BGH: Zur Frage, wann eine Telefonnummer für eine Widerrufsbelehrung „verfügbar ist“ / 2020

veröffentlicht am 24. Februar 2025

BGH, Urteil vom 24.09.2020, Az. I ZR 169/17
§ 3a UWG, § 312g Abs. 1 BGB, § 355 BGB, § 312d Abs. 1 S.1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 S.1 Nr. 1 und S.2 EGBGB i.V.m. Anlage 1 EGBGB

Der BGH hat entschieden, dass eine Telefonnummer dann „verfügbar“ (und z.B. in einer Widerrufsbelehrung anzugeben ist), wenn sie dergestalt auf der Website des Unternehmers zu finden ist, dass einem Durchschnittsverbraucher suggeriert wird, dass der Unternehmer diese Telefonnummer für seine Kontakte mit Verbrauchern nutzt. Zum Volltext des Urteils:


Bundesgerichtshof

Urteil

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24.09.2020 durch … für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. August 2017 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Klägerin mahnte den Beklagten, mit dem sie beim Vertrieb von Erotikartikeln über das Internet in Wettbewerb steht, mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Dezember 2014 wegen der Verwendung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung und wegen der Werbung mit einem Testergebnis ab. Sie forderte den Be-klagten dabei zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Erstattung der Kosten der Abmahnung in Höhe von 612,80 € auf.

Der Beklagte gab unter dem 8. Januar 2015 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Januar 2015 mahnte er dann seinerseits die Klägerin ab, wobei er beanstandete, diese habe ihrerseits in der Widerrufsbelehrung in ihrem Internetauftritt keine Telefonnummer angegeben. Die anwaltlichen Kosten seiner Abmahnung bezifferte er auf ebenfalls 612,80 € und erklärte mit seinem deswegen geltend gemachten Kostenerstat-tungsanspruch die Aufrechnung gegenüber dem Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin aus deren Abmahnung vom 29. Dezember 2014.

Die Klägerin hat mit ihrer daraufhin erhobenen Klage die Feststellung begehrt, dass dem Beklagten die mit der Abmahnung vom 12. Januar 2015 geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Kostenerstattung nicht zustehen. Außerdem hat sie die Bezahlung der Kosten ihrer Abmahnung vom 29. Dezem-ber 2014 verlangt.

Der Beklagte hat mit der Widerklage den mit der Abmahnung vom 12. Ja-nuar 2015 verfolgten Unterlassungsanspruch geltend gemacht.

Die Klägerin hat daraufhin ihren Antrag auf Feststellung des Nichtbeste-hens dieses Unterlassungsanspruchs für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe, dass es am Ende des Widerklagetenors nicht „wie am 9. Januar 2015 geschehen“, sondern „wie am 12. Januar 2015 in dem Internetauftritt der Klägerin … gemäß Anlage B1 geschehen“ lautet, zurückgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückwei-sung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre in den Vorinstanzen er-folglosen Anträge zur Klage und zur Widerklage weiter.

Der Senat hat mit Beschluss vom 7. März 2019 (GRUR 2019, 744 = WRP 2019, 633) dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Aus-legung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. h und Abs. 4 in Verbindung mit Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (ABl. 2011 L 304 vom 22. No-vember 2011, S. 64; nachfolgend: Richtlinie 2011/83/EU) zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist eine Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises zur Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU „verfügbar“, wenn der Unternehmer die Telefon-nummer im Rahmen des Impressums nennt oder auf der Start-seite seines Internetauftritts klar und deutlich darstellt?

2. Ist eine Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises zur Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU „verfügbar“, wenn der Unternehmer den Telefonan-schluss zwar geschäftlich nutzt, aber nicht für den Abschluss von Fernabsatzverträgen verwendet und daher auch nicht zur Rück-abwicklung von Fernabsatzverträgen in Form einer Entgegen-nahme von Widerrufserklärungen vorhält?

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom 14. Mai 2020 (C266/19, GRUR 2020, 753 = WRP 2020, 843 EIS) wie folgt ent-schieden:

Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU ist dahin auszulegen, dass die nach dieser Bestimmung „gegebenenfalls“ anzugebende Telefonnummer eines Unternehmers in einer Situation, in der sie dergestalt auf seiner Webseite zu finden ist, dass einem Durch-schnittsverbraucher, d.h. einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, suggeriert wird, dass der Unternehmer diese Telefonnummer für seine Kontakte mit Verbrauchern nutzt, als verfügbar anzusehen ist. In einem solchen Fall ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und h und Abs. 4 der Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang I Teil A dahin auszulegen, dass der Unternehmer, der einem Verbraucher, bevor dieser durch einen Fernabsatzvertrag oder einen außerhalb von Geschäftsräumen ge-schlossenen Vertrag gebunden ist, die Informationen zur Ausübung des Widerrufsrechts zur Verfügung stellt und hierbei auf die Muster-Widerrufsbelehrung in Anhang I Teil A zurückgreift, die betreffende Telefonnummer darin angeben muss, damit der Verbraucher ihm seine etwaige Entscheidung, von dem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, auf diesem Weg mitteilen kann.

Entscheidungsgründe:

A. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht die Klage für unbegründet und die Widerklage für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

Der Feststellungsantrag der Klägerin hinsichtlich ihres in erster Instanz für erledigt erklärten Unterlassungsantrags habe keinen Erfolg, weil dieser Antrag bereits von Anfang an unbegründet gewesen sei. Der Beklagte sei zu der gegen die Klägerin ausgesprochenen Abmahnung berechtigt gewesen, habe bei ihr nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt und mit ihr zutreffend geltend gemacht, dass die Klägerin mit der Widerrufsbelehrung in ihrem Internetauftritt vom 12. Ja-nuar 2015 rechts- und wettbewerbswidrig gehandelt habe. Die negative Feststel-lungsklage, mit der die Klägerin die Feststellung begehre, dass dem Beklagten von Anfang an kein Aufwendungsersatzanspruch zugestanden habe, sei damit ebenfalls unbegründet. Der der Klägerin wegen der Abmahnung vom 29. Dezem-ber 2014 zustehende Kostenerstattungsanspruch sei durch die Aufrechnung des Beklagten mit seinem Kostenerstattungsanspruch erloschen. Die Widerklage sei zulässig und angesichts der vom Beklagten zu Recht als wettbewerbswidrig be-anstandeten Widerrufsbelehrung der Klägerin auch begründet.

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Kläge-rin von vornherein keinen Anspruch auf die Feststellung hatte, dass dem Beklag-ten der in seinem Abmahnschreiben vom 12. Januar 2015 geltend gemachte An-spruch auf Ersatz von Abmahnkosten nicht zugestanden hat (dazu unter B I), und dass die vom Beklagten in dem Schreiben erklärte Aufrechnung mit diesem An-spruch den von der Klägerin hinsichtlich der Abmahnung vom 29. Dezember 2014 mit ihrem Zahlungsantrag geltend gemachten Anspruch auf Ersatz ihrer ei-genen Abmahnkosten zum Erlöschen gebracht hat (dazu unter B II). Das Berufungsgericht hat weiterhin zutreffend angenommen, dass die Klägerin von vorn-herein auch keinen Anspruch auf die Feststellung hatte, der Beklagte könne von ihr nicht verlangen, es zu unterlassen, Verbraucher im geschäftlichen Verkehr im Internet zur Abgabe von Kaufangeboten aufzufordern, wenn in der Widerrufsbe-lehrung keine klare und verständliche Information über das Widerrufsrecht unter Angabe einer vorhandenen Telefonnummer erfolge (dazu unter B III), und dass dem Beklagten der entsprechende, mit der Widerklage geltend gemachte Unter-lassungsanspruch zusteht (dazu unter B IV).

I. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision mit Recht angenommen, dass dem Beklagten der in seinem Abmahnschreiben vom 12. Ja-nuar 2015 geltend gemachte Anspruch auf Ersatz seiner Abmahnkosten in Höhe von 612,80 € zugestanden hat.

1. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann ein zur Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs Berechtigter, der nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens den Schuld-ner abmahnen und ihm Gelegenheit geben soll, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen, die dafür erforderlichen Aufwendungen ersetzt verlangen, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Eine Abmahnung ist berechtigt im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, wenn sie begründet ist, ihr also ein materiell-rechtlicher Un-terlassungsanspruch zugrunde liegt, und sie außerdem wirksam sowie erforder-lich ist, um dem Unterlassungsschuldner einen Weg zu weisen, den Unterlas-sungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2018 I ZR 73/17, GRUR 2019, 82 Rn. 24 = WRP 2019, 68 Jogginghosen, mwN). Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist das zum Zeitpunkt der Abmahnung geltende Recht maßgeb-lich (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. April 2020 – I ZR 85/19, GRUR 2020, 886 Rn. 26 = WRP 2020, 1017 – Preisänderungsregelung).

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend und von der Revision auch unange-griffen davon ausgegangen, dass die Parteien Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG waren und dass der Beklagte im Hinblick auf den von ihm geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG klage- und anspruchsbefugt und daher auch zu der von ihm seinerzeit ausgesproche-nen Abmahnung befugt war.

3. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei ein bei dem streitgegenständ-lichen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu berücksichtigendes rechtsmissbräuchliches Verhalten des Beklagten im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG verneint.

a) Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände rechtsmissbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandeln-den einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsver-folgung entstehen zu lassen. Die Bestimmung bezieht sich nicht nur auf die ge-richtliche Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, sondern wie schon ihr Wortlaut nahelegt generell auf die Geltendmachung und insbesondere auch auf die vorgerichtliche Geltendmachung solcher Ansprüche (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 I ZR 241/99, BGHZ 149, 371, 373 [juris Rn. 16] Missbräuchliche Mehrfachabmahnung, zu § 13 Abs. 5 UWG 1909; Ur-teil vom 19. Juli 2012 I ZR 199/10, GRUR 2013, 307 Rn. 11 = WRP 2013, 329 Unbedenkliche Mehrfachabmahnung). Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendma-chung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt. Diese müssen jedoch nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Erfor-derlich, aber auch ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 I ZR 42/10, GRUR 2012, 286 Rn. 13 = WRP 2012, 464 Falsche Suchrubrik; Urteil vom 3. März 2016 I ZR 110/15, GRUR 2016, 961 Rn. 15 = WRP 2016, 1102 Herstellerpreis-empfehlung bei Amazon; Urteil vom 26. April 2018 – I ZR 248/16, GRUR 2019, 199 Rn. 21 = WRP 2019, 180 – Abmahnaktion II).

b) Nach diesem Maßstab kann nicht von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten des Beklagten bei der Abmahnung vom 12. Januar 2015 ausgegangen werden.

aa) Das Berufungsgericht hat zu dem von der Klägerin erhobenen Ein-wand des Rechtsmissbrauchs darauf hingewiesen, der Umstand, dass es sich bei der Abmahnung um eine „Retourkutsche“ handele, begründe nicht den Vor-wurf des Rechtsmissbrauchs. Der der Berechnung der Abmahnkosten zugrunde gelegte Gegenstandswert von 7.500 € sei keineswegs übersetzt, so dass auch nicht von einem im Vordergrund stehenden Gebührenerzielungs- oder Kosten-belastungsinteresse des Beklagten ausgegangen werden könne. Das Fehlen einer Regelung bezüglich einer Vertragsstrafe in dem der Abmahnung beigefüg-ten Entwurf einer Unterlassungserklärung sei nachvollziehbar mit einem Büro-versehen der Prozessbevollmächtigten des Beklagten erklärt worden. Der von der Klägerin angeführte Umstand, dass der Beklagte in seiner eigenen Wider-rufsbelehrung keine Telefonnummer aufführe, begründe ebenfalls nicht den Ein-wand des Rechtsmissbrauchs. Der Unclean-hands-Einwand greife nicht gegen-über Unterlassungsansprüchen durch, die sich wie im Streitfall gegen Allge-meininteressen berührende Wettbewerbsverstöße richteten.

bb) Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

4. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Beru-fungsgerichts, die Abmahnung des Beklagten vom 12. Januar 2015 sei berechtigt gewesen, weil die Klägerin mit ihrer dort beanstandeten Widerrufsbelehrung wettbewerbswidrig im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG aF gehandelt habe. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klägerin wettbewerbs-widrig gehandelt hat, soweit sie in der Widerrufsbelehrung die bei ihr verfügbare Telefonnummer entgegen § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 in Verbindung mit Anlage 1 EGBGB nicht angegeben hat.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die in § 312d BGB und in Art. 246a EGBGB enthaltenen Regelungen über die Informa-tionen, die die Unternehmer den Verbrauchern in Fällen zu geben haben, in de-nen diesen ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zusteht, dem Schutz der Verbraucher dienende Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF (§ 3a UWG) darstellen (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 3a Rn. 1.295, 1.314 und speziell zu den Informationspflichten gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB Rn. 1.316; MünchKomm.UWG/Schaffert, 3. Aufl., § 3a Rn. 480, jeweils mwN).

b) Der Umstand, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Ge-schäftspraktiken, die keinen mit den Bestimmungen der § 4 Nr. 11 UWG aF, § 3a UWG vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt, in ihrem Anwendungsbe-reich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauter-keitsrechts geführt hat (Art. 4 der Richtlinie; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 – I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 12 = WRP 2012, 1219 – GOOD NEWS I, mwN; Urteil vom 24. November 2016 – I ZR 163/15, GRUR 2017, 635 Rn. 28 = WRP 2017, 694 – Freunde werben Freunde), steht der Anwendung von § 312d Abs. 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB im Streitfall nicht entgegen. Nach Art. 3 Abs. 2 und Erwägungsgrund 9 Satz 2 der Richtlinie lässt diese das Vertragsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen und die Wirkungen eines Vertrags unberührt. Marktverhaltens-regelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF, § 3a UWG, die sich auf den Ab-schluss und den Inhalt von Verträgen beziehen, stehen daher grundsätzlich in Einklang mit der Richtlinie 2005/29/EG. Soweit das Vertragsrecht im sonstigen Unionsrecht geregelt ist, müssen sie allerdings auch mit den jeweiligen unions-rechtlichen Bestimmungen vereinbar sein (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Fed-dersen aaO § 3a Rn. 1.22). Dies gilt insbesondere für die in § 312d BGB und Art. 246a EGBGB enthaltenen Regelungen, die unter anderem Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und h der Richtlinie 2011/83/EU in das deutsche Recht umsetzen und dabei spezielle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, soweit sie Infor-mationsanforderungen und Bestimmungen darüber enthalten, auf welche Weise dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind (vgl. BGH, Urteil vom 25. Fe-bruar 2016 – I ZR 238/14, GRUR 2016, 957 Rn. 28 = WRP 2016, 980 – Mehrwert-dienstenummer; Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 10 Satz 3 der Richtlinie 2005/29/EG; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 3a Rn. 1.24 und § 5a Rn. 5.6).

c) Die Anwendung von § 3 Abs. 1, § 3a UWG und § 4 Nr. 11 UWG aF in Verbindung mit den im Streitfall anwendbaren Vorschriften über Informations-pflichten führt bei richtlinienkonformer Auslegung dieser Vorschriften zu keinem Wertungswiderspruch zu Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG, wonach die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing, auf die in der nicht er-schöpfenden Liste des Anhangs II dieser Richtlinie verwiesen wird, als wesent-lich gelten. Eine Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung der Verbraucherinter-essen kann danach nur dann angenommen werden, wenn der Verbraucher die Information je nach den Umständen für eine informierte geschäftliche Entschei-dung benötigt und das Vorenthalten dieser Information geeignet ist, den Verbrau-cher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (vgl. BGH, GRUR 2019, 82 Rn. 30 und 31 Jogginghosen; BGH, Urteil vom 7. März 2019 I ZR 184/17, GRUR 2019, 746 Rn. 26 bis 28 = WRP 2019, 874 Energieeffizienzklasse III; Urteil vom 28. März 2019 I ZR 85/18, GRUR 2019, 641 Rn. 30 bis 33 = WRP 2019, 724 Kaffeekapseln; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 3a Rn. 1.19; MünchKomm.UWG/Schaffert aaO § 3a Rn. 17; Büscher, WRP 2019, 1249, 1250 [Rn. 6], jeweils mwN). So verhält es sich im Streitfall (vgl. unten Rn. 34 bis 36).

d) Die im Internetauftritt der Klägerin verwendete und vom Beklagten be-anstandete Widerrufsbelehrung hat gegen § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 in Verbindung mit Anlage 1 EGBGB verstoßen.

aa) Dem Verbraucher steht nach § 312g Abs. 1 BGB bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§ 312b BGB) und bei Fernabsatz-verträgen (§ 312c BGB) ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Der Unterneh-mer ist nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB verpflichtet, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung eines diesem nach § 312g Abs. 1 BGB zustehenden Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB zu informieren. Der Unternehmer kann diese Informationspflicht nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB dadurch erfül-len, dass er das in der Anlage 1 vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung zutreffend ausgefüllt in Textform übermittelt. Die Muster-Widerrufsbelehrung ent-hält folgenden Hinweis:

„Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (2) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren.“ In den Gestaltungshin-weisen heißt es zu (2): „Fügen Sie Ihren Namen, Ihre Anschrift und, soweit ver-fügbar, Ihre Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse ein.“

Die vorgenannten Bestimmungen dienen der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. h und Abs. 4 in Verbindung mit Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU ins deutsche Recht und sind daher in Übereinstimmung mit diesen Vorschriften auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 2011/83/EU nach ihrem Artikel 4 und nach ihrem Erwägungsgrund 7 auf eine vollständige Harmo-nisierung der von ihr erfassten Aspekte des Verbraucherschutzes gerichtet ist.

Die Mitgliedstaaten dürfen daher in diesem Bereich weder strengere noch weni-ger strenge Rechtsvorschriften aufrechterhalten oder einführen (BGH, Urteil vom 19. April 2018 – I ZR 244/16, GRUR 2018, 950 Rn. 18 = WRP 2018, 1069 – Na-mensangabe). Die hier in Rede stehenden Vorschriften der Richtlinie stimmen im Wesentlichen mit den entsprechenden Regelungen des deutschen Rechts über-ein und lauten wie folgt:
Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen au-ßerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts über die Bedingun-gen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie. Diese Informationen können nach Art. 6 Abs. 4 Satz 1 der Richtli-nie 2011/83/EU mittels der Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A gegeben werden. Diese Informationspflicht des Unternehmers ist nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2011/83/EU erfüllt, wenn der Unternehmer dieses Informationsformular zutreffend ausgefüllt dem Verbraucher übermittelt hat. Die Muster-Widerrufsbelehrung enthält folgenden Hinweis:

„Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (2) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren.“ In den Gestaltungshin-weisen der Anlage I Teil A heißt es zu (2): „Fügen Sie Ihren Namen, Ihre Anschrift und, soweit verfügbar, Ihre Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse ein.“

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf den Vorlagebeschluss des erkennenden Senats vom 7. März 2019 hin in seinem Urteil vom 14. Mai 2020 entschieden, dass eine Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinwei-ses zur Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU „verfügbar“ ist, wenn sie dergestalt auf der Website des Unterneh-mers zu finden ist, dass einem Durchschnittsverbraucher, das heißt einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, suggeriert wird, dass der Unternehmer diese Telefonnummer für seine Kontakte mit Verbrauchern nutzt. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn die Telefon-nummer auf der Website unter einer mit „Kontakt“ bezeichneten Rubrik angege-ben wird. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass diese Telefonnum-mer zu den Informationen gehört, die nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU „gegebenenfalls“ zur Kontaktaufnahme mit dem Unternehmer anzu-geben sind, und muss nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und h und Abs. 4 in Verbin-dung mit Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU der Unternehmer, der einem Verbraucher, bevor dieser durch einen Fernabsatzvertrag oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag gebunden ist, die Informationen zur Ausübung des Widerrufsrechts zur Verfügung stellt und hierbei auf die Mus-ter-Widerrufsbelehrung in Anhang I Teil A zurückgreift, die betreffende Telefon-nummer darin angeben, damit der Verbraucher ihm seine etwaige Entscheidung, von dem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, auf diesem Weg mitteilen kann (EuGH, GRUR 2020, 753 Rn. 37, 38 und 40 EIS).

bb) Nach diesen Maßstäben hat die im Internetauftritt der Klägerin ver-wendete Widerrufsbelehrung gegen § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 in Verbindung mit Anlage 1 EGBGB verstoßen.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin zur Erfüllung der Informationspflichten die Muster-Widerrufsbelehrung verwendet. Sie hat an der dafür vorgesehenen Stelle des Informationsformulars keine Telefon-nummer eingefügt, obwohl sie einen geschäftlich genutzten Telefonanschluss unterhält. Dadurch, dass die Telefonnummer dieses Telefonanschlusses nach Darstellung der Klägerin im Rahmen ihres Impressums genannt und auf der Startseite ihres Internetauftritts im unteren Bereich klar und deutlich dargestellt ist, wird einem Durchschnittsverbraucher suggeriert, dass die Klägerin diese Te-lefonnummer für ihre Kontakte mit Verbrauchern nutzt. Unter diesen Umständen hat die Klägerin die Telefonnummer auch in der Muster-Widerrufsbelehrung an-zugeben, selbst wenn sie – wie sie geltend gemacht hat – keine Verträge am Telefon abschließt.
e) Das Berufungsgericht hat im Übrigen im Ergebnis zutreffend angenom-men, dass der vom Beklagten mit der Abmahnung vom 12. Januar 2015 gerügte Rechtsverstoß der Klägerin im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG aF geeignet war, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.
aa) Das Berufungsgericht hat sich bei seiner in dieser Hinsicht vorgenom-menen Beurteilung an der Rechtsprechung des erkennenden Senats orientiert, der unter der Geltung des § 5a Abs. 2 UWG aF verschiedentlich angenommen hat, das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 UWG aF sei ohne weiteres erfüllt, wenn dem Verbraucher vom Unionsrecht als wesentlich eingestufte Informationen vorenthalten würden. Der Senat hat daran jedoch unter der Geltung des mit Wirkung vom 10. Dezember 2015 geänderten § 5a Abs. 2 UWG nicht festgehalten. Die Voraussetzungen des dort geregelten Unlauter-keitstatbestands, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene wesentliche Infor-mation „je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen“ und „deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäft-lichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“, stel-len nach § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UWG zusätzliche Tatbestandsmerkmale dar, die als solche selbständig zu prüfen sind (vgl. BGH, GRUR 2019, 82 Rn. 30 – Jogginghosen, mwN).

bb) Für das Erfordernis der Spürbarkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG aF kann nichts Abweichendes gelten. Besteht der Verstoß gegen eine Marktverhal-tensregelung darin, dass dem Verbraucher eine wesentliche Information vorent-halten wird, ist dieser Verstoß nur dann spürbar im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG aF, wenn er die ihm vorenthaltene wesentliche Information je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vor-enthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
cc) Den Unternehmer, der geltend macht, dass der Verbraucher abwei-chend vom Regelfall – eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und dass das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, trifft insoweit allerdings eine sekundäre Darlegungslast. Der Verbraucher wird eine wesentliche Information im Allgemeinen für eine informierte Kaufentschei-dung benötigen. Ebenso wird, sofern im konkreten Fall keine besonderen Um-stände vorliegen, grundsätzlich davon auszugehen sein, dass das Vorenthalten einer wesentlichen Information, die der Verbraucher nach den Umständen benö-tigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er bei der geboten ge-wesenen Information nicht getroffen hätte (BGH, GRUR 2019, 82 Rn. 32 Jog-ginghosen, mwN).

dd) Nach diesen Maßstäben erweist sich die Bejahung der Spürbarkeit des von der Klägerin begangenen Verstoßes durch das Berufungsgericht als im Ergebnis richtig. Die Nichtangabe der Telefonnummer in der dem Verbraucher zu erteilenden Widerrufsbelehrung ist geeignet, diesen glauben zu machen, er könne sein Widerrufsrecht nicht fernmündlich ausüben, und ihn daher von der Ausübung dieses Rechts abzuhalten (vgl. MünchKomm.UWG/Schaffert aaO § 3a Rn. 483 und 438).

II. Das Berufungsgericht hat weiterhin mit Recht angenommen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch durch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit dem ihm nach den Ausführungen zu vorstehend B I ge-gen die Klägerin zustehenden Zahlungsanspruch erloschen ist (§ 390 BGB).

III. Das Berufungsgericht ist im Hinblick auf die Ausführungen zu vorste-hend B I ebenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht die Feststellung verlangen kann, der Beklagte habe gegen sie keinen Anspruch da-rauf (gehabt), dass die Klägerin es zu unterlassen habe, Verbraucher im ge-schäftlichen Verkehr im Internet zur Abgabe von Angeboten zum Kauf von Waren aufzufordern, wenn in der Widerrufsbelehrung nicht klar und verständlich unter Angabe einer vorhandenen Telefonnummer über das Widerrufsrecht informiert werde.

IV. Aus demselben Grund erweist sich schließlich der vom Beklagten mit der Widerklage geltend gemachte Unterlassungsantrag als begründet. Soweit der vom Beklagten insoweit verfolgte Unterlassungsanspruch in die Zukunft ge-richtet ist, ist er auch nach dem aktuell geltenden Recht gemäß §§ 8, 3, 3a UWG in Verbindung mit § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 in Verbindung mit Anlage 1 EGBGB begründet. Die mit Wirkung vom 10. Dezember 2015 erfolgte Novellierung des Gesetzes gegen den unlaute-ren Wettbewerb hat in dieser Hinsicht zu keiner Änderung der Rechtslage ge-führt, sondern dient lediglich der einfacheren Rechtsanwendung (vgl. BGH, GRUR 2019, 746 Rn. 19 Energieeffizienzklasse III; BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 – I ZR 206/17, GRUR 2019, 1071 Rn. 7 = WRP 2019, 1296 – Brötchengut-schein, mwN).

C. Nach allem ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Vorinstanzen:
LG Arnsberg, Entscheidung vom 09.07.2015 – I-8 O 3/15
OLG Hamm, Entscheidung vom 10.08.2017 – I-4 U 101/15

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