BPatG: „primaklimastrom“ nicht markenfähig – Zum Freihaltebedürfnis für Mitbewerber

veröffentlicht am 19. September 2011

BPatG, Beschluss vom 10.08.2011, Az. 26 W (pat) 6/11
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG

Das BPatG hat entschieden, dass die Wortkombination „primaklimastrom“ nicht als Wortmarke für Energiedienstleistungen / -waren eingetragen werden kann. Dem angemeldeten Begriff fehle es an Unterscheidungskraft, da der Verbraucher ihn lediglich als Beschreibung für umweltfreundlich gewonnenen Strom verstehen werde. Darüber hinaus müsse der Begriff auch für Wettbewerber der Anmelderin freigehalten und dürfe nicht monopolisiert werden. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 002 539.5

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 10. August 2011 unter Mitwirkung des … beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes die angemeldete Wortmarke 30 2010 002 539.5

primaklimastrom

für die Waren und Dienstleistungen:

„Klasse 4: Elektrische Energie, Erdgas (Brennstoff);
Klasse 35: Vermittlung von Energie-, Strom-, Gas-, Wasserlieferungsverträgen; Dienstleistungen des Einzel-/Großhandels, auch über das Internet mit elektrischer Energie und Gas; Verbraucherberatung, Unternehmensberatung, betriebswirtschaftliche Beratung, alle im Zusammenhang mit dem Bezug und Verbrauch von elektrischer Energie, Gas oder Wasser;
Klasse 39: Durchleitung, Transport, Anlieferung, Weiterleitung und Verteilung von elektrischer Energie, Strom, Gas oder Wasser; Stromversorgung (Anlieferung); Versorgung mit Gas (Anlieferung);
Klasse 40: Erzeugung von Energie; Erzeugung von Gas durch Umwandlung von Stoffen;
Klasse 42: wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen insbesondere im Energiebereich; ingenieurtechnische Leistungen auf dem Gebiet der Erzeugung von Strom und Erdgas; Beratung auf dem Gebiet der Energieeinsparung; technische Beratung im Zusammenhang mit dem Bezug und Verbrauch von Energie; Gas oder Wasser“

unter Vorlage von Belegen mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem Zeichen das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Das Markenwort bestehe aus der allgemein verständlichen Kombination der gebräuchlichen Wörter „prima“, „Klima“ und „Strom“, erschöpfe sich in einer Summenwirkung dieser Elemente und beschreibe die beanspruchten Waren und Dienstleistungen auf dem Energiesektor schlagwortartig als klima- bzw. umweltfreundlich.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, das angemeldete Markenwort sei mehrdeutig und werde trotz seiner beschreibenden Bedeutung von den betroffenen Verkehrskreisen unter anderem als Herkunftshinweis wahrgenommen. Sie verweist auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs „Vorsprung durch Technik“ (EuGH GRUR 2010, 228 – 231) sowie des 26. Senats des Bundespatentgerichts „Energie mit Ideen“ (BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 71/09).

Die Anmelderin beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 2. Dezember 2010 und 27. Juli 2010 aufzuheben.

Ergänzend wird auf die Akte des Deutschen Patent- und Markenamtes Az. 30 2010 002 539.5 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Einer Eintragung des angemeldeten Zeichens stehen die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegen.

„Primaklimastrom“ fehlt das zu einer Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Denn der durch die Dienstleistungen eines Energieversorgers angesprochene allgemeine Endverbraucher wird das insoweit zugleich freihaltebedürftige Zeichen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ausschließlich als werbeüblichen Sachhinweis auf klimafreundlich erzeugten elektrischen Strom und dessen umweltgerechten Verbrauch auffassen, in ihm jedoch keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen.

Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdn. 45 – Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 – Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 – Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397 Rdn. 18 – FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 – EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 – SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608 Rdn. 60 – Libertel). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rdn. 28 – FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, setzt sich das angemeldete Zeichen aus den allgemein verständlichen Begriffen „prima“, „Klima“ und „Strom“ zusammen, wobei der Begriff „Strom“ zum einen elektrischen Strom, zum anderen einen großen Fluss mit einer Länge über 500 km, einem Einzugsgebiet von über 1000 km2 und einer Mittelwasserabflussmenge von über 2000 m2/s, sowie in der Geologie eine auflagernde, nach unten deutlich begrenzte Gesteinsmasse bezeichnet, deren Form durch Gleitbewegung entstanden ist. Zugleich ist „Strom“ der niederdeutsche Ausdruck für „Wirtschaftseleve, junger Gutsverwalter“ (vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, 17. Auflage 1973, Bd. 16, 18).

Den zuletzt genannten, möglichen weiteren Begriffsinhalten von „Strom“ kommt jedoch keine Bedeutung zu, wenn „Strom“, wie hier, als Beatandteil der Wortkombination „primaklimastrom“ in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen verwendet wird. Denn der von den Waren „elektrische Energie, Erdgas (Brennstoff)“ und den Dienstleistungen eines Energieversorgers angesprochene, allgemeine, aufmerksame Durchschnittsverbraucher wird „primaklimastrom“ in Verbindung mit diesen Dienstleistungen ausschließlich als werbeüblichen Hinweis auf klimafreundlich erzeugten elektrischen Strom und dessen umweltgerechten Verbrauch verstehen. Potentiellen Kunden wird durch das angemeldete Markenwort suggeriert, ihre Entscheidung für einen bestimmen Energieversorger und eine bestimmte Art des Energieverbrauchs verhindere künftig, dass ihr privater Energieverbrauch mittelbar zu globalen Klimaveränderung oder zu einer Zerstörung der Umwelt beitrage. Bereits die Markenstelle hat unter Voralge von Belegen zutreffend festgestellt, dass der Verkehr an diese Art der Werbung ebenso wie an die im Markenwort verwendete Begriffsbildung gewöhnt ist, weil zueinander im Wettbewerb stehende Energieversorger ihre Waren und Dienstleistungen am Markt den angesprochenen allgemeinen Verbrauchern gegenüber häufig mit Wortkombinationen wie „Prima Klima“, „Prima Klima Energie“ und „Klima Strom“ bewerben.

Die Anmelderin vermag sich nicht mit Erfolg darauf zu berufen, dass es sich bei der angemeldeten Wortfolge um eine sprachliche Neuschöpfung handle, die lexikalisch nicht nachweisbar sei. Dieser Umstand ist für sich genommen nicht ausreichend, um die Eintragungsfähigkeit der Prüfmarke zu begründen. Der Verkehr ist es nämlich gewohnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Auch bisher noch nicht gebräuchliche, gleichwohl verständliche Bezeichnungen eignen sich zur Verwendung als beschreibende Angabe (vgl. Hacker, Ströbele/Hacker Markengesetz, 9. Aufl., § 8 Rdn. 117).

Die von der Anmelderinin ihrer Beschwerdebegründung zitierten Entscheidungen betreffen im Unterschied zur hier angemeldeten Wortkombination Slogans. Anders als der Slogan „Energie mit Ideen“ beschreibt „primaklimastrom“ eindeutig Merkmale des erzeugten elektrischen Stroms, nämlich die Auswirkungen seiner Erzeugung auf das meteorologische Klima und seinen Verwendungszweck. Der angesprochene Verkehr wird das Zeichen daher lediglich als Sachhinweis in diesem Sinne, aber nicht zugleich als Herkunftshinweis auffassen.

Die merkmalsbeschreibende Angabe „primaklimastrom“ ist für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 4, 35, 39, 40 und 42 schließlich zugleich freihaltebedürftig i. S. d. 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, weil ihre Verwendung in der Funktion eines Sachhinweises auf klimafreundlich erzeugten Strom und dessen umweltgerechten Verbrauch für diese Waren und Dienstleistungen auch Wettbewerbern der Anmelderin unbenommen bleiben muss.

Aus diesen Gründen hat die Beschwerde keinen Erfolg.

I