BGH: Zu der Frage, wann eine Irreführung durch eine Meinungsumfrage belegt ist

veröffentlicht am 21. April 2010

BGH, Beschluss vom 11.02.2010, Az. I ZR 154/08
§§ 3, 5 UWG

Der BGH hat sich dazu geäußert, wann eine Irreführung durch Meinungsumfragen belegt ist und deutlich gemacht, dass die Fragestellung bei Meinungsumfragen über deren prozessualen Wert entscheiden kann, selbst wenn es sich nur um ein abweichendes Wort handelt. Streitgegenständlich war die Nutzung der Bezeichnung „Bundesdruckerei“ für eine Druckerei, bei der zu Streitbeginn die Bundesrepublik Deutschland zumindest nicht mehrheitlicher Anteilseigner war.

Wie eine Angabe verstanden werde, hänge von der Auffassung des Personenkreises ab, an den sie sich richte. Gehörten die Adressaten der Werbeaussage verschiedenen Kreisen an, so reiche die Irreführung in einem dieser Kreise aus (BGHZ 156, 250, 256 – Marktführerschaft; vgl. auch BGH, Urteil vom 29.03.2007, Az. I ZR 122/04, GRUR 2007, 1079 Tz. 38 – Bundesdruckerei; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 5 Rdn. 2.75; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 5 Rdn. 125). Das Berufungsgericht habe mit Recht auf den Verkehrskreis der nicht spezialisierten Personen abgestellt, die möglicherweise ohne Kenntnis über die tatsächlichen Verhältnisse mit den Beklagten in geschäftlichem Kontakt stehen oder treten könnten. Der Senat habe in seinem Urteil vom 29.03.2007 als möglichen Verkehrskreis ausdrücklich auch die Lieferanten der Beklagten zu 2 genannt (BGH GRUR 2007, 1079 Tz. 38 – Bundesdruckerei). Dieser Verkehrskreis der nicht spezialisierten Personen ist im Rahmen des Meinungsforschungsgutachtens um die Bezieher der DEPAROM erweitert worden, was nicht zu beanstanden ist, da es sich insoweit ebenfalls um nicht spezialisierte Personen handelt.

Zutreffend habe das Berufungsgericht auch die wettbewerbliche Relevanz der Irreführung bejaht. Bei einer Quote von 66% sei diese Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch jedenfalls erfüllt (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rdn. 2.106).

Dass nach dem von den Beklagten vorgelegten Meinungsforschungsgutachten der TNS Infratest lediglich 12% der Befragten die besondere Krisenfestigkeit gerade auf die staatliche Beteiligung oder den Namen der Beklagten zurückführten, rechtfertige entgegen der Ansicht der Beschwerde keine andere Beurteilung. Das Berufungsgericht habe dem Ergebnis der Befragung mit Recht keine maßgebliche Bedeutung beigemessen. Angesichts der Wortwahl der Fragestellung sei das gewonnene Ergebnis nicht geeignet, die wettbewerbliche Relevanz der Irreführung entscheidend in Zweifel zu ziehen. In seinem Urteil vom 29.03.2007 habe der Senat ausgeführt, dass es für potentielle Kunden von erheblicher Bedeutung sei, ob sie ein Unternehmen mit verlässlicher Bonität beauftragten, da eine Zusammenarbeit im Falle von Zahlungsschwierigkeiten oder gar einer Insolvenz erheblich erschwert werde (BGH GRUR 2007, 1079 Tz. 28 – Bundesdruckerei). Gemäß dem Gutachten sei hingegen nach einer „besonderen Krisenfestigkeit“ gefragt worden. Es liege nicht fern, dass ein Befragter mit „Krisenfestigkeit“ eine ausreichende Bonität eines Unternehmens verbindet. Durch den Zusatz „besondere“ in der Fragestellung könne sich ein Befragter veranlasst sehen, nach weiteren Umständen wie beispielsweise eine Vielzahl hoheitlicher Aufträge zu suchen.

Vorinstanzen:
LG München I, Urteil vom 17.09.2003, Az. 1 HKO 13061/03
OLG München, Urteil vom 19.06.2008, Az. 29 U 5133/03

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