BGH: Zum Wertersatz bei Widerruf eines Partnerschaftsvermittlungsvertrags

veröffentlicht am 12. Juli 2021

BGH, Urteil vom 06.05.2021, Az. III ZR 169/20
§ 355 Abs. 3 S. 1 BGB, § 357 Abs. 8 S.4 BGB, § 357d BGB, § 312g Abs. 1 BGB

Im vorliegenden Fall hatte eine Seniorin einen Partnerschaftsvermittlungsvertrag gekündigt, nachdem sie drei Herren (von vereinbarten 21 Partnern) vermittelt bekommen hatte. Die Vermittlungsagentur machte im vorliegenden Fall geltend, das Partnerdepot erstellt und damit ihre Leistung vollständig erbracht zu haben und verlangte somit die vollständigen Gebühren für alle 21 Partner. Der BGH hat hier entschieden, dass ein Partnerschaftsvermittlungsvertrag auch nach Zusendung von Partnervorschlägen noch widerrufen werden kann. Im vorliegenden Fall sei nicht die Erstellung des Depots von in Frage kommenden Partnern die Hauptleistungspflicht, sondern vielmehr die Zusendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten. Bei  Widerruf eines solchen Partnerschaftsvermittlungsvertrags werde vom Kunden zwar grundsätzlich Wertersatz geschuldet. Der BGH entschied allerdings, dass für den Wertersatz „auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen“ sei. Dies bedeutete, dass die Seniorin lediglich lediglich die anteiligen Vermittlungsgebühren, nämlich für die drei tatsächlich vermittelten Partner  zu entrichten hatte, im Übrigen allerdings ihren „Einsatz“ von der Vermittlungsagentur erstattet bekam. Etwas anderes gelte nur, wenn der Vertrag ausdrücklich vorsehe, so der BGH, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis zu erbringen seien und erbracht würden (vgl. EuGH, NJW 2020, 3771 Rn. 26 ff). Zum Volltext der Entscheidung:


Rechtsanwalt für AGB-Recht (hier: Partnerschaftsvermittlungsvertrag)

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Bundesgerichtshof

Urteil

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22.04.2021 durch … für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25.06.2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der beklagten Partnervermittlungsagentur die Rückzahlung einer Vergütung.

Die Klägerin schloss am 28. Mai 2018 in ihrer Wohnung im Verlauf des Besuchs eines Vertreters der Beklagten einen Partnervermittlungsvertrag. Die von der Beklagten geschuldete Leistung ist in dem von ihr verwendeten Vertragsformular wie folgt beschrieben:

„a) Umfangreiche Beratung im Rahmen eines persönlichen Gesprächs, in dem die speziellen Wünsche und Vorstellungen des Auftraggebers von dem in Betracht kommenden Partner erfasst, besprochen und auf Stimmigkeiten untersucht werden. Hierbei wird ein schriftlicher Personalbogen und ein Partnerwunschbogen erstellt (vorbereitende Leistung).

b) Die so herausgearbeiteten Daten werden von GfZ [der Beklagten] bewertet und nach einem bewährten System sorgfältig mit dem Kundenbestand von GfZ abgeglichen, um eine möglichst weitgehende Übereinstimmung der Partnerwünsche zu gewährleisten (vorbereitende Leistung).

c) Auf der Grundlage dieses Abgleichs stellt GfZ spätestens innerhalb von 4 Wochen nach Vertragsabschluss 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammen (Hauptleistung). Nach Erstellung des Partnerdepots können die Partnervorschläge innerhalb der Vertragslaufzeit von 12 Monaten jederzeit (ggfls. nach Ablauf einer Widerrufsfrist gem. § 355 Abs. 2 BGB) in beliebiger Anzahl von GfZ geliefert bzw. vom Auftraggeber abgerufen werden. …“

Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung des Honorars bis 10:00 Uhr am Folgetag. In dem Vertragsformular ist weiter bestimmt, dass „auf die Ausarbeitung des Partnerdepots (Hauptleistung)“ 90% und auf die „Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots für die Dauer der Vertragslaufzeit von 12 Monaten“ 10 % des Honorars entfallen sollten.

Zugleich mit dem Vermittlungsvertrag trafen die Parteien unter Verwendung eines gesonderten Formulars eine „Zusatzvereinbarung über den einvernehmlichen Ausschluss des Kündigungsrechtes“ nach § 627 BGB. Außerdem unterzeichnete die Klägerin eine Widerrufsbelehrung sowie folgende Erklärung:

„Ich wünsche ausdrücklich, dass die Partnervermittlung G. GmbH [die Beklagte] mit ihrer Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginnt. Mir ist bewusst, dass ich mein Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens der Partnervermittlung vollständig erfüllt ist.“

Die Klägerin zahlte am 29. Mai 2018 an die Beklagte in bar das geschuldete Honorar in Höhe von 8.330 €.

Mit Schreiben von diesem Tag wurden der Klägerin drei Kontakte übermittelt, an die sie sich wandte, die jedoch nicht erfolgreich waren. Die Klägerin „kündigte“ den Vertrag daraufhin mit am 5. Juni 2018 der Beklagten zugegangenen Schreiben vom 4. Juni 2018. Mit vom 5. Juni 2018 datierenden Schreiben erhielt die Klägerin 17 weitere Kontaktvorschläge.

Das Landgericht hat die auf Rückzahlung von 8.330 EUR gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung von 7.139 € und Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NJW 2021, 640 abgedruckt ist, hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 355 Abs. 3 Satz 1, § 357d i.V.m. § 312g Abs. 1 BGB auf Rückzahlung von Vergütung in Höhe von 7.139 EUR zu.

Die Parteien hätten einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 312 Abs. 1 i.V.m. § 310 Abs. 3 BGB außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) geschlossen, den die Klägerin durch das Schreiben vom 4. Juni 2018, das die Beklagte am 5. Juni 2018 erreicht habe, wirksam widerrufen habe.

Das Widerrufsrecht sei zu diesem Zeitpunkt nicht gemäß § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB erloschen gewesen. Zwar habe die Klägerin eine den Voraussetzungen dieser Vorschrift entsprechende Erklärung unterzeichnet. Die Beklagte habe aber ihre Leistung noch nicht vollständig erbracht. Entgegen dem Wortlaut des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags habe die Hauptleistungspflicht der Beklagten nicht in der – internen – Erstellung des Partnerdepots bestanden. Dies ergebe sich bereits aus der Leistungsbeschreibung und der Aufschlüsselung der Vergütung, da hierauf (nur) 90 % der Vergütung entfielen. Darüber hinaus verstoße die überproportionale Berücksichtigung der Erstellung des Partnerdepots nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gegen § 308 Nr. 7a BGB. Es handele sich um einen gemäß § 306a BGB unzulässigen Versuch, das dem Kunden zustehende Widerrufs- beziehungsweise Kündigungsrecht sowie das Recht, nach Widerruf beziehungsweise Kündigung eine noch nicht verdiente, aber im Voraus bereits erbrachte Vergütung zurückzufordern, zu entwerten. Die Erstellung des Depots, das für den Kunden keinen eigenen Wert habe, sei lediglich als Vorbereitungshandlung für die Übersendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten an den Kunden zu werten.

Wegen der Unwirksamkeit dieser Bestimmung sei es für die Bemessung des geschuldeten Wertersatzes nicht maßgeblich, dass allein für die Erstellung des Partnerdepots 90 % der Vergütung anfallen sollten. Der Wertersatz bemesse sich vielmehr danach, wie viele konkrete Vorschläge dem Kunden bereits übermittelt worden seien. Da 18 der insgesamt geschuldeten 21 Vorschläge noch ausgestanden hätten, schulde die Klägerin Wertersatz in Höhe von 1.191 €, so dass die Beklagte ihr 7.139 € zurückzahlen müsse.

Ein gleichlautender Anspruch ergebe sich aus § 627 Abs. 1, § 628 Abs. 1 Satz 3, § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB. Der Partnervermittlungsvertrag sei ein Vertrag über Dienste höherer Art im Sinne des § 627 BGB, den die Klägerin durch das Schreiben vom 4. Juni 2018 wirksam gekündigt habe. Das Kündigungsrecht sei durch die Zusatzvereinbarung nicht wirksam abbedungen worden. Die Beklagte habe sich insofern in unwirksamer Weise einer Allgemeinen Geschäftsbedingung bedient. Für die Berechnung des Anteils der Vergütung, der auf den noch nicht erbrachten Anteil der Leistungen der Beklagten entfalle und daher der Klägerin zu erstatten sei, werde auf die Ausführungen zum Erstattungsanspruch aufgrund Widerrufs verwiesen.

II.
Diese Erwägungen enthalten keine Rechtsfehler zu Lasten der Beklagten.

1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung von Vergütung jedenfalls in Höhe des vom Berufungsgericht zuerkannten Betrags zu.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Parteien einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB i.V.m. § 310 Abs. 3 BGB außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) geschlossen haben, dessen Widerruf die Klägerin durch ihr Schreiben vom 4. Juni 2018 erklärt hat.

b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch erkannt, dass das Widerrufsrecht der Klägerin nicht gemäß § 356 Abs. 4 Satz 1 und 2 BGB ausgeschlossen war, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung ihre Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht hatte.

aa) Was ein vollständiges Erbringen der Leistung im Sinne des § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB erfordert, ist nach den Maßgaben des Art. 16 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (ABl. EU 2011 L 304, 64 – im Folgenden: VR-RL) zu bestimmen, da das Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 und § 355 Abs. 1 BGB und seine Rechtsfolgen auf dieser Richtlinie beruhen (vgl. Mörsdorf in BeckOGK, BGB, § 355 Rn. 5.1 [Stand: 15. Februar 2021]).

Art. 16 Buchst. a VR-RL setzt für eine Ausnahme vom Widerrufsrecht zum einen voraus, dass der Unternehmer die „Dienstleistung vollständig erbracht“ hat, und zum anderen die Kenntnisnahme des Verbrauchers, dass er sein Widerrufsrecht bei „vollständiger Vertragserfüllung“ durch den Unternehmer verliert. Beide Begriffe haben dieselbe Bedeutung. Trotz des unterschiedlichen Wortlauts müssen beide inhaltsidentisch verstanden werden, da sich die Kenntnis des Verbrauchers auf gerade die Umstände beziehen muss, die zum Erlöschen des Widerrufsrechts führen (so auch Mörsdorf aaO Rn. 50).

Der Umfang der Pflichten, deren Erfüllung zum Erlöschen des Widerrufsrechts führen kann, bestimmt sich nach dem Gegenstand des Vertrags; es müssen alle jene Plichten erfüllt sein, die für die Erbringung der Hauptleistung erfor- derlich sind. Dies folgt aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Oktober 2020 (C-641/19, NJW 2020, 3771 Rn. 28). Dort ist ausgeführt, die vom Verbraucher im Fall eines Widerrufs nach einem hinreichenden Leistungsverlangen geschuldete anteilige Vergütung nach Art. 14 Abs. 3 VR-RL sei „unter Berücksichtigung aller Leistungen zu berechnen, die Gegenstand des Ver- trags sind, d.h. der Hauptleistung und der Nebenleistungen, die für die Erbringung dieser Hauptleistung erforderlich sind“. Hieraus lässt sich mit der nach der acte-clair-Doktrin (vgl. z.B. EuGH, NJW 1983, 1257, 1258 und EuZW 2016, 111 Rn. 38 ff; Senat, Urteil vom 17. Januar 2019 – III ZR 209/17, NJW-RR 2019, 528 Rn. 76) erforderlichen Gewissheit schließen, dass für ein vollständiges Erbringen der Leistung des Unternehmers jedenfalls die Erfüllung seiner Hauptleistungspflicht erforderlich ist.

Hauptleistungspflichten sind bei einem gegenseitigen Vertrag die den Vertrag prägenden, sein „Wesen“ charakterisierenden Leistungspflichten (vgl. Staudinger/Schwarze [2020] BGB § 323 Rn. B 13). Welche Pflichten als von wesentlicher Bedeutung anzusehen sind, bestimmt sich nach den Umständen des jeweiligen Vertragsverhältnisses (Senat, Urteil vom 9. Juni 2011 – III ZR 157/10, NJW-RR 2011, 1618 Rn. 30 mwN). Entscheidend ist, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie unter allen Umständen erlangen wollte (vgl. RGZ 101, 429, 431). Maßgeblich ist also der Wille der Vertragspartner, der durch Auslegung zu ermitteln ist (vgl. BGH, Urteile vom 30. September 1971 – VII ZR 20/70, NJW 1972, 99 und vom 22. Juli 1998 – VIII ZR 220/97, NJW 1998, 3197, 3199; RG aaO).

bb) Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht ein vollständiges Erbringen der Leistung der Beklagten nicht angenommen hat, weil es die Erstellung des Partnerdepots nicht als alleinige Hauptleistungspflicht der Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Partnervermittlungsvertrag angesehen hat. Das Berufungsgericht hat rechtsfeh- lerfrei und von der Revision unbeanstandet festgestellt, dass für den Kunden der Beklagten allein die Übersendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung ist. Diese Leistung hatte die Beklagte zum Zeitpunkt des Widerrufs nur zu einem geringen Teil erbracht. Dagegen ließe es sich mit den vom Berufungsgericht festgestellten berechtigten Erwartungen des Kunden nicht vereinbaren, die interne Erstellung des Partnerdepots als dasjenige anzusehen, was der Kunde unbedingt erlangen wollte und damit als die das Wesen des Vertrags charakterisierende Pflicht der Beklagten. Darüber hinaus bliebe bei dem Verständnis der Beklagten von ihrer vertraglichen Hauptleistungspflicht unberücksichtigt, dass der Kunde auch darauf angewiesen ist, dass die Partnervorschläge zu dem Zeitpunkt während der einjährigen Vertragslaufzeit, zu dem er sie zu einer Kontaktanbahnung nutzt, noch aktuell und bis dahin gegebenenfalls ergänzt und aktualisiert worden sind.

cc) Für ein anderes Verständnis kann sich die Beklagte nicht auf die im Formularvertrag enthaltene Vereinbarung berufen, wonach die „Hauptleistung“ (allein) in der Erstellung eines 21 Partnervorschläge umfassenden Partnerdepots liege. Diese Bestimmung ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Sie widerspricht dem wesentlichen Grundgedanken des § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB.

Zwar findet eine Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Rahmen von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, §§ 308, 309 BGB unter anderem hinsichtlich solcher Abreden nicht statt, die Art und Umfang der vertraglichen Leistungspflichten unmittelbar regeln (Senat, Urteil vom 8. Oktober 2009 – III ZR 93/09, NJW 2010, 150 Rn. 22 mwN). Jedoch kann durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht der Vertragsgegenstand verändert werden; der Begriff der Leistung steht nicht zur Disposition des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Senat, Urteile vom 18. April 2002 – III ZR 199/01, NJW 2002, 2386 und vom 8. Oktober 2009 aaO Rn. 23; BGH, Urteile vom 18. Mai 1999 – XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380, 383 und vom 22. November 2012 – VII ZR 222/12, juris Rn. 16 [insoweit in NJW 2013, 856 nicht abgedruckt]). Vielmehr ist durch Auslegung der individuellen Vereinbarungen der Parteien zu ermitteln, welche Pflichten das Wesen des Vertrags charakterisieren und damit Hauptleistungspflichten sind. Die Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist insofern keine Abrede über den unmittelbaren Leistungsgegenstand, sondern der Versuch, den vereinbarten Leistungsumfang einseitig durch eine (Um-)Definierung von Haupt- und Nebenleistungspflichten abzuändern und dadurch – wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat – in unzulässiger Weise (§ 361 Abs. 2 BGB beziehungsweise § 306a BGB) das ihren Kunden gesetzlich zustehende Widerrufsrecht sowie das Recht der Kunden zur Kündigung (§ 627 BGB) zu entwerten; hierzu sollte im Zusammenwirken mit der Bestimmung eines 90-prozentigen Vergütungsanteils für diese „Hauptleistungspflicht“ die Möglichkeit beschränkt werden, nach der Kündigung eine noch nicht verdiente, aber im Voraus bereits erbrachte Vergütung zurückzufordern (vgl. auch Senat, Urteil vom 8. Oktober 2009 aaO Rn. 23).

c) Der Rückgewähranspruch der Klägerin besteht mindestens in der vom Berufungsgericht zugesprochenen Höhe.

Gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB sind im Falle des Widerrufs die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Die Klägerin kann daher Rückzahlung der von ihr geleisteten Vergütung verlangen. Der Beklagten steht jedenfalls kein Gegenanspruch auf Wertersatz für die von ihr erbrachten Leistungen über den vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Betrag hinaus zu.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Wertersatz nach § 357 Abs. 8 Satz 1 bis 3 BGB für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung ist, dass der von dem Unternehmer gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 EGBGB informierte Verbraucher von diesem durch eine auf einem dauerhaften Datenträger übermittelte Erklärung ausdrücklich verlangt, mit der Erbringung von Dienstleistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist zu beginnen. Diese Voraussetzungen liegen nach den – nicht im Wege der Gegenrüge angegriffenen – Feststellungen des Berufungsgerichts vor. Darüber hinaus setzt der Wertersatzanspruch voraus, dass der Unternehmer dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB ausgehändigt hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2020 – I ZR 169/19, NJW-RR 2021, 177 Rn. 72). Hierzu fehlen bisher hinreichende Feststellungen. Darauf kommt es indes nicht an, weil die Klägerin die auf der Zuerkennung eines Wertersatzanspruchs beruhende teilweise Klageabweisung hingenommen hat.

Steht der Beklagten ein Anspruch auf Wertersatz zu, übersteigt dieser jedenfalls 1.191 € nicht.

Zur Berechnung des Wertersatzes ist der vereinbarte Gesamtpreis zugrunde zu legen (§ 357 Abs. 8 Satz 4 BGB). Zu dieser Vorschrift, die der Umsetzung von Art. 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 VR-RL dient und daher im Lichte des Wortlauts und der Ziele dieser Richtlinie auszulegen ist, hat der Gerichtshof der Europäischen Union – nach Erlass des Berufungsurteils – durch das bereits angeführte Urteil vom 8. Oktober 2020 (aaO Rn. 26 ff) entschieden, dass grundsätzlich auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen ist. Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden; nur unter dieser Voraussetzung kann der Verbraucher sachgerecht entscheiden, ob er von dem Unternehmer verlangen soll, mit der Ausführung der Dienstleistung während der Widerrufsfrist zu beginnen (aaO Rn. 29 und 32 zum Widerruf eines auf einer Partnervermittlungs-Website geschlossenen Vertrags).

Nach diesen Vorgaben berechnet sich der Wertersatz angesichts der Vertragslaufzeit von zwölf Monaten auf weniger als 1.191 €.

Ein Ausnahmefall, der eine Abweichung von einer zeitanteiligen Berechnung des Werts der Leistungen der Beklagten rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Die Parteien haben keine Leistungspflicht der Beklagten vereinbart, die vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden sollte. Soweit die Beklagte auf die Vereinbarung eines Vergütungsanteils von 90 % für die Erstellung des Partnerdepots verweist, fehlt es bereits daran, dass dieser nicht gesondert gezahlt werden sollte. Es bedurfte danach auch keiner Feststellungen des Berufungsgerichts zur Bewertung der Einzelleistungen der Beklagten, wie der Erstellung des Personalbogens und des Partnerdepots sowie der Aufwendungen hinsichtlich des Vertragsschlusses, deren Fehlen die Revision rügt. Auch bleibt nach diesen Grundsätzen von vornherein kein Raum für einen Anspruch der Beklagten im Hinblick auf die – von ihr behauptete – Provisionszahlung an ihre Vertreter in Höhe von 1.999,20 €. Die von der Revision insoweit zur Unterstützung ihrer Auffassung herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senat, Urteil vom 8. Oktober 2009 aaO Rn. 20; BGH, Urteil vom 29. Mai 1991 – IV ZR 187/90, NJW 1991, 2763, 2764) steht dem nicht entgegen, da diese die Bemessung einer Teilvergütung nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB betrifft und daher hier keine Anwendung finden kann.

2. Ein weitergehender Anspruch steht der Beklagten auch aus § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu. Dabei kann es dahinstehen, ob die nach dieser Vorschrift geschuldete Vergütung – wie dies das Berufungsgericht angenommen hat – generell nach den dargelegten, für die Berechnung des Wertersatzes nach § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB geltenden Maßstäben zu berechnen ist. Sowohl der Schutzzweck der §§ 312b, 312d, 355, 357 BGB als auch das Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Rechts der Union (effet utile) stehen jedenfalls einer Auslegung des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen, die dazu führen würde, dass der Verbraucher im Fall der bloßen Ausübung seines Widerrufsrechts Ansprüchen des Unternehmers ausgesetzt ist, die über die gegebenenfalls nach § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB geschuldete Verpflichtung zum Wertersatz hinausgehen. Es liegen auch keine sonstigen Umstände vor, die weitere Ansprüche der Beklagten begründen könnten.

 

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