BPatG: Wortmarke „Eigenheimat“ ist als originelle Begriffsverschmelzung für Bauleistungen eintragungsfähig

veröffentlicht am 21. September 2012

BPatG, Beschluss vom 14.08.2012, Az. 33 W (pat) 92/10
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

Das BPatG hat entschieden, dass für die Wortmarke „Eigenheimat“ für den Bereich von Bauleistungen keine Schutzhindernisse für die Eintragung bestehen. Durch die Verschmelzung von „Eigenheim“ und „Heimat“ sei der Begriff keine bloß beschreibende Angabe. Durch den Gegensatz, wie ein Ort „Eigenheim“ und „Heimat“ (Privatsphäre und vertrauter sozialer Raum) gleichzeitig sein könne, sei eine Interpretation der Bedeutung erforderlich. Dadurch ergebe sich die erforderliche Herkunftsfunktion und Unterscheidungskraft. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 21 945.3

hat der 33. Senat (Markenbeschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch … am 14. August 2012 beschlossen:

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 22. Juni 2009 und vom 6. August 2010 aufgehoben.

Gründe

I .
Die Anmelderin hat am 2. April 2007 die Wortmarke

Eigenheimat

für die nachfolgenden Dienstleistungen angemeldet:

Klasse 35: Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich organisatorische Vorbereitung von Bauvorhaben; Unternehmensberatung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Werbung und Marketing für Immobilien;

Klasse 36: Finanzwesen; Immobilienwesen; Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich finanzielle Vorbereitung von Bauvorhaben; Versicherungswesen; Finanzierungsberatung; Finanzierungsvermittlung; Immobilienverwaltung sowie Vermittlung, Vermietung und Verpachtung von Immobilien;

Klasse 37: Bauwesen; Installationsarbeiten; Reparaturen an Gebäuden; Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich Durchführung von Bauvorhaben;

Klasse 42: Dienstleistungen eines Architekten und Bauingenieurs; Bauberatung; Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich technische Vorbereitung von Bauvorhaben;

Die Markenstelle für Klasse 36 hat mit Beschlüssen vom 22. Juni 2009 und vom 6. August 2010 (letzterer im Erinnerungsverfahren) die Anmeldung zurückgewiesen, da dem schutzsuchenden Zeichen im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG jegliche Unterscheidungskraft fehle.

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, dass das angemeldete Zeichen schutzfähig sei. Es handle sich um eine originelle Wortneuschöpfung ohne klaren, fassbaren Begriffsinhalt.

Die Anmelderin beantragt,

1. die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 6. August 2010 und vom 22. Juni 2009 aufzuheben;
2. hilfsweise: Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1.
Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist nicht gegeben.

a)
Ein Zeichen kann dann zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen, wenn sich aus ihm eine unmittelbar beschreibende Angabe ergibt, die von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne analysierende Betrachtung verstanden wird (EuGH GRUR 2010, 534 Nr. 29 – PRANAHAUS; BPatG vom 28.2.2012, 33 W (pat) 67/10 Nr. 47 – Software SecurITy-Police). Geht es – wie hier – um ein Wort, das aus geläufigen sachbezogenen Elementen zusammengesetzt ist, dann kommt es darauf an, ob das Publikum die Marke in ihrer Gesamtheit als beschreibend wahrnimmt. Aus einem beschreibenden Charakter der einzelnen Elemente darf nicht auf die Schutzunfähigkeit der Wortkombination geschlossen werden (EuGH GRUR 2004, 943 Nr. 28 – SAT.2; EuGH GRUR 2008, 608 Nr. 41 – EUROHYPO).

b)
Eine unmittelbar beschreibende, ohne weiteres verständliche Angabe enthält das Wort „Eigenheimat“ mit Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen nicht.

aa)
„Eigenheimat“ ist kein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache. Das Wort wird im Duden nicht aufgeführt; und für seinen Gebrauch lassen sich nur wenige Fundstellen nennen, wie sie sich als Anlagen zum Beschluss des Erinnerungsprüfers aus der Behördenakte ergeben:

In einem 2005 veröffentlichten Aufsatz von Eduard Führ mit der Überschrift „Eigenheim und Eigenheimat“ wird das Wort nicht nur in der Überschrift, sondern einmal auch im Text verwendet, aber nicht definiert, und bleibt ohne erkennbare Bedeutung.

Ein Zeitungsartikel, der eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst zum Thema „Heimaten“ bespricht, ist mit „Eigenheimat“ überschrieben; im Text kommt das Wort nicht vor.

Eine Glosse in der Märkischen Allgemeinen vom Juli 2009 über die Tücken des Eigenheimbaus ist mit „Eigenheimat“ überschrieben. Auch hier kommt das Wort im Text nicht mehr vor.

bb)
Es wäre zwar denkbar, eine „Eigenheimat“ für eine besondere Art Heimat zu halten, namentlich für eine eigene Heimat im Gegensatz zur „Fremdheimat“ oder „fremden Heimat“. Allerdings sind auch die Begriffe „Fremdheimat“ oder „fremde Heimat“ wenig geläufig. Eine „fremde Heimat“ kann ein Ort sein, an dem man zwar geboren und aufgewachsen ist oder dauerhaft lebt, aber sich dennoch nicht zuhause fühlt, oder aber ein Ort, den man als Heimat empfindet, obwohl man nicht von dort stammt und dort auch nicht dauerhaft lebt. Mit anderen Worten: Eine „fremde Heimat“ kann ein Ort sein, der in mancher Hinsicht Heimat ist, aber in anderer Hinsicht als fremd erscheint.

Im Gegensatz dazu könnte eine „Eigenheimat“ ein Ort sein, der nicht nur in gewissen Aspekten, sondern in jeder Hinsicht Heimat ist, also eine Heimat, die gar nichts Fremdes hat. Diese Bedeutung erschließt sich jedoch nicht unmittelbar, sondern erst durch analysierende Betrachtung. Sie erscheint außerdem mit Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen als vage, unbestimmt und gefühlsbetont.

Zudem unterscheidet sich das Wort „Eigenheimat“ von der eher geläufigen Wortfolge „eigene Heimat“ dadurch, dass es sich erkennbar als originelle Verschmelzung von „Eigenheim“ und „Heimat“ darstellt. „Eigenheimat“ muss nicht zwingend eine „eigene Heimat“ sein. Es kann sich auch um ein Eigenheim in der Heimat handeln, oder um einen Ort, der Eigenheim und Heimat zugleich ist.

cc)
Eine greifbare Bedeutung des Wortes „Eigenheimat“ ergibt sich nicht aus den beiden Bestandteilen, die darin verschmolzen sind, nämlich „Eigenheim“ und „Heimat“. Das Wort „Eigenheimat“ ist auch in der Bedeutung als „ein Ort, der Eigenheim und Heimat gleichzeitig ist“, nicht klar und unmittelbar verständlich.

Die beiden Elemente „Eigenheim“ und „Heimat“ sind zwar durch den gemeinsamen Bestandteil „Heim“ / „heim“ miteinander verwandt und weisen damit übereinstimmend auf ein Zuhause und etwas Vertrautes hin. Sie stehen jedoch insofern in einem gewissen Gegensatz zueinander, als unter „Heimat“ auch und vor allem ein sozialer Raum verstanden wird:

Heimat wird unter anderem definiert als die „seit früher Kindheit bestehende Vertrautheit mit einer bestimmten kulturellen und sozialen Struktur“, die „Vertrautheit mit einem bestimmten, gemeinschaftlich gefärbten Sozialzusammenhang“, ein „Gefälle engerer und weiterer Kreise, die sich von der Wohnung ausgehend konzentrisch erweitern“, ein „Bündel komplexer Zugehörigkeiten zu einer ständigen Umwelt“. Heimat habe stets eine soziale Dimension (vgl. Andrea Lobensommer, Die Suche nach „Heimat“, Diss. München 2010, S. 63 ff.).

Es mag zwar vorkommen, dass ein Haus oder eine Wohnung als „Heimat“ bezeichnet wird. Das dürfte jedoch ein eher unüblicher Gebrauch des Wortes sein. Überwiegend wird unter „Heimat“ ein Ort verstanden, an dem man über die eigene Familie hinaus „unter Menschen zuhause“ ist. Somit stehen das „Eigenheim“ als Privatsphäre, aus der man andere ausschließen kann, und die „Heimat“ als sozialer Raum in einem Gegensatz zueinander. Wie ein Ort „Eigenheim“ und „Heimat“ (Privatsphäre und vertrauter sozialer Raum) gleichzeitig sein kann, ist nicht ohne analysierende Betrachtung verständlich.

2.
Entgegen der Auffassung der Markenstelle sind auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht erfüllt.

a)
Eine unmittelbare Beschreibung setzt § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht voraus. Vielmehr genügt hier – wovon die Markenstelle im Ansatz zutreffend ausgeht – ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen; denn wenn ein solcher vorliegt, sieht der Verkehr in dem Zeichen kein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren und Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2009, 411 Nr. 9 – STREETBALL; BGH GRUR 2009, 952 Nr. 10 – DeutschlandCard; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage § 8 Rn. 68 f.).

b)
Das Wort „Eigenheimat“ weist keinen engen beschreibenden Bezug auf.

aa)
Dem Wort lässt sich, wie oben dargelegt, keine Sachaussage entnehmen. Im Gegenteil erscheint es mehrdeutig und interpretationsbedürftig und bedarf der Auslegung, die zu unterschiedlichen, sich nicht unmittelbar erschließenden Ergebnissen führen kann. Neben der Mehrdeutigkeit und der Interpretationsbedürftigkeit sprechen auch Kürze, Originalität und Prägnanz (vgl. zu diesen Kriterien BGH GRUR 2009, 949 Nr. 12 – My World; BGH GRUR 2012, 270 Nr. 11 – Link economy) dafür, dass ein hinreichendes Maß an Unterscheidungskraft vorliegt. Der Umstand, dass die beiden Wortelemente „Eigenheim“ und „Heimat“ geläufig sind und jeweils für sich genommen einen deutlichen Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen aufweisen, reicht angesichts der originellen und mehrdeutigen Verschmelzung dieser Elemente nicht aus, um die Annahme zu stützen, dass die angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen nicht als Herkunftshinweis verstehen werden.

bb)
Das Fehlen der Unterscheidungskraft ergibt sich nicht daraus, dass das Publikum „Eigenheimat“ als falsche Schreibweise von „Eigenheim“ auffassen, also die beiden letzten Buchstaben überlesen oder ignorieren könnte. Das Wort „Heimat“ ist so klangvoll und bedeutungsschwer, dass es kaum überlesen werden wird, zumal wenn es 6 von 11 Buchstaben und zwei von vier Silben des Gesamtwortes stellt. Auch das Verständnis als „Eigenheime in Österreich“ (mögliche Internetadresse: www.eigenheim.at) liegt aus der Sicht der inländischen Verkehrskreise fern. Dem schutzsuchenden Zeichen kann aus diesen Gründen die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

I