 9 Abs. 1 Satz 1 EGStGB ergibt, endet die Verfolgungsverjährung nur in dem Umfang, in dem es in unverjährter Zeit zur Festsetzung eines Ordnungsgeldes gekommen ist. Nach Eintritt der Verfolgungsverjährung ist eine Erhöhung eines festgesetzten Ordnungsgeldes nicht zulässig.

IV.
Danach sind die Rechtsbeschwerden der Gläubigerin und der Schuldnerin gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts zurückzuweisen, die Kostenentscheidung folgt aus (§ 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Urteil vom 24.05.2019, Az. 44 O 34/16 KfH
OLG Stuttgart, Urteil vom 25.09.2019, Az. 2 W 33/19

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