Die SPD hatte sich kürzlich aufgerafft, etwas mehr Farbe in ihre Oppositionsrolle zu bringen, dies in Gestalt einer sog. „Kleinen Anfrage“ bei der Bundesregierung zum Abmahn(un)wesen – einem zielsicheren Thema, bei dem die Volksseele kocht. Die Regierung hat nun ihre Antworten gegeben und diese zeigen das geballte Wissen der gegenwärtigen Exekutive um die rechtlichen Nöte des Onlinehandels:
SPD:
„5. Welche Aufgaben haben aus Sicht der Bundesregierung die Betreiber von virtuellen Marktplätzen an der Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen?“
Was wollte die SPD wissen?
Da eBay nicht als Beauftragter des Staates tätig ist, stellt sich die Frage, ob die SPD von der Bundesregierung allen Ernstes erfahren wollte, welche gesellschaftpolitische Aufgabe dem Marktplatzbetreiber zukommt. Vielleicht wollte die SPD von der Bundesregierung nur wissen, ob eBay seinen handelnden Mitgliedern eine rechtskonforme Widerrufsbelehrung vorlegt? Oder war gefragt, ob Amazon sich anschickt, das deutsche Wettbewerbsrecht zu beachten, um seine preislich gleichgeschalteten Onlinehändler zu animieren, zeitnah entsprechend zu verfahren? Die Bundesregierung antwortete, wie die SPD gefragt hatte – weltfremd:
Bundesregierung:
„Sie können Wettbewerbsverstöße von Mitbewerbern, die den lauteren Wettbewerb und Verbraucherrechte beeinträchtigen, abmahnen.„
Diese Antwort zeigt, das man „oben“ – demokratisch legitimiert – nicht weiß, was „unten“ passiert. Abgesehen von Amazon sind es weniger die Marktplatzbetreiber, die schon mal gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen, als ihre gewerblich tätigen Mitglieder, die sich untereinander beharken – mitunter, weil die Betreiber der Marktplätze sich zu schnöde sind, dort den rechtlichen Anforderungen entsprechende technische Möglichkeiten, etwa für Pflichtinformationen, einzurichten.
SPD:
„10. Gibt es Überlegungen, den „fliegenden Gerichtsstand“ einzuschränken? Sieht die Bundesregierung in einer Abschaffung des fliegenden Gerichtstands zumindest auch eine Möglichkeit zur Entschärfung des Abmahnmissbrauchs, indem der Abmahnende sich nicht mehr ein Gericht aussuchen kann, das die ihm günstige Rechtsauffassung teilt?“
Bundesregierung:
„Die Einschränkung des „fliegenden Gerichtsstands“ für den Bereich des UWG ist eine der Möglichkeiten, die von der Bundesregierung derzeit geprüft werden.“
Richtig. Und das hatte sie doch schon einmal Ende 2008 geprüft? (Heise). Allerdings offensichtlich etwas ergebnisoffener als es bereits der Deutsche Richtertag getan hat.
Auch im Bereich „Filesharing-Abmahnungen“ glänzt man mit Wissen und ungebändigtem Aktionswillen:
SPD
„11. Wie sehen die ersten Erfahrungen mit dem neuen § 97a des Urheberrechtsgesetzes aus, der in bestimmten Fällen die ersatzfähigen Aufwendungen auf 100 Euro beschränkt?
Inwieweit haben sich die Begriffe „erstmalige Abmahnung“, „einfach gelagerte
Fälle“ und „unerhebliche Rechtsverletzung“ dieser Norm in der
Praxis nach Auffassung der Bundesregierung bewährt?“
Regierung:
„Die Regelung berücksichtigt in vertretbarer Weise die Interessen der Rechtsinhaber und der Verbraucher. Zwar zeigen erste Urteile, dass einzelne Tatbestandsmerkmale von den erstinstanzlichen Gerichten unterschiedlich ausgelegt werden. Eine Vereinheitlichung wird jedoch – wie stets – durch die höchstinstanzliche Rechtsprechung herbeigeführt werden.“
Et hätt noch immer joot jejange. Die Bundesregierung stört es wenig, dass Filesharer unter mitunter zweifelhaften Umständen für den unerlaubten Download eines Musikstücks ihr Monatsgehalt auf den Tisch des Abmahners zu legen haben und kaum über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, die Angelegenheit zum BGH zu treiben, soweit dies überhaupt von der Vorinstanz zugelassen wird. Der BGH wird es also schon irgendwann richten. Bei einer Verfahrensdauer von 4 – 6 Jahren (von der ersten zur letzten Instanz) finden wir die Entscheidung der Bundesregierung, der Sache ihren Lauf zu lassen, wählerorientiert und verbrauchernah. Und im Übrigen eine Bankrotterklärung des Staates.