BVerfG: Pressefotograf muss seine Bilder vor Abgabe an einen Verlag nicht verpixeln

veröffentlicht am 10. Juli 2020

BVerfG; Beschluss vom 23.06.2020, Az. 1 BvR 1716/17
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, § 23 Abs. 2 KunstUrhG

Das BVerfG hat entschieden, dass ein Journalist nicht verpflichtet ist, von ihm aufgenommene Bildaufnahmen von Personen vor einer Weitergabe an einen Presseverlag zu verpixeln. Denn es liege jedenfalls in der Regel in der Verantwortung der jeweiligen Redaktionen, bei einer Veröffentlichung von Bildaufnahmen die Rechte der Abgebildeten zu wahren, über die hierzu nötige Fachkunde zu verfügen und die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Zum Volltext der Entscheidung:


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Bundesverfassungsgericht

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
des Herrn H…,

gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 02.06.2017, Az. III-1 RVs 93/17
b) das Urteil des Landgerichts Aachen vom 07.09.2016, Az. 71 Ns-2 Js 1508/14-15/16
c) das Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 29.10.2015, Az. 447 Ds-2 Js 1508/14-249/15

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch … am 23.06.2020 einstimmig beschlossen:

Die Urteile des Amtsgerichts Aachen vom 29.10.2015 – 447 Ds-2 Js 1508/14-249/15 – und des Landgerichts Aachen vom 07.09.2016 – 71 Ns-2 Js 1508/14-15/16 – sowie der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Juni 2017 – III-1 RVs 93/17 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Pressefreiheit gemäß Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.

Die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts werden aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Berufung an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe:

I.

1. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die strafgerichtliche Verurteilung eines Journalisten wegen der Weitergabe einer Bildaufnahme einer Person an eine Presseredaktion zum Zweck der Veröffentlichung. Die Fotoaufnahme, die einen dunkelhäutigen Patienten im Wartebereich eines Universitätsklinikums zeigt, war nach der Weitergabe unverpixelt unter der Überschrift „Ebola Panne in NRW? – Virus-Verdächtiger musste auf Klinik-Flur warten“ in der Online-Ausgabe einer großen deutschen Tageszeitung veröffentlicht worden. Zum Zeitpunkt der Weitergabe und der nachfolgenden Veröffentlichung waren die Ausbreitung des Ebola-Virus und die Sorge darum Themen, die in der Öffentlichkeit breite Aufmerksamkeit erfuhren. Unmittelbar nach Anfertigung des Bildnisses in der Klinik und im weiteren Nachgang war der Beschwerdeführer von dem Abgebildeten, der behandelnden Ärztin und der herbeigerufenen Polizei zur Löschung aufgefordert worden. Unter Hinweis auf seine berufliche Tätigkeit als Journalist verweigerte er die Löschung, weil er anhand des Fotos die aus seiner Sicht unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen des Universitätsklinikums bei Ebola-Verdachtsfällen öffentlich dokumentieren wollte. Vor der Weitergabe an die veröffentlichende Presseredaktion hatte der Beschwerdeführer das Bildmaterial unter Erläuterung des Entstehungskontextes mehreren anderen Nachrichtenredaktionen angeboten, die eine Veröffentlichung jeweils abgelehnt hatten. Bei der Weitergabe des nicht verpixelten Bildmaterials an den ihm persönlich bekannten Redakteur des veröffentlichenden Presseorgans wurde die Frage der Verpixelung im Fall einer Veröffentlichung nicht thematisiert.

2. Aufgrund dieser Vorgänge verurteilte das Amtsgericht den Beschwerdeführer wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses gemäß §§ 22 f., 33 KunstUrhG zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen. Es handele sich nicht um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, sodass eine Verbreitung ohne Einwilligung des Abgebildeten rechtswidrig und strafbar gewesen sei.

3. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft und des Beschwerdeführers hin verurteilte das Landgericht den Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen. Zwar handele es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Die Weitergabe an den ihm persönlich bekannten Presseredakteur stelle sich jedoch auf Grundlage einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen als unbefugtes Verbreiten im Sinne des § 23 Abs. 2 KunstUrhG dar. Der Abgebildete habe in keiner Weise die Bildaufnahme selbst veranlasst und werde als Objekt des Umgangs der Klinikmitarbeiter mit Ebola-Verdachtsfällen dargestellt. Auch vermittelten die Aufnahmen höchstpersönliche Informationen über seinen Gesundheitszustand, sodass sich jede Form der den Betroffenen identifizierenden Berichterstattung und Abbildung verboten hätte. Eine befugte Verwendung oder Verbreitung des Bildnisses hätte daher eine weitergehende Verfremdung und Unkenntlichmachung vorausgesetzt, zumal in Anbetracht der hohen Auflagenzahl eine besondere Prangerwirkung von der Veröffentlichung ausgegangen sei. Die unverpixelte Veröffentlichung sei dem Beschwerdeführer auch zuzurechnen, weil er die bebilderte Berichterstattung selbst veranlasst und angestrebt habe. Es hätte ihm daher oblegen, die Unkenntlichmachung in geeigneter Weise sicherzustellen. Es reiche nicht aus, dass er sich darauf verlassen habe, dass die Voraussetzungen zulässiger Bildberichterstattung seitens der die Bilder empfangenden und veröffentlichenden Redaktion beachtet würden. Er habe vielmehr eine unverpixelte Veröffentlichung bewusst inkauf genommen.

4. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet. Zwar habe das Landgericht nicht sauber zwischen der Weitergabe an die Redaktion und der späteren Veröffentlichung mitsamt ihrer persönlichkeitsrechtsverletzenden Folgen getrennt. Tatbestandsmäßige Verbreitungshandlung sei allein die Weitergabe an die Redaktion. Bereits darin liege jedoch ein Verbreiten im Sinne der §§ 22, 23 KunstUrhG, in dessen Rahmen auch zuliefernde Journalisten Sorgfaltspflichten in Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte Betroffener zu wahren hätten. Dadurch würden keine unzumutbaren, die Pressearbeit unzulässig erschwerenden Anforderungen gestellt. Insbesondere bleibe auch eine unverpixelte Weitergabe an Redaktionen möglich. Zur Erfüllung der Pressefotografen und Journalisten obliegenden Sorgfaltspflichten könne es bereits genügen, dass sie im Zuge der Weitergabe an eine Redaktion nachhaltig und unmissverständlich auf eine Unkenntlichmachung beziehungsweise Verfremdung hinwirkten. Dies habe der Beschwerdeführer nach den tatrichterlichen Feststellungen aber nicht getan.

5. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Pressefreiheit. Eine Weitergabe von Bildmaterial im Rahmen der Vorbereitung von Presseveröffentlichungen sei als Internum bereits nicht als „Verbreiten“ im Sinne des KunstUrhG zu bewerten. Jedenfalls habe die gebotene Grundrechtsabwägung bezogen auf den Moment der Weitergabe des Bildmaterials an die Redaktion nicht stattgefunden und seien die Besonderheiten der Pressearbeit unberücksichtigt geblieben.

6. Das Ministerium der Justiz Nordrhein-Westfalen hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne des § 93c BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

1. Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen unbefugter Verbreitung eines Bildnisses greift in seine Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein. Dieses Recht schützt die Pressetätigkeit in sämtlichen Aspekten von der Sammlung von Informationen über die Vorbereitung bis hin zur Veröffentlichung. Das schließt die Bebilderung von Presseartikeln mitsamt der Beschaffung von Bildaufnahmen zum Zweck der Veröffentlichung ein (vgl. BVerfGE 97, 125 <144>; 103, 55 <59>; 120, 180 <196 f.>). Die Weitergabe der Bildaufnahmen an den persönlich bekannten Mitarbeiter der veröffentlichenden Redaktion geschah unter Erläuterung des Entstehungskontexts mit Blick auf eine spätere Veröffentlichung und ist demnach von diesem Schutz erfasst. Die strafrechtliche Sanktion knüpft an diese in den Schutzbereich fallende Handlung an und greift damit in die Pressefreiheit des Beschwerdeführers ein.

2. Dieser Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

a) Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Pressefreiheit seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Dazu gehören auch §§ 22, 23, 33 KunstUrhG (vgl. BVerfGE 120, 180 <199>), auf die sich die angegriffenen Entscheidungen stützen. Die Rüge des Beschwerdeführers, wonach gegenüber der strafrechtlichen Sanktionsnorm des § 33 KunstUrhG wegen der nicht hinreichend klar absehbaren Ergebnisse der im Rahmen der §§ 22 f. KunstUrhG geforderten Abwägungsentscheidungen Bestimmtheitsbedenken im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG bestünden, ist nicht hinreichend substantiiert; betreffend § 33 KunstUrhG sind die verfassungsrechtlichen Angriffe somit unzulässig. Allerdings kann eine unklare Absehbarkeit strafrechtlicher Sanktionen Einschüchterungseffekte auf die freie Pressetätigkeit begründen, die gegebenenfalls im Rahmen der grundrechtlichen Abwägung zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfGE 114, 339 <349 f.>).

Die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Schrankenregelungen der §§ 22, 23 KunstUrhG und des dadurch geschaffenen abgestuften Schutzregimes sowie die in diesem Rahmen eröffnete abwägende Zuordnung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen im Einzelfall obliegt den Fachgerichten (vgl. BVerfGE 120, 180 <199 f.> m.w.N.). Diese müssen dabei der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung berührten Grundrechtspositionen Rechnung tragen. Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob der Einfluss der Grundrechte, auf die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Normen und auf die Abwägung der kollidierenden Schutzgüter hinreichend beachtet wurde. Bei der Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern ist der Pressefreiheit – auch mit Blick auf Art. 10 Abs. 1 EMRK (vgl. dazu EGMR [GK], Axel Springer AG v. Deutschland, Urteil vom 7. Februar 2012, Nr. 39954/08, § 78 ff.) – ein besonderes Gewicht dort beizumessen, wo die Berichterstattung einen Beitrag zu Fragen von allgemeinem Interesse leistet (vgl. BVerfGE 20, 162 <177>, 120, 180 <203>). Andererseits ist im Rahmen der einfachrechtlichen Vorschriften dem jeweils im Einzelfall zu ermittelnden Schutzbedarf zugunsten der Persönlichkeit angemessen Rechnung zu tragen, etwa infolge einer besonderen Verbreitungswirkung oder bei Bildaufnahmen, die sehr persönliche Sachverhalte betreffen (vgl. BVerfGE 120, 180 <197 ff.>).

b) Die Auslegung und Anwendung der §§ 22 f., 33 KunstUrhG im vorliegenden Fall genügt diesen Vorgaben auch unter Berücksichtigung des hierbei bestehenden Wertungsrahmens nicht.

aa) Allerdings begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Gerichte die Weitergabe an die Redaktion zum Zweck einer späteren Veröffentlichung als „Verbreiten“ im Sinne der §§ 22 f. KunstUrhG gewertet haben. Diese Auslegung der anzuwendenden Vorschriften stellt insbesondere nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs infrage, wonach presseexterne Hilfsorgane, insbesondere Bildarchive, bei einer Weitergabe von Bildmaterial an Presseredaktionen keinen Prüfpflichten in Hinblick auf eine Veröffentlichung unterliegen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 – VI ZR 30/09 -, juris, Rn. 7-10). Diese Rechtsprechung betrifft, wie die angegriffenen Entscheidungen nachvollziehbar herausarbeiten, die Konstellation routinemäßiger Zulieferung von Bildmaterial, dessen Einsatzweise und konkreter Veröffentlichungskontext noch im Unklaren liegen. Inwieweit diese Rechtsprechung dem Anspruch nach auch für die strafgerichtliche Praxis greifen muss, obliegt der Entscheidung der Fachgerichte. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist allerdings zu bedenken, dass eine solche Verengung des „Verbreitungsbegriffs“ Betroffene vollständig aus dem gestuften Schutzkonzept der §§ 22 f. KunstUrhG ausnähme, sodass jede Form der – gegebenenfalls achtlosen – presseinternen Weitergabe an eine oder innerhalb einer Redaktion selbst bei Aufnahmen aus dem Intimbereich ohne jeglichen Öffentlichkeitswert strafrechtlich zulässig wäre. Die Gerichte durften demnach unter grundrechtlichem Gesichtspunkt davon ausgehen, dass Journalisten und Pressefotografen bei der Weitergabe von Bildmaterial an Presseredaktionen im Rahmen von § 23 Abs. 2 KunstUrhG bestimmten Prüf- und Vorsorgepflichten unterliegen. Sie durften damit zugrunde legen, dass nicht routinemäßige Zulieferer von Bildmaterial gehalten sein können, auf die Umstände, unter denen die Bildaufnahmen gemacht wurden, hinzuweisen, soweit diese für etwa notwendige Schutzvorkehrungen zugunsten der Betroffenen relevant sein können.

bb) Die angegriffenen Entscheidungen nehmen eine Abwägung jedoch teilweise überhaupt nicht vor, wählen dabei offenkundig den falschen Bezugspunkt und berücksichtigen die Besonderheiten des Pressewesens sowie der redaktionellen Arbeit und Verantwortung nicht in ausreichender Weise.

(1) Die Entscheidung des Amtsgerichts begegnet bereits deshalb durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sie die Bildaufnahme entgegen den beiden nachfolgenden Instanzen und trotz des damaligen erheblichen öffentlichen Informationsinteresses an den dokumentierten Vorgängen nicht dem Bereich der Zeitgeschichte zugeordnet hat. Zwar war der Verdacht mit Blick auf den Betroffenen letztlich unbegründet und basierte womöglich auch auf stereotypen Assoziationen. Dennoch muss es zulässig sein, dass die Presse über aus ihrer Sicht unzureichende hygienische und infektionsschützende Vorkehrungen öffentlicher Krankenhäuser anhand konkreter Beispiele auch ohne Zustimmung Betroffener bebildert berichten und sich entsprechendes Material beschaffen kann. Das wäre auf Grundlage der amtsgerichtlichen Beurteilung ausgeschlossen, weil bereits die Weitergabe an die Redaktion zum Zweck der Prüfung und weiteren Verwendung ohne Einwilligung strafbar wäre.

(2) Demgegenüber geht das Landgericht zwar zutreffend von einem zeitgeschichtlichen Ereignis aus und nimmt im Rahmen des § 23 Abs. 2 KunstUrhG eine Abwägung vor. Es begründet eine Verletzung der berechtigten Interessen des Abgebildeten jedoch in erster Linie mit der erheblichen Stigmatisierung und öffentlichen Bloßstellung des Abgebildeten durch die spätere unverpixelte Veröffentlichung. Da dem Beschwerdeführer jedoch nur die Weitergabe an den Presseverlag vorgeworfen wird und werden kann, hat das Gericht damit einen Umstand als abwägungsmaßgeblich bewertet, der zum Zeitpunkt der tatbestandlichen Weitergabe an die Presseredaktion weder vorhanden war noch sich abzeichnete. Zwischen den Risiken und Schäden aus einer Weitergabe an die Presse und denjenigen aus einer späteren Veröffentlichung wäre nämlich, wie das Oberlandesgericht zutreffend feststellt, zu differenzieren gewesen. Angesichts dieses falschen Bezugspunkts der Abwägung gehen die wesentlichen Erwägungen des Landgerichts, die einen Verstoß gegen berechtigte Interessen des Abgebildeten begründen könnten, ins Leere.

(3) In Abgrenzung dazu knüpft das Oberlandesgericht bei der im Rahmen des § 23 Abs. 2 KunstUrhG geforderten Abwägung zwar zutreffend allein an die Weitergabe und deren Risiken an. Die vom Gericht angeführten Gesichtspunkte berücksichtigen jedoch die Arbeits- und Verantwortungsstrukturen der Pressearbeit und vorangehender Recherchen nicht in ausreichender Weise. Sie können – jedenfalls in dieser Form – einen Verstoß gegen die im Rahmen der Weitergabe zu beachtenden journalistischen Sorgfaltspflichten nicht begründen. Besondere Umstände, die eine achtlose, konkret interessenverletzende und damit rechtswidrige Weitergabe der Bildaufnahmen an die veröffentlichende Redaktion belegen könnten, sind von den Tatsacheninstanzen nicht festgestellt. Insbesondere die fehlende Verpixelung der Bildaufnahmen ist kein Umstand, aus dem sich eine Verletzung von Sorgfaltspflichten im Zeitpunkt der Weitergabe ergeben könnte. Denn angesichts der presserechtlich gebotenen Prüfung und Verantwortung der veröffentlichenden Redaktion kann eine Verpixelung schon bei einer Weitergabe von Fotos durch Journalisten an die Presse grundsätzlich nicht verlangt werden. Ein Verschweigen erheblicher Umstände, etwa des Widerspruchs des Betroffenen gegen die Herstellung der Bildaufnahmen oder der Löschungsaufforderungen seitens der Klinikmitarbeiter, ist gerichtlich nicht festgestellt. Das Oberlandesgericht behauptet zwar im Rahmen der Abwägung, dass nur der Beschwerdeführer vom Widerspruch des Betroffenen gewusst habe (S. 6 des Beschlusses). Dies ergibt sich jedoch weder aus den bindenden Feststellungen des Landgerichts noch aus der Strafverfahrensakte im Übrigen und konnte der Abwägung daher nicht zugrunde gelegt werden. Auch der vom Oberlandesgericht angeführte Umstand, dass der Beschwerdeführer die Verpixelung im Rahmen der Weitergabe nicht angesprochen hat, kann bei einer Übermittlung von Bildaufnahmen an eine professionelle Redaktion nicht als Verstoß gegen journalistische Sorgfaltspflichten gelten. Denn es liegt jedenfalls in der Regel in der Verantwortung der jeweiligen Redaktionen, bei einer Veröffentlichung von Bildaufnahmen die Rechte der Abgebildeten zu wahren, über die hierzu nötige Fachkunde zu verfügen und die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Andere im Zeitpunkt der tatbestandlichen Verbreitungshandlung bestehende Besonderheiten oder Risiken der Weitergabe an die Redaktion führt das Oberlandesgericht nicht an. Es erschließt sich damit nicht, weshalb bereits die Weitergabe der unverpixelten Bildaufnahmen an die Presseredaktion aus Sicht des Oberlandesgerichts – trotz der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Verbreitung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG – berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzte.

3. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Zum Zweck der Beschleunigung des Verfahrens und zur Vermeidung einer neuerlichen Verhandlung in zwei Tatsacheninstanzen waren nur die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts aufzuheben und war in die Berufungsinstanz zurückzuverweisen. Insoweit wird insbesondere zu klären sein, ob der Beschwerdeführer die Presseredaktion auf den für die Wahrung der Rechte des Betroffenen bei einer Veröffentlichung relevanten Umstand hinwies, dass dieser der Aufnahme von Fotos ausdrücklich widersprochen hatte. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen werden. Wegen der festgestellten Verletzung der Pressefreiheit des Beschwerdeführers kann offenbleiben, ob seine weiteren Grundrechtsrügen durchgreifen.

4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

I